TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/4 94/12/0285

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Veröffentlicht am 04.07.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E05200500;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/08 Sonstiges allgemeines Dienstrecht und Besoldungsrecht;

Norm

31976L0207 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Berufsbildung;
61984CJ0170 Bilka VORAB;
61995CJ0100 Kording VORAB;
BDG 1979 §206 Abs6;
BGBG 1993 §4 Z2;
BGBG 1993 §4 Z3;
EURallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Bayjones und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des H in I, vertreten durch Dr. Michael Leuprecht, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 4/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 22. August 1994, Zl. 199.115/6-III/16/94, betreffend Verleihung von schulfesten Stellen an der Bundeshandelsakademie/Bundeshandelsschule I (mitbeteiligte Partei: Kschule I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und unterrichtet seit 1. September 1990 an der Bundeshandelsakademie/Bundeshandelsschule I (im Folgenden HAK/HS I.) als L 1-Lehrer Englisch und Russisch.

Im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Tirol (im Folgenden kurz: LSR) vom 20. Jänner 1994, Stück I, Nr. 2, waren an der HAK/HS I. zwei schulfeste Stellen für Lehrer/innen humanistischer Unterrichtsgegenstände zur Besetzung ausgeschrieben. Um diese Stellen bewarben sich unter anderem der Beschwerdeführer und die mitbeteiligte Partei, die gleichfalls an dieser Schule unterrichtet.

Mit Bescheid vom 16. Juni 1994 vergab der LSR auf Grund des Beschlusses des Kollegiums des LSR in seiner Sitzung vom 9. Juni 1994 gemäß § 206 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) an den Beschwerdeführer und W. diese schulfesten Stellen. Die Bewerbungen aller anderen Bewerber (darunter auch die mitbeteiligte Partei) hätten nicht berücksichtigt werden können.

Die Dienstbehörde erster Instanz begründete ihre Entscheidung damit, dass nach § 206 BDG 1979 bei der Vergabe von schulfesten Stellen an Lehrer im definitiven Dienstverhältnis mit Lehrbefähigung für die betreffende Stelle Bewerber zunächst unter Bedachtnahme auf ihre Leistungsfeststellung und ferner mit Rücksicht auf ihre sozialen Verhältnisse auszuwählen seien. Das Kollegium habe festgestellt, dass von den insgesamt sieben Bewerbern nur der Beschwerdeführer, die mitbeteiligte Partei und der Bewerber W. als Leistungsfeststellung "den zu erwartenden Arbeitserfolg durch besondere Leistungen erheblich überschritten" hätten. Im Hinblick auf ihre sozialen Verhältnisse wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer und W. jeweils eine Familie mit einem Kind habe, während die mitbeteiligte Partei ledig sei.

In ihrer Berufung brachte die mitbeteiligte Partei im Wesentlichen vor, dass gemäß § 4 Z. 2 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (B-GBG) das Lebensalter und der Familienstand nicht als Auswahlkriterium herangezogen werden dürfe. Durch den letzten Satz der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides fühle sie sich nicht nur in ihrer Privatsphäre (der Bescheid sei gleichlautend auch an die Mitbewerber/innen um die beiden schulfesten Stellen ergangen), sondern auch in ihrer Frauenehre gekränkt, diffamiert und letztlich als Frau diskriminiert.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. August 1994 gab die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Partei statt und verlieh in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die beiden obgenannten schulfesten Lehrerstellen an die mitbeteiligte Partei und W. Hingegen wurde die Bewerbung des Beschwerdeführers gemäß § 206 BDG 1979 abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage (§ 206 Abs. 6 BDG 1979) damit, das Gesetz sehe lediglich Richtlinien für die Auswahl der Bewerber um eine schulfeste Lehrerstelle vor. Auf die im Gesetz genannten Merkmale (Leistungsfeststellung; Rücksichtnahme auf die sozialen Verhältnisse) sei nur "Bedacht zu nehmen". Es könnten daher auch andere Momente berücksichtigt werden, wenn dies dem Sinne des Gesetzes entspräche. Bezüglich der Leistungsfeststellung seien beim Beschwerdeführer sowie der mitbeteiligten Partei und W. Gleichwertigkeit gegeben. Bezüglich der sozialen Verhältnisse hätten die durchgeführten Ermittlungen ergeben, dass der Beschwerdeführer und W. für je ein unversorgtes Kind zu sorgen hätten, während die mitbeteiligte Partei ledig sei. Dies allein könne aber noch nicht zur Bevorzugung eines Bewerbers führen. Vielmehr spreche die Tatsache, dass im Gegensatz zum Beschwerdeführer die mitbeteiligte Partei und W. Alleinverdiener seien, für diese beiden Lehrer. Einen wichtigen sozialen Aspekt stelle auch die nebenberufliche Tätigkeit dar: Während die mitbeteiligte Partei keine nebenberufliche Tätigkeit ausübe, gingen sowohl der Beschwerdeführer als auch W. einer solchen nach. Im Beschwerdefall spreche daher das im Gesetz angeführte Kriterium "Rücksichtswürdigkeit im Hinblick auf die sozialen Verhältnisse" für die mitbeteiligte Partei (Alleinverdienerin, keine nebenberufliche Tätigkeit) und für W. (Alleinverdiener), während der Beschwerdeführer nicht Alleinverdiener sei und einer nebenberuflichen Tätigkeit nachgehe. Obwohl aus den obgenannten Kriterien bereits abzuleiten sei, dass der mitbeteiligten Partei und W. der Vorzug zu geben sei, werde diese Entscheidung noch "durch andere Gesichtspunkte gefestigt". So weise die mitbeteiligte Partei in wichtigen dienstlichen Belangen wie Abschluss der Lehramtsprüfung (29. Jänner 1979), Pragmatisierung (1. Oktober 1981), Definitivstellung (1. August 1983) sowie Dienstalter (im Schuldienst seit 19. Februar 1979) gegenüber W. Vorteile auf, während der Beschwerdeführer lediglich den günstigeren Vorrückungsstichtag im Verhältnis gegenüber der mitbeteiligten Partei (18. April 1976) nachweisen könne. Da der LSR die sozialen Verhältnisse bei der mitbeteiligten Partei bei seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt habe, sei ihrer Berufung stattzugeben und die spruchgemäße Verfügung zu treffen gewesen. Die Bewerbung des Beschwerdeführers sei daher gemäß § 206 Abs. 6 BDG 1979 abzulehnen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Die mitbeteiligte Partei hat gleichfalls eine Gegenschrift erstattet.

Der Beschwerdeführer hat zu beiden Gegenschriften jeweils eine Replik erstattet, die die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei ihrerseits erwiderten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage

1. BDG 1979:

Im Beschwerdefall ist auf Grund der zeitlichen Lagerung die Stammfassung, BGBl. Nr. 333/1979 (Paragraphenbezeichnungen in der Fassung des Art. I Z. 5 des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 148/1988) maßgebend.

§ 206 BDG 1979 lautet auszugsweise:

"(1) Schulfeste Stellen gemäß § 204 Abs. 1 werden mit der Ernennung auf die betreffende Planstelle besetzt. Sonstige schulfeste Stellen sind nach Maßgabe der folgenden Absätze zu verleihen.

(2) Schulfeste Stellen dürfen nur Lehrern im definitiven Dienstverhältnis verliehen werden, die die Lehrbefähigung für die betreffende Stelle besitzen.

(3) Schulfeste Stellen sind - ausgenommen im Falle des Diensttausches von Inhabern solcher Stellen - im Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren zu besetzen.

(4) ...

(5) ...

(6) Die Verleihung der schulfesten Stelle obliegt dem zuständigen Bundesminister oder, wenn ein Landesschulrat Schulbehörde erster Instanz für die betreffende Schule ist, dem Kollegium des Landesschulrates. Bei der Auswahl aus den Bewerbern ist zunächst auf die Leistungsfeststellung, ferner auf die Rücksichtswürdigkeit der Bewerber im Hinblick auf ihre sozialen Verhältnisse Bedacht zu nehmen. Lehrer, die ihre schulfeste Stelle durch Auflassung der Planstelle verloren haben, sind bevorzugt zu reihen. Bei weniger als drei geeigneten Bewerbern kann eine neuerliche Ausschreibung vorgenommen werden.

(7) ..."

2. B-GBG

Anzuwenden ist das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GBG), BGBl. Nr. 100/1993, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 16/1994. Der im Beschwerdefall maßgebliche § 4 lautet:

"Bei der Auswahlentscheidung zwischen Bewerberinnen und Bewerbern dürfen insbesondere folgende Kriterien nicht diskriminierend herangezogen werden:

1. bestehende oder frühere

a)

Unterbrechung der Erwerbstätigkeit,

b)

Teilbeschäftigung oder

c)

Herabsetzung der Wochendienstzeit,

2.

Lebensalter und Familienstand,

3.

eigene Einkünfte der Ehegattin oder Lebensgefährtin oder des Ehegatten oder Lebensgefährten eines Bewerbers oder einer Bewerberin,

4.

zeitliche Belastungen durch die Betreuung von Kindern oder von

pflegebedürftigen Angehörigen und die Absicht, von der Möglichkeit der Teilbeschäftigung oder der Herabsetzung der Wochendienstzeit Gebrauch zu machen."

II. Beschwerdeausführungen und Erwägungen

              1.              Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf ordnungsgemäße Anwendung des § 206 Abs. 6 BDG 1979 verletzt. Im Einzelnen führt er dazu aus, dass die belangte Behörde bei der Beurteilung der sozialen Verhältnisse die mitbeteiligte Partei rechtswidriger Weise, nämlich im Widerspruch zu § 33 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, als "Alleinverdiener" betrachtet habe, obwohl sie keine gesetzlichen Unterhaltspflichten träfen. Was die vom Beschwerdeführer ausgeübte nebenberufliche Tätigkeit betreffe, so sei diese wegen ihres geringen Umfangs zu vernachlässigen und hätte von der belangten Behörde nicht zu seinen Lasten gewertet werden dürfen. Die weiteren Argumente der belangten Behörde zugunsten der mitbeteiligten Partei - früherer Abschluss der Lehramtsprüfung, Pragmatisierung und Definitivstellung sowie Dienstalter - stellten keine sozialen Kriterien im Sinne des § 206 Abs. 6 BDG 1979 dar. Wenn überhaupt, so sei nicht auf den Abschluss der Lehramtsprüfung oder den Beginn des Dienstverhältnisses, sondern in erster Linie auf den Vorrückungsstichtag abzustellen, da es andernfalls zu einer Diskriminierung der Präsenzdienst leistenden männlichen Bewerber kommen müsste. Allgemein sei bei der Frage der sozialen Komponente im Zusammenhang mit der Verleihung einer schulfesten Stelle auf das gesamte Umfeld Bedacht zu nehmen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmung könne es nur sein, Personen die Möglichkeit einzuräumen, einen fixen Arbeitsplatz und somit auch einen fixen Wohnsitz zu erhalten, was in besonderem Maße für Familienväter beziehungsweise -mütter von Bedeutung sei. Bei der Frage der sozialen Verhältnisse sei daher vor allem auf diese Problematik einzugehen und nicht etwa auf das Vorliegen einer Nebenbeschäftigung. Die von der belangten Behörde verwendete Interpretation widerspreche auch der vom Duden verwendeten Umschreibung des Wortes "sozial".

              2.              Im Ergebnis ist der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen im Recht.

2.1. Die in § 206 Abs. 6 BDG 1979 angeführten Kriterien stellen zwar, weil auf sie "nur Bedacht zu nehmen ist", keine abschließende Regelung dar. Es ist der Behörde daher nicht verwehrt, bei ihrer Entscheidung auch auf im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Gesichtspunkte Rücksicht zu nehmen, wenn diese dem Sinne des Gesetzes entsprechen, wie z.B. Dienstantritt, Vorrückungsstichtag oder Zeitpunkt der Definitivstellung als geeignete Indikatoren für einen längeren Unterrichtserfolg (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1993, Zl. 92/12/0264), wobei im Zweifel wohl auf die längere tatsächliche Unterrichtserfahrung und nicht auf einen allenfalls günstigeren Vorrückungsstichtag abzustellen ist; dies darf aber nicht dazu führen, die gesetzlichen Kriterien - also an erster Stelle die Leistungsfeststellung und an zweiter Stelle die Rücksichtswürdigkeit im Hinblick auf die sozialen Verhältnisse - gleichsam von vornherein auszuschalten.

2.2. Im Beschwerdefall (bei unstreitiger Gleichwertigkeit der Leistungsfeststellungen) hätte die belangte Behörde also zunächst jedenfalls klären müssen, ob nicht die sozialen Verhältnisse eindeutig zugunsten eines der beiden Bewerber gesprochen hätten.

2.2.1. Dieser Anforderung hat sie nicht schon mit dem Hinweis darauf entsprochen, dass die mitbeteiligte Partei im Gegensatz zum Beschwerdeführer "Alleinverdienerin" sei und dieser einer nebenberuflichen Tätigkeit nachgehe. Im konkreten Fall ist, wie der Beschwerdeführer richtig ausführt, schon die Bezeichnung der mitbeteiligten Partei als "Alleinverdienerin" problematisch. Die österreichische Rechtsordnung kennt den Begriff "Alleinverdiener" nur in dem Sinn, der ihm nach der im § 33 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes 1988 enthaltenen Definition zukommt. Danach kann Alleinverdiener nur eine Person sein, die gegenüber dem nicht dauernd getrennt lebenden Ehepartner oder - bei aufrechter Ehe oder Partnerschaft - gegenüber Kindern gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen hat. Auch der allgemeine Sprachgebrauch deutet auf ein solches Verständnis hin: Von einem Alleinverdiener wird üblicherweise dann gesprochen, wenn eine einzige Person für den Unterhalt der Familie aufzukommen hat, nicht aber schon dann, wenn jemand "allein" den eigenen Unterhalt bestreitet; gedanklich wird beim Gebrauch des Begriffs "Alleinverdiener" das Vorhandensein eines potentiellen "Zweitverdieners" vorausgesetzt.

2.2.2. Im Beschwerdefall wäre jedenfalls, unabhängig von dieser Definitionsfrage, konkret der Grad der Rücksichtswürdigkeit im Hinblick auf die sozialen Verhältnisse festzustellen gewesen. Dabei spielen selbstverständlich gesetzliche Unterhaltspflichten eine Rolle; sie sind ebenso in die Betrachtung einzubeziehen wie allfällige Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung und das Einkommen des (Ehe-)Partners. Ein(e) Bewerber(in) mit Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind wird dabei im Regelfall auch dann im Vergleich zu einer allein stehenden Person ohne eine derartige Verpflichtung finanziell weniger günstig gestellt sein, wenn sein (ihr) Ehepartner über ein Einkommen in gleicher Höhe verfügt.

2.2.3. Da aber die mit einer schulfesten Stelle verbundenen Vorteile nicht nur in der finanziellen Absicherung, sondern vor allem auch wegen der im Regelfall von der Zustimmung des Inhabers einer solchen Stelle abhängigen Versetzung (vgl. dazu näher § 205 BDG 1979) in der Stabilität des Dienstortes zu sehen sind, muss bei der Beurteilung der sozialen Verhältnisse auch darauf Bedacht genommen werden, welcher Bewerber in dieser Hinsicht schutzwürdiger ist, für wen also - vor allem im Hinblick auf die familiäre Situation - allenfalls ein weiterer Dienstweg oder eine Übersiedlung eine größere Belastung darstellen würde.

2.2.4. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass bei der Beurteilung der sozialen Verhältnisse im Sinne des § 206 BDG 1979 der Familienstand und das Einkommen von Ehepartner(in) oder Lebensgefährte/in eine Rolle spielen können.

2.2.5. Dies widerspricht entgegen der von der mitbeteiligten Partei im Verwaltungsverfahren mehrfach geäußerten und in der Gegenschrift offenbar auch von der belangten Behörde vertretenen Ansicht nicht von vornherein dem § 4 B-GBG. Die in dieser Bestimmung genannten Kriterien dürfen nämlich nur dann nicht herangezogen werden, wenn dies in diskriminierender Weise geschieht; das wurde mit der Novelle BGBl. Nr. 16/1994 durch die Einfügung des Wortes "diskriminierend" klargestellt. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu dieser Novelle, 1358 Blg Sten Prot NR XVIII. GP, heißt es dazu zu Art X Z 3 auf Seite 28 f:

"Mit dieser Bestimmung soll klargestellt werden, dass die im § 4 B-GBG beispielhaft angeführten Umstände, die typischerweise bei Frauen gegeben sind, nicht gänzlich bei Auswahlentscheidungen zwischen Bewerberinnen und Bewerbern ausgeschlossen werden, sondern nur nicht auf diskriminierende Weise herangezogen werden dürfen. Das bedeutet, dass, wenn diese oder ähnliche Auswahlkriterien dennoch herangezogen werden, die eine Person benachteiligende Differenzierung einer sachlichen Rechtfertigung bedarf".

Wie sich schon aus dem Zweck dieses Gesetzes, aber auch aus den einleitenden Worten der wiedergegebenen Passage aus der zitierten Regierungsvorlage ergibt, wurde dieser Gesichtspunkt nicht erst durch diese Novelle in das Gesetz aufgenommen, sondern war diesem schon in seiner Stammfassung immanent.

Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere zur Gleichbehandlungsrichtlinie (RL des Rates 76/207/EWG): danach ist eine Regelung oder Maßnahme dann (mittelbar) diskriminierend, wenn sie in der praktischen Auswirkung (überwiegend) ein Geschlecht benachteiligt und kein sachlicher Rechtfertigungsgrund dafür vorliegt; zur Rechtfertigung müssen objektive Gründe vorliegen, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben, wobei die aus diesen Gründen gewählten Mittel einem für die staatliche Sozialpolitik notwendigen Ziel bzw. - bei einem Unternehmen - einem wirklichen Bedürfnis dienen und zur Zielerreichung erforderlich und geeignet sein müssen (vgl. z.B. das Urteil vom 13. Mai 1986, Rs 170/84, EuGH-Slg. 1986 - "Bilka" - und das Urteil vom 2. Oktober 1997, Rs C-100/95, EuGH-Slg. 1997 - "Kording").

Bei der Verleihung einer schulfesten Stelle gemäß § 206 BDG 1979 verlangt das Gesetz selbst bei Gleichwertigkeit der Leistungsfeststellungen die Bedachtnahme auf die "sozialen Verhältnisse" der Bewerber. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dabei nicht zuletzt auch auf die jeweilige familiäre Situation Bedacht zu nehmen ist, will man nicht der Bestimmung jeden sinnvollen Anwendungsbereich entziehen. Einer solchen der Versachlichung des Besetzungsvorgangs dienenden Bestimmung kann auch nicht von vornherein unterstellt werden, dass sie selbst sachlich nicht gerechtfertigt ist.

Wenn also auf Grund der ausdrücklichen Anordnung in § 206 BDG 1979 die sozialen Verhältnisse der Bewerber berücksichtigt werden und dabei der Familienstand oder die Einkommenssituation auch unter Berücksichtigung des Einkommens des Partners tatsächlich eine größere soziale Rücksichtswürdigkeit eines der Bewerber begründen, so kann in einer Auswahlentscheidung, der diese Kriterien zugrunde liegen, keine Diskriminierung im Sinne des § 4 Z. 2 oder 3 B-GBG erblickt werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn - ohne sachliche Begründung hiefür - der Familienstand oder das Einkommen des Partners entscheidungswesentlich herangezogen werden. Denn, um die Heranziehung dieser Kriterien sachlich rechtfertigen zu können, muss in jedem Fall nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich für die sozialen Verhältnisse im Sinne des Gesetzes bestimmend sind.

3. Da die belangte Behörde somit auf Grund einer verfehlten Rechtsansicht keine ausreichenden Feststellungen zu den sozialen Verhältnissen des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei getroffen hat, und dieses im Gesetz genannte Auswahlkriterium nicht durch andere Überlegungen von vornherein ersetzt werden kann, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des vom Beschwerdeführer gestellten Kostenantrages auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und § 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. Juli 2001

Gerichtsentscheidung

EuGH 61995J0100 Kording VORAB
EuGH 61984J0170 Bilka VORAB

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4VwRallg7 Alleinverdiener VwRallg7 AlleinverdienerinDiskriminierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1994120285.X00

Im RIS seit

26.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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