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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit der umfassenden, hinsichtlich der Aufgabenbereiche nicht differenzierenden Befreiung der ÖBB von der Pflicht zur Entrichtung von Fremdenverkehrsabgabe nach dem Krnt FrVAG 1994Spruch
§7 litb des Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1994, Anlage zur Kundmachung der Kärntner Landesregierung über die Wiederverlautbarung des Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1976, LGBl. für Kärnten Nr. 59/1994 (Überschrift in der Fassung der Kundmachung LGBl. für Kärnten Nr. 89/1994) wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 1999 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von Kärnten ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte, zu B431/97 protokollierte Beschwerde gegen einen aufgrund des Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1994, Anlage zur Kundmachung der Kärntner Landesregierung über die Wiederverlautbarung des Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1976, LGBl. für Kärnten Nr. 59/1994, Überschrift in der Fassung der Kundmachung LGBl. für Kärnten Nr. 89/1994 (im folgenden: Ktn. FrVAbgG), ergangenen Bescheid der Kärntner Landesregierung anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
Dem beschwerdeführenden Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 9. Jänner 1997 für das Jahr 1996 eine Fremdenverkehrsabgabe in der Höhe von S 3.662,-- gemäß §3 Ktn. FrVAbgG, iVm. §215 der Landesabgabenordnung 1991, LGBl. für Kärnten Nr. 128/1991, vorgeschrieben.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verletzung in seinen Rechten durch Anwendung der für verfassungswidrig erachteten Rechtsvorschriften über die Kärntner Fremdenverkehrsabgabe behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt. Zudem macht er geltend, das Ktn. FrVAbgG widerspreche Art33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, 77/388/EWG, ABl. EG L 145/1977, 1, idF Richtlinie des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen, 91/680/EWG, ABl. EG L 376/1991, 1 (im folgenden: Richtlinie). Überdies sei der Abgabetatbestand des §3 Ktn. FrVAbgG angesichts der umfassenden, sachlich nicht zu rechtfertigenden und daher verfassungswidrigen persönlichen Abgabebefreiung der Österreichischen Bundesbahnen durch §7 litb leg.cit. verfassungswidrig.
Die belangte Behörde legte im Verfahren zu B431/97 die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigte und gleichzeitig beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Zu §7 litb Ktn. FrVAbgG führte sie insbesondere aus, daß die darin angeordnete Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der Abgabepflicht dahingehend verfassungskonform auszulegen sei, daß sie sich nur "auf jenes Unternehmen bezieht, das im Zeitpunkt der Beschlußfassung der Stammfassung des Fremdenverkehrsabgabegesetzes (26. März 1970) rechtlich existent" gewesen sei. Damals sei das Bundesgesetz über die Bildung des Wirtschaftskörpers "Österreichische Bundesbahnen", BGBl. 137/1969, maßgeblich gewesen. Im Sinne des Verbotes einer dynamischen Verweisung auf Vorschriften eines anderen Normsetzers sei §7 litb FrVAbgG "obsolet" geworden, weil durch das Bundesbahngesetz 1992, BGBl. 825/1992, die Österreichischen Bundesbahnen in eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit umgewandelt worden seien.
3. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 25. Juni 1997 beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §7 litb Ktn. FrVAbgG 1994 von Amts wegen zu prüfen.
Der Verfassungsgerichtshof nahm im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung an, daß er bei Behandlung der Beschwerde die in Prüfung genommene Bestimmung anzuwenden hätte. Die belangte Behörde stützt zwar ihren Abgabenbescheid ua. auf die die Abgabenpflicht begründende Bestimmung des §3 Ktn. FrVAbgG, "deren normativer Gehalt erschließe sich jedoch erst in Zusammenschau mit den Ausnahmebestimmungen von der Abgabepflicht" (vgl. VfSlg. 14805/1997). Diese Bestimmung scheine daher im Verfahren vor dem Gerichtshof präjudiziell zu sein.
In der Sache vermochte der Verfassungsgerichtshof keine sachliche Rechtfertigung für jene Ausnahmebestimmung zu erkennen, die die Österreichischen Bundesbahnen in bezug auf die Kärntner Fremdenverkehrsabgabe anders als andere selbständig Erwerbstätige, die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen, behandelt, die Transportleistungen oder andere Infrastrukturleistungen erbringen. Der Verfassungsgerichtshof nahm daher vorläufig an, daß die Abgabebefreiung des §7 litb Ktn. FrVAbgG - ebenso wie die vorläufig als vergleichbar angenommene Steuerbefreiung des §8 Z1 des Kommunalsteuergesetzes 1993, BGBl. 819/1993 (s. VfSlg. 14805/1997) - gleichheitswidrig sein dürfte.
4. Die Kärntner Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie ihren bereits in der Gegenschrift (im zu B431/97 vor dem Verfassungsgerichtshof geführten Verfahren) dargelegten Standpunkt wiederholt bzw. näher ausführt und beantragt, §7 litb des Ktn. FrVAbgG nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
§3 Abs1 Ktn. FrVAbgG lautet:
"§3
Abgabenpflicht
(1) Die selbständig Erwerbstätigen (natürliche und juristische Personen, Personengemeinschaften), die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen und Einkünfte gemäß §2 Abs3 Z. 1, 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes 1972 erzielen, haben eine jährliche Fremdenverkehrsabgabe zu leisten. Einkünfte aus Privatzimmervermietung und Einkünfte aus dem Betrieb eines Campingplatzes sind Einkünften aus Gewerbebetrieben gleichzuhalten."
Abs2 dieser Bestimmung ordnet an, daß die Unterhaltung einer Betriebsstätte als selbständige Erwerbstätigkeit gilt. Gemäß §4 leg.cit. besteht die Rechtsvermutung, ein selbständig Erwerbstätiger, der eine der in den Abgabegruppen der Anlage aufgezählten oder eine ähnliche Tätigkeit ausübt, ziehe Nutzen aus dem Fremdenverkehr, sofern er nicht das Gegenteil glaubhaft machen kann.
§5 leg.cit. bestimmt den abgabepflichtigen Umsatz und §6 leg.cit. legt die Höhe der Abgabe fest:
"§5
Abgabepflichtiger Umsatz
(1) Der abgabepflichtige Umsatz ist die Summe der steuerbaren Umsätze nach §1 Abs1 Z. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1972.
Hiebei haben jedoch folgende Umsätze außer Ansatz zu bleiben:
a) Umsätze, die gemäß §6 Z. 1 bis 5, 9a, b und d des Umsatzsteuergesetzes 1972 steuerfrei sind, sowie Umsätze gemäß §6 Z. 8 lita bis e leg.cit., soweit es sich hiebei nicht um Zinsen, Provisionen, Kursgewinne und Vergütungen jeglicher Art handelt; dabei und im Falle des §10 Abs2 Z. 19 des Umsatzsteuergesetzes 1972 sind Bundesländer außer Kärnten dem Ausland gleichzusetzen;
b) Umsätze für sonstige Leistungen, soweit diese nicht im Bundesland Kärnten ausgeführt werden; eine sonstige Leistung gilt dabei als im Bundesland Kärnten ausgeführt, wenn der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil im Bundesland Kärnten tätig wird oder wenn er eine Handlung oder einen Zustand im Bundesland Kärnten duldet oder eine Handlung im Bundesland Kärnten unterläßt;
c) Umsätze aus Geschäftsveräußerungen im ganzen; eine solche Veräußerung ist gegeben, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet wird;
d) Umsätze aus der Land- und Forstwirtschaft im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, wenn diese Umsätze gemäß §22 Abs1 des Umsatzsteuergesetzes 1972 besteuert werden;
e) Umsätze aus dem Verkauf von Schulbüchern.
(2) ... (Besonderheiten betr. land- und forstwirtschaftliche
Betriebe)
(3) ... (Besonderheiten betr. Gast- und
Schankgewerbebetriebe)
(4) ... (Besonderheiten betr. Tankstellen)
(5) ... (Besonderheiten betr. Handel mit Baumaterialien)
§6
Höhe
Die Höhe der Abgabe beträgt für die Abgabepflichtigen
a)
der Abgabegruppe A2,8 o/oo
b)
der Abgabegruppe B1,7 o/oo
c)
der Abgabegruppe C 0,9 o/oo
d)
der Abgabegruppe D 0,56 o/oo
e)
der Abgabegruppe E 0,45 o/oo
f)
der Abgabegruppe F 0,3 o/oo
g)
der Abgabegruppe G 0,23 o/oo
ihres im Lande Kärnten im zweitvorangegangenen Jahr erzielten abgabepflichtigen Umsatzes, mindestens jedoch S 150,--."
In §7 leg.cit. werden die Ausnahmen von der Abgabepflicht aufgezählt:
"§7
Befreiung
Von der Abgabepflicht sind befreit:
a)
der Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände,
b)
die Österreichischen Bundesbahnen,
c)
die nach §4 Abs3 Z. 1, 2 und 4 des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, den Dienstnehmern gleichgestellten selbständig Erwerbstätigen,
d)
die selbständig Erwerbstätigen, die nach §2 Z. 2, 6, 8 und 9 des Gewerbesteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 2/1954, von der Gewerbesteuer befreit sind."
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat erwogen:
A. Zur Zulässigkeit:
Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art140 Abs1, erster Satz, B-VG über die Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes von Amts wegen, sofern er ein solches Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Im Sinne dieser Verfassungsnorm sind bei einem vom Verfassungsgerichtshof von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren jene gesetzlichen Bestimmungen präjudiziell, die von der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides in denkmöglicher Weise - wenn auch vielleicht zu Unrecht - angewendet wurden (zB. VfSlg. 5373/1966, 8318/1978, 8999/1980, 10925/1986, 12677/1991, 14078/1995) oder die die belangte Behörde anzuwenden verpflichtet war (zB. VfSlg. 10617/1985, 11752/1988). Somit begründet nicht nur die Verpflichtung zur Anwendung, sondern auch die faktische Anwendung die Präjudizialität. Im letzten Fall muß allerdings - wie bereits ausgeführt - der Sachverhalt der angewendeten Gesetzesnorm zum mindesten denkmöglich subsumierbar sein (vgl. VfSlg. 4625/1963, 5373/1966).
Wie der vor dem Verfassungsgerichtshof zu B431/97 angefochtene Bescheid - in Spruch und Begründung - zeigt, wendete die Kärntner Landesregierung zunächst §3 des Ktn. FrVAbgG tatsächlich an. Die im Prüfungsbeschluß vom 25. Juni 1997 getroffene Annahme des Verfassungsgerichtshofes, daß auch die Bestimmung des §7 litb Ktn. FrVAbgG ihres Zusammenhangs mit der Bestimmung des §3 leg.cit. wegen präjudiziell sei, erweist sich als zutreffend: Die belangte Behörde hat ihren die Fremdenverkehrsabgabe vorschreibenden Bescheid darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer nach §3 Ktn. FrVAbgG zur Leistung der Fremdenverkehrsabgabe verpflichtet und nicht nach §7 leg.cit. von der Steuerpflicht ausgenommen ist. Insofern hat die belangte Behörde auch die Ausnahmebestimmung sozusagen als negatives Tatbestandselement mitangewendet. Angesichts dessen ist auch die Bestimmung des §7 litb Ktn. FrVAbgG präjudiziell
(VfSlg. 14805/1997).
Die dagegen vertretene Auffassung des Beschwerdeführers, das Ktn. FrVAbgG sei aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen unanwendbar, weil die Fremdenverkehrsabgabe dem unmittelbar anwendbaren Art33 der genannten "Umsatzsteuer-Richtlinie" widerspreche, ist nicht begründet. Hiezu genügt es, auf das eine vergleichbare Rechtsfrage (nämlich das Burgenländische Tourismusgesetz 1992) betreffende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G2/97 (eine Ausfertigung desselben ist dem vorliegenden Erkenntnis angeschlossen) zu verweisen. Wie dort ist auch hier der belangten Behörde jedenfalls kein einer Gesetzlosigkeit gleichzuhaltender Fehler unterlaufen, wenn sie angenommen hat, daß der Anwendung ua. der präjudiziellen Regelung Art33 der zitierten Mehrwertsteuerrichtlinie nicht entgegensteht. Denn solches wäre nur dann anzunehmen, wenn der Widerspruch der österreichischen Rechtsvorschrift zu einer gemeinschaftsrechtlichen Norm im Sinne der acte claire-Doktrin offenkundig wäre (vgl. VfSlg. 14886/1997). Daß dies nicht der Fall ist, erhellt auch aus dem Umstand, daß der Verwaltungsgerichtshof dem EuGH mit Beschluß vom 27. Oktober 1997, Zlen. 97/17/0224 usw., betreffend die Kärntner Fremdenverkehrsabgabe nach dem Ktn. FrVAbgG, die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, ob Art33 Abs1 der Richtlinie einen Mitgliedstaat daran hindere, von Unternehmern eine Fremdenverkehrsabgabe einzuheben, die
"für jeweils ein Kalenderjahr zu entrichten ist und deren Höhe im wesentlichen proportional zum innerhalb eines Kalenderjahres durch den Unternehmer in diesem Teilstaat erzielten Umsatz ist, jedoch der Beitragssatz je Wirtschaftszweig (Berufsgruppe) nach einem vom Gesetzgeber angenommenen Nutzen aus dem Fremdenverkehr unterschiedlich hoch ist, und die einen Vorsteuerabzug nicht vorsieht".
Der Verwaltungsgerichtshof hat also Zweifel daran, ob der Anwendung des Ktn. FrVAbgG der Vorrang von EU-Recht entgegensteht; es kann also nicht die Rede davon sein, daß die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften EU-Recht offenkundig widersprächen.
Die Kärntner Landesregierung wendete deshalb §3 und damit die mit §3 im dargelegten Zusammenhang stehende Ausnahmebestimmung des §7 litb Ktn. FrVAbgG denkmöglich an (vgl. VfSlg. 4625/1963, 5373/1966, 10690/1985, 11393/1987, VfGH 24.6.1998, G2/97). §7 litb leg.cit. ist somit in dieser Beschwerdesache präjudiziell im Sinne der bisherigen Rechtsprechung zu Art140 Abs1, erster Satz, B-VG.
Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind - bei der im Jahre 1970 eingeführten Steuerbefreiung der ÖBB (LGBl. für Kärnten Nr. 114/1970) handelt es sich um eine bereits bestehende Beihilfe im Sinne des Art93 I EGV (vgl. EuGH 9.8.1994, Rs. C-44/93, Namur, Slg. 1994, I-3863 ff) - , ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
B. In der Sache:
1. Das Bedenken des Gerichtshofes, daß die Abgabebefreiung der Österreichischen Bundesbahnen sachlich nicht gerechtfertigt ist, trifft aus den im Prüfungsbeschluß dargelegten, im Gesetzesprüfungsverfahren nicht widerlegten, Erwägungen zu:
Der Verfassungsgerichtshof vermag keine sachliche Rechtfertigung dafür zu finden, daß die Österreichischen Bundesbahnen in bezug auf die Kärntner Fremdenverkehrsabgabe anders als andere selbständig Erwerbstätige, die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen, behandelt werden, welche Transportleistungen oder andere Infrastrukturleistungen erbringen.
Mit Erkenntnis VfSlg. 14805/1997 hat der Verfassungsgerichtshof die Steuerbefreiung der Österreichischen Bundesbahnen in §8 Z1 des Kommunalsteuergesetzes 1993, BGBl. 819/1993, als gleichheitswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof hielt dem - in einer Äußerung der Bundesregierung vorgebrachten - Argument, die Österreichischen Bundesbahnen seien verpflichtet, neben der Erbringung von Beförderungsleistungen für Personen und Güter auch gemeinwirtschaftliche Leistungen zu erbringen, sodaß darin die Steuerbefreiung eine Rechtfertigung finde, folgende Erwägungen entgegen:
"Die ÖBB erbringen - abgesehen von Leistungen geringfügigen Umfangs aufgrund spezieller Berechtigungen (etwa in einer eigenen Druckerei und in eigenen Kraftwerken), in denen (wie in der mündlichen Verhandlung vom 4. März 1997 mitgeteilt wurde) weniger als 1 % der Bediensteten beschäftigt sind - sowohl Leistungen der Personen- und Güterbeförderung auf der Schiene sowie (in wesentlich geringerem Ausmaß) im Kraftwagendienst und im Schiffahrtsverkehr (im Geschäftsbericht als Unternehmensbereich 'Absatz' bezeichnet) als auch Eisenbahninfrastrukturleistungen. Diese im BundesbahnG 1992, insbesondere in dessen von der Eisenbahninfrastruktur handelnden §2 (,der bezüglich der Zuordnung zur Infrastruktur auf zwei im Gesetz näher bezeichnete Verordnungen der Kommission verweist), grundgelegte Teilung der Unternehmensbereiche wurzelt in der Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991, 91/440/EWG, zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft. Wie die Verhandlung am 13. März 1997 ergab, werden die Bediensteten der ÖBB zu je rund 50 % in diesen beiden zentralen Unternehmensbereichen eingesetzt.
Während für den Unternehmensbereich 'Eisenbahninfrastruktur' gemäß §2 Abs2 BundesbahnG 1992 der Bund die Kosten zu tragen hat (laut Geschäftsbericht betrugen diese im Jahr 1995 rund 14,8 Mrd. S), haben die Bundesbahnen die Aufwendungen des Unternehmensbereiches 'Absatz' durch eigene Einnahmen zu decken (die Umsatzerlöse aus diesem Unternehmensbereich betrugen laut Angaben der ÖBB in der Verhandlung vom 13. März 1997 rund 26,5 Mrd. S, darunter 7 Mrd. S aus Erlösen aus dem Personen- und Gepäckverkehr und rund 10,3 Mrd. S aus dem Güterverkehr). Eine besondere Rolle spielen bei den Einnahmen aus diesem Unternehmensbereich jene aus der Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen iSd §3 BundesbahnG 1992, deren Erbringung und Bezahlung entsprechend der in dieser Bestimmung verwiesenen gemeinschaftsrechtlichen Regelung, der zufolge derartige Leistungen einer vertraglichen Vereinbarung bedürfen (vgl. Abs3 und 4 des Art1 iVm Art14 der V (EWG) Nr. 1191/69 des Rates idF der V (EWG) Nr. 1893/91 des Rates) in einem Vertrag zwischen dem Bund und den Österreichischen Bundesbahnen vereinbart ist. Aus diesem Titel wurden laut der von der Bundesregierung in der Verhandlung vom 13. März 1997 vorgelegten Aufstellung der ÖBB rund 8 Mrd. S, das sind rund 30 % der Erlöse im Unternehmensbereich 'Absatz' vereinnahmt. Wie aus dem dem Gerichtshof über seine Aufforderung vorgelegten Entwurf des Berichtes des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr gemäß §3 Abs3 BundesbahnG 1992 hervorgeht, wird damit insbesondere der Einnahmeentfall durch Abtarifierungen für Streckenzeitkarten und diverse sozial gestützte Tarife ('ÖKO-Bonus') abgegolten, ein 'Verlagerungsbonus' für die Übernahme von Leistungen im Personen-, Regional- und Nahverkehr übernommen sowie eine Unterstützung der Leistungserbringung im kombinierten Verkehr und beim Transport gefährlicher Güter geleistet.
Daraus ergibt sich, daß die von der Bundesregierung genannten 'gemeinwirtschaftlichen Leistungen' dem Gesetz gemäß gesondert abzugelten sind und auch abgegolten werden und daß die Leistungen im Unternehmensbereich 'Infrastruktur' überhaupt durch den Bund finanziert werden. Die Erbringung dieser Leistungen kann daher - entgegen der Auffassung der Bundesregierung - nicht als Rechtfertigung für die Befreiung der ÖBB von der Kommunalsteuer herangezogen werden, die den ÖBB für ihre gesamte Unternehmenstätigkeit, also nicht nur für die Infrastrukturleistungen und die gemeinwirtschaftlichen Leistungen, sondern auch für die Erbringung der Leistungen im Personen- und Güterverkehr zugute kommen:
Der VfGH hätte keine Bedenken gegen eine steuerliche Entlastung der Arbeitskosten, die im Unternehmensbereich 'Eisenbahninfrastruktur' wirksam würde (,sofern die damit verbundenen finanzausgleichsrechtlichen Fragen entsprechend bedacht sind), doch dürfte sich eine solche Begünstigung bloß im Rechnungskreis Infrastruktur auswirken und - angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. Art1 Abs5 litc der V (EWG) Nr. 1191/69 des Rates idF der V (EWG) Nr. 1893/91 des Rates) - nicht zur Quersubventionierung des Unternehmensbereiches 'Absatz' führen. Auch bestünden im Prinzip keine Bedenken dagegen, im Zusammenhang mit den vertraglich 'bestellten' gemeinwirtschaftlichen Leistungen eine Steuerbefreiung in den hiezu abgeschlossenen Verträgen (quasi als Entgeltbestandteil) vorzusehen, sofern dieser Begünstigung entsprechende Leistungen gegenüberstehen. Eine entsprechende Vereinbarung besteht derzeit freilich nicht.
Nicht gerechtfertigt werden kann aber angesichts der im BundesbahnG 1992 in Verfolg der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (insbesondere der V (EWG) Nr. 1191/69 des Rates idF der V (EWG) Nr. 1893/91 des Rates und der Richtlinie 91/440/EWG) vorgesehenen Notwendigkeit der strikten Zuordnung der Leistungen des Bundes zum Unternehmensbereich 'Infrastruktur' bzw. zu den im Rahmen des Abschnittes V der V1893/91 vereinbarten gemeinwirtschaftlichen Leistungen die Steuerbegünstigung betreffend die Lohnkosten, die für die Erbringung der Leistungen des allgemeinen Personen- und Güterverkehrs anfallen. Der VfGH verkennt nicht, daß auch an der Erbringung der Leistungen im Personen- und Güterverkehr über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen hinaus ein öffentliches Interesse besteht; dieses vermag aber die in Rede stehende Steuerbefreiung nicht zu tragen, ist das öffentliche Interesse an der Erbringung dieser Leistungen doch qualitativ nicht anders zu beurteilen, als das öffentliche Interesse am reibungslosen Funktionieren der Erbringung anderer wesentlicher Verkehrsleistungen. Besonders deutlich wird dies, wenn man die erwähnten Leistungen der ÖBB jenen Verkehrsleistungen gegenüberstellt, die andere Verkehrsträger (wie zB die Post oder private, zum Kraftwagenservice der ÖBB in Konkurrenz stehende Autobusunternehmen oder im Bereich des schienengebundenen Verkehrs die Privatbahnen, soweit auch für diese ein entsprechendes öffentliches Interesse besteht,) erbringen. Dafür, daß die ebenfalls im öffentlichen Interesse liegende Verkehrsleistungen erbringenden Unternehmen im Gegensatz zu den Österreichischen Bundesbahnen hinsichtlich der von ihnen an ihre Dienstnehmer gewährten Arbeitslöhne der Kommunalsteuerpflicht unterliegen, die Österreichischen Bundesbahnen aber von dieser Steuer befreit sind, ist eine sachliche Rechtfertigung nicht zu finden.
Der Verweis der Bundesregierung auf VfSlg. 5306/1966 ist ebenfalls nicht zielführend: In dieser Entscheidung erachtete der VfGH die Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der Gewerbesteuer ('deren sachliche Rechtfertigung selbst nicht Gegenstand der Entscheidung war') als geeignet, finanzausgleichsrechtlich die Gewährung von Beiträgen des Bundes an jene Gemeinden zu rechtfertigen, in denen sich Einrichtungen der ÖBB befanden. Zum damaligen Zeitpunkt waren die ÖBB Einrichtungen des Bundes und der Bund, dem die Gewerbesteuerbefreiung zugute kam, leistete dafür Beiträge an jene Gemeinden, die von dieser Steuerbefreiung betroffen waren. Das ist eine gänzlich andere Situation als die gegebene, in der die Österreichischen Bundesbahnen nach dem BundesbahnG 1992 als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet sind."
Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Er vermag vor allem keinen Grund dafür zu finden, die Steuerbefreiung der ÖBB hinsichtlich der Kärntner Fremdenverkehrsabgabe anders zu beurteilen als im Falle der Befreiung von der Kommunalsteuer.
2. Auch das, sowohl in ihrer zu B431/97 erstatteten Gegenschrift als auch das in ihrer im gegenständlichen Verfahren erstatteten Äußerung vorgetragene Argument der Kärntner Landesregierung, §7 litb Ktn. FrVAbgG sei aufgrund des Verbotes einer dynamischen Verweisung verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß sich die Ausnahme von der Abgabenpflicht "nur auf jenes Unternehmen beziehe, das im Zeitpunkt der Beschlußfassung der Stammfassung des Fremdenverkehrsabgabegesetzes (26. März 1970) rechtlich existent" gewesen, §7 litb FrVAbgG 1994 deshalb obsolet geworden sei, weil durch das Bundesbahngesetz 1992, BGBl. 825/1992, die Österreichischen Bundesbahnen von einem Wirtschaftskörper ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Unternehmensträger war der Bund) in eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit umgewandelt worden seien, muß schon am völlig eindeutigen Wortlaut der Ausnahmebestimmung scheitern. In der Ausnahmebestimmung des §7 litb Ktn. FrVAbgG ist keine Verweisung auf andere Rechtsvorschriften zu erblicken. Denn eine Verweisung setzt begrifflich voraus, daß sich der Inhalt einer Norm nicht abschließend aus der Rechtsnorm erschließt, sondern sich erst unter Heranziehung einer oder mehrerer anderer Rechtsvorschriften ergibt. Hier knüpft demgegenüber die in Prüfung genommene Regelung unterschiedslos an die Österreichischen Bundesbahnen an.
3. Da dem Verfassungsgerichtshof auch sonst eine sachliche Rechtfertigung der in Rede stehenden Steuerbefreiung nicht erkennbar ist, erweist sich diese umfassende, hinsichtlich der Aufgabenbereiche nicht differenzierende Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der Pflicht, die Fremdenverkehrsabgabe zu entrichten, als gleichheitswidrig. Die litb des §7 Ktn. FrVAbgG war daher aufzuheben.
4. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6, erster Satz, B-VG.
5. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Kärnten zur unverzüglichen Kundmachung erfließt aus Art140 Abs5, erster Satz, B-VG.
6. Die Setzung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Vorschrift beruht auf Art140 Abs5, dritter Satz, B-VG. Die Fristsetzung soll die Schaffung einer allfälligen teilweisen Befreiung von der Abgabenpflicht ermöglichen.
IV. Die Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, EU-Recht Richtlinie, Bundesbahnen, Abgaben Fremdenverkehr, Verweisung dynamischeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G357.1997Dokumentnummer
JFT_10018999_97G00357_00