RS UVS Steiermark 1998/06/18 20.3-16/98

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 18.06.1998
beobachten
merken
Rechtssatz

Auch beim Anlegen der Handfessel ist vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszugehen. So hatte die Beschwerdeführerin vor dem Anlegen der Handfessel (nur) mit den Armen versucht, sich aus dem Festhaltegriff herauszuwinden, ohne andere Abwehrbewegungen - Treten mit den Füßen oder den Versuch wegzulaufen - durchzuführen. Das Einschreiten der Exekutive war aufgrund einer Anzeige einer Nachbarin der Beschwerdeführerin ausgelöst worden, wonach die Beschwerdeführerin die Nachbarin im Lift mit einer Pistole (tatsächlich Spielzeugpistole) bedroht hätte.

In Anbetracht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre bei dem Sachverhalt die Anwendung von Körperkraft, nämlich das Festhalten der ca. 50-jährigen Beschwerdeführerin durch zwei Exekutivbeamte an den Armen, ausreichend gewesen, um vorerst den Zweck der Maßnahme, nämlich das Verweilen der Beschwerdeführerin im Halbstock, zu gewährleisten. Nach Angaben der beteiligten Exekutivbeamten führte die Beschwerdeführerin zu dem Zeitpunkt keine Fluchtbewegungen aus und es wäre auch zur Eigensicherung der einschreitenden Beamten ein Festhalten mittels Körperkraft angemessen gewesen. In der Situation darf nicht übersehen werden, dass neben den beiden Beamten, die die Beschwerdeführerin festhielten, auch noch andere Exekutivbeamte mit in Anschlag gebrachten Dienstpistolen die Eigensicherung durchführten. Zudem kommt nun der Umstand, dass die einschreitenden Exekutivbeamten bereits in Kenntnis waren, dass sich der ihnen zur Kenntnis gelangte Vorfall mit einer Spielzeugpistole ereignet hat, da der Einsatzleiter Rev. Insp. O. selbst angab, dass er ab dem Kenntnisstand von einem anderen Maßstab des Einschreitens ausgegangen ist. Es ist daher nicht einsehbar, dass die Beschwerdeführerin mittels Handfessel vom Halbstock zur Lifttüre des fünften Stockwerkes geführt wurde und erst im Lift die Handfessel abgenommen wurde. Ebenfalls kommt bei der Entscheidung zum Tragen, dass die Beschwerdeführerin anstandslos der Anweisung des Exekutivbeamten in das Wachzimmer G. Straße mitzukommen gefolgt ist. Auch sonst war nach den Begleitumständen der Amtshandlung eine Gefährdung der einschreitenden Polizeibeamten nicht ernstlich zu befürchten. Keinesfalls lagen neben dem Fehlen der allgemeinen Voraussetzungen die besonderen Gründe für das Anlegen von Handfessel bei Frauen vor (siehe auch § 2 Abs 1 HFDA). Zusammenfassend steht daher fest, dass die Beschwerdeführerin durch die Fesselung mittels Handfessel in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Artikel 3 MRK verletzt wurde.

Schlagworte
Handfesseln Handschellen Verhältnismäßigkeit Abwehrhandlung Festhaltegriff Eigensicherung Handfesseldienstanweisung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten