RS UVS Oberösterreich 1997/08/19 VwSen-103815/17/Bi/Fb

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Veröffentlicht am 19.08.1997
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Rechtssatz

Gemäß § 99 Abs.1b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung  und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Gemäß § 5 Abs.2 2. Satz Z1 leg.cit. sind besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Im gegenständlichen Fall steht außer Zweifel, daß der Rechtsmittelwerber ein Fahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt hat, wobei im Zuge der Unfallerhebungen Alkoholgeruch der Atemluft wahrgenommen wurde. Ein solches Symptom läßt (unabhängig von sonstigem Mundgeruch) durchaus die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung zu, wobei der Rechtsmittelwerber auch ausgeführt hat, in der Nacht vorher alkoholische Getränke getrunken zu haben. Die Aufforderung zum Alkotest durch den Zeugen S, der für solche Amtshandlungen speziell geschult und behördlich ermächtigt ist, war daher zulässig, ebenso die Mitnahme zum Gendarmerieposten M zur Durchführung eines Alkotests, zumal der Rechtsmittelwerber nie bestritten hat, den LKW tatsächlich gelenkt zu haben. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zB Erk v 24. Februar 1993, 91/03/0343) ist der Lenker so lange verpflichtet, sich der Atemluftuntersuchung zu unterziehen, als noch kein gültiges Meßergebnis (zwei nicht erheblich voneinander abweichende Einzelmeßwerte) zustandegekommen ist oder noch nicht mit Sicherheit feststeht, daß mit dem verwendeten Gerät kein verläßliches Meßergebnis erzielt werden kann. Einem geschulten Organ der Straßenaufsicht ist die einwandfreie Beurteilung der Frage, wieso bei der Alkomatuntersuchung kein brauchbares Ergebnis zustandegekommen ist, zuzumuten. Das erhebliche Abweichen zweier Meßwerte gibt noch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß das verwendete Gerät funktionsuntüchtig gewesen sei. Das Verhalten des Rechtsmittelwerbers, nämlich die Nichtdurchführung weiterer  Blasversuche zur Erlangung zweier verwertbarer Atemalkoholmessungen,  wäre nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig und zweifelsfrei als Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung zu werten. Demnach hätte der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt.

Zu berücksichtigen ist aber, daß aufgrund der über drei Tage dauernden Gesundheitsschädigung des Unfallgegners, der beim Verkehrsunfall eine Prellung des Brustbeines erlitt, Anzeige wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung erstattet wurde. Der Rechtsmittelwerber wurde vom Bezirksgericht M mit Urteil vom 29. November 1996,  wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß §§ 88 Abs.1 und 3 iVm 81 Z2 StGB verurteilt, wobei er schuldig erkannt wurde, am 3. Februar 1996 in M im Kreuzungsbereich der B  mit der M-Landesstraße bei StrKm .. als Lenker eines LKW dadurch, daß er infolge Unachtsamkeit in die bevorrangte Bundesstraße einfuhr und mit dem dort fahrenden PKW des E W zusammenstieß, diesen fahrlässig in Form einer Prellung des Brustbeines am Körper verletzt zu haben, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obwohl er vorhersehen hätte können, daß ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges, mithin eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet war. Aus der Urteilsbegründung geht hervor, daß das Gericht beim Rechtsmittelwerber zum Unfallszeitpunkt eine Alkoholisierung und absolute Fahruntüchtigkeit angenommen hat, da zwar die Atemluftmessungen zum Teil nicht verwertbar gewesen seien, die beiden gültigen Versuche aber eine Alkoholisierung von deutlich über 0,8 %o angezeigt hätten, wobei die Funktionstüchtigkeit des Geräts auf Grund der Zeugensaussage von S angenommen wurde. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11.6.1997 wurde der Berufung keine Folge gegeben und  der Beweiswürdigung des Erstgerichts im Hinblick auf die Alkoholisierung  gefolgt. Zusammenfassend  ergibt sich  daraus,  daß die beiden Meßergebnisse, die im Verwaltungsstrafverfahren für nicht verwertbar erachtet wurden und zum Vorwurf der Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung führten, im Gerichtsverfahren sehr wohl verwertet wurden und die Grundlage für die Feststellung einer Alkoholbeeinträchtigung im Ausmaß von deutlich über 0,8 %o waren. Die oben zitierten Urteile sind rechtskräftig und gehören damit dem Rechtsbestand an, sodaß auch die Verwaltungsbehörden daran gebunden und sie  auch im Verwaltungsstrafverfahren zu beachten sind. Gemäß § 100 Abs.2 StVO 1960 schließen die im § 99 Abs.1 lit.a bis c enthaltenen Strafdrohungen einander aus.

Hier ist auf die  Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der ua im Erkenntnis vom 26. April 1991, 91/18/0022, ausgesprochen hat, daß es im do Fall unzulässig war, den Beschwerdeführer  sowohl wegen Verweigerung der Atemluftprobe als auch wegen des kurz danach erfolgten Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem in alkoholbeeinträchtigten Zustand (Alkomat 0,77 mg/l) zu bestrafen. Da die rechtskräftige Verurteilung wegen § 5 Abs.1 StVO früher erfolgt sei, hätte die Behörde die kumulative Verurteilung wegen Übertretung des § 99 Abs.1 lit.b StVO für rechtswidrig befinden müssen.

Es ist unzulässig, einen KFZ-Lenker schuldig zu erkennen, er habe in alkoholbeeinträchtigtem Zustand ein Fahrzeug gelenkt und sich anschließend geweigert, seine Atemluft untersuchen zu lassen (vgl VwGH v 11. Dezember 1981, 81/02/0164).

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Rechtsauffassung, daß das Urteil wegen §§ 88 Abs.1 und 3 iVm 81 Z2 StGB zwar formal nicht einen ausdrücklichen Schuldspruch gemäß §§ 99 Abs.1 iVm 5 Abs.1 StVO 1960 darstellt, jedoch materiell als Surrogat dessen  anzusehen ist. Im Hinblick auf die Ausführungen im Urteil des EGMR vom 23. Oktober 1995, Zl. 33/1994/480/562, Serie A/328 (= ÖJZ 1995, 954 MRK E Nr. 51), betreffend den "Fall Gradinger" und das daran anschließende Erkenntnis des VfGH vom 5. Dezember 1996, Zl. G 9/96 ua Zlen., bedeutet die gerichtliche Verurteilung auch eine  rechtskräftige Bestrafung wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand. Sie kommt daher einem verwaltungsstrafrechlichen Schuldspruch wegen §§ 99 Abs.1 iVm 5 Abs.1 StVO 1960 gleich.

Die das Kumulationsprinzip des § 22 VStG ausschließende Anordnung des § 100 Abs.2 StVO muß vor dem Hintergrund der Judikatur des EGMR und des VfGH zu Art.4 Abs.1 des 7. ZP EMRK bei einem dem verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebot verpflichteten Verständnis auf jene gerichtlichen Verurteilungen erweitert werden, die einen Schuldspruch wegen alkoholbeeinträchtigten Lenkens als wesentlichen Aspekt des angewendeten Straftatbestandes implizieren.

Ohne diese ausdehnende Auslegung des § 100 Abs.2 StVO wäre kein verfassungskonformes Ergebnis erzielbar, weil die Differenzierung im § 100 Abs.2 StVO zwischen den Schuldsprüchen nach § 99 Abs.1 iVm § 5  Abs.1 StVO und nach § 81 Z2 StGB bzw. § 88 Abs.3 2. Fall oder § 88 Abs.4 3. Fall sachlich nicht zu rechtfertigen wäre.

Im gegenständlichen Fall  ist somit  von einer rechtskräftigen Verurteilung des Rechtsmittelwerbers wegen Lenkens eines Fahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand auszugehen, weshalb  eine zusätzliche Bestrafung wegen Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung bei  verfassungskonformem Verständnis  des § 100 Abs.2 StVO 1960 ausscheidet. Wie schon oben angedeutet, gibt es keine Rechtsvorschrift, die vorschreibt, das erste (frühere) Meßergebnis der Atemluftuntersuchung als Maßstab für die noch zulässige Probendifferenz heranzuziehen. Berechnete man die zulässige Abweichung von 10 % vom zweiten (späteren) Meßergebnis, läge die Probendifferenz im gegenständlichen Fall innerhalb der zulässigen Schwankungsbreite, sodaß eine gültige Atemluftalkoholmessung vorläge.

Insofern läge eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 vor, die einerseits nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist und andererseits die unzulässige Doppelbestrafung geradezu evident machen würde (ne bis in idem).

Weil sohin die Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, hatte der unabhängige Verwaltungssenat im Sinne des § 45 Abs.1 Z1 VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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