TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/19 99/20/0330

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Veröffentlicht am 19.07.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des am 3. Dezember 1977 geborenen OD in Wien, vertreten durch Dr. Eugen Wiederkehr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 49, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. März 1999, Zl. 203.076/3-XII/37/99, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Asylantrag des Beschwerdeführers, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger von Guinea, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. März 1998 gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Guinea gemäß § 8 leg. cit. für zulässig erklärt. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 15. Mai 1998 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Am 6. Mai 1998 brachte der Beschwerdeführer einen Schriftsatz ein, der nach Klärung im Wege einer niederschriftlichen Einvernahme vom 25. Juni 1998 als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gewertet wurde. Darin brachte er vor, es gebe ein neues Beweismittel, das er im bisherigen Verfahren nicht habe geltend machen können, nämlich den unter einem in Kopie vorgelegten Haftbefehl. Dazu wurde der Beschwerdeführer am 25. Juni 1998 niederschriftlich einvernommen und aufgefordert, den in Kopie beigebrachten Haftbefehl im Original vorzulegen.

Der schließlich vom Beschwerdeführer im Original vorgelegte Haftbefehl wurde von der Bundespolizeidirektion Graz (kriminaltechnische Untersuchungsstelle) einer Untersuchung unterzogen, welche ergab, dass es sich nicht um ein gedrucktes Formular, sondern um ein Formular handle, in welchem der Schwarzdruck mit einem Schwarz-Weiß-Kopierer angebracht worden sei. Am gesamten rechten Rand fehlten Teile des Schwarzdruckes und es sei am rechten oberen Rand der Rand des als Kopiervorlage verwendeten Formulars ersichtlich. Weiters sei der Haftbefehl nachträglich abgeändert worden (Geburtsdatum) und fehlten bei der Spalte "Personenbeschreibung" alle Angaben. Es ergebe sich daher zum einen die nachträgliche Abänderung des Haftbefehles, wobei prinzipiell davon ausgegangen werden müsse, dass es sich um ein Fantasieprodukt handle. Es sei auch nicht glaubhaft, dass das Original eines behördeninternen Schriftstückes wie ein Haftbefehl in die Hände des Betroffenen geraten solle.

Nach Vorhalt des Ergebnisses dieser Untersuchung wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, er habe diesen Haftbefehl aus seinem Heimatland übermittelt bekommen und wisse nichts von einer Verfälschung dieses Dokumentes. Nach der Zusicherung seines Übermittlers müsse er von der Echtheit dieses Dokumentes ausgehen. Es sei somit belegt, dass er in seinem Heimatland wegen Meuterei und auch wegen Besitzes illegaler Waffen gesucht werde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ab. Nach Wiedergabe des Wortlautes dieser Bestimmung erklärte die belangte Behörde die im Bescheid erster Instanz enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen sowie die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen zum Inhalt der gegenständlichen Entscheidung. Weil der Wiederaufnahmeantrag ausschließlich mit dem Vorliegen eines der kriminaltechnischen Untersuchung zufolge gefälschten Dokumentes begründet worden sei und es zu wiederholten widersprüchlichen Angaben bezüglich der Erlangung dieses Dokumentes gekommen sei, bestehe kein Grund dafür, den damals festgestellten Sachverhalt rechtlich anders zu beurteilen. Mit dem lapidaren Vorbringen, der Haftbefehl müsse echt sein, sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, die Fälschung des vorgelegten Haftbefehles in Zweifel zu ziehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Von den Verfahrensparteien unbestritten war der Antrag des Beschwerdeführers vom 6. Mai 1998 als Antrag auf Wiederaufnahme des bereits rechtskräftig entschiedenen Asylverfahrens (über den Asylantrag vom 19. November 1997) zu verstehen.

Nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Die belangte Behörde ging (in Übernahme der diesbezüglichen Begründung des Bescheides erster Instanz) davon aus, der vom Beschwerdeführer vorgelegte Haftbefehl stelle deshalb kein neues Beweismittel in diesem Sinn dar, weil es sich dabei um eine gefälschte Urkunde handle.

Das Beschwerdevorbringen ist insoweit unverständlich, als der Auftrag an den Beschwerdeführer zur Vorlage des Originals des Haftbefehles als "zu weitgehend" bezeichnet wird, zumal "dem Beschwerdeführer nicht dieselben Möglichkeiten offen stehen, Originalbescheide von Behörden anzufordern wie der belangten Behörde." Der Beschwerdeführer hat - nachdem er zwei Mal um Fristerstreckung ersucht hatte - das von ihm so bezeichnete Original des Haftbefehles der Behörde erster Instanz vorgelegt, welche dieses an die kriminaltechnische Abteilung der Bundespolizeidirektion Graz zur weiteren Untersuchung übermittelte. Auf Basis dieses Schriftstückes (und nicht etwa einer Kopie oder Abschrift desselben) wurde schließlich der mehrfach zitierte Untersuchungsbericht erstellt, der die Fälschung der Urkunde ergab.

Der Beschwerdeführer hat während des Verwaltungsverfahrens, in dem ihm der Untersuchungsbericht der kriminaltechnischen Abteilung der Bundespolizeidirektion Graz vorgehalten wurde, die dort aufgezeigten Ungereimtheiten nicht aufgeklärt und ist dem Untersuchungsbericht auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Die belangte Behörde konnte daher von den Ergebnissen der Untersuchung ausgehen. Mit einer vom Beschwerdeführer (erstmals in der Beschwerde) beantragten Anforderung einer Abschrift des Haftbefehls von den guinesischen Behörden im Amtshilfeweg konnte die belangte Behörde schon aus Rücksicht auf die zu unterlassende Preisabgabe von persönlichen Daten des Beschwerdeführers an die Behörden seines Herkunftsstaates nicht vorgehen.

Es kann dahin stehen, ob es - wie der Beschwerdeführer meint -

"möglich und auch wahrscheinlich" ist, dass ein Haftbefehl (auch) einem Betroffenen zugestellt wird, damit er "der behördlichen Anordnung zum Strafantritt freiwillig Folge leistet"; abgesehen davon, dass der vorgelegte Haftbefehl keine solche Anordnung zum Antritt (einer bereits verhängten Strafe) enthält, stellt die gegenteilige Argumentation der Behörde nur einen von mehreren Punkten dar, die zur Beurteilung der vorgelegten Urkunde als gefälscht, bzw. als "Phantasiedokument" führten. Die Behörde erster Instanz hat - in ihrer von der belangten Behörde übernommenen Beweiswürdigung - die vorgelegte Urkunde auch deshalb so bewertet, weil sich der Beschwerdeführer bei seinen Angaben darüber, wie er in den Besitz des Dokumentes gekommen sei, in Widersprüche verwickelt hatte, die er auch über Nachfrage nicht aufzuklären vermochte. Auf diese Widersprüche ist die Beschwerde nicht weiter eingegangen.

Dass die belangte Behörde einen gefälschten Haftbefehl aber nicht als geeignet erachtet hat, als neu hervorgekommenes Beweismittel den Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG zu genügen, kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999200330.X00

Im RIS seit

10.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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