TE Vfgh Erkenntnis 1998/10/2 V126/97

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Veröffentlicht am 02.10.1998
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Index

L3 Finanzrecht
L3702 Hundeabgabe

Norm

B-VG Art18 Abs2
HundeabgabeV der Marktgemeinde Hard
FAG 1997 §15 Abs3 Z3

Leitsatz

Gesetzlosigkeit der zu eng gefaßten Umschreibung der Wachbedürftigkeit eines Objektes zur Feststellung der Ausnahme für Wachhunde von der Abgabepflicht in einer Hundeabgabeverordnung; Überschreitung des dem Verordnungsgeber vom Finausgleichsgesetzgeber belassenen Spielraums hinsichtlich der Definition von Wachhunden

Spruch

Der zweite Satz des §3 Abs1 lita der Hundeabgabe-Verordnung der Marktgemeinde Hard, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 27. Dezember 1996 bis 30. Jänner 1997, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg beantragt beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art58 Abs2 der Vorarlberger Landesverfassung iVm Art148i Abs2 B-VG, den zweiten Satz des §3 Abs1 lita der Hundeabgabe-Verordnung der Marktgemeinde Hard, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 27. Dezember 1996 bis zum 30. Jänner 1997, als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Diese Verordnung lautet auszugsweise (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§1

Abgabepflicht

Wer im Gemeindegebiet von Hard einen über 3 Monate alten Hund hält, hat an die Gemeinde Hard eine Hundeabgabe zu entrichten. Abgabepflichtig ist der jeweilige Halter des Hundes.

§2

Höhe und Fälligkeit der Hundesteuer

1) Die Höhe der Hundetaxe wird mit S 500,-- für den ersten und mit S 1.000,-- für jeden weiteren gehaltenen Hund festgesetzt.

2) - 3) ...

§3

Abgabenbefreiung

1) Von der Hundeabgabepflicht sind ausgenommen:

a) Wachhunde, das sind Hunde, die zur Bewachung eines wachbedürftigen Objektes (Wohngebiete, land- u. forstwirtschaftliche Betriebe udgl.) gehalten werden. Ein Objekt ist dann wachbedürftig, wenn es so abgelegen ist, daß im Umkreis von 300 m kein ganzjährig bewohntes Nachbarobjekt vorhanden ist, es nicht ganzjährig eine PKW-Zufahrtsmöglichkeit (Umkreis von 100 m) besitzt und keinen Telefonanschluß hat.

b) Blindenhunde und Lawinenhunde, wenn sie als solche ausgebildet und verwendet werden.

c) Hunde, die in Ausübung eines Berufes oder Erwerbes gehalten werden sowie Hunde öffentlicher Dienststellen.

2) Eine Befreiung von der Hundeabgabe kann jeweils nur auf schriftlichen Antrag des Hundehalters erfolgen."

3. Begründend führt der Antragsteller ua. aus, die angefochtene Bestimmung umschreibe die Bewachungsbedürftigkeit in unsachlicher Weise so eng, daß es im Gemeindegebiet von Hard keinen Anwendungsfall mehr gebe und somit der aus dem Finanzausgleichsgesetz (in der Folge: FAG) klar erfließende Wille zur Abgabenbefreiung für das Halten von Wachhunden vollständig ausgehöhlt werde. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1996, 95/17/0395, sei nicht das subjektive Gefährdungsgefühl des Halters als entscheidend anzusehen, sondern es sei auf jene Fälle abzustellen, in denen sich nach der Verkehrsauffassung eine Bewachung durch einen Hund als notwendig und zweckmäßig erweise. Das bedeute aber - so der Antragsteller - nicht, daß dieses subjektive Gefährdungsgefühl völlig außer Acht gelassen werden dürfe. Daß ein Objekt, um bewachungsbedürftig zu sein, nach der Verordnung keinen Telefonanschluß haben dürfe, zeige, daß es sich um ein regelmäßig bewohntes oder frequentiertes Objekt handeln müsse. Schon die theoretische Möglichkeit der Verbindung des Gefährdeten mit der Außenwelt schließe die Bewachungsbedürftigkeit aus. Ein Wachhund aber habe wohl primär die Aufgabe, Gefahren schon durch seine bloße Anwesenheit vorzubeugen und sodann durch das Anschlagen auf sie aufmerksam zu machen, nicht aber ein Telefon zu ersetzen. Das in Hard gelegene Textildruck-Museum wäre nach der klaren Diktion der Verordnung kein bewachungsbedürftiges Objekt, obwohl über die Sinnhaftigkeit einer Bewachung kein Zweifel bestehen dürfte. Es sei aber durchaus vorstellbar, daß selbst ein Privathaus oder eine Privatwohnung nach objektiven Kriterien und nach dem Maßstab des Verwaltungsgerichtshofes bewachungsbedürftig seien. Die Ursache könne in Umständen, die sich auf die Bewohner beziehen, oder im Wert von Gegenständen innerhalb des Objektes liegen. Daß ein Objekt nur dann bewachungsbedürftig sei, wenn es die drei statuierten Voraussetzungen erfülle, sei lebensfremd und unsachlich und belaste deshalb die Verordnung mit Gesetzwidrigkeit.

4. Die Marktgemeinde Hard hat eine Stellungnahme ihres Bürgermeisters übermittelt, in der darauf verwiesen wird, die Definition des Wachhundes in der Verordnung erscheine dem Verwaltungsgerichtshof als unbedenklich; das FAG könne nicht in der Weise ausgelegt werden, daß in jeder Gemeinde ein Wachhund vorhanden sein müsse. Sodann heißt es wörtlich:

"Angesichts der Tatsache, daß es sich bei der Hundeabgabe um Bagatellfälle handelt, ist die Gemeinde nicht bereit, sich weiters mit den juristischen Spitzfindigkeiten des Landesvolksanwaltes, die zu einem unnötigen und bürokratischen Aufwand der Behörden und einem nicht mehr vertretbaren Aufwand für die Gerichte des öffentlichen Rechts führen, auseinanderzusetzen."

5. Die Vorarlberger Landesregierung hat darauf verzichtet, eine Äußerung zu erstatten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Die Legitimation des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg zur Antragstellung ergibt sich aus Art58 Abs2 der Landesverfassung, LGBl. für Vorarlberg 30/1984, sowie aus Art148i Abs2 iVm Art148e B-VG. Der Antrag ist somit zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Die Hundeabgabe-Verordnung der Marktgemeinde Hard beruft sich in ihrer Präambel auf §15 Abs3 Z3 FAG 1993 BGBl. 30.

Abgaben für das Halten von Tieren, die eine Gemeinde in einer Hundeabgaben-Verordnung ausschreibt, finden ihre gesetzliche Deckung in §7 Abs5 F-VG iVm der jeweiligen bundesgesetzlichen Ermächtigung im FAG (vgl. zu Wassergebühren VfSlg. 14642/1996). Zum Zeitpunkt der Antragstellung ebenso wie zu jenem der Entscheidung ist die gesetzliche Ermächtigung in §15 Abs3 Z3 FAG 1997 (Art65 StrukturanpassungsG 1996 BGBl. 201) zu finden, der mit 1. Jänner 1997 in Kraft getreten ist (§23 Abs2 FAG 1997). Diese Bestimmung und nicht der - im übrigen beinahe wortgleiche - §15 Abs3 Z3 FAG 1993, (der zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Verordnung noch galt (§23 Abs2 FAG 1993 idF BGBl. 853/1995) und) den die Präambel der Verordnung erwähnt, ist Prüfungsmaßstab für den Verfassungsgerichtshof, da im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nur die jeweils geltende Rechtslage Prüfungsgegenstand (VfSlg. 14802/1997, S 397) und daher auch -maßstab sein kann.

§15 Abs3 Z3 ist im Abschnitt D ("Gemeindeabgaben auf Grund freien Beschlußrechtes") des Abschnitts II ("Abgabenwesen") des FAG 1997 enthalten und lautet in seinem Zusammenhang:

"(3) Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

1. - 2. ...

3. ohne Rücksicht auf ihre Höhe Abgaben für das Halten von Tieren, die nicht in Ausübung eines Berufes oder Erwerbes gehalten werden, und für das Halten von Hunden, die nicht als Wachhunde oder Blindenführhunde gehalten werden;

4. - 5. ..."

Gemäß §14 Abs1 Z11 und Abs2 FAG 1997 sind Abgaben für das Halten von Tieren ausschließliche Gemeindeabgaben.

2.2. Der Landesvolksanwalt hegt das Bedenken, daß die Definition des Wachhundes in §3 Abs1 lita der Hundeabgabe-Verordnung gegen §15 Abs3 Z3 FAG (1997) verstößt. Damit ist er im Recht.

2.3. Vorausgeschickt sei, daß die Hundeabgabe-Verordnung zwar von der "Hundeabgabe" (zB §1), von der "Hundesteuer" (Überschrift zu §2) und von der "Hundetaxe" (§2 Abs1) spricht, daß mit den drei Begriffen jedoch, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, jeweils dasselbe gemeint ist.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß §3 Abs1 lita zweiter Satz den Begriff der "Wachbedürftigkeit" im ersten Satz abschließend definiert. Objekte, die den Kriterien des zweiten Satzes nicht entsprechen, sind daher nicht wachbedürftig im Sinne der Verordnung.

2.4. Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 26. Jänner 1996, 95/17/0395, das zu einer ähnlichen Bestimmung in der Hittisauer Hundeabgabe-Verordnung ergangen ist, aus, zutreffend stelle der Verordnungsgeber darauf ab, ob der betreffende Hund als Wachhund eingesetzt werde, denn die Verordnungsermächtigung des FAG 1993 werde dadurch begrenzt, daß es sich nicht um Hunde handeln dürfe, die als Wachhunde gehalten würden. Nicht abgabenbefreit sei das Halten von Hunden selbst mit objektiver Wachhundeeignung, wenn der Halter sie nicht als Wachhunde einsetze.

Der Verfassungsgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen an. §15 Abs3 Z3 FAG 1997 stellt - ebenso wie der vom Verwaltungsgerichtshof angewandte §15 Abs3 Z3 FAG 1993 - darauf ab, ob ein Hund als Wachhund "gehalten" wird. Der Verordnungsgeber hat diese Ermächtigung dahingehend verstanden, daß es ihm obliege, den Begriff des "Haltens von Wachhunden" zu konkretisieren. Er hat daher im ersten Satz des §3 Abs1 lita der Hundeabgabe-Verordnung den "Wachhund" definiert und dabei den Begriff eines "wachbedürftigen Objektes" eingeführt; dieses Objekt hat er im zweiten Satz umschrieben. Geht man - mit dem Verordnungsgeber - davon aus, daß das FAG 1997 einen Spielraum zur Definition des Wachhundes läßt, so kommt man dennoch zum Ergebnis, daß der Verordnungsgeber die Grenzen dieses Spielraumes überschritten hat und daß auch das Halten von Hunden besteuert wird, die Wachhunde iSd §15 Abs3 Z3 FAG 1997 sind. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als Wachhunde auch Hunde bezeichnet werden, die nicht den engen Kriterien des §3 Abs1 lita der Hundeabgabe-Verordnung entsprechen. Es gibt aber keinen Grund anzunehmen, der Gesetzgeber des FAG 1997 habe sich nicht an den allgemeinen Sprachgebrauch halten wollen.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob §15 Abs3 Z3 FAG 1997 dem Verordnungsgeber einen Spielraum für die Definition des Begriffes "(Halten eines) Wachhund(es)" einräumt, mit der Folge, daß die Verordnungen verschiedener Gemeinden rechtmäßigerweise einander ausschließende Definitionen des Wachhundes enthalten können, oder ob der Begriffsinhalt von Gesetzes wegen feststeht.

2.5. Auch wenn der Begriff des "Wachhundes" in §3 Abs1 lita Hundeabgaben-Verordnung nicht mit jenem des §15 Abs3 Z3 FAG 1997 übereinstimmt, wäre diese Verordnungsbestimmung gesetzmäßig, wenn sich eine andere Rechtsgrundlage für die Erlassung einer Regelung fände, welche die Besteuerung des Haltens von Wachhunden vorsieht. Denn §15 Abs3 FAG 1997 behält der Landesgesetzgebung eine weitergehende Ermächtigung vor.

Als eine solche landesgesetzliche Grundlage käme zum einen das Gesetz, betreffend die allgemeine Einführung der Hundetaxe im Lande Vorarlberg, LGVBl. 33/1875 idF 16/1886, LGBl. 83/1920, 10/1922, 7/1923 (in der Folge: HundetaxenG), in Frage, auf das sich die Präambel der Verordnung beruft, zum anderen das Vorarlberger GemeindeabgabenG 1937 LGBl. 22.

2.5.1. Den §§1 und 2 HundetaxenG wurde durch §1 litc erster Satz GemeindeabgabenG 1937 materiell derogiert (vgl. VfSlg. 9358/1982); §3 wurde insoweit modifiziert, als die Gemeindevertretung bei der Festsetzung der Höhe nunmehr an die Höchstgrenze von S 50,- gebunden war. Das HundetaxenG kommt daher als gesetzliche Ermächtigung für eine Verordnung nicht in Frage, mit der auch für das Halten von Hunden, die Wachhunde iSd §15 Abs3 Z3 FAG 1997 sind, eine Abgabe vorgeschrieben wird.

2.5.2. Die Möglichkeit, daß sich die Verordnung auf §1 litc des zuletzt erwähnten GemeindeabgabenG 1937 beruft, scheidet schon deshalb aus, weil dieses Gesetz durch ArtII Abs3 des Gesetzes über eine Änderung des Kanalisationsgesetzes, LGBl. 58/1993, außer Kraft gesetzt wurde, und zwar mit Ablauf des 31. Dezember 1993.

2.6. Aus all dem ergibt sich, daß die angefochtene Verordnungsbestimmung gesetzwidrig ist; sie ist daher aufzuheben.

2.7. Die Verpflichtung der Vorarlberger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung beruht auf Art139 Abs5

B-VG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Zu der oben wiedergegebenen Äußerung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Hard bemerkt der Verfassungsgerichtshof, daß sie nicht den Umgangsformen entspricht, die zwischen den Verfahrensparteien herrschen sollen.

Schlagworte

Finanzverfassung, Abgabenwesen, Gemeindeabgaben, Beschlußrecht, Finanzausgleich, Landesabgaben, Hunde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:V126.1997

Dokumentnummer

JFT_10018998_97V00126_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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