Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des E in K, geboren am 15. Jänner 1978, vertreten durch Dr. Anton Bauer, Rechtsanwalt in 3400 Klosterneuburg, Stadtplatz 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. Mai 1999, Zl. Fr 1637/99, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 12. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 2 Z 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit 21. Februar 1990 in Österreich. Er habe über einen zuletzt bis 12. Juni 1998 gültigen Aufenthaltstitel verfügt und am 20. Mai 1998 einen Verlängerungsantrag gestellt.
Am 29. Mai 1996 sei der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 dritter Fall StGB vom Bezirksgericht Klosterneuburg in Anwendung des § 5 JGG zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen a S 90,-- verurteilt worden. Gemäß dem Schuldspruch habe er am 4. Oktober 1995 eine auf einem Küchentisch liegende Brieftasche dem Verfügungsberechtigten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Zueignung des darin befindlichen Bargeldes (S 15.000,--) unrechtmäßig zu bereichern, und es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass der Verfügungsberechtigte in der Brieftasche befindliche Urkunden (ua. Zulassungsschein) nicht mehr zu Beweiszwecken im Rechtsverkehr verwenden könne. Am 8. Oktober 1998 sei der Beschwerdeführer neuerlich verurteilt worden, und zwar vom Landesgericht Korneuburg zu einer bedingt nachgesehenen dreimonatigen Freiheitsstrafe, wobei ergänzend die bedingte Nachsicht der vom Bezirksgericht Klosterneuburg verhängten Geldstrafe widerrufen worden sei. Dem Urteil vom 8. Oktober 1998 liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 29. November 1997 einer Person einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzt und ihr dabei ein Hämatom am rechten Auge und eine leichte Gehirnerschütterung zugefügt habe (§ 83 StGB); weiters, dass er ein anderes Mal gemeinsam mit seinem Bruder auf eine Person eingeschlagen habe, wobei dieser Person ein Teil des rechten Ohres abgerissen worden sei und sie eine Prellung der rechten Jochbeinregion sowie eine Prellung des Nasenrückens erlitten habe (§ 83 StGB); schließlich, dass er - teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit namentlich genannten anderen Personen - in der Zeit von April 1997 bis Ende November 1997 in Klosterneuburg in wiederholten Angriffen fremde bewegliche Sachen, nämlich Getränkedosen und Bierflaschen in einem nicht mehr feststellbaren Gesamtwert, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, dem Verfügungsberechtigten durch Einbruch weggenommen habe, indem er in das Getränkelager eines Würstelstandes mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel eingedrungen sei (§§ 127, 129 Z 1 StGB).
Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - eindeutig gezeigt, dass er eine Gefährdung für die körperliche Integrität anderer Personen und deren Vermögen darstelle und in dieser Hinsicht eine nicht unwesentliche kriminelle Energie aufweise; er sei Wiederholungstäter und es sei auf Grund seiner mehrmaligen Angriffe eindeutig zu befürchten, dass er abermals die körperliche Integrität anderer Personen und deren Vermögen verletzen werde. Im Hinblick auf das von ihm daher ausgehende Gefährdungspotential erscheine die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (§ 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 10 Abs. 2 Z 3 FrG) gerechtfertigt. Dass gegen den Beschwerdeführer auch verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen nach dem KFG und nach der StVO vorlägen, unterstreiche diese Annahme nur.
Durch die Erlassung der gegenständlichen Ausweisung werde unbestreitbar in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Er befinde sich seit 1990 in Österreich, verfüge über einen bis 26. November 2000 gültigen Befreiungsschein und sei seinem Vorbringen zufolge bei einem namentlich genannten Unternehmer beschäftigt. Auch die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers lebten in Österreich, lediglich seine Großmutter befinde sich noch in der Türkei. Ungeachtet dessen sei jedoch seine Ausweisung im Hinblick auf das Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen die körperliche Integrität anderer Personen und gegen deren Vermögen dringend geboten; überdies wäre das erwähnte öffentliche Interesse auch erheblich schwerer zu gewichten als die genannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. Schließlich stehe seiner Ausweisung auch § 35 FrG nicht entgegen und könne von dieser Maßnahme auch im Hinblick auf das der belangten Behörde eingeräumte Ermessen nicht abgesehen werden.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, kann er gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 FrG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.
Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2 leg. cit.) insbesondere versagt werden, wenn (Z 3) der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die im bekämpften Bescheid getroffenen Feststellungen bezüglich der von ihm gesetzten strafbaren Handlungen. Er wendet sich jedoch gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, und verweist in diesem Zusammenhang primär auf die Anwendung des § 43 StGB durch das Landesgericht Korneuburg.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass die mit Urteil des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 29. Mai 1996 ausgesprochene bedingte Strafnachsicht am 8. Oktober 1998 gemäß § 494a Abs. 1 Z 4 StPO widerrufen worden ist; die Beschwerdebehauptung, es seien lediglich "die bedingt nachgesehenen Rechtsfolgen" bzw. "der
2. Teil des Urteiles, im Nichteinbringungsfall ..." widerrufen worden, ist aktenwidrig und nicht nachvollziehbar. Im Übrigen ist ihm zu entgegnen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen das Verhalten eines Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdengesetzes und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen bei der Strafbemessung zu beurteilen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0066, mwN). Wenn die belangte Behörde bei der ihr demnach aufgetragenen Beurteilung in Anbetracht des wiederholten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers aber zu dem Ergebnis gelangte, sein weiterer Aufenthalt im Inland stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, so ist ihr kein Rechtsirrtum vorzuwerfen: Der Beschwerdeführer hat einerseits schon im April 1995 einen höheren Geldbetrag gestohlen und ungeachtet einer deswegen erfolgten gerichtlichen Verurteilung im Zeitraum April bis November 1997 in wiederholten Angriffen Einbruchsdiebstähle in einen Würstelstand begangen; andererseits ist er zweimal (am 29. November 1997 und gemäß der in den Verwaltungsakten erliegenden Kopie des Urteils des Landesgerichts Korneuburg vom 8. Oktober 1998 am 13. Dezember 1997) massiv gewalttätig geworden und hat dabei jeweils eine andere Person am Körper verletzt. Die Annahme, es bestehe im Hinblick auf die wiederholten Tatbegehungen ein weiteres Gefährdungspotential, erweist sich damit als zutreffend, zumal die erwähnten Delikte noch nicht so lange zurückliegen, dass von einem nunmehr unter Beweis gestellten Wohlverhalten des Beschwerdeführers ausgegangen werden könnte.
Im gegebenen Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer auch auf § 36 Abs. 2 Z 1 FrG, und zwar erkennbar unter dem Blickwinkel, dass mangels Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten nicht von einer Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ausgegangen werden könne. Diese Überlegung ist im konkreten Fall freilich schon deshalb verfehlt, weil zwar nicht der damit angesprochene Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 erster Fall FrG verwirklicht ist, wohl aber jener nach § 36 Abs. 2 Z 1 vierter Fall leg. cit., weil der Beschwerdeführer mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist. Schließlich ist es aber auch unbeachtlich, dass der Beschwerdeführer behauptetermaßen überwiegend gegen Personen "der ausländischen Bevölkerungsgruppe", der er selbst angehört, straffällig geworden ist; die Strafvorschriften, gegen die der Beschwerdeführer verstoßen hat, dienen nämlich nicht nur den "Institutionen und Einrichtungen des Gastgeberlandes Österreich", sondern bezwecken die Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens schlechthin und den Schutz der körperlichen Integrität und des Vermögens aller in Österreich befindlichen Personen, mögen sie die österreichische oder eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen.
Unter dem Blickwinkel des § 37 FrG macht der Beschwerdeführer - soweit erkennbar - nur geltend, dass er bereits am 16. November 1989 erstmals nach Österreich eingereist und hier seit mindestens neun Jahren niedergelassen sei, sowie dass er einen "Ausnahmeschein bis ins Jahr 2000" besitze.
Was das Einreisedatum bzw. die Aufenthaltsdauer in Österreich anlangt, so ist die belangte Behörde für ihre Feststellung, der Beschwerdeführer befinde sich (erst) seit 21. Februar 1990 im Inland, eine Begründung schuldig geblieben. Schon aus Anlass seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 31. März 1998 hatte der Beschwerdeführer nämlich darauf hingewiesen, sich seit 1989 ständig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, in den Verwaltungsakten findet sich überdies ein Vermerk der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, wonach der Beschwerdeführer am 17. November 1989 eingereist sei, worauf im Übrigen auch im erstinstanzlichen Bescheid Bezug genommen worden ist. Dieser Verfahrensfehler ist indes nicht relevant. Auch unter Annahme eines inländischen Aufenthalts seit November 1989 wäre nämlich die aufenthaltsbeendende Maßnahme angesichts des mehrfachen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und der daraus ableitbaren Wiederholungsgefahr zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG). Ebenso wenig würden in diesem Fall die für einen Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden Interessen eine derartige Verstärkung erfahren, dass ihnen ein größeres Gewicht zukäme als dem durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse (§ 37 Abs. 2 FrG). Auch auf eine Aufenthaltsverfestigung nach § 35 FrG könnte sich der Beschwerdeführer nicht berufen, weil er bestenfalls auf den in Abs. 2 dieser Vorschrift genannten achtjährigen Zeitraum ununterbrochener und rechtmäßiger Niederlassung im Bundesgebiet vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes zu verweisen vermag, welcher jedoch einer Ausweisung im Fall der rechtskräftigen Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung nicht entgegen steht. Da der Beschwerdeführer (wenn überhaupt) gerade die eben erwähnten zeitlichen Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 FrG erfüllt, geht auch der Verweis auf § 35 Abs. 3 leg. cit. - als maßgebliche Ermessensdeterminante, die nur bei den dort genannten Verurteilungen eine Ausweisung rechtmäßig erscheinen lasse - ins Leere. Die Beschwerde erweist sich somit auch unter diesem Gesichtspunkt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Juli 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999210222.X00Im RIS seit
27.11.2001