§ 5 Abs.1 VStG normiert, daß, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit schon fahrlässiges Verhalten genügt. Die Berufungswerberin hat hier beharrend auf ihrem Rechtsstandpunkt einen vorübergehend illegalen Aufenthalt offenkundig wohl in Kauf genommen. Diesem objektiv rechtswidrigen Verhalten kommt jedoch angesichts der Umstände ein nahezu entschuldigender Faktor zu. Diese Sicht ergibt sich vor allem im Hinblick auf Art.8 EMRK. Zutreffend verwies die Berufungswerberin auf den "Berrehab-Fall", EGMR 21. Juni 1988, 3/1987/126/177, mit welchem im Ergebnis die öffentlichen Interessen an einer restriktiven Zuwanderungspolitik gegenüber dem Interesse an möglichst ungehinderter Beibehaltung familiären Beziehungen (konkret des uneingeschränkten Kontaktes des Vaters mit seiner vierjährigen Tochter durch ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht und nicht bloß der Besuchsmöglichkeit per Touristenvisum) weniger gewichtet wurden. Der Gerichtshof spricht hier von einem Proportionalitätsverhältnis zwischen öffentlichem Interesse an einer eingeschränkten Zuwanderung und dem privaten Interesse der Erhaltung familiärer Beziehungen, wobei er in diesem Fall letzterem mehr Gewicht zuerkennt. Diese Wertung wird hier in erster Linie in der rechtlichen Beurteilung im Administrativverfahren im Zusammenhang mit der Versagung der Aufenthaltsbewilligung von Bedeutung sein (vgl. VfGH 27.6.1996, B 1438/94). Dieses Erkenntnis nimmt auf einen mit dem h. Verfahren parallel gelagerten Fall Bezug, worin die Ausweisung nur unter Abwägung der in Art.8 EMRK geschützten Rechte zulässig ist.
Im Lichte der rechtlichen Bedeutung des im Verfassungsrang stehenden Schutzgutes familiärer Beziehungen im Sinne des Art.8 EMRK vermag eine nachdrückliche Durchsetzung dieses Rechtes seitens eines Betroffenen in Form der gleichzeitigen Inkaufnahme des formal illegalen Aufenthaltes während des schwebenden Verfahrens zumindest nicht strafwürdig erachtet werden. Wenn daher die Erstbehörde diese Strafe gleichsam als Mittel zur "freiwilligen" Aufgabe des Aufenthaltes (also noch vor einer diesbezüglich endgültigen rechtlichen Klärung) der diesbezüglichen Administrativentscheidung erblicken wollte, würde dadurch der im Art. 8 EMRK verankerte Schutzzweck unterlaufen. Dieses in der letztgenannten Bestimmung normierte Schutzziel würde dann bloß als leere Hülse bestehen und im Ergebnis so verfassungsrechtlich geschützte Werte im Wege des Strafverfahrens unterlaufen und dieses auf der Schuldebene ineffektiv sein lassen. Die dem Verfahrensausgang vor dem Höchstgericht im Inland harrende Berufungswerberin - welcher im Lichte der obigen Betrachtung im Hinblick auf die Ausweisung wohl auch die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen gewesen sein wird - handelt mit ihrem formal illegalen Aufenthalt wohl rechtswidrig, jedoch ist ihr ein Abwarten des Verfahrensausganges im Ausland unter faktischer Aufgabe ihrer familiären Bindung im Hinblick auf den hohen Stellenwert der Aufrechterhaltung der familiären Bindung nur schwer zumutbar.
Nach § 21 Abs.1 (erster Satz) VStG kommt ein Absehen von einer Bestrafung dann in Betracht, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Der unabhängige Verwaltungssenat vermag hier an der Aufrechterhaltung des formal illegalen Aufenthaltes der Berufungswerberin bei ihrem seit vielen Jahren in Österreich lebenden Ehegatten, bei gleichzeitiger Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel zur Legalisierung des Aufenthaltes, objektiv keine nachteilige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessenslage erblicken. Dies muß nicht zuletzt auch aus der zuerkannten aufschiebenden Wirkung abgeleitet werden. Diese Beurteilung ist schließlich eine Konsequenz der Homogenität der gesamten Rechtsordnung, insbesonders im Hinblick auf den Stellenwert des Grundrechtsschutzes.