TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/6 97/19/1403

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Veröffentlicht am 06.07.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, in der Beschwerdesache des am 1. Jänner 1959 geborenen H K in W, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juni 1997, Zl. 121.879/2- III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit vom 19. Juni 1994 bis 1. Juli 1996 verfügte, beantragte am 10. Juni 1996 die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Oktober 1996 rechtskräftig abgewiesen.

Am 6. Dezember 1996 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Wien die Erteilung eines Sichtvermerkes. Dieser Antrag wurde von der Bundespolizeidirektion Wien mit Verfügung vom 14. Jänner 1997 gemäß § 7 Abs. 7 FrG an die erstinstanzliche Aufenthaltsbehörde weitergeleitet und langte bei dieser am 21. Jänner 1997 ein.

Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 26. Februar 1997 gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er brachte vor, seine Ex-Gattin habe am 15. Mai 1996 ausdrücklich angegeben, es habe sich um keine Scheinehe gehandelt, vielmehr um eine Liebesheirat und sie habe kein Geld bekommen. Die Ehe sei vollzogen worden. Es sei auch nie darüber gesprochen worden, dass der Beschwerdeführer ein Visum oder einen Befreiungsschein bekomme. Diese Angaben habe seine Ex-Gattin in einer einstündigen Vernehmung unter Wahrheitspflicht gemacht. Lediglich auf Grund eines "verkürzten Urteilsvermerkes" sei ein "unvollständiges Protokoll" vorgewiesen worden, in dem die Aussage der Ex-Gattin u.a. wie folgt laute:

"Ich war mit einem Türken verheiratet, jedoch war es keine richtige Ehe. ..." Erst auf Grund einer Vorführung am 19. Februar 1997 habe sie angegeben, dass die Ehe eine Scheinehe gewesen wäre. Ihre weitere Behauptung, der Beschwerdeführer habe sie gebeten, ihm bei der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft behilflich zu sein, entspreche gleichfalls nicht den Tatsachen, weil der Beschwerdeführer bis dato keinen "Antrag auf Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft" gestellt und auch nie beabsichtigt habe, einen derartigen Antrag zu stellen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 1997 wurde diese Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Die österreichische Ex-Gattin des Beschwerdeführers Silvia K. habe bei der Bundespolizeidirektion Wien am 19. Februar 1997 niederschriftlich angegeben, dass die Ehe mit dem Beschwerdeführer ausschließlich zum Zweck der Erlangung einer Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligung gedient habe. Dieselbe Aussage habe sie am 31. Mai 1996 vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien gemacht. Am 27. Juni 1996 sei der Beschwerdeführer diesbezüglich einvernommen worden und habe u.a. ausgesagt, dass er schnell geheiratet habe, da er eine Frau gebraucht habe, weil er in Österreich habe bleiben wollen. Außerdem hätte die österreichische Ehefrau während der Ehe ein Kind von einem anderen Mann bekommen. Am 31. Mai 1995 habe der Beschwerdeführer seine ehemalige türkische Ehefrau, mit der er drei Kinder habe, zum zweiten Mal geheiratet. Somit bestehe für die erkennende Behörde der begründete Verdacht, dass die Ehe nur zum Zweck der Erlangung fremdenpolizeilicher und arbeitsrechtlicher Berechtigungen eingegangen worden sei. Die Berufungsangaben des Beschwerdeführers hätten diesen Verdacht nicht entkräftigen können. Zu den privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers sei zu sagen, dass er sich seit vielen Jahren in Österreich aufhalte und einer geregelten Arbeit nachgehe. Jedoch basiere seine jetzige Integration auf einem Rechtsmissbrauch, der den Tatbestand des Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG erfülle. Bemerkt werde, dass die zwischenzeitlich erteilte Bewilligung deshalb erfolgt sei, weil das Vorliegen des Verdachtes auf Vorliegen einer "Scheinehe" erst im nunmehrigen Verfahren hätte verifiziert werden können. Somit sei in Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen im Fall des Beschwerdeführers den öffentlichen eindeutig der Vorzug zu geben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Verlängerung der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung rechtskräftig abgewiesen worden war, weshalb der danach gestellte, verfahrensgegenständliche Antrag vom 6. Dezember 1996 nicht als Verlängerungsantrag zu qualifizieren ist. Der angefochtene Bescheid ist daher - entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz - nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte am 18. Juni 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtsmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 lautete:

"§ 10 (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen,

wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde,"

Erkennbar unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, dass die belangte Behörde mit keinem Wort auf seine (näher dargestellten) Angaben vom 17. April 1997, die er im Beisein seiner Vertreterin gemacht habe, eingegangen sei. Da den vorgelegten, nicht offenkundig unvollständigen, Verwaltungsakten eine Einvernahme des Beschwerdeführers am 17. April 1997 nicht zu entnehmen ist, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert bekannt zu geben, vor welcher Behörde diese Angaben gemacht wurden. Dieser Aufforderung ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Es kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer die Relevanz dieses von ihm behaupteten Verfahrensfehlers dargetan hat, kommt doch der Beschwerde schon aus anderen Gründen Berechtigung zu:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gefährden. Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenzen ist allerdings die eindeutige und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601).

Nach dem gemäß § 67 AVG von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 98/19/0027).

In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde in Bezug auf das Vorliegen einer Scheinehe ausschließlich von dem Sachverhalt aus, der sich aus der Aussage der geschiedenen Ehegattin des Beschwerdeführers am 19. Februar 1997 ergibt. Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit einem Wort aus, weshalb die Aussagen der geschiedenen Ehegattin glaubhafter seien als diejenigen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, die im Übrigen nur in zusammengefasster Form wiedergegeben werden ("... sagte u.a. aus, dass er schnell heiratete, da er eine Frau brauchte, weil er in Österreich bleiben wollte" ...). Der Beschwerdeführer hat jedoch bei seiner Einvernahme am 27. Juni 1996 u.a. angegeben: "... Wir heirateten so schnell, weil ich eine Frau brauchte. Ich heiratete, weil ich in Österreich bleiben wollte. ..." Die wiedergegebene Zusammenfassung dieser Aussage des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid stellt eine - auf das Vorliegen einer Scheinehe hinweisende - Verknüpfung der beiden vom Beschwerdeführer für die Eheschließung genannten Gründe dar. Diese entbehrt jedoch einer näheren Begründung, weil jeder Grund für sich allein plausibel erscheint und nicht von vornherein das Vorliegen einer Scheinehe nahelegt. Welche Überlegungen die belangte Behörde zu dieser Verknüpfung veranlasst haben, geht aus dem angefochtenen Bescheid ebenso wenig hervor wie die Erwägungen, auf Grund derer die belangte Behörde den Aussagen der geschiedenen Ehegattin höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen sei als der Darstellung des Beschwerdeführers in der Berufung. Der angefochtene Bescheid entzieht sich daher der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.

Der angefochtene Bescheid, der - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - jegliche Beweiswürdigung und Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung vermissen lässt, entspricht folglich nicht den obgenannten Erfordernissen einer Bescheidbegründung.

Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Ersatz von Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem Ersatz der pauschalierten Schriftsatzaufwandes ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer

nicht vorgesehen ist. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

Wien, am 6. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997191403.X00

Im RIS seit

10.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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