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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §12;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den am 26. April 1999 mündlich verkündeten, am 27. Juli 1999 schriftlich ausgefertigten und mit Bescheid vom 29. Juli 1999 (hinsichtlich der Geschäftszahl) berichtigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 200.126/0- I/01/98, betreffend §§ 7 und 12 AsylG (mitbeteiligte Partei: HC in N), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 14. Jänner 1997 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 20. Jänner 1997 die Gewährung von Asyl. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 5. Februar 1997 den Antrag gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Im Berufungsverfahren wurde der Beschwerdeführer neuerlich im Weg über das Bundesasylamt eingehend befragt; er erstattete mit Schriftsatz vom 26. August 1997 eine Berufungsergänzung, in der er ein ärztliches Gutachten über die noch feststellbaren Folgen der von ihm angegebenen Folterungen vorlegte.
Die belangte Behörde hielt mit dem Mitbeteiligten und mit dem Bundesasylamt sowohl am 18. März 1998 als auch am 17. April 1998 mündliche Verhandlungen ab; sowohl das Bundesasylamt als auch der Mitbeteiligte erstatteten auch schriftlich Stellungnahmen und Beweisanträge zu den vom Mitbeteiligten geltend gemachten Fluchtgründen.
Anlässlich einer mündlichen Verhandlung vom 26. April 1999, bei der kein Vertreter des Bundesasylamtes anwesend war, wurde der nunmehr angefochtene Bescheid mündlich verkündet. Die diesbezügliche Verhandlungsschrift beinhaltet den Spruch des Bescheides, nämlich die Stattgebung der Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Februar 1997 und die Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG. Gemäß § 12 AsylG wurde festgestellt, dass dem Mitbeteiligten kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die wesentliche Begründung dieses Bescheides wurde mündlich vorgetragen.
Aus der Ausfertigung dieses mündlich verkündeten Bescheides vom 27. Juli 1999 (berichtigt mit Bescheid vom 29. Juli 1999 hinsichtlich der Geschäftszahl), ergeben sich - nach Darstellung des Vorbringens des Mitbeteiligten und des Bundesasylamtes sowie des Ganges des Verwaltungsverfahrens - folgende Feststellungen hinsichtlich des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes:
Der Mitbeteiligte sei Kurde, Alewite und Verfechter sozialistischen Gedankengutes. Die ersten Berührungspunkte des Mitbeteiligten mit der Polizei hätten anlässlich einer Schülerdemonstration begonnen. Dabei sei ein Polizeiauto in die Menge gefahren, wobei dem Mitbeteiligten vier Zehen des rechten Fußes gebrochen worden seien. 1985 habe der Mitbeteiligte die Aufnahmsprüfung für "bildende Künste" an der Universität in Ankara bestanden. Die Zulassung zu diesem Studium sei ihm jedoch verwehrt worden, weil er aus einem sozialistischen Dorf gekommen sei. Danach habe er sein Studium in Istanbul begonnen. Er sei dort zuerst Stellvertreter, dann Vorsitzender eines Vereines der Istanbuler Hochschülerschaft gewesen. In Gegnerschaft dazu habe der Verein der jungen Muselmanen bestanden, welcher der Hizbullah zugehörig gewesen sei. Durch die unterschiedlichen politischen Sichtweisen seien auch die ersten Auseinandersetzungen mit der Hizbullah erfolgt, welche jedoch in verbalen Attacken ihr Ende gefunden hätten. Auf Grund der bis 1992 publizierten politischen Schriften sei der Mitbeteiligte zwischen 1990 und 1992 einmal in der Woche 1 bis 2 Tage festgenommen worden. Obwohl er an dem Maiaufmarsch 1991 nicht teilgenommen habe, sei er trotzdem festgenommen worden, habe Elektroschocks erhalten und sich auch längere Zeit in schmutzigem Wasser aufhalten müssen. Dadurch habe der Mitbeteiligte eine Wirbelsäulenverletzung erlitten. Er habe jedoch nach der erfolgten Festnahme eine Erklärung abgeben sollen, wonach keine Gewaltanwendung erfolgt sei. Nachdem sich der Mitbeteiligte geweigert habe, sei er 3 Tage unter Druck gesetzt und anschließend mit Gewalt ein Fingerabdruck auf der Erklärung angebracht worden. Nach dieser Freilassung sei der Mitbeteiligte alle zwei Wochen auf die Polizeistation gebracht worden. 1993 habe der Mitbeteiligte sein Studium beendet. Danach habe er eine Buchhandlung gegründet, welche er später in einen Verlag umgewandelt habe. Im Rahmen der ersten Buchveröffentlichung im Jahre 1993 seien Anhänger der Hizbullah erschienen und hätten das Titelbild kritisiert, weil dieses eine Beleidigung für das Auge darstelle. Von 1992 bis 1995 sei der Mitbeteiligte ständig von der Polizei beobachtet worden und habe er aus diesem Grund seine Wohnung ungefähr alle 5 Monate gewechselt. Der Verlag sei im Juni 1996 anlässlich der Veröffentlichung eines Buches, wegen dessen Inhalt dem Mitbeteiligten seitens der Hizbullah christliche und kommunistische Propaganda vorgeworfen worden sei, von Anhängern der Hizbullah "besucht" worden. In weiterer Folge seien der Mitbeteiligte verprügelt, Scheiben eingeschlagen und der Verlag verunstaltet worden. Bei einem neuerlichen Besuch von 4 Hizbullah-Anhängern im Oktober 1996 sei der Mitbeteiligte mit den Worten: "Dies ist unsere letzte Warnung, du weißt ganz genau, was du machst, wir sind von der Hizbullah" in Furcht versetzt worden. Insgesamt seien auch vier telefonische Drohanrufe durch Hizbullah-Anhänger erfolgt. Nach dem Verkauf des Verlages sei der Mitbeteiligte im Jänner 1997 nach Österreich geflüchtet. Die Verfolgungshandlungen hätten sich lediglich gegen ihn selbst gerichtet, weshalb die Flucht der Ehefrau und des Sohnes erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Österreich erfolgt sei.
Die belangte Behörde stützte diese Feststellungen auf die Einvernahme des Mitbeteiligten und seiner Ehegattin, auf ein Schreiben der Universität wegen der Verhängung einer Disziplinarstrafe, welche im Ausschluss vom Universitätsunterricht bestanden habe, auf das von der belangten Behörde angeforderte Gutachten zur Situation der Hizbullah in der Türkei, auf die im Akt befindlichen Zeitungsartikel, auf die vom Bundesasylamt vorgelegte "Chronologie Türkei" vom Bundesamt für Flüchtlinge und APA-Aussendungen, auf eine Information der österreichischen Botschaft in Ankara hinsichtlich der Publikationen des Mitbeteiligten und seinen Verlag, auf die Einsichtnahme in die vorgelegten, vom Mitbeteiligten verfassten Bücher und das vom Mitbeteiligten beigebrachte ärztliche Gutachten.
Das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten zur Situation der Hizbullah in der Türkei führte (zusammengefasst) aus, dass der Höhepunkt der Aktivitäten zwischen 1992 und 1995 gelegen sei. Die Hizbullah sei im gesamten kurdischen Siedlungsgebiet und teilweise darüber hinaus aktiv gewesen. Entführungen, Morde und andere Gewaltakte hätten sich nicht nur gegen Journalisten, Gewerkschafter und Bedienstete des Gesundheitswesens gerichtet, betroffen seien auch ganz normale Bürger gewesen, die im Verdacht gestanden seien, dem bewaffneten Kampf der PKK positiv gegenüber zu stehen. Eine aktive Zusammenarbeit mit dem Staat habe nicht nachgewiesen werden können. Die These, dass die Hizbullah die Morde an "PKK-Sympathisanten" im Auftrag des Staates verübt habe, sei gerade von Verwandten der Opfer immer wieder vertreten worden, lasse sich aber nicht belegen.
Einleuchtender scheine die These zu sein, dass die Morde unter "Marxisten" und "Fundamentalisten" einer bestimmten Art der "Konter-Guerilla-Kriegsführung" gut ins Konzept gepasst hätten. Das Erstarken der Hizbullah möge aus diesem Grund von staatlicher Seite (Teil des Staates) durchaus gewollt gewesen sein. In der selben Logik liege die Behauptung, der Staat sei erst dann gegen die Hizbullah vorgegangen, als die Organisation zu stark (zu blutrünstig) geworden sei. Die Verfahren gegen Anhänger der Hizbullah kämen aber eher schleppend voran. Dies möge ein Hinweis darauf sein, das Hizbullah-Aktivisten von "höherer Stelle" immer noch gedeckt würden. In den letzten Jahren sei ein deutlicher Rückgang der Aktivitäten der Hizbullah zu verzeichnen, obwohl sie nicht gänzlich aufgehört hätten. Es sei zu bezweifeln, dass die Verhaftungen und Prozesse gegen aktive Hizbullah-Kämpfer die Organisation vollends "erledigt" hätten. Eine Prognose über eine zukünftige Re-Organisierung der Hizbullah und deren Bereitschaft, Gewalt gegen Andersdenkende und -handelnde anzuwenden, lasse sich daher nur schwer abgeben. Unbekannt sei auch, was mit den Informationen der Hizbullah über angebliche oder wirkliche Unterstützer der PKK geworden sei. Es sei durchaus denkbar, dass sie in den Besitz der Sicherheitskräfte gelangt seien, als diese z. B. Räume der Hizbullah entdeckten, in denen diese Gefangene gehalten habe. Tatsache sei jedoch, dass die Aktionen der Hizbullah in der gesamten Bevölkerung für Angst und Schrecken gesorgt hätten.
Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der von ihr getroffenen Feststellungen aus, die vom Mitbeteiligten erstatteten Angaben im erstinstanzlichen Verfahren, wobei Unklarheiten nach neuerlicher Befragung in den mündlichen Verhandlungen hätten beseitigt werden können, hätten sich sowohl nach Gesamtbetrachtung der Geschehnisse als auch auf Grund der vorhandenen Materialien "durchaus in Einklang bringen lassen". Hinsichtlich des Einwandes des Bundesasylamtes, wonach die Teilnahme des Mitbeteiligten an einer Demonstration 1978 und die dort erlittene Fußverletzung keine Korrelation zur behaupteten Folterung darstelle, sei zu bemerken, dass ein solcher Zusammenhang nicht behauptet worden sei. Weiters sei dem Bundesasylamt auch nicht zu folgen, wenn es meine, der Mitbeteiligte sei nicht zu jenem Zeitpunkt geflohen, als die Hizbullah auf dem Höhepunkt ihrer Aktivitäten angelangt sei, und dass auch zu diesem Zeitpunkt keinerlei Maßnahmen gegen den Mitbeteiligten getroffen worden seien. Der Mitbeteiligte habe nämlich bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt, dass das neuerliche Auftreten der Hizbullah anlässlich der Veröffentlichung des Buches "Philosophie des Manierismus" hervorgerufen worden sei, weil ihm durch den Verkauf dieses Buches christliche und kommunistische Propaganda vorgeworfen worden sei. Wenn das Bundesasylamt auf Grund seiner vorgelegten Beweismittel und Medienberichte vom Willen und der Fähigkeit des türkischen Staates, gegen die Hizbullah vorzugehen, ausgehe, sei dies in der Gesamtheit auch nicht als Widerspruch zu den der belangten Behörde vorliegenden Unterlagen bzw. Zeitungsberichten zu sehen. Wenngleich festzuhalten sei, dass das vom Bundesasylamt vorgelegte Dokumentationsmaterial lediglich eine chronologische Abfolge getroffener staatlicher Maßnahmen gegen fundamentalistische Gruppierungen darstelle, sei eine Beleuchtung der neben diesen gesetzten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen fortgesetzten Aktivitäten dieser Gruppierung nicht ersichtlich. Es erscheine jedoch durchaus nachvollziehbar, dass auch durch diese gesetzten staatlichen Maßnahmen ein plötzliches Auslöschen der Hizbullah kaum möglich und denkbar sei, obwohl in den letzten Jahren ein Rückgang habe verzeichnet werden können. Es sei somit nicht auszuschließen und liege auch nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei Andersdenkenden Bedrohungen durch die Hizbullah auch nach dem im Gutachten geschilderten Höhepunkt fortgesetzt worden seien. Der dem Bundesasylamt nicht nachvollziehbaren Behauptung des Mitbeteiligten, wonach dieser erst im Jänner 1997 und nicht bereits im Juni 1996 die Türkei verlassen habe, sei entgegen zu halten, dass erst im Juni und Oktober 1996 die bereits beschriebenen Bedrohungen erfolgt seien, wobei anzumerken sei, dass es glaubwürdig erscheine, dass sich der Mitbeteiligte ab Oktober bis zu seiner Flucht im Jänner bei Verwandten und Freunden aufgehalten habe, um Vorkehrungen, wie die weitere Versorgung der Familie, zu treffen.
Rechtlich würdigte die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt dahin, dass der Mitbeteiligte seit seiner Schulzeit bis hin zu seiner Ausreise über Berührungspunkte mit der Polizei verfügt habe, die sich von Beobachtungen, einem einwöchigem Ausschluss aus der Unterricht an der Universität bis hin zu Folterungen erstreckt hätten. Darüber hinaus seien auch Bedrohungen durch die Hizbullah erfolgt, welche 1990 an der Universität ihren Anfang genommen und 1993 bzw. 1996 in Bedrohungen hinsichtlich der Veröffentlichung von Büchern christlichen oder kommunistischen Inhaltes ihre Fortsetzung gefunden hätten. Diese Vorfälle hätten aus der politischen Missliebigkeit des Mitbeteiligten resultiert, welche in seiner Kritik gegenüber dem türkischen Kunstverständnis, seinen Auflehnungen gegenüber dem universitären System und - bedingt durch die Führung einer Buchhandlung bzw. eines Verlages - in der Verbreitung christlicher bzw. kommunistischer Propaganda bestanden habe. Weil der Mitbeteiligte durch sein beschriebenes Verhalten sowohl polizeiliche Maßnahmen auf sich gelenkt als auch Anhänger der Hizbullah auf sich aufmerksam gemacht und damit die dargestellten Reaktionen ausgelöst habe, sei er in jeder Hinsicht als "auffällig" zu beschreiben. Im gegenständlichen Fall sei daher bei der Beurteilung der begründeten Furcht vor Verfolgung darauf abzustellen, dass diese Vorfälle im Konnex mit einer dem Mitbeteiligten unterstellten politischen Haltung zu sehen seien. Wenngleich das fluchtauslösende Moment in der Furcht des Mitbeteiligten vor weiteren und gesteigerten Anschlägen der Hizbullah zu sehen sei, seien die bereits in früherer Zeit erfolgten Ereignisse einer Gesamtschau zu unterziehen, welche von Beginn an die geäußerte politische Haltung des Mitbeteiligten zum Inhalt gehabt habe.
Wenn nun das Bundesasylamt die Auffassung vertrete, dass es sich bei einer allfälligen Bedrohung des Mitbeteiligten durch die Hizbullah lediglich um Übergriffe Dritter handle, so sei dem entgegen zu halten, dass es selbst nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für den Betreffenden nicht erforderlich sei, den auswegslosen Versuch zu unternehmen, bei staatlichen Stellen Schutz zu suchen, wenn die staatlichen Stellen vor Verfolgung nicht schützen könnten und wollten. Bezugnehmend auf das bereits zur Situation staatlicher Stellen und fundamentalistischer Gruppierungen Gesagte, wonach - dem Gutachten zufolge - ein "Erstarken" solcher Gruppierungen durchaus erwünscht gewesen sei und erst in den letzten Jahren diesbezüglich staatliche Vorkehrungen getroffen worden wären, sei das Verhalten des Mitbeteiligten, der sowohl auf staatlicher als auch auf fundamentalistischer Ebene "auffällig" geworden sei, und sich deshalb mangels Erfolgsaussichten nicht an die Polizei gewandt habe, durchaus nachvollziehbar und finde auch in der Judikatur seine Deckung. Bei Gesamtbetrachtung der Vorfälle könne im Falle einer Rückkehr des Mitbeteiligten nicht ausgeschlossen werden, dass er Verfolgungsmaßnahmen durch die Behörden und mögliche Vergeltungsmaßnahmen durch Anschläge der Hizbullah wegen seiner auch nach außen getragenen politischen Gesinnung befürchten müsse.
Die Ausfertigung dieses, bereits am 26. April 1999 mündlich verkündeten Bescheides wurde nach dem Akteninhalt dem Bundesasylamt am 28. Juli 1999 übermittelt, der Berichtigungsbescheid vom 29. Juli 1999 an diesem Tag.
Bereits zuvor, nämlich am 14. Juni 1999 hatte der Bundesminister für Inneres gegen den mündlicher verkündeten Bescheid der belangten Behörde vom 26. April 1999 eine Amtsbeschwerde gemäß § 38 Abs. 5 AsylG 1997 eingebracht und gemäß § 28 Abs. 4 VwGG ersucht, die Begründung für die Beschwerde nachtragen zu können.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete daraufhin mit Verfügung vom 21. Juni 1999 das Vorverfahren über die Beschwerde ein, übermittelte gemäß § 37 Abs. 1 VwGG der belangten Behörde eine Ausfertigung der Beschwerde samt Beilagen und forderte den beschwerdeführenden Bundesminister auf, binnen sechs Wochen die Begründung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nachzutragen; bei Fristversäumung gelte die Beschwerde als zurückgezogen.
Diese Verfügung wurde dem beschwerdeführenden Bundesminister am 6. Juli 1999 zugestellt. Die zum Nachtrag der Begründung offen gestandene Frist endete somit am 17. August 1999.
Bereits mit Schriftsatz vom 21. Juli 1999, eingelangt am 22. Juli 1999, erstattete der beschwerdeführende Bundesminister einen "Nachtrag der Begründung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides". Der Bundesminister führte darin aus, es sei am 7. Juli 1999 mit der belangten Behörde fernmündlich Kontakt aufgenommen worden, um hinsichtlich einer bereits vorliegenden Bescheidbegründung nachzufragen, dabei sei mitgeteilt worden, dass eine solche schriftliche Ausfertigung gerade in Ausarbeitung wäre, also noch nicht existiere. Nun sei seine Situation die, dass die einzige ihm verfügbare Information über die Bescheidbegründung im lapidaren Satz, diese sei (anlässlich der mündlichen Bescheidverkündung) vorgetragen worden, bestehe, ihm jedoch gleichzeitig aufgetragen worden sei, binnen sechs Wochen die Begründung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nachzutragen, andernfalls die Beschwerde als zurückgezogen gelte. Auf Grund dieser Rahmenbedingungen befinde sich der beschwerdeführende Bundesminister in der "veritablen Aporie", eine Bescheidbegründung verfassen zu müssen, die sich auf einen Bescheid beziehe, dessen "elaborierte" Begründung noch ausstehe.
Der angefochtene Bescheid dürfte mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet sein, weil im Rahmen des Berufungsverfahrens zwei mündliche Verhandlungen stattgefunden hätten, welche primär von Abschweifungen und Weitläufigkeiten geprägt gewesen seien. Diese Vorgangsweise habe ihren Niederschlag in zwei "völlig nur schwer lesbaren" Protokollen gefunden, weshalb es nach Auffassung des beschwerdeführenden Bundesministers nicht möglich sei, auf Grund dieser zu irgendwelchen begründbaren Feststellungen zu gelangen. Diese Verhandlungen hätten nur bedingt den Anforderungen des AVG in Bezug auf Verlauf und Protokollierung Genüge getan, weshalb nicht auszuschließen sei, dass die Behörde bei der Durchführung und Protokollierung einer gesetzeskonformen mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis in der Hauptsache gelangt wäre.
Inhaltliche Rechtswidrigkeit sei darin zu erblicken, dass der Mitbeteiligte türkischer Staatsangehöriger und sein Hauptvorbringen darauf gerichtet gewesen sei, von der Türkei wegen seiner laizistischen Weltanschauung Verfolgung befürchten zu müssen. Wenn die belangte Behörde nun korrekte Feststellungen getroffen haben sollte, wonach einerseits der Laizismus tragende türkische Staatsideologie sei, somit dieser als das Gegenteil einer oppositionellen Gesinnung bezeichnet werden könne, und andererseits der Staatsapparat der Türkei überdurchschnittlich gut in der Lage sei, im eigenen Land gesetzwidriges Vorgehen zu unterdrücken, und die belangte Behörde auf Grund solcher korrekter Feststellungen nichtsdestoweniger zur Subsumtion gelangt sein sollte, der Mitbeteiligte falle unter den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention, so hätte sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie darauf hinwies, dem beschwerdeführenden Bundesminister sei vom Zeitpunkt der Zustellung der Ausfertigung des verkündeten Bescheides am 28. Juli 1999 noch ein dreiwöchiger Zeitraum bis zum Fristablauf der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist zur Nachholung der Begründung der Beschwerde offen gestanden. Darüber hinaus hätten die bei den beiden mündlichen Verhandlungen anwesenden Mitarbeiter des Bundesasylamtes die Verhandlungsschriften unterfertigt und anlässlich der Unterfertigung die angesprochene Mangelhaftigkeit nicht gerügt. Was die gerügte Rechtswidrigkeit des Inhaltes betreffe, sei - untermauert durch ein dem Akt beiliegendes Gutachten - auf die Bescheidausführungen zu verweisen, und weiters darauf hinzuweisen, dass die vom Mitbeteiligten vorgebrachten Verfolgungshandlungen sich nicht auf dessen laizistische Weltanschauung reduzierten. Es werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der beschwerdeführende Bundesminister hat die ihm gemäß § 37 Abs. 1 VwGG gesetzte Frist gewahrt und die Beschwerde im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG ausreichend verbessert. Er hat aber nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach Zustellung der schriftlichen Bescheidausfertigung an die Parteien des Berufungsverfahrens - während der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Frist gemäß § 37 Abs. 1 VwGG oder auch, im Sinne des § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG, danach - zum Inhalt der schriftlichen Bescheidausfertigung Stellung zu nehmen und darzulegen, dass sich die von ihm behaupteten Gründe für die Rechtswidrigkeit des Bescheides danach noch aufrechterhalten ließen.
Mit den Ausführungen in der Beschwerdeergänzung vom 21. Juli 1999 zeigt der beschwerdeführende Bundesminister keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die allgemein gehaltenen Verfahrensrügen in Hinblick auf den Verlauf und die Protokollierung der mündlichen Verhandlungen vor der belangten Behörde, deren Zutreffen dahinstehen kann, zeigen eine Relevanz des der belangten Behörde vorgeworfenen Verfahrensmangels nicht auf, weil kein Zusammenhang zu konkreten Feststellungsmängeln oder -fehlern im angefochtenen Bescheid hergestellt und nicht aufgezeigt wird, in welcher Weise die belangte Behörde bei Vermeidung der vorgeworfenen Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Was die vorgeworfene Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides betrifft, gehen die Beschwerdeausführungen an der rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhaltes im angefochtenen Bescheid vorbei. So hat die belangte Behörde weder die ihr in der Begründung der Amtsbeschwerde unterstellten Feststellungen getroffen noch die diesfalls unrichtigen rechtlichen Schlüsse daraus gezogen.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 19. Juli 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999200317.X00Im RIS seit
10.09.2001