TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/24 97/21/0722

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Veröffentlicht am 24.07.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde der am 21. März 1967 geborenen D, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 23. Juni 1997, Zl. Fr-196/97, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (der belangten Behörde) vom 23. Juni 1997 gerichtet, mit dem gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt wurde, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsbürgerin, in ihrer Heimat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Ihre Abschiebung nach Syrien sei somit zulässig.

Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Die belangte Behörde komme bei der Prüfung der Angaben der Beschwerdeführerin zum selben Ergebnis wie die erstinstanzliche Behörde. Maßgeblich dafür, dass sich die belangte Behörde der erstinstanzlichen Entscheidung anschließe, sei, dass die Beschwerdeführerin im Antrag und in der Berufung, abgesehen von angeblichen Verfolgungen auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit, nur angegeben habe, ihr drohten wegen der in ihrem Heimatland geltenden Sippenhaftung auch die gegen ihren Ehegatten gerichteten Verfolgungen. Von der belangten Behörde sei die Berufung "gegen den abweisenden Feststellungsbescheid" des Ehegatten der Beschwerdeführerin abgewiesen worden. Da zwischenzeitig keine neuen Erkenntnisse über ihm drohende Verfolgungen hinzugetreten seien, habe sich die belangte Behörde nicht veranlasst gesehen, von ihrer in dem den Ehegatten betreffenden Bescheid vom 15. November 1996 getroffenen Entscheidung abzugehen. Dessen Begründung werde auch dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt.

Den Ausführungen der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihre Zugehörigkeit zur assyrischen Minderheit bzw. zum christlichen Glaubenbekenntnis würden ihre eigenen niederschriftlichen Angaben vor dem Bundesasylamt - Außenstelle Eisenstadt vom 8. Oktober 1996 entgegengehalten und würde diesen Angaben hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Vorzug gegeben. Es entspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass zuerst gemachte Angaben die tatsächlichen Gegebenheiten besser widerspiegeln würden als spätere. Dort habe die Beschwerdeführerin ausdrücklich die Frage nach bisherigen Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder anderen Gründen verneint. Diese Negation habe die Beschwerdeführerin noch bei der Antwort auf die darauf folgende Frage bekräftigt, ob sie noch weitere Fluchtgründe vorzubringen hätte.

In der Beschwerde wird beantragt, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Falle seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt durch diese nicht abwendbaren Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/21/0905, mwN).

Die Behörde ist im Verwaltungsverfahren verpflichtet, in der Begründung des Bescheides in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen im Einzelnen stützen. Dieser Rechtspflicht nicht entsprechend gestaltete Bescheide werden nicht nur den §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG nicht gerecht. Dadurch wird auch sowohl die Partei des Verwaltungsverfahrens an der Verfolgung ihres Rechtsanspruches gehindert, weil sie über die von der Behörde allenfalls angestellten Erwägungen nicht unterrichtet wird, als auch der Verwaltungsgerichtshof daran gehindert, im Fall seiner Anrufung seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie im § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als nicht oder nicht zureichend begründete Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, 462 ff angeführte hg. Rechtsprechung).

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid jedenfalls hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Gefahr einer sie als Ehegattin in Form der Sippenhaftung treffenden Bedrohung oder Verfolgung nicht.

Diesbezüglich ist dem angefochtenen Bescheid nämlich nur zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde der erstinstanzlichen Behörde im Ergebnis anschließe und wird auf einen den Ehegatten der Beschwerdeführerin betreffenden Bescheid verwiesen. Dieser verwiesene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin jedoch weder als Bestandteil des angefochtenen Bescheides noch sonst zugestellt (bezüglich der darin allenfalls getroffenen Feststellungen wurde daher der Beschwerdeführerin offensichtlich auch entgegen § 45 Abs. 3 AVG kein Parteiengehör gewährt) und ist im Übrigen auch nicht Bestandteil der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens.

Bei dieser Sachlage war der angefochtene Bescheid daher wegen Verstoßes gegen die angeführten Vorschriften des AVG mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet und gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Juli 2001

Schlagworte

Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997210722.X00

Im RIS seit

27.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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