TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/20 99/02/0199

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Veröffentlicht am 20.07.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
VStG §3 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll sowie Senatspräsident Dr. Kremla und Hofrat Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des JA in L, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, Kaisergasse 17, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 31. Mai 1999, Zl. E 002/01/1999.022/17, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe sich am 14. April 1998 um 6.10 Uhr im Schwerpunktkrankenhaus Oberwart gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hierzu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er verdächtig gewesen sei, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Bundesheerkraftfahrzeug am gleichen Tag um 3.45 Uhr in B. gelenkt zu haben. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 StVO in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO begangen, weshalb gegen ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 168 Stunden) zu verhängen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer am 14. April 1998 um 3.45 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Bundesheerkraftfahrzeug gelenkt habe. Bei einem Reversiermanöver sei er von der Bremse abgerutscht und auf das Gaspedal geraten, worauf das Fahrzeug gegen zwei Bäume und einen Gartenzaun gestoßen sei. Der Beschwerdeführer sei hiebei erheblich verletzt und um 4.52 Uhr in das Schwerpunktkrankenhaus Oberwart eingeliefert worden. Um 6.10 Uhr sei der Beschwerdeführer von Gendarmeriebeamten im Krankenhaus zum Alkotest aufgefordert worden, welchen er mit dem Hinweis, nicht er, sondern der Zeuge G. sei der Lenker gewesen, verweigert habe.

§ 5 Abs. 2 StVO lautet:

"(2)  Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1.

ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2.

als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen."

§ 3 Abs. 1 VStG lautet:

"(1) Nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln."

Strittig ist im Beschwerdefall die Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers, die eine unbedingte Voraussetzung der Strafbarkeit bildet. Wenn Indizien in Richtung einer mangelnden Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit vorliegen, so ist die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens notwendig, um die Frage hinreichend beurteilen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 97/03/0375).

Wenn der Beschwerdeführer unter Berufung auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1972, Zlen. 1317, 1318/72, und vom 20. März 1979, Zl. 3385/78, meint, die alleinige Feststellung des Meldungslegers, dass der Beschwerdeführer ansprechbar gewesen sei und über Befragen noch vernünftige Antworten gegeben habe, sei zu wenig, um festzustellen, dass keine mangelnde Zurechnungsfähigkeit vorliege, so übersieht er, dass in den diesen Entscheidungen zu Grunde liegenden Fällen die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit alleine auf Grund von Unfallerhebungsberichten und ohne Zuziehung eines ärztlichen Sachverständigen erfolgt war. Im Beschwerdefall hingegen hat die belangte Behörde das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen eingeholt, der sich nicht nur auf die Aussagen der Meldungsleger, sondern auch auf die Angaben der den Beschwerdeführer bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus untersuchenden und behandelnden Ärzte stützen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1992, Zl. 92/03/0133).

Die belangte Behörde kam auf Grund des von ihr eingeholten Gutachtens des medizinischen Amtssachverständigen Dr. G. zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Aufforderung, an der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mitzuwirken, diskretions- und dispositionsfähig gewesen sei. Demgegenüber behandelt das im gegen den Beschwerdeführer wegen § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB geführten strafgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des unfallchirurgischen Sachverständigen Dr. K. - in diesem Gutachten war dem Beschwerdeführer attestiert worden, es könne ihm nicht unterstellt werden, dass er zum Zeitpunkt der Behauptung, der Zeuge G. habe das Fahrzeug gelenkt, vorsätzlich wahrheitswidrige Angaben gemacht habe - ein anderes Beweisthema, wobei dieser Gutachter auf die im Verwaltungsstrafverfahren erstatteten Zeugenaussagen nicht Bezug nahm. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann daher aus dem Umstand, dass nach Einholung des unfallchirurgischen Gutachtens das gerichtliche Strafverfahren eingestellt wurde, schon deshalb nicht darauf geschlossen werden, das Gericht habe damit über eine im Verwaltungsstrafverfahren zu lösende Vorfrage bindend entschieden.

Der von der belangten Behörde herangezogene medizinische Amtssachverständige legte ausführlich und in schlüssiger Weise dar, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Aufforderung zur Alkomatuntersuchung nicht unzurechnungsfähig gewesen sei und dass bei ihm lediglich für eine gewisse - kurze - Zeit eine Bewusstseinseinschränkung bestanden haben könnte, dass jedoch keinerlei Anhaltspunkt dafür zu gewinnen sei, der Beschwerdeführer habe die an ihn im zeitlichen Abstand zum Unfall von nahezu zweieinhalb Stunden gerichtete Aufforderung nicht verstehen können bzw. nicht verstanden; er sei aus amtsärztlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt voll dispositions- und diskretionsfähig gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof kann im Rahmen der ihm aufgegebenen Kontrolle der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht dessen - auf dem im strafgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten aufbauenden - Verantwortung, sondern den schlüssigen Ausführungen des genannten Amtssachverständigen, denen der Beschwerdeführer nicht auf sachverständig untermauerter Basis entgegengetreten ist, und den übereinstimmenden Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten, denen zufolge der Beschwerdeführer die Amtshandlung verstanden habe, gefolgt ist. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bestand daher auch keine Verpflichtung, ein weiteres Gutachten einzuholen, weil die Behörde bei Vorliegen zweier einander widersprechender Gutachten auf Grund eigener Überlegungen mit entsprechender Begründung einem Gutachten wegen dessen größerer Glaubwürdigkeit bzw. Schlüssigkeit den Vorzug geben kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0047).

Der Beschwerdeführer erblickt eine Verletzung des Parteiengehörs darin, dass ihm das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen nicht vor Durchführung der Berufungsverhandlung vom 27. Mai 1999 zur Kenntnis gebracht worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass unabhängig von der Frage, ob ihm tatsächlich - entgegen dem in der Ladung zur Verhandlung enthaltenen Hinweis auf den Anschluss dieses Gutachtens - das Gutachten nicht übermittelt wurde, insoweit ein Verfahrensmangel nicht ersehen werden kann, weil das Gutachten vom medizinischen Amtssachverständigen in der Verhandlung kurz referiert, erläutert und ergänzt wurde. Auch hat der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung nicht vorgebracht, er habe das Gutachten nicht erhalten, und weder von der Gelegenheit, an den Amtssachverständigen Fragen zu richten, noch von der Möglichkeit, allenfalls die Einräumung einer Frist für eine Gegenäußerung oder eine Vertagung der Verhandlung zu begehren, Gebrauch gemacht.

Die sich somit insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Juli 2001

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet Beweismittel Sachverständigenbeweis Technischer Sachverständiger Sachverhalt Beweiswürdigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Sachverständiger Arzt Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999020199.X00

Im RIS seit

12.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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