TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/24 97/21/0622

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Veröffentlicht am 24.07.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §22;
FrG 1993 §82 Abs1 Z1;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 1. Jänner 1955 geborenen M, vertreten durch Dr. Christian Hausmaninger, Rechtsanwalt in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Juni 1997, Zl. UVS- 03/P/16/02195/97, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien die Kosten des Verfahrens in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Juni 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsbürger, gemäß § 82 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 22 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, mit einer Geldstrafe von S 1.500,-- und einer Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen bestraft, weil er es im Zeitraum vom 20. Dezember 1995 bis zum 13. März 1997 unterlassen habe, nach Verhängung einer gegen ihn erlassenen und seit dem 19. Dezember 1995 durchsetzbaren Ausweisung auszureisen.

Es sei als erwiesen anzusehen, dass dem Beschwerdeführer der Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. November 1995, mit welchem er gemäß § 17 Abs. 1 FrG ausgewiesen worden sei, am 19. Dezember 1995 zugestellt worden sei. Erwiesen sei weiters, dass mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Februar 1996 festgestellt worden sei, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Bosnien-Herzegowina im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung sei mit Berufungsbescheid vom 15. April 1996, zugestellt am 19. April 1996, abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer habe eingewendet, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 12 AufG und erfülle sämtliche Kriterien der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 299/1996, auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. seien erfüllt. Auch treffe ihn kein Verschulden, er könne nicht nach Bosnien zurückkehren, da er aus der Region Brcko stamme und Moslem sei.

Mit diesem Vorbringen vermöge der Beschwerdeführer nichts für sich zu gewinnen. Abgesehen davon, dass die Strafbehörde an die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung der Sicherheitsdirektion gebunden sei, könne gar keine Rede davon sein, dass dem Beschwerdeführer ein aus § 12 AufG ableitbarer Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zugekommen wäre. Wie schon die Erstinstanz richtig dargestellt habe, habe sich der Beschwerdeführer im März 1994 von Bosnien nach Serbien begeben, wo er fünf Monate bei seiner Mutter gelebt habe. Da er befürchtet habe, in Serbien zum Heer eingezogen zu werden, sei er mit einem Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und habe nach Ablauf des Touristensichtvermerks einen Reisepass bei der bosnischen Botschaft in Wien beantragt. Damit stehe aber fest, dass der Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht entsprechend der zu § 12 AufG ergangenen Verordnung genieße.

Ob der Berufungswerber schließlich nach Brcko zurückkehren könne, sei für den Umstand, dass er Österreich zu verlassen habe, unerheblich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000,-- Schilling oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen zu bestrafen, wer nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist.

Eine Verwaltungsübertretung iSd § 82 Abs. 1 FrG liegt dem Abs. 2 leg. cit. zufolge nicht vor, wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung gemäß §§ 37 und 54 FrG unzulässig oder wenn dem Fremden ein Abschiebungsaufschub erteilt worden ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er im gegenständlichen Zeitraum entgegen der gegen ihn erlassenen Ausweisung nicht aus dem Bundesgebiet ausgereist ist. Die daraus von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schlussfolgerung, dass er den Tatbestand des § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG erfüllt habe, begegnet somit keinen Bedenken.

Er behauptet jedoch, dass der angefochtene Bescheid deshalb rechtswidrig sei, weil ihn wegen Notstands an der Verwirklichung des strafbaren Sachverhaltes kein Verschulden treffe. Eine Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina und damit ein rechtmäßiges Alternativverhalten sei ihm aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, weil er im Hinblick darauf, dass in der Region Brcko das Friedensabkommen von Dayton noch nicht umgesetzt worden sei und dort Menschen auf Grund ihrer Nationalität oder ihres Religionsbekenntnisses verfolgt würden, dorthin nicht zurückkehren könne, und er nicht in der Lage sei, sich in der Heimat oder anderswo eine Existenz durch geregelte Arbeit zu sichern.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Im Hinblick auf den gesetzlichen Rechtfertigungsgrund des § 82 Abs. 2 FrG ist der angefochtene Bescheid angesichts der unbestrittenen Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina gemäß § 54 Abs. 1 FrG durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. April 1996 nicht bedenklich.

Auch auf einen entschuldigenden Notstand kann sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht berufen. Nach § 6 VStG ist eine Tat unter anderem nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist. Unter dem Schuldausschließungsgrund des Notstandes im Sinn des § 6 VStG kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht. In der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht sind, kann eine unmittelbar drohende Gefahr und ein Notstand im vorbezeichneten Sinn nicht gesehen werden. So sind insbesondere auch auf bloß nachteilige Folgen verweisende Gründe mangels Unmittelbarkeit einer drohenden Gefahr nicht geeignet, die Annahme eines solchen Notstandes zu rechtfertigen (vgl. dazu das zum Fremdenpolizeigesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 95/21/0371). Wenn der Beschwerdeführer behauptet, er könne aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht in die Region Brcko zurückkehren, so übersieht er zudem, dass mit einer Ausweisung nicht die Verpflichtung zur Rückreise in den Heimatstaat oder gar eine bestimmte Region desselben, sondern lediglich jene zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verbunden ist. Dass er aber nur nach Bosnien-Herzegowina oder Brcko ausreisen könne, hat er im Verwaltungsverfahren nicht behauptet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997210622.X00

Im RIS seit

27.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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