RS UVS Oberösterreich 1997/05/13 VwSen-600006/5/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 13.05.1997
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Rechtssatz

Die in den Buchstaben a) bis c) umschriebenen Tatbilder des § 1 O.ö. Ehrenkränkungsgesetzes entsprechen - abgesehen von den Publizitätserfordernissen - wörtlich den Delikten gegen die Ehre in den §§ 111 Abs.1 und 115 Abs.1 StGB. Da die für die gerichtliche Strafbarkeit gemäß §§ 111 Abs.1 und 115 Abs.1 StGB geforderte Mindestpublizität verschieden geregelt worden ist, muß im Hinblick auf die Subsidiarität der Verwaltungsübertretungen der Ehrenkränkung streng zwischen den Tathandlungen dieser Tatbilder unterschieden werden.

Die Einschreiterin ist als Wirtschaftsunternehmen in der Rechtsform einer GesmbH und somit als juristische Person nicht ehrfähig. Nach österreichischem Recht sind grundsätzlich nur physische Einzelpersonen beleidigungsfähig (vgl zum Ganzen mwN Kienapfel, BT I, 3. A, Vorbem §§ 111 ff StGB, Rz 67 u 73 f). Ist jedoch innerhalb eines Unternehmens ein bestimmter Personenkreis erkennbar, gegen den die Beleidigung zielt, so ist jeder, der diesem Personenkreis angehört, als beleidigt anzusehen. In einem solchen Fall spricht man von einer Ehrenbeleidigung von Einzelpersonen unter einer Kollektivbezeichnung (vgl näher Kienapfel, aaO, Vorbem §§ 111 ff StGB, Rz 77 ff).

Im gegebenen Zusammenhang war davon auszugehen, daß sich die erst im Laufe des Verfahrens konkretisierte - angebliche - ehrenrührige Äußerung des Beschuldigten (vgl Stellungnahme vom 4.6.1996: "Ihr Gauner, so geht das nicht, einem jungen Burschen alle Monate ein Auto zu verkaufen und sich dabei gesundzustoßen!"), gegen die Geschäftsführung der Einschreiterin und damit gegen den Geschäftsführer A richtete. Dieser fühlte sich - wie es auch nach den konkreten Umständen nahelag - in erster Linie persönlich betroffen (vgl Niederschrift über die Zeugenvernehmung vom 27.9.1996). Allerdings hat nicht der Geschäftsführer A Strafantrag erhoben. Vielmehr wurde im Namen und im Auftrag der T GmbH innerhalb der gesetzlichen Sechswochenfrist ein Strafantrag wegen Ehrenkränkung gestellt und ein Privatbeteiligtenanschluß erklärt. Mangels Beleidigungsfähigkeit kam der Einschreiterin aber keine Aktivlegitimation als Privatanklägerin wegen eines Ehrenkränkungstatbestandes zu.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Strafantrag nach § 56 Abs 1 VStG den zugrundeliegenden Sachverhalt genau zu umschreiben, dessentwegen der Privatankläger die Bestrafung beantragt. Dabei muß im einzelnen dargelegt werden, welcher Sachverhalt als ehrenkränkend angesehen wird. Der Verwaltungsgerichtshof hielt auch die bloße Vorlage eines Briefes im Zusammenhang mit einer nicht ausgeführten "Anzeige wegen Ehrenkränkung" für nicht ausreichend (vgl VwSlg 9443 A/1977).

Die genaue Darlegung des als ehrenkränkend empfundenen Sachverhalts ist ein inhaltliches Erfordernis eines tauglichen Strafantrags nach § 56 Abs 1 VStG. Sie ist für die Identität der Tat und damit für den Prozeßgegenstand des Privatanklageverfahrens von entscheidender Bedeutung. Es handelt sich um keinen verbesserungsfähigen Formfehler. Außerhalb der besonderen subjektiven Verfolgungsverjährungsfrist des § 56 Abs 1 VStG kann ein unzureichender Strafantrag nicht mehr rechtswirksam ergänzt werden. Nach Ablauf der sechswöchigen subjektiven Frist, also nach sechs Wochen ab Kenntnis der inkriminierten Äußerungen, ist ein Strafantrag wegen der mittlerweile eingetretenen subjektiven Verfolgungsverjährung nicht mehr zulässig. Deshalb darf auch keine die Identität und Unverwechselbarkeit der Tat betreffende inhaltliche Ergänzung oder Änderung eines unzureichenden Strafantrages außerhalb der  Fristenbindung des § 56 Abs 1 VStG erfolgen.

Der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte hat zutreffend vorgebracht, daß die Einschreiterin innerhalb der gesetzlichen Verfolgungsfrist von sechs Wochen lediglich ausführte, der Beschuldigte hätte gegenüber dem (namentlich nicht genannten) Geschäftsführer der Einschreiterin "unwahre, unqualifizierte, beleidigende und geschäftsschädigende Äußerungen" getätigt, ohne in irgendeiner Weise anzugeben, welche Äußerungen fielen. Nach  strafbehördlicher Aufforderung wurde im Schriftsatz vom 4.6.1996 erstmals ein konkreter Sachverhalt vorgebracht. Diese nachträgliche Konkretisierung war aber eindeutig verspätet und wegen der Verfristung des Verfolgungsrechtes auch ohne Wirkung für das anhängige Strafverfahren. Der unzureichende Strafantrag vom 25.3.1996 konnte dadurch nicht mehr saniert werden.

Die Bezirkshauptmannschaften E und U-U haben diese Rechtslage verkannt. Durch die verfehlte strafbehördliche Aufforderung zur Konkretisierung wurde der wesentliche Inhaltsmangel des Strafantrags nicht zu einem verbesserungsfähigen Formfehler iSd § 13 Abs 3 AVG iVm § 24 VStG verwandelt. Eine Ausnahme vom  Grundsatz der Unverbesserbarkeit von Inhaltsmängeln bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (arg § 67c Abs 3 AVG). Der nicht verbesserungsfähige Inhaltsmangel des gegenständlichen Strafantrages hätte daher zur sofortigen Zurückweisung  durch die Bezirksverwaltungsbehörde führen müssen.

Der Vollständigkeit halber bleibt in materieller Hinsicht anzumerken, daß der Strafantrag auch in sich widersprüchlich und inhaltlich verfehlt ist, wenn einerseits die Erfüllung des Tatbestandes der Üblen Nachrede und der Beleidigung iSd StGB, zwei Absätze weiter jedoch das Vorliegen einer Ehrenkränkung behauptet wird.

Auch nach den Behauptungen der Einschreiterin sind die inkriminierten Äußerungen jedenfalls im Beisein des Zeugen T gefallen. Außerdem bestand wohl auch im Verkaufsraum eine räumliche Nähe zu den zwei angestellten Bürokräften, den Töchtern des Geschäftsführers W. Da im gegebenen Zusammenhang primär an Üble Nachrede im Sinne eines Verhaltensvorwurfes zu denken war, erschien aber auch das Publizitätserfordernis ("in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise") des § 111 Abs.1 StGB erfüllt (zur deliktseigenen Publizität näher Kienapfel, BT I, 3. A, § 111 StGB Rz 28 ff und VwGH 16.12.1996, 96/10/0180). Der Vorwurf, die  Geschäftsführung der Einschreiterin würde die altersbedingte Unerfahrenheit ihres Kunden ("junger Bursche") ausnutzen, indem sie regelmäßig ("alle Monate") diesem ein Auto verkaufen und so auf dessen Kosten Gewinn mache wolle ("sich gesundstoße"), ist ein konkret verhaltensbezogener Vorhalt (dazu Kienapfel, aaO, § 111 StGB Rz 16 ff, 21 ff, insb Rz 59), mit dem die Geschäftsführung eines unehrenhaften Verhaltens oder zumindest eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens bezichtigt wird. Da das Wort "Gauner" nicht isoliert betrachtet werden durfte, sondern die gesamten Umstände der Auseinandersetzung zu berücksichtigen waren, konnte von einer bloßen Beschimpfung iSd § 115 StGB wohl keine Rede sein.

Daher erscheint selbst nach dem Vorbringen der Einschreiterin im Hinblick auf die ausdrückliche Subsidiarität der Bestimmungen des § 1 O.ö. Ehrenkränkungsgesetz 1975 gegenüber gerichtlich strafbaren Handlungen der gegenständliche Strafantrag an die Verwaltungsstrafbehörde als unbegründet. Im Falle von gerichtlich strafbaren Ehrenbeleidigungen läge keine verwaltungsbehördlich zu ahndende Ehrenkränkung vor, was eine Einstellung nach § 45 Abs.1 Z1 VStG zur Folge hätte.

Im Ergebnis war der vorliegende Strafantrag schon mangels der inhaltlichen Mindesterfordernisse, die nach Ablauf der subjektiven Verfolgungsverjährungsfrist nicht rechtswirksam nachgetragen werden konnten, und wegen der fehlenden Aktivlegitimation der Einschreiterin aus formellen Gründen zurückzuweisen. Auch der erklärte Privatbeteiligtenanschluß war unzulässig, weil die Bezirksverwaltungsbehörde grundsätzlich nicht zuständig ist, über zivilrechtliche Schadenersatzansprüche zu entscheiden. Nur wo das besondere Verwaltungsrecht Ausnahmen regelt (vgl zB § 174 Abs.3 ForstG), ist ein Anschluß als Privatbeteiligter iSd § 57 VStG möglich und zulässig. Das O.ö. Ehrenkränkungsgesetz 1975 enthält hinsichtlich privatrechtlicher Ansprüche keine Regelung, weshalb es beim Grundsatz der  Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach § 1 JN bleibt. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

Das gegen den Beschuldigten P eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren war  jedenfalls gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen, weil Umstände vorliegen, die eine  Verfolgung des Beschuldigten aufgrund des Vorfalles vom 6.3.1996 ausschließen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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