TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/11 2000/03/0282

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Veröffentlicht am 11.07.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E07204030;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
AVG §37 Abs1;
AVG §45 Abs2;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
VStG §24;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2000/03/0368 E 6. September 2001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des A in St. Johann im Pongau, vertreten durch Dr. Josef Dengg und Dr. Milan Vavrousek, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, Pöllnstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 27. Juni 2000, GZ. uvs-2000/10/002-4, betreffend Übertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe

"als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges, bestehend aus dem Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen ... und dem Sattelanhänger mit dem Kennzeichen ..., wie bei einer Kontrolle auf der A 13 bei km 10,8 am 28.7.1999 um 05.45 Uhr festgestellt worden ist, eine ökopunktpflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich von Deutschland kommend nach Italien auf der Strecke von Kufstein-Kiefersfelden bis zum Kontrollort durchgeführt und hat dabei entgegen der Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 keine ordnungsgemäß ausgefüllte und entwertete Ökopunktekarte mitgeführt, wobei auch keine automatische Abbuchung der erforderlichen Ökopunkte durch den Umweltdatenträger erfolgte, da dieser unberechtigterweise auf ökopunktbefreite Fahrt gestellt war."

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz (GütbefG), BGBl. Nr. 593/1995 i.d.F. BGBl. I Nr. 17/1998 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1594/96 verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von S 20.000,-- verhängt (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von fünf Tagen).

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

Gemäß Art. 1 des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) gilt als Transitverkehr durch Österreich jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (lit. c), als Straßengütertransitverkehr durch Österreich jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (Z. 2).

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs "die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder

c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ..."

Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission ordnet an, dass, soweit das Fahrzeug keinen Umweltdatenträger benutzt, die erforderliche Anzahl von Ökopunkten auf die Ökokarte aufgeklebt und entwertet wird. Die Ökopunkte sind durch Unterschrift so zu entwerten, dass sich der Schriftzug sowohl auf die Ökopunkte als auch auf das die Ökopunkte tragende Blatt erstreckt. An Stelle einer Unterschrift kann auch ein Stempel verwendet werden.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass das dem verfahrensgegenständlichen Lastkraftwagen im Bereich der Windschutzscheibe eingebaute elektronische Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermögliche (Ecotag), bei seiner Einreise in Kiefersfelden am 27. Juli 1999 um ca. 18.20 Uhr rot geblinkt habe. Bei der Transitfahrt des Beschwerdeführers einen Tag vorher am 26. Juli 1999 in Sillian habe das Gerät rot geblinkt und seien bei der Einreise Punkte abgebucht worden. Bei der Einreise in Kiefersfelden am 27. Juli 1999 müsse somit ein defekter Ecotag vorgelegen sein. Dass bei seiner Anhaltung durch den Beamten am 28. Juli 1999 dieses Gerät grün eingestellt gewesen sei, könne er sich nur damit erklären, dass das Gerät im Zeitraum seiner Übernachtung durch von ihm am Armaturenbrett abgelegte Gegenstände unbeabsichtigt berührt worden sei, sodass eine Umstellung erfolgt sei. Er kontrolliere das Gerät nur bei einem ökopunktepflichtigen Grenzübertritt. Es liege kein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers vor. Da das Gerät bei der Einreise rot geblinkt habe, habe er davon ausgehen können, dass eine ordnungsgemäße Abbuchung erfolge. Der konkrete Abbuchungsvorgang könne vom Bediener des Gerätes nicht überprüft werden.

Der Beschwerdeführer habe nicht erkennen können, dass das Ecotag-Gerät nicht ordnungsgemäß funktioniere. Der Arbeitgeber habe ihm erklärt, dass mit dem Gerät alles in Ordnung sei, was die belangte Behörde festzustellen unterlassen habe. Das Gerät müsse bei der verfahrensgegenständlichen Einreise eine Funktionsstörung bzw. einen Defekt gehabt haben. Es sei von der belangten Behörde auf seinen Antrag eine Abfrage des Ökopunktesystems betreffend die Tage 27. und 28. Juli 1999 erfolgt, die ergeben habe, dass am 28. Juli 1999 auch keine Abbuchung von Ökopunkten aufscheine. An diesem Tag habe der Meldungsleger nach seiner Aussage die Deklaration der Transitfahrt vorgenommen. Wenn auch diese Abbuchung im System nicht festgehalten sei, zeige das gleichfalls, dass das Gerät eine für den Beschwerdeführer nicht erkennbare Funktionsstörung gehabt haben müsse. Es sei daher zu Unrecht den vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gestellten Beweisanträgen (auf Einvernahme des Meldungslegers, ob er über die Abbuchung der Ökopunkte auch die von der belangten Behörde ins Treffen geführte zweite Datenübertragung durchgeführt habe oder - wie von der belangte Behörde unbegründet angenommen - nicht, bzw. weiters auf Einvernahme eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Elektronik und Computertechnik zum Beweis dafür, dass bei einem Ecotag bzw. bei dem konkreten Gerät trotz der Tatsache, dass das Gerät auf Abbuchung der Ökopunkte gestellt worden sei, es durch Funktionsstörungen des Gerätes zu einer nicht ordnungsgemäßen Abbuchung gekommen sei, und auf Einvernahme des Dienstgebers des Beschwerdeführers dazu, dass es bei diesem Gerät sporadisch bereits zu einer derartigen nicht ordnungsgemäßen Abbuchung, obwohl es auf Rot eingestellt gewesen sei, gekommen sei.

Mit diesem Vorbringen bestreitet der Beschwerdeführer nicht nur das Vorliegen eines Verschuldens (mangels Erkennbarkeit der Verwaltungsübertretung), sondern auch die Annahme der belangten Behörde, dass das vorliegende Gerät im Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Einreise auf Grün und somit auf ökopunktbefreite Fahrt eingestellt gewesen sei.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde stützte sich in diesem Zusammenhang auf das vorliegende Kontrollzertifikat des elektronischen Ökopunktesystems, das die Deklaration einer ökopunktebefreiten Fahrt auswies, und auf den Umstand, dass bei der Kontrolle des Kontrollorganes das Ecotag auf Grün und damit ökopunktebefreite Fahrt eingestellt war. Zu der auf Antrag des Beschwerdeführers erfolgten Abfrage der zentralen Ökopunktedatenbank, die für den 28. Juli 1999 keine Kommunikationen mit dem Ecotag des verfahrensgegenständlichen Lastkraftwagens ergab, vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass das einschreitende Organ neben der Kontrolle und der Abbuchung mit dem "Enforcementgerät" eine weitere Datenübertragung hätte vornehmen müssen, damit diese Abbuchung im Ministerium aufgeschienen wäre. Dies habe der Beamte offensichtlich vergessen. Es sei amtsbekannt, dass "solche Datenübertragungen bei einer Abbuchung durch die Exekutive nicht immer weitergemeldet würden".

Es stellt in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, dass sich die belangte Behörde mit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage, es müsse eine von ihm nicht erkennbare Funktionsstörung des Gerätes vorgelegen sein, und der in diesem Zusammenhang bedeutsamen Abfrage der zentralen Ökopunktedatenbank vom 27. und 28. Juli 1999 nicht ausreichend auseinander gesetzt hat. Für den Verwaltungsgerichtshof ist die Argumentation der belangten Behörde in diesem Zusammenhang ohne durch entsprechende Beweismittel untermauerte nähere Darlegung der Funktionsweise des Ecotag bzw. des Ökopunkte-Systems nicht nachvollziehbar, dass das einschreitende Organ neben der Abbuchung durch das Enforcementgerät eine weitere Datenübertragung hätte vornehmen müssen, damit diese Abbuchung in der zentralen Ökopunktedatenbank ersichtlich gewesen wäre, dies vom Beamten aber offensichtlich vergessen worden sei. Ohne weitere Ermittlungen konnte die belangte Behörde die aufgeworfene Frage der unvermutet eingetretenen Funktionsstörung des Gerätes nicht beantworten.

In diesem Zusammenhang hätte sich die belangte Behörde nicht über den vom Beschwerdeführer gestellten Beweisantrag auf Beiziehung eines Sachverständigen der Elektrotechnik und Computertechnik zum Beweis dafür, dass es trotz der korrekten Einstellung des Gerätes auf Abbuchung der Ökopunkte auf Grund von Funktionsstörungen des Gerätes zu einem nicht ordnungsgemäßen Abbuchen kommen könne, hinwegsetzen dürfen. Die Einholung eines solchen Gutachtens wurde als nicht notwendig erachtet, weil das verfahrensgegenständliche Gerät zweifelsfrei auf ökopunktebefreite Fahrt eingestellt gewesen sei. Damit hat die belangte Behörde verkannt, was mit diesem Beweisantrag bewiesen werden sollte, nämlich, dass das Gerät im Zeitpunkt der Einreise auf Abbuchen (also auf Rot) eingestellt gewesen sei, was aber im elektronischen System keinen entsprechenden Niederschlag gefunden hätte, vielmehr im Widerspruch dazu ökopunktebefreite Fahrt angegeben worden sei. Die Beurteilung, ob diese vom Beschwerdeführer behauptete Möglichkeit im konkreten Fall auszuschließen ist, setzt insbesondere im Hinblick darauf, dass auch eine vom Kontrollorgan vorgenommene Abbuchung nicht in der Abfrage aus der Zentralen Ökodatenbank aufscheint, besondere Fachkenntnisse voraus und kann daher nicht ohne Beiziehung eines Sachverständigen gelöst werden.

Dass die belangte Behörde von der vom Beschwerdeführer beantragten Vernehmung des Zeugen G.D. (des früheren Dienstgebers des Beschwerdeführers) Abstand genommen hat, vermag hingegen keinen wesentlichen Verfahrensmangel zu begründen, weil dieser Zeuge über die konkrete, vom Beschwerdeführer behauptete Funktionsstörung des Gerätes keine Wahrnehmungen gemacht hatte.

Gemäß § 37 Abs. 1 erster Satz AVG i.V.m. § 24 Abs. 2 VStG ist u. a. der für die Erledigung einer Verwaltungssache (im vorliegenden Fall einer Verwaltungsstrafsache) maßgebende Sachverhalt festzustellen. Im vorliegenden Fall kann aus den dargelegten Gründen nicht davon gesprochen werden, dass diesem Gebot entsprochen worden wäre, weshalb sich auch die vorgenommene Beweiswürdigung als unschlüssig erweist (vgl. § 45 Abs. 2 AVG). Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Juli 2001

Schlagworte

Beweise Ermittlungsverfahren Allgemein Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000030282.X00

Im RIS seit

21.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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