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E2D Assoziierung Türkei;Norm
ARB1/80 Art6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des G in der Türkei, geboren am 10. Juni 1971, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 28. April 1999, Zl. Fr-4250c-2/98, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 30. April 1998 gemäß § 73 Abs. 1 und 2 AVG als unzulässig zurück. Diesen Bescheid begründete sie im Wesentlichen folgendermaßen: Der Beschwerdeführer habe sich seit 1995 mit Unterbrechungen jeweils auf Grund eines Reisevisums in Österreich aufgehalten. Ein Aufenthaltstitel sei ihm zu keinem Zeitpunkt erteilt worden. Am 13. Mai 1997 habe er die Feststellung begehrt, dass er nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei bzw. dem dazu ergangenen Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 (ARB) in Österreich aufenthaltsberechtigt sei. Nach Ablauf der Gültigkeit seines letzten Reisevisums am 14. November 1996 halte er sich ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich auf. Gemäß § 30 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, haben Fremde, die ein Bleiberecht - etwa nach dem ARB - genießen, Anspruch auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels. Dieses Bleiberecht komme auf den Beschwerdeführer nicht zur Anwendung, weil er bis jetzt über keinen Aufenthaltstitel verfügt habe. Da seinem Antrag auf Feststellung somit nicht die Verlängerung eines bereits bestehenden Aufenthaltstitels zu Grunde liege, komme es bei der Versagung des Titels auch nicht gemäß § 15 FrG zur Verfahrenskonzentration, auf Grund derer in weiterer Folge die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu prüfen sei. Lediglich in diesem Fall, nämlich wenn die Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes erforderlich wäre, wäre die belangte Behörde die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 73 Abs. 2 AVG geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb der Frist des § 73 Abs. 1 AVG zugestellt worden ist. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Behörde erster Instanz über den genannten Antrag des Beschwerdeführers nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist entschieden hat.
Die Beschwerde zeigt zutreffend auf, dass die belangte Behörde mit ihrer Entscheidung die Rechtslage verkannt hat. Sie hat nämlich den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers im Wesentlichen deshalb zurückgewiesen, weil sie nach inhaltlicher Prüfung seines Antrages zum Ergebnis gelangt ist, ihm stehe ein Anspruch auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels nach § 30 Abs. 3 FrG nicht zu.
Es kann nun ungeprüft bleiben, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen nach dem ARB erfüllt. Keinesfalls war nämlich die belangte Behörde befugt, seinen Devolutionsantrag als unzulässig zurückzuweisen.
Gemäß § 88 Abs. 1 FrG ist Behörde im Sinn dieses Bundesgesetzes, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese. Gemäß § 94 Abs. 1 leg. cit. entscheidet über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz. Für die Entscheidung über den Antrag auf Feststellung, ein Fremder halte sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, ist die Fremdenpolizeibehörde zuständig (vgl. etwa das zur insoweit unverändert gebliebenen Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1992 ergangene hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1998, Zl. 97/19/1670). Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag, dass ihm "das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht zugestanden wird", in seiner gleichzeitig mit dem Devolutionsantrag erhobenen Berufung vom 30. April 1998 - nachdem dieser Antrag vorerst von der Behörde erster Instanz als solcher auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gewertet und die Entscheidung darüber wegen Erschöpfung der Quote aufgeschoben worden war - als Feststellungsantrag bezeichnet, dass er "nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei bzw. dem hiezu ergangenen ARB Nr. 1/80 in Österreich aufenthaltsberechtigt ist". In Ansehung eines solchen Antrages ist die belangte Behörde als innerhalb des Ressorts bestehende höhere Behörde (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Anm. 4 zu § 4 AVG) die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde des § 73 Abs. 2 AVG. Sie war daher nicht berechtigt, den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückzuweisen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Juli 2001
Schlagworte
Behördenorganisation Besondere Rechtsgebiete Besondere Rechtsgebiete Diverses Organisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3 sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999210184.X00Im RIS seit
27.11.2001