RS UVS Oberösterreich 1997/07/30 VwSen-280290/4/Ga/Ha

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Veröffentlicht am 30.07.1997
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Rechtssatz

Der Tatvorwurf des Schuldspruchs richtet sich zwar nicht ausdrücklich, aber immerhin erkennbar an den Berufungswerber in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber des involvierten Lenkers. Die vom Arbeitsinspektorat angezeigte Verletzung der Lenkpausenregelung ist auf die Aufzeichnungen im betreffenden (in Kopie der Anzeige angeschlossenen) Schaublatt mit Datum des Tattages und lautend auf den im Schuldspruch bezeichneten Lenker gestützt. Daß dieser Lenker am Tattag im Auftrag des Berufungswerbers eine den Regelungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates unterworfene Güterbeförderung im innerstaatlichen Straßenverkehr tatsächlich durchführte und dabei wenigstens am Nachmittag eine verpflichtende Lenkpause nicht einlegte, ist unstrittig.

Aus Anlaß der Berufung zu prüfen war aber, ob die

spruchmäßig in bestimmter Weise formulierte Tatanlastung eine Verwaltungsübertretung aus dem Katalog des § 28 Abs.1a AZG (andere Kataloge aus § 28 leg.cit. kamen hiefür von vornherein nicht in Frage) überhaupt erfüllen konnte.

Mit der Novelle BGBl. Nr. 446/1994 (in Kraft seit 1. Juli 1994) wurde das AZG ua der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (im folgenden kurz: VO-EWG) angepaßt. Erklärte Absicht des Arbeitszeitgesetzgebers (vgl. 1672 BlgNR XVIII GP) war, "dabei auch arbeitsrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Begleitmaßnahmen" zu schaffen. Resultat dieser Novelle ist daher auch eine gänzliche Neufassung der Strafbestimmungen im AZG. Der bis dahin geltende Blankettstraftatbestand des § 28 Abs.1 AZG ("Arbeitgeber, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sind .... zu bestrafen") verwies nur generell auf die materiellen Gebote/Verbote des Gesetzes als Tatbestandsmerkmale, die dann im konkreten Übertretungsfall für den Tatvorwurf erst aufgespürt werden mußten. In Abkehr von diesem System ist nun seit der zit Novelle die Rechtsverwirklichung kasuistisch durch eine Vielzahl inhaltlich-konkreter Einzelstraftatbestände geregelt, die im Wege spezieller Verweisung das entsprechende Gebot/Verbot direkt in das Tatbild einbeziehen und dazu jeweils selbst angeben, worin das verpönte und zu bestrafende Verhalten des Arbeitgebers besteht. Damit aber hat der Arbeitszeitgesetzgeber zugunsten eines Zugewinns an Rechtssicherheit vom pauschalen Einheitsmerkmal der "Zuwiderhandlung" im alten § 28 Abs.1 AZG Abschied genommen. In den Materialien zur Regierungsvorlage der Novelle (1596 BlgNR XVIII. GP) sind  die jeweils maßgeblichen verba legalia der katalogisierten Einzelstraftatbestände des neuen § 28 AZG nicht näher erläutert.

Zur Frage nach den im Berufungsfall verletzten Rechtsvorschriften (§ 44a Z2 VStG):

Dem angefochtenen Straferkenntnis ist - ohne nähere Begründung und insoweit unkritisch der Anzeige folgend - zugrunde gelegt, daß sowohl § 15 Abs.2 und 3 AZG iVm dem Kollektivvertrag als auch Art. 7 Abs.1 und 2 der VO-EWG verletzt worden seien. Nicht angegeben im Spruchteil gemäß § 44a Z2 VStG ist hingegen der eigentliche Übertretungstatbestand. Als solcher kommt (was die zwar unzulässige, weil alternativ formulierte Erwähnung im Spruchteil gemäß § 44a Z3 VStG des angefochtenen Straferkenntnisses immerhin andeutet) hier nur die Z5 oder nur die Z6 des § 28 Abs.1a AZG in Frage.

Gemäß Z5 leg.cit. sind Arbeitgeber zu bestrafen, die Lenkpausen gemäß § 15 Abs.1 bis 4 AZG nicht gewähren.

Gemäß Z6 leg.cit. hingegen sind Arbeitgeber zu bestrafen, die Lenkpausen gemäß Art.7 Abs.1, 2 oder 4 der VO-EWG nicht gewähren. Der inhaltliche Vergleich der in diesen Übertretungstatbeständen verwiesenen Gebotsvorschriften zeigt, daß die in § 15 Abs.2 und 3 AZG niedergelegten Regelungen über Lenkpausen die Lenkpausenregelungen des Art.7 Abs.1 und 2 der VO-EWG bloß wiederholen. Dies aber hat gemäß der Kollisionsnorm des § 13 Abs.2 AZG die Konsequenz, daß als Gebotsvorschriften für Lenkpausen hier allein Art.7 Abs.1 und 2 der VO-EWG maßgeblich sind. Zugleich ist damit auch die Frage nach dem im Berufungsfall heranzuziehenden Übertretungstatbestand beantwortet: Es ist dies allein § 28 Abs.1a Z6 AZG. Wesentliches Tatbestandsmerkmal einer Übertretung gemäß Z6 leg.cit. ist das 'Nichtgewähren'. Der Vorwurf einer solchen Übertretung muß einen Sachverhalt anlasten, der sich als nichtgewährendes Verhalten des Arbeitgebers darstellt. Der Sinngehalt des Handlungsverbums 'gewähren' wird unzweifelhaft schon durch das Wort selbst offengelegt und meint (jedenfalls nach übereinstimmender Auskunft in den gängigen Wörterbüchern) ein zielgerichtetes Bewilligen, Zugestehen, Stattgeben, Erlauben. Das verneinende Gegenteil 'nicht gewähren' meint 'versagen' und drückt aus dem Blickwinkel des Tatbestandes, gleichfalls zielgerichtet, ein Verhalten des Arbeitgebers aus, das in einem Nichtbewilligen, Nichtzugestehen, Nichtstattgeben, Nichterlauben der vom Fahrer einzuhaltenden Lenkpausen besteht. Dieses Verhalten kann in einer direkten Anordnung des Arbeitgebers an den Lenker, bei der Durchführung eines Fahrtauftrages keine Lenkpausen einzulegen, bestehen. Auch indirektes Verhalten des Arbeitgebers verwirklicht das Nichtgewähren, etwa die zielgerichtete Gestaltung von Destinationen, Beförderungsvolumen, Fahrzeiten und Fahrtstrecken innerhalb solcher Vorgaben in einer Weise, daß die Befolgung durch den Lenker ihm das Einlegen vorgeschriebener Lenkpausen nicht erlaubt. Nur ein in diesen Ausprägungen auf das Versagen von Lenkpausen gerichtetes Verhalten ist im Sinne des Straftatbestandes gemäß § 28 Abs.1a Z6 AZG idF Novelle BGBl. Nr. 446/1994 als Verwaltungsübertretung strafbar. Herauszustreichen ist, daß die ausdrückliche Wortwahl des Arbeitszeitgesetzgebers ("nicht gewähren") ein Vorsatzdelikt indiziert, dessen schuldseitige Verwirklichung wenigstens indirekten Vorsatz verlangt. Daß vom Straftatbestand hier nicht zugleich auch der Eintritt des Schadens (nämlich: daß der Lenker als kausale Folge der Nichtgewährung die Lenkpausen tatsächlich nicht eingelegt hatte) miterfaßt ist, steht für sich allein der Annahme eines Vorsatzdeliktes nicht entgegen. Wollte man aber, gegen den Wortsinn, den Straftatbestand gemäß § 28 Abs.1a Z6 AZG extensiv dahin deuten, daß die Übertretung auch fahrlässig begangen werden könne, so würde dies in Wahrheit den Strafkatalog um ein neues Delikt erweitern. Diesem Ergebnis stünde allerdings die dann im Zweifel anzulegende Maxime zur verfassungskonformen Interpretation entgegen.

Ein zur Verjährungsunterbrechung tauglicher Tatvorwurf iSd § 28 Abs.1a Z6 AZG muß daher dem Arbeitgeber einen Sachverhalt anlasten, der zur Erfüllung des wesentlichen Tatbestandsmerkmals 'nicht gewähren' unmißverständlich geeignet ist.

Diese Anforderungen verfehlt der angefochtene Schuldspruch, indem er die Deliktsanlastung allein und entscheidend auf das Wort 'einsetzen' stützt. Der Vorwurf eines Versagungsverhaltens des Arbeitgebers ist darin nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Die spruchgemäße Formulierung legt eher, durchaus im Sinne des Einwandes des Berufungswerbers, die Deutung nahe, wonach der Arbeitgeber den Lenker zwar mit den für die vorschriftsmäßige Konsumation der Lenkpausen erforderlichen und geeigneten Vorkehrungen so eingesetzt hatte, daß der Lenker die Pausen tatsächlich hätte in Anspruch nehmen können, sie jedoch aus eigenem Antrieb nicht eingelegt hatte. Damit aber wäre vorliegend der Berufungswerber wiederum, wie unter dem Regime des alten Straftatbestandes § 28 Abs.1 AZG (vor der Novelle BGBl. Nr. 446/1994), aus dem Titel fahrlässig nicht wahrgenommener bzw unterlassener Kontrollpflichten haftbar, welches Ergebnis jedoch, wie dargelegt, seit der zit Novelle nicht mehr rechtens ist. Zusammenfassend ist das dem Berufungswerber spruchgemäß als Verhalten zur Last gelegte Einsetzen des Lenkers zur Tatbilderfüllung im Sinne des § 28 Abs.1a Z6 AZG nicht geeignet. Auch ein anderes Delikt aus dem Katalog des § 28 Abs.1a leg.cit. wird dadurch nicht hergestellt. Die Auffüllung des Schuldspruchs mit Sachverhalten zur Herstellung der Tatbestandsmäßigkeit aber ist dem unabhängigen Verwaltungssenat wegen längst

eingetretener (von Anfang an nicht unterbrochen gewesener) Verfolgungsverjährung versagt. Einstellung.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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