RS UVS Oberösterreich 1998/01/08 VwSen-420161/17/Ur/Rd

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Veröffentlicht am 08.01.1998
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Rechtssatz

Gemäß § 76 Abs.1 KFG 1967 haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein KFZ lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.

Bei der Beurteilung, ob die Verpflichtung zur vorläufigen Abnahme des Führerscheins besteht, hat sich das einschreitende Organ sohin ausschließlich von dem Bestreben leiten zu lassen, einen drohenden Verkehrsunfall zu verhüten. Dabei sind bei der Belassung des Führerscheins strengste Maßstäbe anzulegen. Die Verpflichtung bzw. Befugnis zur vorläufigen Führerscheinabnahme endet jedenfalls, wenn eine unmittelbare Unfallgefahr nicht mehr gegeben ist, also bei Wiedererlangung der geistigen oder körperlichen Eignung des Führerscheinbesitzers, bei offensichtlicher Unmöglichkeit, ein Fahrzeug zu lenken, oder wenn ein Rückfall nicht unmittelbar zu befürchten ist.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH ist daher Zweck dieser Sicherungsmaßnahme, eine unmittelbare Unfallgefahr durch einen nicht fahrtüchtigen KFZ-Lenker hintanzuhalten. Die Verpflichtung der Organe einen Führerschein vorläufig abzunehmen, ist somit nur dann als gegeben anzusehen, wenn durch eine bestimmte geistige oder körperliche Verfassung des Führerscheinbesitzers zusammen mit der Tatsache, daß dieser ein Fahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht es in Betrieb zu nehmen, eine unmittelbare Unfallgefahr gegeben ist.

Nach der zitierten Gesetzesstelle würde gemäß der einschlägigen Rechtsprechung selbst der Nachweis der Alkoholbeeinträchtigung durch positives Ergebnis einer Atemluftprobe für sich alleine die vorläufige Abnahme des Führerscheins nicht rechtfertigen, sondern es muß weiters einerseits aus dem Verhalten erkennbar sein, daß der Betroffene die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper nicht besitzt und andererseits die Absicht hat, in diesem Zustand ein KFZ zu lenken, in Betrieb zu nehmen oder zu versuchen, es in Betrieb zu nehmen. Bezogen auf den Sachverhalt bedeutet dies, daß die geforderten Voraussetzungen kumulativ nicht vorgelegen sind. Bei dem Bf konnte weder ein übermäßiger Alkoholgenuß aus dessen Verhalten deutlich erkannt werden - es wurden nämlich die Angaben über die deutlich geröteten Bindehäute von den anderen Zeugen als dem einschreitenden Organ nicht wahrgenommen bzw. diese Wahrnehmung abgeschwächt; die "veränderte Sprache" konnte nicht auf Alkoholisierung konkretisiert werden - noch wurde ein Zustand aufgefunden und den Aussagen zugrundegelegt, daß der Bf die volle Herrschaft über seinen Geist und Körper nicht mehr besitzt, um ein Fahrzeug zu lenken, noch konnte das Lenken (Inbetriebnehmen oder der Versuch der Inbetriebnahme seines Pkw) zum Zeitpunkt der Führerscheinabnahme erwiesen werden.

Daß der Bf situationsbedingt erregt war, wird von ihm selbst nicht in Abrede gestellt und ist situationsbezogen begreiflich ("Es kann schon sein, daß mein Verhalten auffällig war und daß ich mit Händen und Füßen geredet habe".) Es bestanden jedoch während der Amtshandlung keine Anzeichen dafür, daß der Bf völlig außer Kontrolle geriet. Auch vermag der erkennende Senat keinen Verlust der vollen Herrschaft über Körper und Geist, ein Fahrzeug zu lenken, darin zu erkennen, daß der Bf während der Amtshandlung "hin- und herschritt, mit den Händen gestikulierte, und immer wieder sagte, er würde keinen Alkotest machen und wolle eine Blutabnahme". Symptome, die einen übermäßigen Alkoholgenuß indizieren, konnte ebenfalls von den zeugenschaftlich vernommenen Organen nicht dargelegt werden. Scheint schon aus diesem Aspekt die Rechtmäßigkeit der Abnahme des Führerscheins fraglich, so aber insbesondere aus den weiteren Überlegungen, daß das weitere Kriterium, daß der Bf "ein KFZ lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen", jedenfalls nicht gegeben war. Die Lenkabsicht wurde von den Gendarmerieorganen nicht durch konkretes Befragen ermittelt und hat der Bf auch keine dahingehenden Äußerungen am GP getätigt. Seine Absicht, vom Ort der Anhaltung zum GP zu lenken, konnte aber nach den weiteren Belehrungen und der Amtshandlung am Posten nicht mehr als prolongierte Absicht gegen ihn verwendet werden, solange nicht durch zusätzlich hinzukommende neue Kriterien der Verdacht seiner weiteren Lenkabsicht neuerlich erregt wird. Aufgrund der gesamten Umstände auf dem GP waren aber solche Absichten nicht erkennbar und eine von den Organen zu vermeidende Unfallgefahr nicht gegeben. Es lagen daher zum Zeitpunkt der Abnahme die Voraussetzungen für die vorläufige Führerscheinabnahme nicht vor. Hingegen konnte das - von der belangten Behörde ins Treffen geführte - nachträgliche Verhalten (der Bf ging zu seinem PKW und setzte sich auf den Fahrersitz) die schon durchgeführte Führerscheinabnahme - sozusagen "nacheilend" - nicht rückwirkend rechtfertigen. Im übrigen ist eine tatsächliche Lenkabsicht auch zu diesem Zeitpunkt nicht eindeutig erwiesen.

Was die beantragte Wiederausfolgung des Führerscheines anlangt, ist auszuführen, daß die bloße Nichtausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheins weder einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde noch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt (VwGH vom 12.6.1981, 81/02/0023, 0148; ÖJZ 1982, 245/224). Eine solche Beschwerde ist wegen Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen (vgl. VfGH vom 27.2.1984, B 8/83). Im übrigen wurde das Ermittlungsverfahren (Führerscheinentzugsbescheid vom 8.9.1997) innerhalb der Dreitagesfrist des § 76 Abs.3 KFG rechtzeitig eingeleitet, weil gemäß § 33 Abs.2 AVG das tatsächliche Fristende auf den nächsten Werktag, somit Montag den 8.9.1997 anstelle auf Samstag, 6.9.1997, fiel.

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die vorläufige Führerscheinabnahme am 3.9.1997 um ca. 15.00 Uhr im GP M als rechtswidrig festgestellt. Soweit sich die Beschwerde gegen die Nichtausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines richtet, wird sie zurückgewiesen.

Schlagworte
keine "immer währende" Absicht zum Lenken; neue Umstände, neue Äußerungen für Unfallgefahr; keine rückwirkende Rechtfertigung einer Führerscheinabnahme
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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