RS UVS Oberösterreich 1998/03/27 VwSen-260217/3/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 27.03.1998
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Rechtssatz

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bewilligungspflicht nach § 32 WRG dann gegeben, wenn nach den allgemeinen praktischen Erfahrungen des täglichen Lebens und nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit einer Einwirkung auf Gewässer zu rechnen ist (vgl VwGH 18.3.1994, 93/07/0187 = ZfVB 1995/3/1123 unter Hinweis auf Vorjudikatur; vgl weiter die Nachw bei Rossmann, Wasserrecht, 2. A, 1993, 114, Anm 6 zu § 32). Der Nachweis des Eintritts einer Gewässerverunreinigung (also des Erfolgseintritts) ist dafür nicht notwendig. Beim Bewilligungstatbestand nach § 32 WRG 1959 hat der Gesetzgeber projektsgemäß geplante und typische oder sonst vorhersehbare, regelmäßige oder dauerhafte Einwirkungen auf Gewässer mit nachteiligen Folgen vor Augen (vgl näher mwN Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, 1993, Rz 4, 7 und insb 13).

Die belangte Behörde vertritt die Rechtsansicht, daß nach dem Schutzzweck des § 32 WRG 1959 die Bewilligungspflicht schon im Falle einer solchen abstrakten Gefahr, für die die bloße Möglichkeit einer Gefährdung des Grundwassers ausreiche, gegeben sein soll. Deshalb schloß sie bereits aus der Aussage des Amtssachverständigen, daß es durch die Lagerung des Asphaltgranulats in Haufenform zu Auswaschungen und punktuellem Eintrag von Schadstofffrachten in den Untergrund kommen könne, die die Selbstreinigungskraft des Bodens überfordern könnten, auf eine Bewilligungspflicht iSd § 32 Abs.2 lit.c WRG 1959.

Diese pauschale Rechtsansicht der belangten Behörde kann die erkennende Kammer des Oö. Verwaltungssenates nicht teilen. Umschreibungen, die allein auf den idealtypischen Gegensatz von abstrakter und konkreter Gefahr abstellen, sind wenig aussagekräftig und können die Frage des Beginns der Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 nicht zufriedenstellend lösen. Da es vom gewählten Bezugspunkt des Betrachters in der bekannten und prognostizierten Kausalkette abhängt, ob eine Gefahr eher als abstrakt oder eher als konkret anzusehen ist, sind im allgemeinen nur relative Aussagen über die Gefahrenlage möglich. Der Gesetzgeber verwendet zur Umschreibung der im § 32 WRG 1959 vorausgesetzten Gefahrensituation den Begriff der Einwirkung auf Gewässer, die mittelbar oder unmittelbar die Wassergüte (vgl § 30 Abs.2 WRG 1959) beeinträchtigt und nicht bloß geringfügig erscheint. Mit diesem Ansatz werden zunächst unmittelbare Einträge in Gewässer mit Folgen und damit konkrete Gefahren für die Wassergüte oder überhaupt direkte Verunreinigungen erfaßt.

Andererseits sollen aber auch Einwirkungen mit mittelbaren Folgen für die Wassergüte genügen. Diese zwar nicht konkrete, sondern tendenziell eher - aber nicht gänzlich - abstrakte Gefahrenlage im Verhältnis zur Beeinträchtigung der Wassergüte charakterisiert der Verwaltungsgerichtshof durch den Hinweis auf die allgemeine praktische Lebenserfahrung und den natürlichen Lauf der Dinge. Da es sich auch um projektsgemäß geplante, typische und vorhersehbare Einwirkungen auf die Beschaffenheit von Gewässer handeln muß (vgl abermals Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, 1993, Rz 4, 7 und insb 13, sowie die in ständiger Judikatur im Verhältnis von § 32 zu § 31 Abs.1 WRG 1959 entwickelte Abgrenzungsformel, wonach im Fall des § 32 WRG 1959 ein "konkret wirksamer und beabsichtigter Angriff auf die bisherige Beschaffenheit von Wasser vorliegen muß, der plangemäß unter Verwendung von Anlagen erfolgt", bspw VwGH 10.11.1981, 81/07/0113; VwGH 1.2.1983, 82/07/0227; VwGH 2.10.1990, 89/07/0168; VwGH 29.10.1991, 90/07/0159), kommt es nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates für die Bewilligungspflicht iSd § 32 WRG 1959 darauf an, ob beim Betrieb einer Anlage oder der Vornahme einer Maßnahme unter den gegebenen Umständen nach der allgemeinen Lebenserfahrung über Kausalverläufe vorhersehbar und realistischerweise mit nachteiligen Auswirkungen auf Gewässer zu rechnen ist.

Anderes gilt für den Tatbestand des § 31b Abs.1 WRG 1959. Dieser sieht für die Ablagerung von Abfällen generell eine präventive Bewilligungspflicht vor, es sei denn, daß auch bei ungeschützter Lagerung eine Verunreinigung der Gewässer nicht zu besorgen ist. Ein so formulierter Bewilligungstatbestand will die Ablagerung von abstrakt wassergefährlichen Abfällen schlechthin erfassen und nur dann eine Ausnahme machen, wenn die Ungefährlichkeit auch bei ungeschützter Lagerung feststeht. Dies ist aber nur bei wasserwirtschaftlich neutralen Stoffen der Fall. Nach dem § 31b WRG 1959 soll demnach schon das abstrakte Gefährdungspotential eines Stoffes für sich allein die Bewilligungspflicht auslösen (vgl idS Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, 1993, Rz 5 ff, insb 7 Pkt b) zu § 31b WRG). Während es bei der Deponieregelung des § 31b WRG 1959 im Hinblick auf langjährige Ablagerungen auf Dauer naheliegend und folgerichtig erscheint, beliebige abstrakte Gefahren im weiten Vorfeld einer Verunreinigung vorbeugend zu berücksichtigen, kann dies für den Tatbestand des § 32 Abs.2 lit.c WRG 1959 aus den schon angeführten Gründen nicht behauptet werden. Der § 32 Abs.1 WRG 1959 verlangt zumindest Einwirkungen auf Gewässer, die deren Beschaffenheit unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigen und der typisierte Unterfall des § 32 Abs.2 lit.c WRG 1959 stellt auf das Eindringen von solchen Stoffen in den Boden ab, die eine Grundwasserverunreinigung zur Folge haben. Schon aus den verwendeten gesetzlichen Begriffen muß für § 32 WRG 1959 geschlossen werden, daß eine so weitgehende Abstraktion der Gefahrensituation wie im § 31b WRG 1959 nicht möglich ist. Vielmehr spielen bei § 32 WRG 1959 auch die konkreten Umstände des Einzelfalles eine Rolle.

Im vorliegenden Fall hat der Amtssachverständige allgemein zur ungeschützten Lagerung von Asphaltgranulat zum Unterschied von Asphaltschollen erklärt, daß wegen der durch den Brechvorgang drastisch vergrößerten Oberfläche wasserlösliche Bitumenanteile durch Niederschlagswässer bedeutend leichter ausgewaschen werden können und daher mit einer vergleichsweise höheren Auswaschung von Schadstoffen zu rechnen sei. Bei Lagerung von Asphaltgranulat in Haufenform könne es daher zum punktuellen Eintrag von Schadstofffrachten in den Untergrund kommen, der möglicherweise die Selbstreinigungskraft des Bodens überfordert. Für die Lagerung von Asphaltschollen sieht er wegen der im Vergleich zum Volumen geringen Bruchflächen - offenbar unabhängig von der gelagerten Menge - keine Gefahr der Auswaschung relevanter Schadstoffmengen. Eine genaue Abstufung dieser Aussagen nach dem Grad der Wahrscheinlichkeiten fehlt.

Die belangte Behörde hat offenbar wegen ihrer pauschalen Rechtsansicht die konkreten Umstände des Falles vernachlässigt und weitere entscheidungswesentliche Aussagen des Amtssachverständigen im gegebenen Zusammenhang nicht gewürdigt. Dieser hat nämlich fallbezogen ausdrücklich betont, daß die Lagerung der im Befund beschriebenen Asphaltschollen (ca. 500 m3) sowie der geringen Menge (ca. 40 m3) Asphaltgranulat am Tag des Lokalaugenscheines noch keine Umweltgefährdung bedeuteten, weshalb auch keine Entfernung oder Umlagerung des Materials erforderlich wäre. Außerdem folgt teilweise aus den Ausführungen des Amtssachverständigen, aber auch schon aus den Gesetzen der Logik, daß die Beantwortung der Frage einer relevanten Auswaschung von Schadstoffen mit der anschließend möglichen Folge einer schädlichen Einwirkung auf das Grundwasser maßgeblich vom Grad der Wasserlöslichkeit des gebundenen Bitumenanteils im Asphaltgranulat, von der Menge des gelagerten Materials und dessen Wasseraufnahmefähigkeit, von der Dauer der Lagerung und der Niederschlagsmengen in dieser Zeit, von der Durchlässigkeit des Untergrundes und schließlich von der Selbstreinigungskraft des Bodens abhängt. Die meisten dieser Faktoren wurden weder von der Umweltrechtsabteilung noch von der belangten Behörde näher untersucht. Im Hinblick auf die am Überprüfungstag vorgefundene geringe Menge von 40 m3 hatte der Amtssachverständige allerdings von vornherein keinen Handlungsbedarf gesehen. Zu den Einwänden der Firma F im Schreiben vom 23.11.1995 verwies die Umweltrechtsabteilung unter Berufung auf den Amtssachverständigen für Abfallchemie lediglich darauf, daß eine Versickerung nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, zumal das Asphaltgranulat auch bei Lagerung in Mietenform keine unbegrenzte Wasseraufnahmekapazität (zB bei Starkregenereignissen) habe. Allein aufgrund dieser theoretisch gegebenen Möglichkeit bejahte die Umweltrechtsabteilung im Antwortschreiben vom 19.12.1995 eine Bewilligungspflicht nach § 32 Abs.2 lit.c WRG 1959. Die erkennende Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates kann dieser Ansicht, die ohne Berücksichtigung der sonstigen Faktoren, die für eine grundwasserschädliche Einwirkung maßgeblich sind, allein auf die an sich mögliche Auswaschung von wasserlöslichen Bitumenanteilen bei gelagertem Asphaltgranulat abstellt, nicht beitreten. Käme es nur auf solche abstrakt denkbaren Möglichkeiten an, dürfte man auch Holzhäuser und Holzzäune nicht mehr mit wassergefährlichen Schutzanstrichen behandeln, ohne dafür vorher eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen. So weit kann die Bewilligungspflicht des § 32 WRG 1959 aber bei vernünftigen und lebensnahen Maßstäben, die sich an den allgemeinen Erfahrungen des praktischen Lebens und nicht am Spezialwissen eines Chemikers und theoretischen Möglichkeiten orientieren können, nicht reichen. Außerdem ist besonders im vorliegenden Fall der Lagerung von Asphaltgranulat, was auch aus dem Gutachten des Amtssachverständigen sinngemäß abzuleiten ist, die Lagermenge, die Lagerdauer und die Niederschlagshäufigkeit für die Gefahrenbeurteilung von ausschlaggebender Bedeutung. Aus den dargelegten Gründen kann jedenfalls die tatgegenständliche Lagermenge von lediglich 40 m3 Asphaltgranulat und die Anlastung für die Dauer von bloß einem einzigen Tag, von dem nicht einmal feststeht, daß es regnete, mangels einer für eine Einwirkung auf das Grundwasser relevanten Größenordnung keinen tauglichen Tatvorwurf ausmachen. Abgesehen davon sind grundsätzliche Zweifel am behaupteten Gefahrenpotential angebracht, wenn man bedenkt, daß Bitumen (und zwar in hochkonzentrierter Form und nicht bloß mit 6 bis 8 % Anteil) nach dem Stand der Technik für umfangreiche Abdichtungsarbeiten im Hausbau (Keller, Balkone, Flachdächer etc.) und als Bindemittel beim Asphaltieren von Straßen offenbar bedenkenlos verwendet wird. Weiters ist es nach dem glaubhaften Vorbringen der Firma F üblich, auf Güterwegen und untergeordneten Zufahrtswegen Asphaltgranulat flächig aufzutragen und als Straßenbelag zu verwenden, was für das Grundwasser zumindest ebenso gefährlich sein müßte. Vor allem bei frisch asphaltierten Straßenzügen oder bei durch Sommerhitze aufgeweichtem und brüchigem Asphalt müßte im Niederschlagsfall die Gefahr der Auswaschung von grundwassergefährlichen Substanzen und der nachfolgenden unkontrollierten Versickerung noch höher sein. Entweder ist das tatsächliche Risiko viel geringer als nach der Aktenlage dargestellt, wofür auch die vom Amtssachverständigen betonte geringe Wasserlöslichkeit und der hohe Siedepunkt des Bitumens spricht, oder es wird mit zweierlei Maß gemessen. Der unabhängige Verwaltungssenat brauchte diese Fragen durch Einholung weiterer Sachverständigengutachten nicht mehr vertiefen, zumal für den gegenständlich zu beurteilenden Tatvorwurf eine Einwirkung auf das Grundwasser jedenfalls auszuschließen war.

Der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt, daß die erkennende Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich die im Oktober 1996 erfolgte Verarbeitung des Restbestandes an Asphaltschollen, die noch am Betriebsgelände der Firma F gelagert waren, zu Recyclingmaterial mit anschließender kurzer Zwischenlagerung einer größeren Menge (angeblich 1.000 m3) Asphaltgranulat, die unmittelbar zur Neuerrichtung der G und von Zufahrtswegen verwendet wurde, entgegen der Ansicht der belangten Behörde für unbedenklich hält. Wer diese durch eine konkrete Straßenbaumaßnahme begründete Vorgangsweise der Firma F ohne wasserrechtliche Bewilligung für unzulässig hält, muß seinen lebensfremden Standpunkt konsequenterweise für jede Straßenbaustelle vertreten, auf der Asphaltgranulat in größeren Mengen zwischengelagert und verwertet wird. Eine derart überzogene Betrachtungsweise entspricht offenbar auch nach den Ausführungen des Amtssachverständigen nicht dem Stand der Technik. Außerdem ist sie geeignet, das die Erdölvorräte schonende und daher ökologisch wünschenswerte Asphaltschollenrecycling zu verhindern. Behebung des Staferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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