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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des E in S, geboren am 3. Mai 1974, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den am 29. Februar 2000 verkündeten und am 30. Mai 2000 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 213.873/25-IV/10/99, betreffend § 4 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 14. Oktober 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 15. Oktober 1999 Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. November 1999 mit der Begründung, der Beschwerdeführer könne in Ungarn Schutz vor Verfolgung finden, gemäß § 4 AsylG zurückgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 4 AsylG ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Begründung des angefochtenen Bescheides besteht - über weite Strecken hinweg - aus einer Aneinanderreihung von Zitaten in Verbindung mit bruchstückhaften Rechtsausführungen, die sich zum Teil in nicht näher begründeten Behauptungen erschöpfen. Auf Seite 8 des Bescheides wird Folgendes ausgeführt:
"In weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens wurden Beweise aufgenommen und Sachverhaltsfeststellungen (und Würdigung) u. a. dem aus Akt <206.017/0-IV/10/98>, des unabhängigen Bundesasylsenates dem Verfahren zu Grunde gelegt - die Feststellung und die Würdigung aus den letztgenannten Akten betreffend der Rechts- und Vollzugslage des ungarischen Asyl- und Fremdenrechtes (die als integrierender Bestandteil dieses Bescheides angeheftet sind) werden für dieses Verfahren übernommen."
Nach der Verhandlungsniederschrift vom 29. Februar 2000 wurde dem Beschwerdeführer "auf Grund des beigeschafften Aktes 206.017/0- IV/10/98 und 210.751-0410/98 (gemeint: 210.751/0-IV/10/99) samt allen bezughabenden ungarischen Unterlagen über Asylrecht" die Möglichkeit zu einer Stellungnahme eingeräumt. Zur Zl. 210.751/0- IV/10/99 wurde erst am 10. August 2000 der am 21. Juli 1999 verkündete Bescheid ausgefertigt (vgl. dazu das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/20/0388). Die Verweisung auf eine frühere "Feststellung" und "Würdigung" der belangten Behörde im vorliegenden, am 30. Mai 2000 ausgefertigten Bescheid beschränkt sich daher - ungeachtet der Bezugnahme auf die "letztgenannten Akten" - auf den am 6. Oktober 1999 zur Zl. 206.017/0-IV/10/98 ausgefertigten Bescheid, der einen Asylwerber aus dem Kosovo betraf und der Urschrift des angefochtenen Bescheides in der Form eines anonymisierten Ausdrucks angeschlossen ist. Dieser nicht mit Seitenzahlen versehene, engzeilige Ausdruck ist etwa 150 Seiten lang und entspricht inhaltlich mit nur geringfügigen Unterschieden den auf dem Bescheid vom 6. Oktober 1999 aufbauenden und mit den hg. Erkenntnissen vom heutigen Tag, Zlen. 99/20/0387 und 99/20/0388, aufgehobenen Bescheiden der belangten Behörde. Die pauschale Übernahme der "Feststellung und ... Würdigung ... betreffend der Rechts- und Vollzugslage des ungarischen Asyl- und Fremdenrechtes" aus diesem Bescheid, auf den die belangte Behörde auch in ihren weiteren Ausführungen - teils verweisend, teils "abändernd" - Bezug nimmt, belastet den angefochtenen Bescheid unter den in den erwähnten Erkenntnissen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, genannten Gesichtspunkten fehlender Klarheit und Übersichtlichkeit mit einem Begründungsmangel, der die Partei an der wirksamen Verfolgung ihrer Rechte und den Verwaltungsgerichtshof an der inhaltlichen Kontrolle des Bescheides hindert (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0523). Auch der vorliegende Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auch einen Versuch unternommen, sich im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0246, mit der Frage der nach ungarischem Recht für die Bekämpfung eines negativen Asylbescheides geltenden Fristen auseinander zu setzen. In den diesbezüglichen Ausführungen, auf die hier nur mehr der Vollständigkeit halber einzugehen ist, wird die in der Berufungsergänzung der Beschwerdeführerin vom 28. Februar 2000 u. a. relevierte dreitägige Frist im abgekürzten Verfahren nicht erörtert und zu der "im Regelfall 5-tägigen" Frist die Ansicht vertreten, für einen Asylwerber sei in Bezug auf die Möglichkeiten zur Einhaltung einer solchen Frist "in Ungarn eine grundsätzlich andere", nämlich bessere, "Situation gegeben". Dies folge daraus, dass bei der Bescheidverkündung auch die Begründung des Bescheides übersetzt werde und der Asylwerber die "Berufung" (gemeint: den Antrag auf Überprüfung durch ein Gericht) sogleich zu Protokoll geben könne. "Darüber hinaus" zähle "der Tag der Verkündung nach ungarischem Recht nicht in den Fristenlauf".
Letzteres scheint mit Rücksicht auf § 32 Abs. 1 AVG keine Besonderheit des ungarischen Rechts zu sein. Was die mündliche Übersetzung der Bescheidbegründungen bei der Verkündung der Bescheide anlangt, so erwähnt die belangte Behörde an anderer Stelle, es gebe einen "signifikant abweichenden Aufbau" ungarischer Bescheide im Vergleich zu österreichischen, weil weder der Gang des Verfahrens noch die Inhalte der angewendeten Bestimmungen dargestellt würden. Die Bescheidbegründungen seien kurz und mit denen der "Asylbescheide nach vormaligen Asylgesetzen in Österreich" (gemeint offenbar: der Bescheide der Sicherheitsdirektionen) vergleichbar. Sollte dies alles zutreffen, so würde zwar das sprachliche Verständnis der Bescheidbegründungen für einen Asylwerber in der Regel kein Problem bedeuten, ein sinnvoll gestaltetes Rechtsmittel ohne Akteneinsicht und geeignete Unterlagen über die Inhalte der maßgeblichen Rechtsvorschriften aber wohl keinesfalls möglich sein.
Zum - gleichfalls zu beachtenden - Gesichtspunkt des Zeiterfordernisses für die Inanspruchnahme rechtskundiger Hilfe führt die belangte Behörde aus, in Ungarn werde "auch Samstag Vormittag (oft auch am restlichen Wochenende)" gearbeitet, weil "Arbeitszeitregelungen wie in Österreich ... dem Reformstaat Ungarn beim Umbruch der postkommunistischen Strukturen erspart geblieben" seien. Mit Hinweisen dieser Art wird die belangte Behörde auch in Bezug auf den von ihr angenommenen leichteren Zugang zu Rechtsbeiständen (oder deren größeren Fleiß) in Ungarn ihrer Begründungspflicht nicht gerecht, zumal auf die besonderen Bedingungen, unter denen Asylwerber in Ungarn oft angehalten werden, nicht eingegangen wird (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0226).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Juli 2001
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000200083.X00Im RIS seit
20.09.2001