TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/26 2000/20/0523

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Veröffentlicht am 26.07.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §4;
AVG §60;
AVG §67;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde der Z in S, geboren 1942, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. September 2000, Zl. 217.105/12-IV/10/00, betreffend § 4 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Afghanistans, reiste am 5. April 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 10. April 2000 Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Mai 2000 mit der Begründung, die Beschwerdeführerin könne in Ungarn Schutz vor Verfolgung finden, gemäß § 4 AsylG zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 4 AsylG ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der angefochtene Bescheid vermittelt in Verbindung mit den vorgelegten Verwaltungsakten kein klares Bild des von der belangten Behörde geführten Verfahrens. Aus den Verwaltungsakten geht hervor, dass die Berufung und der erstinstanzliche Akt am 2. Juni 2000 bei der belangten Behörde einlangten und am 9. Juni 2000 Vorbereitungen für eine Berufungsverhandlung am 16. Juni 2000 getroffen wurden. Am 13. Juni 2000 verfügte die belangte Behörde die Ladungen zu diesem Termin. Das Bundesasylamt erklärte noch am selben Tag, dass eine Teilnahme nicht möglich sei. Von der Vertreterin der Beschwerdeführerin langte am 16. Juni 2000 die Mitteilung ein, dass es nicht gelungen sei, die Beschwerdeführerin von dem "per Fax zu kurzfristig anberaumten Termin" rechtzeitig zu verständigen. Es werde um Festlegung eines neuen Termins mit ordnungsgemäßer Ladung aller Beteiligten ersucht. Daraufhin verfügte die belangte Behörde noch am 16. Juni 2000 die telegraphische Verständigung der Beschwerdeführerin und ihrer Vertreterin (nicht aber, soweit dies den Akten entnehmbar ist, des Bundesasylamtes) von einer "Vertagung" der Verhandlung auf den 20. Juni 2000. In einem Aktenvermerk vom 16. Juni 2000 hielt die belangte Behörde aber andererseits auch fest, sie habe "entschieden", das Verfahren "wegen unbekannten Aufenthaltes" der Beschwerdeführerin einzustellen. Der Aktenvermerk wurde der Vertreterin der Beschwerdeführerin und dem Bundesasylamt noch am selben Tag per Fax übermittelt. Das Bundesasylamt wies in einer Mitteilung vom 19. Juni 2000 darauf hin, dass es schon mit Note vom 31. Mai 2000 die neue Wohnadresse der Beschwerdeführerin mitgeteilt habe.

Vom 20. Juni 2000 findet sich in den vorgelegten Akten ein Vermerk der belangten Behörde, wonach ein namentlich genannter Vertreter der Beschwerdeführerin angekündigt habe, er werde schriftlich "Bestätigung übermitteln, dass von Verhandlung Abstand genommen wird", und statt dessen einen Schriftsatz einbringen.

Im Ergänzungsschriftsatz vom 30. Juni 2000 nahm der neue Vertreter der Beschwerdeführerin unter Verzicht auf eine Berufungsverhandlung zu den ihm - laut diesem Schriftsatz - "anlässlich der abgesagten Verhandlung am 20.6.2000 vorgelegten Unterlagen hinsichtlich Drittlandsicherheit in Ungarn" Stellung. Weder die vorgelegten Akten der belangten Behörde noch diejenigen der Behörde erster Instanz enthalten eine Niederschrift über eine Berufungsverhandlung.

Im angefochtenen Bescheid wird auf diese Vorgänge zunächst mit der Wendung eingegangen, es sei "nach Vertagung eine Einstellung des Verfahrens" eingetreten, weil es dem Vertreter (gemeint offenbar: der ursprünglichen Vertreterin) der Beschwerdeführerin "wegen des kurzfristigen Termins nicht möglich war, (eines gesetzlich angeordneten Schnellverfahrens!), die betroffenen Parteien zu verständigen. Nach Vollmachtswechsel erschien der Bevollmächtigte und gab die Erklärung ab, von einer Verhandlung samt Einvernahme der AW, Abstand zu nehmen" (im Original ohne Unterstreichungen).

Der angefochtene Bescheid stützt sich dessen ungeachtet auf die Ergebnisse einer Berufungsverhandlung (Seite 7 des Bescheides), in deren Verlauf auch ein Vertreter des Bundesasylamtes eine Erklärung abgegeben habe, zahlreiche "Dokumente und Beweismittel ... verlesen und erörtert" worden seien und der Verhandlungsleiter seine auf eigener jahrzehntelanger Erfahrung im ungarischen Alltag beruhende "Amtskenntnis" erläutert habe (Seite 9 ff des Bescheides). Von einer "weiteren Verhandlung" sei Abstand genommen worden (Seite 6 des Bescheides). Die belangte Behörde geht demnach davon aus, es habe - ungeachtet der den Parteien am 16. Juni 2000 zur Kenntnis gebrachten Einstellung des Verfahrens und entgegen den Ausführungen in der Berufungsergänzung - in der Angelegenheit der Beschwerdeführerin (gemeint wohl: am 20. Juni 2000) eine Berufungsverhandlung mit umfangreichen Erörterungen stattgefunden. Dass dies mit der Wirklichkeit übereinstimmt, lässt sich den vorgelegten Akten nicht entnehmen.

2. Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist aber auch in der Sache selbst nicht nachvollziehbar. Sie besteht insgesamt aus einer unsystematischen Aneinanderreihung sprachlich oft schwer verständlicher Ausführungen, die keine klare Gedankenführung erkennen lassen und unter den im Gesetz vorgezeichneten Gesichtspunkten einer geordneten Präsentation der Verfahrensergebnisse und der für die Entscheidung maßgebenden Erwägungen (§ 60 in Verbindung mit § 67 AVG) das Mindestmaß dessen unterschreiten, was von einer Bescheidbegründung zu fordern ist, damit die Partei ihre Rechte wirksam verfolgen und der Verwaltungsgerichtshof die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung kontrollieren kann (vgl. in dieser Hinsicht zu teilweise ähnlichen Bescheiden der belangten Behörde schon die Erkenntnisse vom 16. Juni 1999, Zl. 98/01/0651, und vom 31. Mai 2001, Zl. 2001/20/0215; weiters die Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zlen. 99/20/0387, 99/20/0388 und 2000/20/0083). Dass die von der belangten Behörde (zum Teil ohne Quellenangabe) zitierten Unterlagen und die früheren (zum Teil ebenfalls nicht näher bezeichneten) Bescheide, deren Begründungen pauschal "übernommen" werden, in den vorgelegten Akten nicht enthalten sind, ist bei dieser Sachlage nicht mehr ausschlaggebend. Es müsste für sich genommen aber ebenso zur Aufhebung des Bescheides führen wie der in der Beschwerde zutreffend aufgezeigte Umstand, dass die belangte Behörde auf wesentliche Teile des Vorbringens in der Berufung und in der Berufungsergänzung nicht eingegangen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200523.X00

Im RIS seit

10.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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