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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des W in Wolfurt, vertreten durch Dr. Andreas Köb, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 7/4/32, gegen den Bescheid der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 20. November 2000, Zl. SWE 1377, betreffend Befreiung von der Entrichtung der Fernsprech-Grundgebühr einschließlich der Gesprächsgebühr für eine Gebührenstunde pro Monat, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. November 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Mai 2000 auf Befreiung von der Entrichtung der Fernsprech-Grundgebühr einschließlich der Gesprächsgebühr für eine Gebührenstunde pro Monat gemäß § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 des Rundfunk-Gebührengesetzes-RGG, BGBl. I Nr. 159/1999, und der dazu erlassenen Übertragungsverordnung, BGBl. II Nr. 38/2000, "in der derzeit geltenden Fassung nach § 47 Abs. 1 Ziffer 3 in Verbindung mit § 48 Abs. 1, § 50 Abs. 1 Ziffer 1 und § 50 Abs. 2 der Fernmeldegebührenordnung (FGO - Anlage zum Fernmeldegebührengesetz), BGBl. Nr. 170/1970, in der Fassung BGBl. Nr. 365/1989", abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus: Dem Vertreter des Beschwerdeführers seien grundsätzliche Informationen über die Sozialleistung "Gebührenbefreiung" im Rahmen der Manuduktionspflicht erstmals am 4. Juli 2000 schriftlich übermittelt worden. Zu diesem Schreiben sei keine Stellungnahme abgegeben worden. Da trotz Aufforderung vom 4. Juli 2000 somit dem Erfordernis des Nachweises über den aktiven Anspruch auf Pflegegeld im Sinn des § 50 FGO nicht Genüge getan worden sei, sei im Sinn des Antrags eine Umdeutung auf einen Antrag unter Zugrundelegung einen wie immer gearteten Form der Anspruchsberechtigung vorgenommen worden. Im Rahmen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei Folgendes festgestellt worden: Der Beschwerdeführer zähle gemäß § 47 Abs. 1 Z. 3 leg.cit. durch den Bezug von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Nach Aussage seines Vertreters anlässlich der Befragung sei diese Möglichkeit der Zuerkennung der Befreiung auszuschließen, weil die Einkommensobergrenze mit Sicherheit überschritten würde. Auf die Protokollierung des diesbezüglichen Telefongespräches vom 7. August 2000 werde hingewiesen. (In dem diesbezüglichen Aktenvermerk ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten festgehalten, dass das Einkommen des Beschwerdeführers mit Blick auf die zuletzt genannte Befreiungsbestimmung "sicherlich zu hoch" sei.) Die Zuerkennung der Gebührenbefreiung nach § 47 FGO sei dann unzulässig, wenn das Haushaltsnettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für den Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgelegten Richtsatz um mehr als 12 % überschreite. Der "seit 1. Jänner" geltende Einkommensrichtsatz betrage für einen Ein-Personen-Haushalt S 9.309,--, für einen Zwei-Personen-Haushalt S 13.282,--, für jede weitere im Haushalt lebende Person würden S 991,-- berücksichtigt. Erhebungen hätten keine Möglichkeit der Zuerkennung der Befreiung von der Entrichtung der Rundfunk- und Fernsehgebühr bei per Gesetz vorgesehener Berechnung des Gesamt-Haushaltseinkommens (Einkommen aller im Haushalt lebender Personen) ergeben. Auf eine Anspruchsberechtigung nach § 47 Abs. 1 Z. 2 FGO habe, wie bereits ausgeführt, nicht eingegangen werden können: So sei ausführlich über den nur bei Bezug eines Bundespflegegeldes nach den Bestimmungen des Bundespflegegeldgesetzes bzw. Landespflegegeldes nach den Bestimmungen des jeweiligen Landespflegegeldgesetzes nach § 48 Abs. 2 FGO möglichen Entfall der Einkommensberechnung informiert worden. Gemäß § 12 des Bundespflegegeldgesetzes 1993 idgF ruhe der Anspruch auf Pflegegeld während eines stationären Aufenthaltes in einer Krankenanstalt, wenn ein in- oder ausländischer Träger der Sozialversicherung oder der Bund für die Kosten der Pflege der allgemeinen Gebührenklasse in einer in- oder ausländischen Krankenanstalt aufkomme. Der Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 19. Oktober 2000 vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Kenntnis gesetzt worden, es sei aber keine Stellungnahme bzw. keine Übermittlung von befreiungsrelevanten Unterlagen erfolgt.
Zum Punkt der Zuständigkeit der belangten Behörde werde darauf hingewiesen, dass sich diese aus § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 des Rundfunk-Gebührengesetzes, BGBl. I Nr. 159/1999, mit der Maßgabe ergebe, dass mit 8. Juni 2000 eine Änderung der Firma auf "G GmbH" in das Firmenbuch eingetragen worden sei.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Zunächst ist Folgendes festzuhalten: Nach Art. Ia Abs. 2 des Fernmeldegebührengesetzes, BGBl. Nr. 170/1970 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 159/1999, entscheidet "über Anträge gemäß § 47 Abs. 1 Punkt 1 der Anlage (Befreiung von der Entrichtung der Fernsprech-Grundgebühr einschließlich der Gesprächsgebühr für eine Gebührenstunde pro Monat) sowie über die Entziehung dieser Gebührenbefreiung der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr". Nach Teil 2 Abschnitt K Z. 11 der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986 idF BGBl. I Nr. 16/2000 kommt diese Zuständigkeit nunmehr dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu. Gemäß Art. Ia Abs. 3 des zitierten Fernmeldegebührengesetzes kann dieser Bundesminister durch Verordnung aus Gründen der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Einfachheit die G GmbH nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 RGG mit den besagten Entscheidungen betrauen oder ermächtigen, in seinem Namen tätig zu werden. Wird die G GmbH auf Grund einer solchen Verordnung tätig, hat sie gemäß Art. Ia Abs. 4 das AVG anzuwenden. Im Sinn dieser Verordnungsermächtigung wurde mit Verordnung vom 4. Februar 2000, BGBl. II Nr. 38/2000, die G GmbH mit den genannten Entscheidungen betraut und ermächtigt, im Namen des Bundesministers tätig zu werden (§ 1 leg. cit.). Diese Übertragung der Entscheidungsbefugnis ist nach der hg. Rechtsprechung als Delegierung anzusehen. In einem solchen Fall ist die von der delegierten Behörde (der G GmbH) getroffene Entscheidung nicht der delegierenden Behörde (dem Bundesminister), sondern der G GmbH zuzurechnen, weil eine Regelung, der zufolge die durch die "Übertragung" (im Sinne von Mandat) betraute G GmbH als Geschäftsapparat des Bundesministers einzuschreiten hätte, den Organisationsvorschriften des B-VG - im Besonderen den Art. 77 und 5 B-VG - widerspräche. Auch der vorliegend in Art. Ia Abs. 3 leg. cit gebrauchte Wortlaut "Der Bundesminister ... kann durch Verordnung ... die G GmbH ... mit dem in Abs. 2 beschriebenen Entscheidungen betrauen und ermächtigen, in seinem Namen tätig zu werden" ist einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, wie dies in der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen angenommen wurde. Was den Instanzenzug anlangt, besteht kein verfassungsgesetzliches Hindernis, eine der G GmbH zuzurechnende Entscheidung zu betrachten, als wäre sie eine solche des Bundesministers und ein Instanzenzug daher ausgeschlossen. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1998, Zl. 98/03/0018, mwH.) Für den Beschwerdefall folgt daraus, dass gegen den vorliegenden Bescheid keine Berufung zulässig ist.
2.2. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgeblichen Regelungen der Fernmeldegebührenordnung (FGO, Anlage zum Fernmeldegebührengesetz), BGBl. Nr. 170/1970 idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 365/1989, lauten wie folgt:
"§ 47. (1) Über Antrag sind von der Entrichtung
-
der Fernsprech-Grundgebühr (§ 9 Abs. 1) einschließlich der Gesprächsgebühr für eine Gebührenstunde pro Monat,
-
der Rundfunkgebühr (§ 44 Z. 1),
-
der Fernsehgebühr (§ 44 Z. 3)
zu befreien:
1. Bezieher einer Blindenbeihilfe oder einer vergleichbaren Leistung,
2. Bezieher eines Hilflosenzuschusses oder einer vergleichbaren Leistung,
3. Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbare sonstige wiederkehrende Leistungen versorgungsrechtlicher Art,
4. Bezieher von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977,
5.
Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz,
6.
Bezieher von Beihilfen nach dem Studienförderungsgesetz 1983,
7.
Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit.
.....
§ 48. (1) Die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen nach § 47 ist jedoch dann unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12 % übersteigt.
(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 finden auf Bezieher einer Blindenbeihilfe oder einer vergleichbaren Leistung, Bezieher eines Hilflosenzuschusses oder einer vergleichbaren Leistung sowie taube und praktisch taube Personen keine Anwendung.
§ 49. Eine Gebührenbefreiung setzt ferner voraus:
2. der Antragsteller muss bis zur Entscheidung über den Befreiungsantrag die vorgeschriebenen Gebühren entrichtet haben,
.....
§ 50. (1) Das Vorliegen des Befreiungsgrundes ist vom Antragsteller nachzuweisen, und zwar:
1. in den Fällen des § 47 Abs. 1 durch den Bezug einer der dort genannten Leistungen,
....."
2.3. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Antrag den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 11. Februar 2000 vorgelegt, wonach ihm ein Pflegegeld in der Höhe der Pflegestufe 7 gebühre, das Pflegegeld aber "wegen eines stationären Aufenthalts" ruhe. Aus Art. I Z. 12 des 2. Teiles des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 110/1993, mit dem § 105a ASVG aufgehoben wurde, und der Übergangsregelung des § 38 Abs. 1 des Bundespflegegeldgesetzes, BGBl. Nr. 110/1993, lässt sich ableiten, dass das "Pflegegeld" anstelle des früheren "Hilflosenzuschusses" im Sinn des § 47 Abs. 1 Z. 2 FGO tritt. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung vertreten, dass der Beschwerdeführer in Anbetracht des besagten Ruhens nicht als "Bezieher eines Hilflosenzuschusses oder einer vergleichbaren Leistung" im Sinn des § 47 Abs. 1 Z. 2 FGO angesehen werden kann. Dies läuft aber der Zielsetzung zuwider, die der Gesetzgeber der Befreiungsbestimmung des § 47 FGO unterstellt hat. Aus den Gesetzesmaterialien zu dieser Regelung ergibt sich nämlich, dass diese die Personengruppen erfasst, die auf Grund ihrer sozialen Bedürftigkeit bei der in Rede stehenden Befreiung zu berücksichtigen sind (vgl. die Regierungsvorlage 987 Blg.NR XVII. GP, S 4, 5). An der sich aus dem mit dem besagten Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten normierten Anspruch auf Pflegegeld ergebenden sozialen Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ist durch das in diesem Bescheid festgehaltene - nur durch den stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers in einer Krankenanstalt im Sinn des § 12 Abs. 1 Z. 1 Bundespflegegeldgesetz begründete - Ruhen des Pflegegeldes keine maßgebliche Änderung eingetreten. Von daher ist § 47 Abs. 1 Z. 1 FGO in verfassungskonformer Weise dergestalt auszulegen, dass als Bezieher von Pflegegeld auch (wie der Beschwerdeführer) eine Person gilt, der ein diesbezüglicher Anspruch zuerkannt wurde, die Leistung aber während eines stationären Aufenthaltes in einer Krankenanstalt ruht. Dies ist umso mehr geboten, als der Gesetzgeber selbst im Bundespflegegeldgesetz mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/1998 eine entsprechende Klarstellung durch eine Neufassung des § 3 Abs. 2 des Bundespflegegeldgesetzes getroffen hat.
Diese Bestimmung lautet nunmehr wie folgt:
"Als Bezieher nach Abs. 1 gelten auch Personen, denen ein Anspruch auf eine Grundleistung rechtskräftig zuerkannt wurde, die Grundleistung jedoch zur Gänze ruht, noch nicht angefallen ist oder auf Grund von Anrechnungsbestimmungen zur Gänze nicht ausgezahlt wird."
Diese Rechtslage hat die belangte Behörde verkannt und den angefochtenen Bescheid somit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
2.4. Der Vollständigkeit halber ist noch festzuhalten, dass der Meinung des Beschwerdeführers, ihm stünde die in Rede stehende Befreiung schon vor der Stellung seines Antrages vom 31. Mai 2000 ab dem 25. August 1999 zu, die hg. Rechtsprechung entgegen steht, wonach Anträge nur dann auf einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt (somit pro praeterito) wirken, wenn - was vorliegend nicht gegeben ist (vgl. § 49 Z. 2 FGO) - ausdrücklich eine normative Grundlage hiefür vorhanden ist (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 90/04/0287, mwH).
2.5. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Juli 2001
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAuslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001030001.X00Im RIS seit
27.09.2001Zuletzt aktualisiert am
19.08.2009