TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/18 99/13/0022

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Veröffentlicht am 18.07.2001
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

GmbHG §15 Abs1;
GmbHG §18 Abs1;
KStG 1988 §1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):99/13/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerden der W Handelsgesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Bachmann & Bachmann, Rechtsanwälte in Wien I, Opernring 8, 1.) gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom 18. Dezember 1998, GZ 11-89/2218/05, betreffend Umsatz- , Körperschaft- und Gewerbesteuer 1983 bis 1986 sowie Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1984 bis 1988, und 2. ) gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Dezember 1998, GZ 11-89/2218/05, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 1983 bis 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH betreibt den Handel mit Briefmarken und Münzen. In den Streitjahren war Christine W. alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin. Ihr Ehegatte Johann W. war Einzelprokurist.

In den Jahren 1984 bis 1986 kam es zu einem in der breiten Öffentlichkeit stark beachteten Netz von miteinander in Zusammenhang stehenden strafbaren Handlungen, die im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet waren, dass ein Kreislauf von Golddukaten in Gang gesetzt worden war. So wurde über zahlreiche dieser strafbaren Handlungen in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 14. November 1996, 12 Os 50, 51/95, geurteilt, wobei die Verurteilungen der Angeklagten insbesondere dadurch hervorstachen, dass Geldstrafen erstmals in Österreich in Milliardenhöhe verhängt worden waren. Diese "geradezu astronomischen Geldstrafen" im Golddukatenfall waren mit ein Grund für die Anhebung der Freiheitsstrafen für Finanzvergehen durch das Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl I 1999/28 (vgl Regierungsvorlage, 1471 BlgNR 20. GP).

Die Erhebungen in diesem Komplex von strafbaren Handlungen kamen dabei dadurch in Gang, dass es zu einem mit normalen wirtschaftlichen Vorgängen nicht erklärbaren Anstieg der Einkäufe von Golddukaten durch österreichische Bankinstitute, verbunden mit einem sprunghaften Anstieg des umsatzsteuerfreien Exportes von Golddukaten durch diese Bankinstitute in das Ausland gekommen war.

Die Stückzahlen betrugen im Einzelnen:

                        1984                           1985

                   1986

     Einkauf                1,514.987                3,249.762

           5,488.341

     Export                        1,224.200

3,073.130                5,072.060

     Demgegenüber wurden vom Hauptmünzamt folgende Stückzahlen in

Umlauf gebracht:

                     1984                        1985

          1986

     Ausfolgungen                495.710                363.701

            593.758

     davon Prägeaufträge        484.843                349.418

           587.362

     Schalterverkäufe          10.867                  14.283

6.396

Da die angeführten Dukatenmengen im Inland nicht zur Verfügung standen, wurde von den verschiedenen ermittelnden Behörden der Schluss gezogen, dass die Dukaten in einem Kreislauf ins Inland geschmuggelt und wiederum an die Banken geliefert wurden. Diese Annahme wurde in der Folge durch die außerordentlich umfangreichen Ermittlungen bestätigt. Dabei stellte sich heraus, dass zur Tarnung verschiedene Kapitalgesellschaften zwischengeschaltet wurden. Durch die Nichtentrichtung der Einfuhrumsatzsteuer und der Umsatzsteuer der Vorlieferanten wurden Abgaben in beträchtlicher Höhe verkürzt.

Zu den Personen, die Golddukaten in größerem Ausmaß an Banken lieferten, zählte Alexander F., der die Golddukaten überwiegend von der Beschwerdeführerin bezog. Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung, die wie bei allen anderen in Betracht kommenden Personen auch bei der Beschwerdeführerin vorgenommen wurde, wurde festgestellt, dass Johann W. an Alexander F. die Lieferung von großen Mengen an Golddukaten abwickelte. Wie insbesondere aus einer Vernehmung des Alexander F. am 29. Jänner 1988 hervorgeht, wurden über diese Lieferungen Scheinrechnungen von nicht existenten bzw nicht tätigen Firmen ausgestellt. Alexander F. gab dabei an, Johann W, das sei einer der Brüder W., die die Firma W (= die Beschwerdeführerin) führten, habe ihm erklärt, man müsse durch Strohleute Rechnungen ausstellen und die Entrichtung der Mehrwertsteuer durch diese vortäuschen. Die Golddukaten habe er immer bei Johann W. im Geschäft (der Beschwerdeführerin) geholt und das Geld nach dem Verkauf der Dukaten wieder dort abgeliefert.

Nach Feststellungen in dem die Beschwerdeführerin betreffenden Prüfungsbericht wurden von den (Johann W. zuzuordnenden) Scheinfirmen an das Unternehmen des Alexander F. im Jahre 1984 148.909 Einfachdukaten und 11.365 Vierfachdukaten, 1985 263.043 Einfachdukaten und 1.924 Vierfachdukaten sowie von Jänner bis Juli 1986 771.833 Einfachdukaten und 1.557 Vierfachdukaten geliefert. Die Vorgänge wurden in der Buchhaltung der Beschwerdeführerin nicht erfasst.

Zu entsprechenden Einwendungen im Prüfungsverfahren wurde im Prüfungsbericht festgestellt, dass Johann W. als Einzelprokurist die Geschäfte innerhalb seiner Tätigkeit als Angestellter der beschwerdeführenden GmbH und in den Geschäftsräumlichkeiten der GmbH angebahnt hatte. Die Geschäftsführerin Christine W. habe die ihr obliegende Kontrolle als Geschäftsführerin unterlassen, wenngleich ihr ein aktives Handeln nicht nachzuweisen sei.

Der Prüfer erhöhte die erklärten Umsätze der Beschwerdeführerin entsprechend den festgestellten Dukatenverkäufen sowie weiteren nicht verbuchten Umsätzen aus Silberbarren, Goldbruch, Goldschmuck und Silberschmuck. Ertragsteuerlich wurden unter Zugrundelegung einer Gewinnspanne von 50 % verdeckte Gewinnausschüttungen für 1983 in Höhe von S 23.427,--, für 1984 in Höhe von S 8,056.631,--, für 1985 in Höhe von S 6,714.334,-- und für 1986 in Höhe von S 22,886.328,-- angesetzt.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide. In den Berufungen gegen diese Bescheide wurde die Beteiligung der Beschwerdeführerin am so genannten Goldmünzenskandal bestritten. Überdies setzte sich die Beschwerdeführerin mit den einzelnen Aussagen der vernommenen Zeugen und Auskunftspersonen auseinander.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde ging - abgesehen von einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Aussagen der vernommenen Personen - davon aus, dass die Bemessungsgrundlagen der in Rede stehenden Abgaben im Hinblick auf die festgestellten materiellen Buchführungsmängel zu schätzen seien. Die Höhe der Zuschätzungen folge im Wesentlichen den Angaben des Alexander F., wonach dieser neben geringeren Mengen von Silberbarren und Goldbruch die an Banken veräußerten Golddukaten fast ausschließlich von der Beschwerdeführerin bezogen habe. Diese Aussage werde auch durch die Aussagen der weiteren vernommenen Personen bestätigt.

Weiters vertrat die belangte Behörde die Auffassung, Christine  W. habe von den nicht verbuchten Geschäften über Golddukaten etc zumindest in groben Zügen Bescheid wissen müssen. Nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages habe sie die Gesellschaft nach außen allein vertreten. Sie müsse daher auch tatsächlich in die Geschäftsführung eingebunden gewesen sein. Es habe ihr nicht entgehen können, dass umfangreiche Geschäfte mit Golddukaten abgewickelt worden seien. Dafür habe auch gesprochen, dass die Angestellten Karl St. und Franz W. (der Bruder des Johann W.) von diesen Geschäften gewusst hätten, so dass es nach der allgemeinen Lebenserfahrung unwahrscheinlich sei, dass ihr diese Geschäfte verborgen geblieben sein sollten. Das "Nichteingreifen" der Christine W. und ein allfälliges Unterlassen einer Aufsicht gegenüber den Angestellten, insbesondere gegenüber Johann W. sei nur aus der Nahebeziehung der Ehegatten erklärbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber erwogen:

In den Beschwerden wird ausschließlich vorgebracht, die Geschäftsführerin Christine W. habe von den in Rede stehenden Schwarzumsätzen - die weder dem Grunde noch der Höhe nach in Frage gestellt werden - keine Kenntnis gehabt. Offenkundig geht dabei die Beschwerdeführerin von der Auffassung aus, dass im Falle der Unkenntnis der Geschäftsführerin von diesen Vorgängen eine Zuordnung an die GmbH nicht erfolgen könne. Mit diesem Vorbringen kann eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aus mehreren Gründen nicht dargetan werden:

Zunächst ist dabei festzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof keine Tatsacheninstanz, sondern nur zur Rechtskontrolle berufen ist, weshalb er eine Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung nur dann aufgreifen kann, wenn sie zufolge eines Verstoßes gegen die Denkgesetze oder das allgemeine menschliche Erfahrungsgut das Ausmaß einer Rechtsverletzung in der behördlichen Ermittlung der Sachverhaltsgrundlagen angenommen hat (vgl zuletzt das hg Erkenntnis vom 25. April 2001, 2001/13/0052 mwH). Die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung enthält keinen derartigen Fehler. Vielmehr hat sie aus dem vorliegenden umfangreichen Erhebungsergebnis zutreffend den Schluss gezogen, dass die Geschäftführerin Christine W. "zumindest in groben Zügen" Kenntnis von den in Rede stehenden Schwarzgeschäften mit Golddukaten, die in den Streitjahren den wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit ausgemacht haben, gehabt habt. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass die Geschäftsführerin von den Geschäften ihres Ehemannes, mit dem sie in aufrechter Lebensgemeinschaft lebte und dem sie Prokura erteilt hatte, nichts gewusst haben sollte, während die übrigen Angestellten sehr wohl in diese Malversationen eingeweiht gewesen seien. Der auch gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof beibehaltenen Behauptung, Christine W. habe von den umfangreichen Geschäften, die im Geschäftslokal N-gasse bzw vielfach in dessen unmittelbarer Umgebung durch Übergabe der Dukaten bzw des Kaufgeldes getätigt worden sind, durch den gesamten Zeitraum hindurch nichts gewusst, fehlt jegliche Glaubwürdigkeit. Bei dem vorliegenden Erhebungsergebnis war die belangte Behörde entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht gehalten, von Amts wegen die Dienstnehmer über die Kenntnis der Geschäftsführerin von den Schwarzumsätzen zu vernehmen.

Von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird darüber hinaus auch übersehen, dass es auf ein Wissen der Geschäftsführerin gar nicht wesentlich ankommt. Für die Beurteilung der Frage, wer die für die Körperschaft berufenen Organe sind, ist entscheidend, wer die geschäftliche Oberleitung ausübt, wer also der wirkliche Geschäftsleiter ist. Die tatsächliche Geschäftsführung kann auch eine dem beherrschenden Gesellschafter nahe stehende Person ausüben (vgl Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG 1988, § 1, Rz 16, mwH). Aus den im Ermittlungsverfahren aufgenommenen Niederschriften ist dabei im Wesentlichen ersichtlich, dass der Ehemann der Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin, Johann W., tatsächlich die Geschäfte der GmbH führte, wozu er auch nach außen durch die ihm erteilte Prokura befähigt gewesen ist. In der den erstangefochtenen Bescheid betreffenden Beschwerde selbst wird darauf hingewiesen, dass Johann W. von den Angestellten als "Chef" bezeichnet wurde. Es kann daher kein Zweifel bestehen, dass die gegenständlichen Schwarzgeschäfte, die nach dem Ermittlungsergebnis in den Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin angebahnt und dort bzw oftmals in deren unmittelbaren Umgebung auch abgewickelt worden sind, der Beschwerdeführerin zuzurechnen waren. Auch der in Beschwerde hervorgehobene Umstand, dass die Dukaten zum Teil an anderen Orten und zur Nachtzeit übergeben worden sein sollen, ändert daran nichts, weil für die Ingangsetzung des Dukatenkreislaufs eben gerade ein Unternehmen mit dem Betriebsgegenstand des Münzenhandels, wie es von der Beschwerdeführerin betrieben wurde, erforderlich gewesen ist.

Die Beschwerden erweisen sich damit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen waren.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999130022.X00

Im RIS seit

19.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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