TE Vfgh Erkenntnis 1998/9/30 WII-1/98

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Veröffentlicht am 30.09.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/03 Nationalrat, Bundesrat

Norm

B-VG Art141 Abs1 litc
GOG NR §2 Abs1 Z2

Leitsatz

Verlustigerklärung des Mandats des Abgeordneten Peter Rosenstingl auf Antrag des Nationalrates; verhängte Auslieferungshaft im Hinblick auf die Möglichkeit der Rückkehr nach Österreich kein tauglicher Rechtfertigungsgrund für die Abwesenheit des Abgeordneten von den Sitzungen des Nationalrates

Spruch

Dem Antrag des Nationalrates wird stattgegeben. Das Mitglied des Nationalrates Peter Rosenstingl wird seines Mandates im Nationalrat für verlustig erklärt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Eingabe an den Verfassungsgerichtshof vom 20.7.1998 hat der Präsident des Nationalrates namens dieses Vertretungskörpers den Antrag gestellt, den Abgeordneten zum Nationalrat Peter Rosenstingl seines Mandates für verlustig zu erklären. Begründend wird dazu - unter Anschluss einer Reihe von Beilagen - im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Sachverhalt

Wie der Präsident des Nationalrates vor Ende der 118. Sitzung des Nationalrates am 12. Mai 1998 feststellte, blieb der Abgeordnete Peter Rosenstingl dieser Sitzung unentschuldigt fern. Auch den weiteren Sitzungen des Nationalrates am 13., 14., 15., 26., 27. und 28. Mai blieb der Abgeordnete Peter Rosenstingl unentschuldigt fern, was der Präsident jeweils vor Ende der Sitzung feststellte ...

Von Rechtsanwalt Dr. Georg Zanger langte am 15. Juni 1998 - also nach Ablauf der 30-Tage-Frist gem. §11 Abs4 GOG-NR - ein Schreiben ... ein, in dem er sich darauf berief, daß er die rechtsfreundliche Vertretung des Abgeordneten Rosenstingl übernommen habe. Hinsichtlich des Fernbleibens von Abgeordnetem Rosenstingl von den Sitzungen des Nationalrates brachte er im wesentlichen vor, daß dieser nicht in Fluchtabsicht nach Brasilien ausgereist sei. Derzeit befinde sich der Genannte in Auslieferungshaft in Brasilien. Nach der Rückkehr aus Brasilien werde der Abgeordnete Rosenstingl wieder an den Sitzungen des Nationalrates teilnehmen und sich allenfalls aus der U-Haft ... vorführen lassen.

Gegen die Triftigkeit des oben angeführten Grundes der Verhinderung des Abgeordneten Peter Rosenstingl, an den Sitzungen des Nationalrates teilzunehmen, wurden von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Mag. Ewald Stadler schriftliche Einwendungen vorgebracht.

Das Amtliche Protokoll der 127. Sitzung des Nationalrates vom 16. Juni 1998 ... hält folgendes fest:

'Der Präsident des Nationalrates teilt mit, daß der Abgeordnete Rosenstingl vor dem 28. April 1998 das Staatsgebiet der Republik Österreich freiwillig verlassen hat, sich nach Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres derzeit in Brasilien aufhält und zu den Plenarsitzungen des Nationalrates im Monat Mai unentschuldigt nicht erschienen ist.

Der Präsident verliest die wesentlichen Teile des am 15. Juni 1998 eingelangten Entschuldigungsschreibens ... des Rechtsanwaltes Dr. Zanger, welches an alle Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

Es liegen schriftliche Einwendungen gegen die Triftigkeit der im Entschuldigungsschreiben des Herrn Dr. Zanger genannten Gründe vor.

Einstimmig beschließt der Nationalrat gemäß §11 Abs4 GOG, daß der Abgeordnete Rosenstingl aufzufordern ist, unverzüglich an den Sitzungen des Nationalrates wieder teilzunehmen.

Damit wurde den Einwendungen Rechnung getragen und die Triftigkeit der geltend gemachten Gründe vom Nationalrat ausdrücklich verneint.

Der Präsident richtet daher an den Abgeordneten Rosenstingl im Sinne des §11 Abs4 der Geschäftsordnung die Aufforderung, unverzüglich an den Sitzungen des Nationalrates wieder teilzunehmen, und fordert ihn im besonderen gemäß §2 Abs1 Z2 der Geschäftsordnung öffentlich auf, binnen weiterer 30 Tage im Plenum des Nationalrates zu erscheinen oder seine Abwesenheit zu rechtfertigen.

Der Präsident ersucht den Österreichischen Rundfunk, über diese Aufforderung im Sinne seines Programmauftrags zu berichten.'

Diesem Ersuchen des Präsidenten des Nationalrates wurde vom Österreichischen Rundfunk in zahlreichen Nachrichtensendungen Rechnung getragen.

Die oberwähnten Aufforderungen gemäß den §§2 Abs1 Z2 und 11 Abs4 GOG wurden auch dem Rechtsvertreter des Abgeordneten Rosenstingl übermittelt.

Ungeachtet dieser Aufforderung blieb Abgeordneter Rosenstingl auch den weiteren Sitzungen des Nationalrates am 16., 17. und 18. Juni sowie am 7., 8., 9. und 17. Juli 1998 unentschuldigt fern; der Präsident des Nationalrates stellte dies jeweils vor Ende der Sitzung fest ...

Am 15. Juli 1998 langte in der Parlamentsdirektion ein an den Präsidenten gerichtetes Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. Manfred Ainedter ... ein, in dem er mitteilte, daß er anstelle von Herrn Dr. Georg Zanger die rechtsfreundliche Vertretung des Abgeordneten Peter Rosenstingl übernommen habe, und in dem er die Abwesenheit des Abgeordneten Rosenstingl mit der 'andauernden Auslieferungshaft des Abgeordneten Peter Rosenstingl in Brasilien' rechtfertigte.

Rechtsanwalt Dr. Ainedter behauptete auch, daß eine Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof 'einen krassen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung darstellen würde'.

Das vorstehend genannte Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. Ainedter wurde gleichfalls an alle Mitglieder des Nationalrates verteilt.

In der 136. Sitzung des Nationalrates am 17. Juli 1998 stellte der Präsident des Nationalrates fest, daß der Abgeordnete Rosenstingl weitere 30 Tage nicht erschienen ist und seine Abwesenheit weiterhin mit den schon bekannten - selbst herbeigeführten - Umständen gerechtfertigt werde. Am gleichen Tag fand aufgrund §2 Abs2 GOG-NR eine Sitzung des Hauptausschusses statt, in welcher der Beschluß des Nationalrates, einen Antrag auf Mandatsverlust des Abgeordneten Peter Rosenstingl gem. Art141 B-VG zu stellen, vorbereitet wurde.

...

In der 137. Sitzung des Nationalrates am 17. Juli 1998 beschloß der Nationalrat den gegenständlichen Antrag ...

Begründung

...

Nach dem o.a. Sachverhalt hat der Präsident des Nationalrates am 16. Juni 1998 dem Nationalrat bekanntgegeben, daß der Abgeordnete Peter Rosenstingl 30 Tage zu den Sitzungen des Nationalrates nicht erschienen ist. Zugleich hat er ein am 15. Juni 1998 eingelangtes Schreiben des Anwaltes des Abgeordneten Rosenstingl zur Kenntnis gebracht, in dem Entschuldigungsgründe für die Abwesenheit vorgebracht wurden.

Gegen die Triftigkeit der angeführten Gründe wurden Einwendungen erhoben, worauf der Nationalrat einstimmig beschlossen hat, Abgeordneten Rosenstingl aufzufordern, unverzüglich an den Sitzungen des Nationalrates wieder teilzunehmen. Dabei wurde davon ausgegangen, daß dem Abgeordneten Rosenstingl von seinem derzeitigen Aufenthalt Brasilien nicht nur vor seiner Inhaftierung die Rückkehr nach Österreich möglich gewesen wäre, um seinen Pflichten als Abgeordneter nachzukommen, sondern daß er sich auch nach seiner Festnahme noch für die freiwillige Rückkehr nach Österreich und für die Wiederaufnahme seiner parlamentarischen Tätigkeit hätte entscheiden können. Aus dem Schreiben des Justizministers vom 1. Juli 1998 sowie aus dem Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1998 (die dem Antrag des Nationalrates angeschlossen sind) ergibt sich, daß Abgeordneter Peter Rosenstingl eine freiwillige Rückkehr nach Österreich zunächst in Erwägung gezogen, dann aber aus eigenem Entschluß ausdrücklich verweigert hat. Der Haftbefehl zur Sicherung des Auslieferungsverfahrens sei dem Abgeordneten und den lokalen Polizeibehörden erst übergeben worden, nachdem dieser seine Erklärung, freiwillig nach Österreich zurückkehren zu wollen, widerrufen hat. Daraus erhellt, daß der Abgeordnete Rosenstingl nicht nach Österreich zurückkehren wollte und daher die Auslieferungshaft nicht für die Triftigkeit seines Entschuldigungsgrundes ins Treffen führen kann. Auch das am 15. Juli eingelangte Entschuldigungsschreiben seines neuen Rechtsvertreters ergab diesbezüglich keinen neuen Aspekt, sodaß auch nach Ablauf weiterer 30 Tage nach Aufforderung zum Erscheinen die seit insgesamt mehr als 60 Tagen andauernde Abwesenheit des Abgeordneten Rosenstingl nicht als 'gerechtfertigt' betrachtet werden kann.

Zu dem im Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. Ainedter verwendeten Begriff der Unschuldsvermutung ist festzuhalten, daß die Beurteilung strafrechtlicher Aspekte im Zusammenhang mit der Causa Rosenstingl im Verfahren nach §2 Abs1 litc GOG keine Rolle spielt, sondern ausschließlich Angelegenheit der Strafjustiz ist und daß die Bejahung oder Verneinung der Triftigkeit von Gründen für die Absenz von den Sitzungen des Nationalrates mit der Wahrung der Unschuldsvermutung nichts zu tun hat."

1.2. Das im Antrag des Nationalrates zusammenfassend wiedergegebene Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. Zanger, das im Nationalrat am 15.6.1998 einlangte, lautet - im hier maßgeblichen Zusammenhang - wörtlich wie folgt:

"Unter Bezugnahme auf §11 Abs2 der Geschäftsordnung teile ich Ihnen namens des Herrn Peter Rosenstingl mit, daß sich dieser infolge Festnahme während eines Urlaubes in Brasilien derzeit in Haft befindet, die jedenfalls nach den brasilianischen Gesetzen nur temporär sein kann. Ungeachtet einer allfälligen Bereitschaft des Herrn Peter Rosenstingl, freiwillig nach Österreich zurückzukehren, muß nach brasilianischem Recht dennoch das Auslieferungsverfahren formell durchgeführt werden. Die Haft ist jedenfalls durch das Ergebnis des Auslieferungsverfahrens, das von der Republik Österreich angestrengt wurde, zeitlich begrenzt. Nur aus diesem Grunde ist Herr Peter Rosenstingl nicht in der Lage, zu den Parlamentssitzungen zu erscheinen, und entschuldigt sich auf diesem Wege.

Mein Mandant bestreitet ausdrücklich, nach Brasilien in Fluchtabsichten ausgereist zu sein. Im Gegenteil, er wollte dort lediglich eine kurze Zeit verbringen und über die Vorgänge, in

die er hineingeraten ist, nachdenken. Wie sich ... zwischenzeitig

... erwiesen hat, hat Herr Peter Rosenstingl keine wie immer

gearteten Anstalten gesetzt, um seinen Urlaubsort zu verheimlichen, und konnte nicht zuletzt auch deshalb anhand der brasilianischen Visumseintragungen schnell ausgeforscht werden.

Nach Rückkehr aus Brasilien wird Herr Rosenstingl wieder an den Sitzungen des Nationalrates teilnehmen und sich allenfalls aus der U-Haft, soferne diese verhängt wird, vorführen lassen. Herr Peter Rosenstingl widerspricht ausdrücklich Behauptungen, wonach er selbst kein Interesse mehr daran habe, sein Nationalratsmandat auszuüben.

Herr Peter Rosenstingl wählt diesen Schritt der Entschuldigung, da er aus Medienberichten erfahren hat, daß entgegen den gesetzlichen Bestimmungen eine Aberkennung seines Mandates wegen Fernbleibens von den Sitzungen des Nationalrates beantragt werden soll. Abgesehen davon, daß es sich hiebei um den ersten derartigen Vorgang handelt und auch bisher die Anwesenheitspflicht in keiner Weise sanktioniert wurde, ja nicht einmal einer Überprüfung unterzogen wurde, gilt in Österreich die Unschuldsvermutung bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung, sodaß schon aus diesem Grund die Aberkennung eines Nationalratsmandates rechtswidrig wäre."

1.3. Das im Antrag gleichfalls erwähnte, am 15.7.1998 im Nationalrat eingelangte Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. Ainedter lautet - im hier maßgeblichen Zusammenhang - wörtlich wie folgt:

"Der Sachverhalt, welcher meinen Mandanten an der Teilnahme an den Sitzungen des Nationalrates und der Ausschüsse hindert, wurde Ihnen bereits mit Schreiben Dris. Zanger vom 10. Juni 1998 zur Kenntnis gebracht und ist bis dato unverändert.

Namens und auftrags meines Mandanten rechtfertige ich seine Abwesenheit hiemit gemäß §2 Abs1 Z2 des Geschäftsordnungsgesetzes mit der andauernden Auslieferungshaft des Herrn Abgeordneten Peter Rosenstingl in Brasilien. Zum Nachweis der Haft, welche meinem Mandanten das Erscheinen im Nationalrat naturgemäß unmöglich macht, schließe ich die diesbezügliche Bestätigung des Bundesgerichtshofes vom 13.07.1998 samt beglaubigter Übersetzung bei und teile darüber hinaus mit, daß mein Mandant sämtliche rechtlichen Möglichkeiten zur Entlassung ergreifen wird, um nach Österreich zurückkehren und an den Sitzungen des Nationalrates teilnehmen zu können.

Ich halte sohin zusammenfassend fest, daß mein Mandant weder verschollen noch flüchtig ist und der Tatbestand des §2 Abs1 Z2 infolge hiemit erfolgter Rechtfertigung der Abwesenheit meines Mandanten nicht verwirklicht ist. Ich halte daher fest, daß die Voraussetzungen für den im Art141 Abs1 B-VG vorgesehenen Antrag auf Mandatsverlust des Herrn Abgeordneten Peter Rosenstingl an den Verfassungsgerichtshof nicht gegeben sind.

Ich erlaube mir abschließend ausdrücklich festzuhalten, daß schon die Beschlußfassung auf Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Verlustigerklärung des Mandates meines Mandanten im Hinblick auf die gegebene Sach- und Rechtslage einen krassen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung darstellen würde."

1.4. In einer dem Antrag des Nationalrates angeschlossenen Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres - die von jenem Beamten gefertigt ist, der im Zuge der internationalen Fahndung nach dem Abgeordneten Peter Rosenstingl nach Fortaleza/Brasilien entsandt worden war und am 5.6.1998 bei dessen Festnahme und der anschließenden Befragung durch brasilianische Polizeibeamte zugegen war - ist u.a. Folgendes festgehalten:

"Am gleichen Tage (gemeint ist der 5.6.1998, an dem der Abgeordnete Rosenstingl festgenommen worden war) um 12.20 Uhr erfolgte durch die örtlichen Beamten eine Befragung des Rosenstingl ohne Protokollierung. ...

Der Leiter der Befragung, Dr. Claudio, unterbrach um 15.04 Uhr die Befragung mit dem Hinweis, daß folgende gesetzliche Möglichkeiten bestünden:

* eine Enthaftung und freiwillige Ausreise des Rosenstingl nach Zustimmung des Genannten und der brasil. obersten Gerichtsbehörden,

* ein provisorischer Haftbefehl oder die Auslieferungshaft.

Dr. Claudio vertrat die Rechtsansicht, daß eine freiwillige Rückkehr möglich sein wird.

Überraschend traf um 15.20 Uhr ein brasil. Rechtsanwalt ein, welcher angab, ... den Auftrag zur Vertretung des Rosenstingl erhalten zu haben. Rosenstingl gab an, er hätte keinen Rechtsanwalt gewünscht und würde bei der Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise auch keinen benötigen. Der Rechtsanwalt führte aus, daß seiner Sicht nach die Festnahme rechtswidrig erfolgte und er dieses Einschreiten einklagen werde. Rosenstingl erklärte immer wieder, er brauche derzeit keinen Rechtsanwalt und wolle, wie vereinbart, freiwillig ausreisen.

Um 17.30 Uhr begaben sich Dr. Claudio, Herr Pinheiro (einer jener brasilianischen Polizeibeamten, die Rosenstingl festgenommen hatten) und nunmehr 2 Rechtsanwälte zur zuständigen Untersuchungsrichterin in Fortaleza, um den Fall vorzutragen.

Etwa zu diesem Zeitpunkt traf Frau Gretsch ein, und ihr wurde der Zutritt zu Rosenstingl erlaubt. Dabei wurde offensichtlich, daß Gretsch den Rosenstingl dominiert und Gretsch keinesfalls der freiwilligen Rückkehr des Rosenstingl zustimmen werde. Als Rosenstingl von den ho. Beamten darauf angesprochen wurde, erklärte er, daß er nach Rücksprache mit Frau Gretsch bei einer eventuellen Enthaftung nicht mehr freiwillig zurückkehren werde. Er würde im Lande bleiben und das Auslieferungsverfahren abwarten.

Um 21.30 Uhr wurden den lokalen Polizeibehörden, den bras. Rechtsanwälten und Rosenstingl der vorläufige Haftbefehl des Gerichtes Fortaleza vom 05.06.1998 ausgefolgt."

2. Der Abgeordnete Peter Rosenstingl hat zum Antrag des Nationalrates, ihn seines Mandates in diesem Vertretungskörper für verlustig zu erklären, eine Äußerung erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung des Antrages begehrt wird. Dazu wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Die für meinen Fall in Frage kommenden Voraussetzungen sind (zweistufig) in §2 Abs1 Z2 des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates (GOG) ausschließlich geregelt, und ist demnach zu prüfen, ob ich

I. 30 Tage ohne einen vom Nationalrat anerkannten triftigen Grund (§11 Abs4) von den Sitzungen des Nationalrates ausgeblieben bin und

II. der nach Ablauf der 30 Tage an mich öffentlich und im Nationalrat gerichteten Aufforderung des Präsidenten, binnen weiterer 30 Tage zu erscheinen oder meine Abwesenheit zu rechtfertigen, nicht Folge geleistet habe.

I. Entgegen der im Antrag zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht stellen die (ersten) 30 Tage der Abwesenheit keineswegs eine Frist für die Rechtfertigung dar, diese 30 Tage sind vielmehr eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen für die Möglichkeit der Verlustigerklärung eines Mandates. Der 'triftige Grund' für die Abwesenheit während dieser ersten 30 Tage kann zweifellos auch noch nach Ablauf dieser ersten 30 Tage bekanntgegeben und als solcher anerkannt werden. Wenn etwa jemand verschollen oder aus sonstigen Gründen (wie etwa Verhängung einer Haft im Ausland) nicht in der Lage ist, an den Sitzungen des Nationalrates teilzunehmen, muß es ihm bei sinnvoller Auslegung der gegenständlichen Gesetzesstelle möglich sein, seine Abwesenheit auch noch nach Ablauf der ersten 30 Tage zu rechtfertigen, da es auf eine Rechtfertigung für die Abwesenheit während der ersten 30 Tage gar nicht ankommt. Es ist lediglich und ausschließlich zu prüfen, ob ein Abgeordneter aus 'triftigem Grund' ausgeblieben ist oder nicht.

Das Schreiben meines vormaligen Rechtsanwaltes Dr. Georg Zanger vom 10. Juni 1998, in der Parlamentsdirektion eingelangt am 15.06.1998, ist so gesehen irrelevant, da der umfangreichen Medienberichterstattung in Rundfunk und Fernsehen sowie sämtlichen Printmedien bereits am 5./6. Juni 1998 die Tatsache meiner Verhaftung in Brasilien zu entnehmen war. Damit war öffentlich und auch dem Nationalrat bekannt, daß und warum ich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr an den Sitzungen des Nationalrates teilnehmen konnte.

Hinsichtlich des 'triftigen Grundes' verweist §2 Abs1 Z2 GOG auf §11 Abs4. Demnach ist erst und nur dann, wenn die Verhinderung 30 Tage oder länger dauert, die Tatsache der 30 Tage oder länger dauernden Verhinderung unter Angabe des Grundes schriftlich dem Präsidenten des Nationalrates mitzuteilen, welcher den Sachverhalt dem Nationalrat bekanntzugeben hat, welcher wiederum aufgrund einer Einwendung ohne Debatte zu entscheiden hat, ob der Abgeordnete aufzufordern ist, unverzüglich an den Sitzungen wieder teilzunehmen.

Dies ist geschehen, dh ich habe die Angabe des Grundes für meine Abwesenheit dem Nationalrat mit Schreiben des Dr. Georg Zanger vom 10.06.1998 mitgeteilt, welcher jedoch die 'Triftigkeit' des Abwesenheitsgrundes infolge Einwendungen rechtsirrig nicht anerkannt hat.

Die Nichtanerkennung des Grundes für meine Abwesenheit, nämlich meine Verhaftung am 5. Juni 1998 in Brasilien, ist deshalb rechtsirrig und rechtswidrig, weil ich entgegen der Konstatierungen ... des Antrages nach meiner Festnahme am 05.06.1998, sohin innerhalb der ab 12. Mai 1998 laufenden ersten 30 Tage-Frist, nicht die Möglichkeit hatte, freiwillig nach Österreich zurückzukehren, um an den weiteren Sitzungen des Nationalrates teilzunehmen! Diese Möglichkeit hatte ich nur bis zu meiner Festnahme am 05.06.1998, ab welchem Zeitpunkt mich sohin ein 'triftiger Grund' an der Teilnahme an den Sitzungen hinderte.

Die Darstellung im Antrag, wonach ich mich auch noch nach meiner Festnahme für die freiwillige Rückkehr nach Österreich und somit für die Wiederaufnahme meiner parlamentarischen Tätigkeit hätte entscheiden können, ist unrichtig! Es trifft zwar zu, daß ich nach meiner Festnahme eine freiwillige Rückkehr in Erwägung gezogen habe, die dafür erforderliche Voraussetzung, nämlich meine Freilassung, wurde mir jedoch weder in Aussicht gestellt, noch ist diese eingetreten. Es wurde mir vielmehr bereits am 05.06.1998 gegen 21.30 Uhr ein 'vorläufiger Haftbefehl' des Gerichtes in Fortaleza ausgehändigt. Dies habe ich auch dem Präsidenten des Nationalrates Dr. Fischer durch ... Schreiben meines Vertreters vom 16.07.1998, also vor der Beschlußfassung im Nationalrat am 17.07.1998 mitgeteilt.

Die Inaussichtstellung meiner 'freiwilligen Rückkehr' durch die österreichischen Beamten bezog sich vielmehr ausschließlich darauf, daß ich von den brasilianischen Behörden vielleicht enthaftet werden könnte, um gemeinsam mit den österreichischen Beamten Sifkovits und Kacer nach Österreich zurückzukehren und aufgrund des österreichischen Haftbefehles unmittelbar nach meiner Rückkehr verhaftet zu werden!

Die Schlußfolgerung des Nationalrates, daß ich aufgrund dieser Umstände nicht nach Österreich zurückkehren wollte, ist sohin unrichtig, und bringe ich darüber hinaus vor, daß mir von Herrn Rechtsanwalt Dr. Georg Zanger am 06.06.1998 mitgeteilt wurde, eine freiwillige Rückkehr sei nach brasilianischem Recht erst nach der Entscheidung des Obersten Brasilianischen Gerichtshofes über das österreichische Auslieferungbegehren möglich, wobei sich Dr. Zanger auf eine Rechtsauskunft des brasilianischen Rechtsanwaltes Dr. Pedrosa (Kanzlei Dr. Quezado) berief. Darüber hinaus wurde mir von Dr. Pedrosa mitgeteilt, daß meine Inhaftierung mangels gesetzlicher Voraussetzungen nach brasilianischem Recht rechtswidrig war, weshalb ich dagegen eine Berufung eingebracht habe. Diese wurde jedoch durch den am 08.06.1998 ausgestellten Haftbefehl des Obersten Gerichtshofes in Brasilia wirkungslos.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß ich zu keinem Zeitpunkt ab meiner Festnahme am 05.06.1998 die Möglichkeit hatte, enthaftet zu werden und dadurch freiwillig nach Österreich zurückzukehren! Somit war bereits der Grund für die Abwesenheit während der ersten 30 Tage ein 'triftiger', dh ein zutreffender, und hat der Nationalrat seinen ihm vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraum rechtswidrig zu meinem Nachteil ausgenützt.

II. Selbst wenn man jedoch mit dem Nationalrat die Auffassung vertreten sollte, daß ich während der ersten 30 Tage meiner Abwesenheit ohne 'triftigen' Grund den Sitzungen ferngeblieben sein sollte, fehlt es an der weiteren (kumulativ) in §2 Abs1 Z2 GOG normierten Voraussetzung, nämlich der (qualifizierten) Aufforderung des Präsidenten vom 16.06.1998, binnen weiterer 30 Tage zu erscheinen oder die Abwesenheit zu rechtfertigen, keine Folge geleistet zu haben.

Ich habe nämlich fristgerecht mit Schreiben meines nunmehrigen Vertreters vom 15. Juli 1998 meine Abwesenheit mit der zu diesem Zeitpunkt jedenfalls bestehenden Auslieferungshaft gerechtfertigt. Der Begriff 'Rechtfertigung' hat - im Gegensatz zur Auffassung des Nationalrates, welchem diesbezüglich keinerlei Ermessensspielraum eingeräumt ist - nichts mit einem von diesem anerkannten 'Entschuldigungsgrund' zu tun, dieser Begriff ist vielmehr nach dem Wortsinn ausschließlich dahingehend zu verstehen, daß ein tatsächlich bestehender Verhinderungsgrund bekanntgegeben wird. Ob der Verhinderungsgrund selbst herbeigeführt oder gar verschuldet wurde, kann diesbezüglich keine Rolle spielen, eine diesbezügliche Wertung ist dem Nationalrat verwehrt.

Durch die fristgerechte Rechtfertigung meiner Abwesenheit infolge der seit 8. Juni 1998 bestehenden Auslieferungshaft, welche dem 'Erscheinen' innerhalb weiterer 30 Tage gleichzusetzen ist, wurde sohin der rein formal zu sehenden gesetzlichen Bestimmung entsprochen, weshalb auch diese Voraussetzung für die Verlustigerklärung meines Mandates nicht gegeben ist.

Zum Beweis für mein Tatsachenvorbringen hinsichtlich der Umstände nach meiner Verhaftung am 05.06.1998 berufe ich mich auf meine Einvernahme im Rechtshilfeweg.

III. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß die vom Nationalrat und aufgrund des Ersuchens des Gerichtshofes ... an das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten offensichtlich auch von diesem in den Vordergrund gerückte Frage meiner 'freiwilligen Rückkehr' nach Österreich für die Beurteilung der zu prüfenden Rechtsfragen insoferne ohne Bedeutung ist, als ich gerichtsnotorisch bei meiner Rückkehr nach Österreich (egal, ob in Begleitung der Beamten Sifkovits und Kacer oder alleine) aufgrund des Haftbefehles jedenfalls unverzüglich in Untersuchungshaft genommen worden wäre und auch in diesem Fall zumindest nicht ohne weiteres an den Sitzungen des Nationalrates hätte teilnehmen können. Nach §98 Abs2 StVG ist eine Ausführung bis zum Höchstausmaß von 24 Stunden nur unter bestimmten engen Voraussetzungen, nämlich zur Erledigung besonders wichtiger und unaufschiebbarer Angelegenheiten persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur möglich, und kann (wiederum gerichtsnotorisch) nicht davon ausgegangen werden, daß ich zur Teilnahme an den Sitzungen des Nationalrates (mehrmals) ausgeführt worden wäre."

3.1. Im verfassungsgerichtlichen Vorverfahren wurde das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten mit Schreiben des Verfassungsgerichtshofes vom 11.8.1998 ersucht,

"1. an das Justizministerium und an den Obersten Gerichtshof der Föderativen Republik Brasilien mit der Frage heranzutreten, ob und unter welchen Voraussetzungen es nach der dortigen Rechtsordnung möglich ist, daß ein Fremder, der auf Grund eines Steckbriefes eines Gerichtes seines Heimatstaates von Organen der brasilianischen Polizei festgenommen wurde, durch die Erklärung, freiwillig in seinen Heimatstaat zurückkehren zu wollen, seine weitere Anhaltung durch die brasilianische Polizei oder die Inhaftierung aufgrund eines Haftbefehles eines brasilianischen Gerichtes vermeiden kann;

2. eine Befragung des Dr. Claudio Barros Joventino, Polizeikommissar, Zentrale der Regionalen Überwachungsstelle der Bundespolizeilichen Abteilung Fortaleza, Cearß, zu folgenden Themen zu bewerkstelligen:

a) Wußte Peter Rosenstingl zum Zeitpunkt seiner Festnahme (5.6.1998), daß nach ihm gefahndet wurde (- bejahendenfalls seit wann)? Welche Anhaltspunkte sprechen für und welche gegen eine solche Annahme?

b) Stellte Dr. Claudio Barros Joventino dem Peter Rosenstingl am Tag dessen Festnahme (5.6.1998) eine sofortige Rückkehr nach Österreich in Aussicht (- bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen)?

c) War die Möglichkeit einer sofortigen Rückkehr des Peter Rosenstingl nach Österreich zu irgendeinem Zeitpunkt nach seiner Festnahme (5.6.1998) allein von dessen Bereitschaft, nach Österreich zurückzukehren, abhängig?

3. eine Abschrift der allfällig aufgenommenen Protokolle über Befragungen des Peter Rosenstingl (vor allem am 5.6.1998) durch Dr. Claudio Barros Joventino, Bundespolizeiliche Abteilung Fortaleza, Cearß, beizuschaffen."

3.2. Hiezu langten beim Verfassungsgerichtshof - im Wege des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten - Antwortschreiben der österreichischen Botschaft in der Föderativen Republik Brasilien vom 21. und 31.8.1998 im Wesentlichen folgenden Inhaltes ein:

"Die Auskunft des hiesigen Justizministeriums und Obersten Gerichtshofes und des ha. Vertrauensanwaltes zu der Frage, 'ob und unter welchen Voraussetzungen es nach der brasilianischen Rechtsordnung möglich ist, daß ein Fremder, der auf Grund eines Steckbriefes eines Gerichtes seines Heimatstaates von Organen der brasilianischen Polizei festgenommen wurde, durch die Erklärung, freiwillig in seinen Heimatstaat zurückkehren zu wollen, seine weitere Anhaltung durch die brasilianische Polizei oder die Inhaftierung aufgrund eines Haftbefehles eines brasilianischen Gerichtes vermeiden kann', lautet wie folgt:

Eine Anhaltung oder Festnahme eines Ausländers in Brasilien durch brasilianische Polizeiorgane aufgrund eines Ersuchens der Interpol darf nur so lange währen, bis ein brasilianisches Gericht das Interpol-Ersuchen um Verhaftung durch einen eigenen Haftbefehl bestätigt.

Im Falle Rosenstingl ist dieser brasilianische gerichtliche Haftbefehl am 5. Juni 1998 ... erlassen und Herrn Peter Rosenstingl durch die damalige Dolmetscherin und nunmehr österreichische Honorarkonsulin in Fortaleza, Reinhilde Lima, in mündlicher deutscher Übersetzung zur Kenntnis gebracht worden.

Dieser Haftbefehl des Bundesgerichtes des Bundesstaates Cearß vom 5. Juni 1998 wurde durch einen Haftbefehl des Obersten Gerichtshofes vom 8. Juni 1998 ... bestätigt.

Die brasilianische Rechtsordnung läßt eine Enthaftung nach Erlassung eines Haftbefehls eines Bundesgerichtes nicht mehr zu, sofern die Verhaftung zum Zwecke der Erfüllung eines ausländischen Auslieferungsbegehrens erfolgt ist, worüber der Oberste Gerichtshof Brasiliens (Supremo Tribunal Federal) zu entscheiden hat. Die Verhaftung zum Zwecke der späteren Auslieferung wird sowohl in dem Haftbefehl der Bundesrichterin als auch in jenem des Obersten Gerichtshofes ... erwähnt. Die rechtliche Basis hiefür findet sich in der Geschäftsordnung des Obersten Gerichtshofes (Supremo Tribunal Federal) in den Artikeln 207, 213 und 214. Im Artikel 213 heißt es (Arbeitsübersetzung der Botschaft): 'Der Auszuliefernde hat bis zum endgültigen Urteil zur Verfügung des Gerichtes (das ist das Supremo Tribunal Federal) in Haft zu bleiben.'

Im Artikel 81 des brasilianischen Fremdengesetzes (Estatuto do Estrangeiro) Bundesgesetz Nr. 6815 vom 19. August 1980 wird praktisch die gleiche Bestimmung der Geschäftsordnung des Obersten Gerichtshofes wiederholt, wonach ein auszuliefernder Fremder zur Verfügung des Obersten Gerichtshofes in Haft zu halten ist. Im Artikel 84 desselben Gesetzes wird verfügt, daß diese Haft nicht in Hausarrest, Freilassung gegen Kaution oder ähnliches abgeändert werden darf. Der Botschaft wurden drei Erkenntnisse des Obersten Gerichtshofes genannt, in denen es ausdrücklich heißt, daß eine Erklärung des Auszuliefernden, (dass er) sofort an den das Auslieferungsbegehren stellenden Staat überstellt werden wolle, 'rechtlich irrelevant' sei.

...

Zu Frage 2a) 'Wußte Peter Rosenstingl zum Zeitpunkt seiner Festnahme (5.6.1998), daß nach ihm gefahndet wurde

(- bejahendenfalls seit wann)? Welche Anhaltspunkte sprechen für und welche gegen eine solche Annahme?'

Antwort (des Dr. Claudio Barros Joventino gegenüber dem österreichischen Honorarkonsulat in Fortaleza): Herr Rosenstingl zeigte bei seiner Festnahme keinerlei Überraschung, woraus seiner Meinung (Dris. Joventino) nach geschlossen werden kann, daß er von einer Fahndung nach ihm wußte.

Frage 2b) 'Stellte Dr. Claudio Barros Joventino dem Peter Rosenstingl am Tag dessen Festnahme (5.6.1998) eine sofortige Rückkehr nach Österreich in Aussicht (- bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen)?'

Antwort: Die Gespräche mit Herrn Rosenstingl anläßlich dessen Festnahme wurden - insbesondere aus sprachlichen Gründen - überwiegend von österreichischen Polizeibeamten geführt und brasilianische Polizeibeamte von dessen Inhalt jeweils durch Übersetzung ins Portugiesische informiert. Mit Zustimmung der brasilianischen Polizeibeamten wurde Herrn Rosenstingl von österreichischen Polizeibeamten angeboten, mit ihnen nach Österreich zurückzufliegen. Bevor sich Herr Rosenstingl zu einer ausdrücklichen Zustimmung bereitfand, erschienen ein brasilianischer Rechtsanwalt und Frau Cornelia Gretsch, welche Herrn Rosenstingl rieten, einer freiwilligen Rückkehr nach Österreich nicht zuzustimmen, weshalb Rosenstingl von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machte.

Frage 2c) 'War die Möglichkeit einer sofortigen Rückkehr des Peter Rosenstingl nach Österreich zu irgendeinem Zeitpunkt nach seiner Festnahme (5.6.1998) allein von dessen Bereitschaft, nach Österreich zurückzukehren, abhängig?'

Antwort: Dr. Joventino erachtet die Antwort auf diese Frage im Hinblick auf die Antwort zu Frage 2b) als gegenstandslos.

Bezüglich der rechtlichen Situation wird auf den ... ha.

Bezugsbericht verwiesen.

   ... 3. 'Eine Abschrift der allfällig aufgenommenen Protokolle

über Befragungen des Peter Rosenstingl (vor allem am 5.6.1998) durch Dr. Claudio Barros Joventino, Bundespolizeiliche Abteilung Fortaleza, Cearß, beizuschaffen.'

Antwort: Dr. Joventino behauptet, selbst über keinerlei Protokolle zu verfügen, wisse jedoch, daß Herr Sifkovits derartige Protokolle nach Wien mitgenommen habe."

II. Für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im vorliegenden Fall ist im Wesentlichen folgende Rechtslage maßgeblich:

1. Gemäß Art141 Abs1 erster Satz litc B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof "auf Antrag eines allgemeinen Vertretungskörpers auf Mandatsverlust eines seiner Mitglieder".

Ein solcher Antrag "kann ... auf einen gesetzlich vorgesehenen

Grund für den Verlust der Mitgliedschaft in einem allgemeinen

Vertretungskörper ... gegründet werden" (Art141 Abs1 zweiter

Satz B-VG).

2.1. §2 Abs1 Z2 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 bestimmt, dass - neben anderen Endigungsgründen - ein Abgeordneter seines Mandates auch dann verlustig wird,

"wenn er durch ... 30 Tage ohne einen vom Nationalrat anerkannten triftigen Grund (§11 Abs4) von den Sitzungen des Nationalrates ausgeblieben ist und der nach Ablauf der 30 Tage an ihn öffentlich und im Nationalrat gerichteten Aufforderung des Präsidenten, binnen weiterer 30 Tage zu erscheinen oder seine Abwesenheit zu rechtfertigen, nicht Folge geleistet hat".

2.2. Weiters sehen die Abs2 und 3 des §2 GeschäftsordnungsG in diesem Zusammenhang Folgendes vor:

"(2) Wird einer der im Abs1 Z. 1 bis 3 vorgesehenen Fälle dem Präsidenten zur Kenntnis gebracht, so hat er dies dem Nationalrat bekanntzugeben, der mit einfacher Mehrheit über den im Art141 Abs1 B-VG vorgesehenen Antrag beschließt. Dieser Beschluß ist durch den Hauptausschuß vorzubereiten.

(3) Wird ein Beschluß nach Abs2 vom Nationalrat gefaßt, so hat dessen Präsident den Antrag namens des Vertretungskörpers beim Verfassungsgerichtshof einzubringen."

3. §11 GeschäftsordnungsG, auf dessen Abs4 die oben wiedergegebene Bestimmung des §2 Abs1 Z2 leg. cit. verweist, lautet wie folgt:

"(1) Jeder Abgeordnete ist verpflichtet, an den Sitzungen des Nationalrates und der Ausschüsse, in die er gewählt ist, teilzunehmen.

(2) Ist ein Abgeordneter verhindert, an einer oder mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen des Nationalrates teilzunehmen, so hat er oder der Klub, dem er angehört, dies der Parlamentsdirektion vor Beginn der Sitzung beziehungsweise der ersten von mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen mitzuteilen.

(3) Der Präsident hat am Beginn jeder Sitzung mitzuteilen, welche Abgeordneten verhindert sind.

(4) Dauert die Verhinderung jedoch 30 Tage oder länger, hat der betreffende Abgeordnete dies dem Präsidenten schriftlich unter Angabe des Grundes mitzuteilen. Ist eine solche Verhinderung nicht durch Krankheit begründet, hat der Präsident den Sachverhalt dem Nationalrat bekanntzugeben. Wird gegen die Triftigkeit des Grundes eine Einwendung erhoben, hat der Nationalrat ohne Debatte zu entscheiden, ob der Abgeordnete aufzufordern ist, unverzüglich an den Sitzungen des Nationalrates wieder teilzunehmen."

4. Gemäß §71 Abs1 VerfGG 1953 können die allgemeinen Vertretungskörper (somit auch der Nationalrat)

"jederzeit beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, ein Mitglied des Vertretungskörpers aus einem gesetzlich vorgesehenen Grund seines Mandates für verlustig zu erklären."

Für den Fall, dass ein solcher Beschluss von einem dieser Vertretungskörper gefasst wird, hat dessen Vorsitzender den Antrag namens des Vertretungskörpers beim Verfassungsgerichtshof einzubringen (§71 Abs1 letzter Satz leg. cit.).

Auf das Verfahren über einen derartigen Antrag finden gemäß §71 Abs3 VerfGG 1953 "die Bestimmungen über Wahlanfechtungen sinngemäß Anwendung"; weiters wird darin bestimmt, dass zur öffentlichen mündlichen Verhandlung auch diejenige Person zu laden ist, die ihres Mandates verlustig erklärt werden soll.

5. Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ergibt sich aus diesen Bestimmungen somit vor allem Folgendes:

5.1. Jeder Abgeordnete ist verpflichtet, an den Sitzungen des Nationalrates und der Ausschüsse, in die er gewählt ist, teilzunehmen (§11 Abs1 GeschäftsordnungsG).

5.2. Für den Fall, dass ein Abgeordneter verhindert ist, an einer oder mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen des Nationalrates teilzunehmen, ist er (oder der Klub, dem er angehört,) verpflichtet (arg: "... hat ... mitzuteilen."), diese Verhinderung der Parlamentsdirektion vor Beginn der Sitzung bzw. der ersten von mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen mitzuteilen (§11 Abs2 GeschäftsordnungsG). Diese Mitteilung kann formlos und ohne Angabe eines Grundes erfolgen (arg. e contrario aus §11 Abs4 leg. cit., wonach für den dort geregelten Fall der "30 Tage oder länger" dauernden Abwesenheit ausdrücklich die schriftliche Mitteilung unter Angabe eines Grundes verlangt ist). Im Falle eines Verstoßes des Abgeordneten (bzw. des betreffenden Klubs) gegen diese Mitteilungsverpflichtung sieht diese Bestimmung des GeschäftsordnungsG keine besondere Sanktion vor.

Der Präsident hat am Beginn jeder Sitzung des Nationalrates mitzuteilen, welche Abgeordneten - in diesem Sinne - verhindert sind (§11 Abs3 GeschäftsordnungsG).

5.3. Dauert die Verhinderung jedoch 30 Tage oder länger, so ist der betreffende Abgeordnete verpflichtet (arg.: "... hat ... mitzuteilen."), dies dem Präsidenten schriftlich unter Angabe des Grundes mitzuteilen (§11 Abs4 erster Satz GeschäftsordnungsG).

Wenn eine solche Verhinderung nicht durch Krankheit begründet ist, dann hat der Präsident des Nationalrates diesen Sachverhalt dem Nationalrat bekanntzugeben (§11 Abs4 zweiter Satz GeschäftsordnungsG).

Gegen die Triftigkeit des vom betreffenden Abgeordneten angegebenen Grundes können (von jedem Abgeordneten des Nationalrates) Einwendungen erhoben werden; wenn dies der Fall ist, dann hat der Nationalrat ohne Debatte - in einer mit Mehrheit zu treffenden (vgl. Art31 B-VG, §82 GeschäftsordnungsG) und in deren Ermessen liegenden Entscheidung - darüber zu befinden, ob der betreffende Abgeordnete aufzufordern ist, unverzüglich an den Sitzungen des Nationalrates wieder teilzunehmen (§11 Abs4 dritter Satz GeschäftsordnungsG).

5.4. An die zuletzt genannte Regelung knüpft der Mandatsverluststatbestand des §2 Abs1 Z2 GeschäftsordnungsG an. Er ist dann erfüllt, wenn ein Abgeordneter der (im Sinne eines Beschlusses des Nationalrates gemäß §11 Abs4 dritter Satz GeschäftsordnungsG) an ihn gerichteten Aufforderung des Präsidenten des Nationalrates - die frühestens nach 30-tägigem Ausbleiben von den Sitzungen des Nationalrates ohne einen von diesem als triftig anerkannten Grund erfolgen kann und öffentlich und im Nationalrat zu ergehen hat -, binnen weiterer 30 Tage im Nationalrat zu erscheinen, nicht entspricht und seine fortdauernde Abwesenheit auch nicht rechtfertigt.

Dabei ist - schon im Hinblick auf den Zusammenhang mit §11 Abs4 zweiter Satz GeschäftsordnungsG, wonach im Falle einer durch Krankheit begründeten Verhinderung das im §11 Abs4 dritter Satz GeschäftsordnungsG vorgesehene Verfahren und damit in weiterer Folge auch die Verwirklichung des Mandatsverluststatbestandes des §2 Abs1 Z2 GeschäftsordnungsG von vornherein nicht in Betracht kommen, - davon auszugehen, dass der Begriff "gerechtfertigt" im Sinne eines - etwa einer Krankheit vergleichbaren - "Entschuldigungsgrundes" für die Abwesenheit von den Sitzungen des Nationalrates zu verstehen ist. Das bedeutet insbesondere, dass im Falle eines auf §2 Abs1 Z2 iVm Abs2 und 3 GeschäftsordnungsG gestützten Antrages des Nationalrates an den Verfassungsgerichtshof, einen Abgeordneten seines Mandates wegen behauptetermaßen nicht gerechtfertigter Abwesenheit von den Sitzungen des Nationalrates für verlustig zu erklären, vom Verfassungsgerichtshof das Vorliegen eines die Nichtteilnahme an den Sitzungen des Nationalrates in diesem Sinne "rechtfertigenden" Grundes inhaltlich zu prüfen ist.

5.5. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen keine Bedenken hegt. Insbesondere besteht für den Verfassungsgerichtshof kein Anlass anzunehmen, dass der Gesetzgeber des GeschäftsordnungsG mit diesen Vorschriften die ihm durch Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG ausdrücklich (arg.:

"... auf einen gesetzlich vorgesehenen Grund für den Verlust der Mitgliedschaft in einem allgemeinen Vertretungskörper ...") erteilte Ermächtigung zur Festlegung von Tatbeständen für den Mandatsverlust von Abgeordneten des Nationalrates in verfassungswidriger Weise überschritten hätte. Im Hinblick auf diese spezifische bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung ist auch auszuschließen, dass eine darauf gestützte gesetzliche Regelung im Widerspruch zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten passiven Wahlrecht stehen könnte, welches der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung u.a. dahin deutet, dass darunter auch das Recht auf Beibehaltung des Mandates zu verstehen ist (vgl. VfSlg. 6106/1969, 13060/1992, 14805/1997).

III. Der Verfassungsgerichtshof

geht auf Grund des vorliegenden Antrages einschließlich der ihm angeschlossenen Unterlagen, im besonderen der oben unter Pkt. I.1.4. im hier maßgeblichen Umfang wörtlich wiedergegebenen Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres, weiters der Äußerung des betroffenen Abgeordneten und schließlich des Ergebnisses der im verfassungsgerichtlichen Vorverfahren unter Mitwirkung der österreichischen Botschaft in der Föderativen Republik Brasilien gepflogenen Erhebungen von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

1. Der Abgeordnete Peter Rosenstingl ist den Sitzungen des Nationalrates am 12., 13., 14., 15., 26., 27. und 28.5.1998 ferngeblieben und hat es auch unterlassen, der Parlamentsdirektion jeweils vor Beginn dieser Sitzungen bzw. vor der ersten von mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen mitzuteilen, dass er verhindert ist, an der Sitzung (den Sitzungen) teilzunehmen.

2. Der Präsident des Nationalrates hat jeweils am Ende dieser Sitzungen mitgeteilt, dass der Abgeordnete Peter Rosenstingl der Sitzung unentschuldigt ferngeblieben ist.

3. In einem am 15.6.1998 - somit nach Ablauf der im §11 Abs4 erster Satz GeschäftsordnungsG vorgesehenen 30-Tagesfrist - an die Parlamentsdirektion gerichteten Schreiben hat der damalige Rechtsvertreter des Abgeordneten Peter Rosenstingl mitgeteilt, dass sich dieser in Brasilien in Haft befinde, die nur temporär sein könne, und der Genannte daher nicht in der Lage sei, zu den Parlamentssitzungen zu erscheinen.

4. Nach Bekanntgabe dieses Sachverhaltes durch den Präsidenten (§11 Abs4 zweiter Satz GeschäftsordnungsG) hat der Nationalrat im Hinblick auf vorliegende Einwendungen mehrerer Abgeordneter gegen die Triftigkeit des angegebenen Grundes für die Verhinderung des Abgeordneten Rosenstingl in der - öffentlichen - Sitzung des Nationalrates am 16.6.1998 einstimmig beschlossen, den genannten Abgeordneten aufzufordern, unverzüglich an den Sitzungen wieder teilzunehmen.

Demgemäß hat der Präsident des Nationalrates diesen Abgeordneten gemäß §2 Abs1 Z2 GeschäftsordnungsG in dieser Sitzung aufgefordert, binnen weiterer 30 Tage im Plenum des Nationalrates zu erscheinen oder seine Abwesenheit zu rechtfertigen. Diese Aufforderung wurde - unbestrittener Maßen - in Sendungen des Österreichischen Rundfunks öffentlich verbreitet.

5. Der Abgeordnete Peter Rosenstingl ist innerhalb dieser Frist nicht im Nationalrat erschienen. Er ist auch den Sitzungen am 17. und 18.6. sowie am 7., 8., 9. und 17.7.1998 ferngeblieben.

6. Am 15.7.1998 ist ein weiteres - diesmal an den Präsidenten des Nationalrates gerichtetes - Schreiben eines von diesem Abgeordneten bevollmächtigten Rechtsvertreters eingelangt, in dem zur Rechtfertigung der Abwesenheit des Abgeordneten Rosenstingl dessen andauernde Auslieferungshaft in Brasilien vorgebracht wird.

IV. Dem - zulässigen - Antrag des Nationalrates, den Abgeordneten Peter Rosenstingl seines Mandates für verlustig zu erklären, ist aus den nachstehenden Erwägungen stattzugeben:

1. Angesichts des Umstandes, dass der genannte Abgeordnete der am 16.6.1998 an ihn öffentlich und im Nationalrat gerichteten Aufforderung des Präsidenten des Nationalrates, binnen 30 Tagen im Plenum des Nationalrates zu erscheinen, nicht nachgekommen ist, kann die vom Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Zusammenhang zu beurteilende Frage allein darin bestehen, ob die Darlegungen in dem an den Präsidenten des Nationalrates ergangenen Schreiben vom 15.7.1998 geeignet sind, die Abwesenheit des Abgeordneten Rosenstingl von den Sitzungen des Nationalrates - im Sinne des §2 Abs1 Z2 GeschäftsordnungsG - zu "rechtfertigen". Diese Darlegungen lauten wörtlich wie folgt:

"Namens und auftrags meines Mandanten rechtfertige ich seine Abwesenheit hiemit gemäß §2 Abs1 Z2 des Geschäftsordnungsgesetzes mit der andauernden Auslieferungshaft des Herrn Abgeordneten Peter Rosenstingl in Brasilien. Zum Nachweis der Haft, welche meinem Mandanten das Erscheinen im Nationalrat naturgemäß unmöglich macht, schließe ich die diesbezügliche Bestätigung des Bundesgerichtshofes vom 13.07.1998 samt beglaubigter Übersetzung bei und teile darüber hinaus mit, daß mein Mandant sämtliche rechtlichen Möglichkeiten zur Entlassung ergreifen wird, um nach Österreich zurückkehren und an den Sitzungen des Nationalrates teilnehmen zu können."

2. Eine - unabhängig von einer gerichtlichen Verurteilung - von einem Organ eines fremden Staates über einen Abgeordneten verhängte Haft ist grundsätzlich geeignet, dessen Abwesenheit von den Sitzungen des Nationalrates im Sinne des §2 Abs1 Z2 GeschäftsordnungsG zu rechtfertigen.

Wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Falles trifft dies hier jedoch ausnahmsweise nicht zu.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt nämlich als erwiesen an, dass dem Abgeordneten Peter Rosenstingl nach seiner Festnahme durch Organe der brasilianischen Polizei am Vormittag des 5.6.1998 und vor der am Abend desselben Tages erfolgten Zustellung des Haftbefehles eines brasilianischen Gerichtes, mit dem die Auslieferungshaft über ihn verhängt wurde, Gelegenheit geboten wurde, gemeinsam mit den im Zuge der internationalen Fahndung nach Peter Rosenstingl nach Fortaleza/Brasilien entsandten österreichischen Beamten nach Österreich zurückzukehren. Eine Rückkehr hätte bedeutet, dass es gar nicht zur Verhängung dieser Haft, deren Zweck im Wesentlichen gerade darin besteht, eine allfällige Auslieferung des Peter Rosenstingl, also seine Überstellung nach Österreich, zu sichern, gekommen wäre. Selbst seinen eigenen Ausführungen in der Äußerung zum vorliegenden Antrag zufolge wurde dem Abgeordneten Rosenstingl nämlich in Aussicht gestellt, "gemeinsam mit den österreichischen Beamten ... nach Österreich zurückzukehren". In diesem Punkt stimmt das Vorbringen in der Äußerung des Abgeordneten Peter Rosenstingl zum vorliegenden Antrag durchaus mit den diesbezüglichen Ausführungen in der Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres und in einer Antwortnote der österreichischen Botschaft in der Föderativen Republik Brasilien, die oben unter Pkt. I.1.4 und 3.2. wörtlich wiedergegeben sind, überein, und zwar insoferne als auch dort u.a. jeweils festgehalten ist, dass dem genannten Abgeordneten angeboten worden sei, mit den genannten österreichischen Beamten nach Österreich zurückzukehren, er aber dieses Angebot ausgeschlagen habe; in weiterer Folge sei die Auslieferungshaft über ihn verhängt worden.

Somit hat aber der Abgeordnete Peter Rosenstingl, indem er von der ihm gebotenen Möglichkeit, nach Österreich zurückzukehren, keinen Gebrauch gemacht hat, nicht das Seine getan, um die nachfolgende Auslieferungshaft abzuwenden, wobei er damit rechnen musste, dass er durch diese Haft für längere Zeit daran gehindert sein würde, seiner Anwesenheitsverpflichtung im Nationalrat nachzukommen. Des Weiteren ist im verfassungsgerichtlichen Verfahren weder behauptet worden noch sonst hervorgekommen, dass sich der in Rede stehende Abgeordnete auch nach der an ihn gerichteten Aufforderung des Präsidenten des Nationalrates, im Nationalrat zu erscheinen, darum bemüht hätte, nach Österreich zurückzukommen, um hier der genannten Anwesenheitsverpflichtung entsprechen zu können. Nach Lage des vorliegenden Falles war es ihm auch durchaus zuzumuten, - gegebenenfalls gemeinsam mit den beiden im Zuge der Fahndung nach ihm nach Brasilien entsandten Beamten - nach Österreich zurückzukehren und sich hier der gegen ihn laufenden gerichtlichen Voruntersuchung zu stellen. Im Hinblick auf all diese Umstände scheidet die in Brasilien über ihn verhängte Auslieferungshaft als tauglicher Rechtfertigungsgrund für die Abwesenheit des Abgeordneten Rosenstingl von den Sitzungen des Nationalrates aus.

Anders als der Abgeordnete Rosenstingl in seiner Äußerung zum vorliegenden Antrag meint, kommt es auf die näheren Modalitäten dieser ihm gebotenen Rückkehrmöglichkeit - es ist belanglos, dass eine Rückkehr nur "gemeinsam mit den österreichischen Beamten" erfolgen hätte können - ebensowenig an wie darauf, dass dem betroffenen Abgeordneten nicht die "Freilassung" oder "Enthaftung" in Aussicht gestellt wurde; ohne Bedeutung ist schließlich auch, dass er u.U. nach seiner Rückkehr auf Grund des österreichischen Haftbefehls festgenommen und über ihn die Untersuchungshaft hätte verhängt werden können, zumal in diesem Fall - jeweils unter bestimmten Voraussetzungen - dem Abgeordneten die Teilnahme an den Sitzungen des Nationalrates möglich oder seine Abwesenheit von diesen Sitzungen gerechtfertigt gewesen wäre. Entscheidend ist allein, dass er die ihm gebotene Möglichkeit zur Rückkehr nach Österreich bewusst nicht wahrgenommen und daher die über ihn verhängte Auslieferungshaft mit ihren negativen Konsequenzen für die Erfüllung seiner Anwesenheitspflicht im Nationalrat selbst verantwortet. Im Hinblick darauf kann diese Haft für ihn auch keinen Rechtfertigungsgrund im Sinne des §2 Abs1 Z2 GeschäftsordnungsG bilden.

3. Bei diesem Ergebnis braucht gar nicht untersucht zu werden, ob der Abgeordnete Peter Rosenstingl während seines Aufenthaltes in Brasilien u.U. auch schon längere Zeit vor seiner Festnahme am 5.6.1998 wusste, dass nach ihm - international - gefahndet wird und dies mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass über ihn die Auslieferungshaft verhängt wird, und ob er schon damit ein Verhalten gesetzt hat, das die durch die nachfolgende - tatsächliche - Verhängung dieser Auslieferungshaft bedingte Verhinderung, an den Sitzungen des Nationalrates teilzunehmen, nicht als im Sinne des §2 Abs1 Z2 GeschäftsordnungsG gerechtfertigt erscheinen lässt.

4. Da der Abgeordnete Peter Rosenstingl somit seine Abwesenheit von den Sitzungen des Nationalrates nicht im Sinne des §2 Abs1 Z2 GeschäftsordnungsG gerechtfertigt hat, war dem Antrag des Nationalrates, diesen Abgeordneten seiner Mitgliedschaft im Nationalrat für verlustig zu erklären, stattzugeben.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung gefasst werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließe.

Schlagworte

Nationalrat, Wahlrecht passives, Mandatsverlust

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:WII1.1998

Dokumentnummer

JFT_10019070_98W0II01_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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