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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 1997 §32 Abs1 idF idF 1999/I/041;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des am 29. April 1973 geborenen PS, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Jänner 1999, Zl. 207.131/5-II/04/99, betreffend die Zurückweisung einer Berufung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 23. Dezember 1998 den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, gemäß § 6 Z 3 des Asylgesetzes 1997 als offensichtlich unbegründet ab und sprach weiters aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 leg. cit. zulässig sei. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 23. Dezember 1998 übernommen.
Der Beschwerdeführer erhob innerhalb der zweitägigen Berufungsfrist eine inhaltlich nicht ausgeführte Berufung. Die belangte Behörde forderte ihn mit Schriftsatz vom 4. Jänner 1999 gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung der Berufung innerhalb einer Frist von einer Woche auf.
Am 12. Jänner 1999 brachte der Beschwerdeführer, nunmehr anwaltlich vertreten, beim Bundesasylamt eine "Ergänzung zur Berufung" ein, welche vom Bundesasylamt an die belangte Behörde weiter geleitet wurde und dort am 18. Jänner 1999 einlangte.
Bereits zuvor, nämlich am 14. Jänner 1999, hatte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Dezember 1998 gemäß § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Dies wurde nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesbestimmung im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer die Verbesserungsfrist zur Ausführung der Berufung (5. Jänner bis 12. Jänner 1999) ungenutzt verstreichen lassen habe. Mit dem ungenützten Verstreichen der gesetzten Mängelbehebungsfrist sei daher der ursprünglich behebbare Begründungsmangel der vorliegenden Berufung zu einem unbehebbaren Mangel geworden, was spruchgemäß zur Zurückweisung der Berufung zu führen gehabt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1998, G 210/98 u.a., kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 4. Februar 1999 (BGBl. I Nr. 41/1999), hat der Verfassungsgerichtshof die in § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG enthaltene Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" als verfassungswidrig aufgehoben. Dies begründete er - unter Anlehnung an sein Erkenntnis vom 24. Juni 1998, G 31/98 u. a., mit dem er bereits die in der genannten Bestimmung enthaltene Wendung "§ 4 und" aufgehoben hatte - zusammenfassend damit, dass eine bloß zweitägige Berufungsfrist den Erfordernissen nicht entspreche, welche an die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung sowohl unter dem Aspekt rechtsstaatlicher Grundsätze als auch unter dem Blickwinkel des Art. 11 Abs. 2 B-VG zu stellen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar grundsätzlich einen angefochtenen Bescheid auf der Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen, sodass nachträgliche Rechtsänderungen oder nachträgliche Sachverhaltsänderungen nicht zu berücksichtigen sind. Hat der Verfassungsgerichtshof aber das vom Verwaltungsgerichtshof seiner Kontrolle der behördlichen Tätigkeit zugrunde zu legende Gesetz aufgehoben und - wie hier - die Wirkung seines aufhebenden Erkenntnisses ausdrücklich auf alle vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände erstreckt, so ist das aufgehobene Gesetz vom Verwaltungsgerichtshof auch dann nicht zu beachten, wenn es sich nicht um einen Anlassfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG handelt (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 142 f; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0303).
Für die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Dezember 1998 gilt daher gemäß § 23 AsylG i.V.m. § 63 Abs. 5 AVG eine Berufungsfrist von 2 Wochen. Der Beschwerdeführer, der auf Grund der seinerzeit bestehenden Rechtslage verhalten war, die Berufung innerhalb einer Frist von 2 Tagen zu erheben, hat zwar nicht diese Frist, sondern die ihm zur Verfügung gestellte Verbesserungsfrist, versäumt; es darf aber nicht übersehen werden, dass es nahe liegt, dass der Beschwerdeführer wegen der Notwendigkeit der umgehenden Einbringung des Rechtsmittels aus den im zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes näher dargestellten Umständen (Sprach-, Verständnis-, und Kommunikationsschwierigkeiten) an der Verfassung eines begründeten Rechtsmittelschriftsatzes gehindert war. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer, wäre ihm eine längere Berufungsfrist zur Verfügung gestanden, eine den inhaltlichen Erfordernissen entsprechende Berufung bereits innerhalb der Berufungsfrist eingebracht hätte. Die Erteilung eines Verbesserungsauftrages hätte sich diesfalls erübrigt.
Nach der Lage des Falles kann daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass sich die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Norm für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers als nachteilig erweist. Der vorliegende Fall gleicht daher in den für die Entscheidung maßgeblichen Umständen - Erlassung des angefochtenen Bescheides aufgrund eines Berufungsverfahrens, in dem die zweitägige Berufungsfrist des § 32 Abs. 1 AsylG in der noch nicht durch die Aufhebung des Satzteiles "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1998, G 210/98 u.a., bereinigten Fassung anzuwenden war - dem mit dem hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1999, Zl. 98/01/0258, erledigten Fall. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Juli 2001
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999200070.X00Im RIS seit
10.09.2001