Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen (§ 4 Abs.2 leg.cit.)
Es bleibt unbestritten, daß der Bw, obwohl bei dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall seine Unfallsgegnerin verletzt worden ist, nicht den obzitierten gesetzlichen Bestimmungen entsprechend agiert hat. Der dem Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt ist daher objektiv als erwiesen anzusehen.
Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Es oblag daher dem Bw iSd vorzitierten Bestimmung des VStG glaubhaft zu machen, daß ihn an der Nichtbefolgung der gegenständlichen Mitwirkungs- bzw Meldepflicht kein Verschulden trifft, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die Judikatur des VwGH insbesondere im Falle der Unterlassung der Meldepflicht bei Personenschäden eine sehr restrektive und strenge Betrachtungsweise gebietet.
Wie das oben dargelegte Ermittlungsverfahren ergeben hat, wollte Frau S ursprünglich keine Verständigung der Gendarmerie und sie ist auch nur auf Anraten ihrer Freunde bzw des Bw hin zum Arzt gegangen. Der Bw hat sie dort hin begleitet und abgewartet, bis die Untersuchung durchgeführt worden war. Die Unfallgegnerin selbst hat erklärt, daß sie nicht verletzt sei und sie hat diese Aussage auch am nächsten Tag noch bei dem telefonischen Rückruf durch den Gendarmeriebeamten bestätigt. Erst nachher dürfte sie offensichtlich einen Arzt aufgesucht haben, welcher dann doch Verletzungen festgestellt hat. Durch das Verhalten der Unfallgegnerin bzw die Umstände nach der ersten ärztlichen Untersuchung ist der Bw offensichtlich im vorliegenden Fall einem Tatbildirrtum erlegen. Beim Tatbildirrtum irrt der Täter über jene Umstände, die zum Tatbild gehören, also über die äußere Tatseite. Ein solcher Tatbildirrtum begründet eine Strafbarkeit jedoch nur dann, wenn diesem Irrtum eine fahrlässige Verhaltensweise zugrundeliegt. Dies ist jedoch im vorliegenden Falle zu verneinen, hat doch der Bw vorerst alles unternommen, um eine Klärung darüber herbeizuführen, ob die Unfallgegnerin nicht doch verletzt wurde. Erst nachdem die ärztliche Untersuchung abgeschlossen war und die Unfallgegnerin erklärt hatte, daß sie nicht verletzt sei,
hat er sich entschlossen, den Vorfall nicht sofort der nächsten Polizei- bzw Gendarmeriedienststelle zu melden. Er konnte zu Recht ursprünglich davon ausgehen, daß beim Verkehrsunfall lediglich ein Sachschaden entstanden ist, jene Verpflichtungen, die Unfallbeteiligte im Falle eines bloßen Sachschadens treffen, hat er erfüllt. Unter diesen Umständen und auch insbesondere deshalb, daß selbst am Folgetag die Unfallgegnerin dem Gendarmeriebeamten noch erklärt hat, nicht verletzt zu sein, konnte der Bw zu Recht annehmen, daß seine Unfallgegnerin nicht verletzt wurde.
Sind keine äußeren Verletzungen sichtbar und wird die Frage nach Verletzungen verneint, so besteht laut Rechtsprechung des VwGH keine Verständigungspflicht iSd § 4 Abs.2, sofern die Frage nicht an Personen gerichtet wird, von denen nicht schon nach dem äußeren Anschein angenommen werden muß, daß sie nicht in der Lage sind, den Inhalt oder die Tragweite ihrer Erklärung zu erkennen (VwGH 11.5.1984, 83/02/0515).
Demgemäß wird seitens der Berufungsbehörde festgestellt, daß der Tatbildirrtum des Bw nicht auf dessen fahrlässiges Verhalten zurückzuführen ist, weshalb ihn weder an der Unterlassung der Meldepflicht noch an der Unterlassung der Mitwirkungspflicht iSd § 4 StVO 1960 ein Verschulden trifft.
Der nicht vom Bw verschuldete Tatbildirrtum hebt die Strafbarkeit seines Verhaltens auf, weshalb der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.