Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
FrG 1993 §15 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 12. Februar 1973 geborenen M, vertreten durch Dr. Karl Janowsky, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstrasse 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 6. Februar 1997, Zl. 12/18-4/1996, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 28. November 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien, für schuldig erkannt, er habe sich als Fremder in der Zeit vom 16. Oktober 1994 bis 2. November 1994 nicht rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten. Ihm sei von keiner österreichischen Behörde eine gültige Aufenthaltsberechtigung ausgestellt worden und habe er dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, iVm § 15 FrG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag verhängt wurde.
Ferner wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 11. Jänner 1996 für schuldig erkannt, sich als Fremder zumindest in der Zeit vom 23. Mai 1995 "bis dato" nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten zu haben, da er nicht im Besitz einer von einer österreichischen Sicherheitsbehörde ausgestellten gültigen Aufenthaltsbewilligung gewesen sei, obwohl Fremde gemäß § 15 Abs. 1 FrG eine Aufenthaltsberechtigung brauchten. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 15 FrG begangen (Spruchpunkt 1.). Außerdem sei er nach Erlassung einer Ausweisung nicht rechtzeitig am 23. Mai 1995 ausgereist, wodurch er eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 22 FrG begangen habe. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde der Beschwerdeführer mit Geldstrafen von S 1.000,-- und S 500,-- und "Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von drei Tagen" bestraft (Spruchpunkt 2.).
Gegen diese Straferkenntnisse erhob der Beschwerdeführer Berufungen, über die der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid mit folgendem Spruch entschieden hat:
"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Abs. 2 VStG werden die Berufungen als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens hinsichtlich des Straferkenntnisses vom 28.11.1995, Zahl 5-FW17893ST, in der Höhe von 20% der verhängten Geldstrafe, das sind S 100,-- und hinsichtlich des Straferkenntnisses vom 11.01.1996, Zahl 5- FW17893ST, in der Höhe von 20% der verhängten Geldstrafen, das sind zusammen S 300,--, zu bezahlen.
Im Hinblick auf § 44a Ziff.3 VStG wird der Spruch des Straferkenntnisses vom 11.01.1996, Zahl 5-FW-17893ST, hinsichtlich der verhängten Strafe wie folgt berichtigt:
Anstatt des Satzes 'Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe treten an deren Stelle Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von drei Tagen' hat es zu lauten wie folgt: 'Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen treten an deren Stelle Ersatzfreiheitsstrafen in der in der Dauer von
zu 1. 2 Tagen
zu 2. 1 Tag."
Hinsichtlich der Bestrafung wegen des Aufenthaltes vom 16. Oktober 1994 bis zum 2. November 1994 führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer über keine Aufenthaltsbewilligung verfüge, weshalb der objektive Tatbestand erfüllt sei. Wenn er ausführe, dass seine Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien unzulässig sei, so übersehe er, dass die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol mit Berufungsbescheid vom 2. Mai 1995 ausgesprochen habe, dass seine Abschiebung zwar in die Bundesrepublik Jugoslawien nicht zulässig sei, doch sei sie zulässig "in die anderen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien". Mit Bescheid vom 28. November 1995 habe die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ausgesprochen, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Mazedonien als verspätet eingebracht zurückgewiesen werde. Eine gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol mit Bescheid vom 16. Jänner 1996 abgewiesen, daher sei das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers nicht stichhaltig.
Es liege auch kein Notstand vor. Gemäß § 6 VStG sei eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt sei. Darunter könne nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begehe. Es müsse sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln. Davon, dass beim Beschwerdeführer Notstand vorgelegen sei, könne nicht ausgegangen werden.
Wenn sich der Beschwerdeführer auf Art. 3 EMRK beziehe, so sei dem entgegenzuhalten, dass das Bundesministerium für Inneres mit Bescheid vom 16. März 1994 seinen Asylantrag abgewiesen habe. Da in diesem Verfahren auf Art. 3 EMRK Rücksicht zu nehmen gewesen sei, könne nicht von einem Verstoß gegen diese Regelung ausgegangen werden. Festgestellt werde, dass es sich beim Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 28. November 1995 um die Erledigung eines Antrages nach § 54 FrG handle. Ein Bescheid, mit dem über die Zulässigkeit einer Abschiebung gemäß § 37 Abs. 1 FrG in einen bestimmten Staat abgesprochen werde, betreffe den Schutzbereich des Art. 3 EMRK sowie Art. 1 6. ZPMRK iVm Art. 85 B-VG. Gegen das dafür von § 54 FrG bereitgestellte Verfahren bestünden aus der Sicht des Art. 13 EMRK keine Bedenken.
Betreffend die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 11. Jänner 1996 verweise die belangte Behörde auf die oben angeführten Ausführungen.
In Bezug auf Spruchpunkt 2. werde jedoch hervorgehoben, dass die Rechtfertigungsgründe des § 82 Abs. 2 FrG nicht vorlägen. Aus den Akten ergebe sich, dass dem Beschwerdeführer ein Abschiebungsaufschub nicht erteilt worden sei. Die Behörde habe zudem auch außerhalb eines Verfahrens gemäß § 54 Abs. 1 FrG zu prüfen, ob der Fremde im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht unzulässigerweise aus dem Bundesgebiet in ein bestimmtes Land abgeschoben werde. Zumindest der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Mazedonien sei als verspätet eingebracht zurückgewiesen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 15 Abs. 1 FrG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des zweiten Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind (Z. 1), ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde (Z. 2) oder solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukommt (Z. 3).
Gemäß § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist, gemäß Z. 4 leg. cit., wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, wobei das Gesetz auf § 15 leg. cit. verweist.
Gemäß § 82 Abs. 2 FrG liegt eine Verwaltungsübertretung i. S.d. § 82 Abs. 1 leg. cit. nicht vor, wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung gemäß §§ 37 und 54 FrG unzulässig ist oder wenn dem Fremden ein Abschiebungsaufschub erteilt worden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass der gesetzliche Rechtfertigungsgrund des § 82 Abs. 2 FrG nicht nur hinsichtlich des Tatbestandes des § 82 Abs. 1 Z. 1, sondern auch hinsichtlich jenes des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG gilt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 1997, Zl. 95/21/0318, und vom 24. März 2000, Zl. 96/21/0247, m.w.N.). Der Beschwerdeführer hat sich in beiden Verwaltungsverfahren darauf berufen, dass ihm eine Ausreise nur in die Bundesrepublik Jugoslawien möglich wäre; dort seien sein Leib und Leben aber in Gefahr. Die belangte Behörde selbst legt dem angefochtenen Bescheid einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 2. Mai 1995 zu Grunde, mit welchem diese Behörde die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien festgestellt hat.
Bei dieser Sachlage hätte die belangte Behörde im Hinblick auf den - auch hinsichtlich des Tatbestandes des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG geltenden - gesetzlichen Rechtfertigungsgrund des § 82 Abs. 2 FrG nähere Feststellungen dahingehend treffen müssen, ob die Ausreise des Beschwerdeführers in einen anderen Staat als den seiner Staatsbürgerschaft (Bundesrepublik Jugoslawien) überhaupt möglich gewesen wäre. Wäre dem Beschwerdeführer - wie er behauptet - aber ohne sein Verschulden die Ausreise in einen anderen Staat als die Bundesrepublik Jugoslawien unmöglich gewesen, so hätte ihm der Vorwurf, gegen § 82 Abs. 1 Z. 1 und 4 i. V.m. § 15 Abs. 1 FrG verstoßen zu haben, im Grund des § 82 Abs. 2 FrG nicht gemacht werden dürfen.
Aus diesem, aber auch dem folgenden Grund - im Umfang der Bestrafung gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG - belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit:
Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, u.a. die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Diese muss also im Spruch so eindeutig umschrieben sein, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Dabei ist die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG kommt rechtens nur in Betracht, wenn keine der in § 15 Abs. 1 (Z. 1 bis 3) leg. cit. angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist. Die Annahme der Unrechtmäßigkeit eines inländischen Aufenthalts aus der Verneinung bloß eines Teils der in § 15 Abs. 1 FrG genannten drei alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts steht mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Nach der von der belangten Behörde vorgenommenen Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet die umschriebene Tat hinsichtlich des Straferkenntnisses vom 28. November 1995 und des Spruchpunktes 1. des Straferkenntnisses vom 11. Jänner 1996, dass sich der Beschwerdeführer als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weil er keine Aufenthaltsberechtigung bzw. Aufenthaltsbewilligung habe. Damit werden die oben genannten drei alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von Fremden im Inland nur zum Teil verneint, weshalb aus dieser Tatumschreibung eine Subsumtion unter den zur Last gelegten Tatbestand nicht zulässig ist und der Spruch gegen § 44a Z. 1 VStG verstößt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 8. November 2000, Zl. 97/21/0223).
Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Juli 2001
Schlagworte
Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1997210571.X00Im RIS seit
27.11.2001