TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/26 99/20/0261

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Veröffentlicht am 26.07.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
25/02 Strafvollzug;

Norm

MRK Art3;
MRK Art8 Abs1;
StVG §102 Abs1;
StVG §102 Abs2 idF 1996/763;
StVG §107 Abs1 Z10;
StVG §109 Z2;
StVG §111;
StVG §116;
StVG §20 Abs1;
StVG §20 Abs2;
StVG §22 Abs2;
StVG §22;
StVG §24;
StVG §26;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/20/0262

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Florian Gehmacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen die Bescheide des Bundesministers für Justiz vom 3. Mai 1999, Zl. 427.337/33- V.6/1998-1, betreffend Ordnungswidrigkeit gemäß § 107 Abs. 1 Z 10 StVG, und Zl. 427.337/33-V.6/1998-2, betreffend Entzug einer Vergünstigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden im Umfang der Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der wegen eines 1989 begangenen Mordes eine langjährige Freiheitsstrafe verbüßt, wurde bis zum 22. Mai 1998 in der Justizanstalt Graz-Karlau angehalten, wo er sich im Erstvollzug befand.

Im April 1996 wurden die Insassen des Erstvollzuges dieser Justizanstalt - nach der insoweit unwidersprochenen Darstellung des Beschwerdeführers - erstmals einem Harntest (gemeint: in der Form eines generellen "Screenings") unterzogen. Nach Meinung des Beschwerdeführers wurde dabei die Menschenwürde verletzt, worüber er sich schriftlich beim Anstaltsleiter beschwerte. In der Folge verweigerte der Beschwerdeführer - offenbar sanktionslos - die Teilnahme an zwei derartigen Tests.

Am 2. Dezember 1996 wurde namens des Anstaltsleiters die "Dienstverfügung Nr. 21/96" erlassen, in der einerseits (und insoweit unter Bezugnahme auf Punkt 2.3.3. Abs. 3 des in JABl. 1996, 41 veröffentlichten Erlasses vom 22. Dezember 1995 betreffend die Vollzugsordnung für Justizanstalten) als Voraussetzung für bestimmte Vollzugslockerungen und andererseits - "stichprobenartig" - für die Insassen des Erstvollzuges Harnuntersuchungen auf verbotene Substanzen angeordnet wurden. Dabei wurde u.a. vorgesehen, dass die "Harnabgabe des Insassen ... unter Aufsicht eines JWB" zu erfolgen habe und im Falle eines positiven Befundes ein Ordnungsstrafverfahren durchzuführen sei. "Im Ordnungsstrafverfahren" obliege es dem Referatsleiter, "etwaige Vollzugslockerungen und Vergünstigungen für die Dauer bis zu sechs Monaten zu streichen". Insassen des Erstvollzuges seien beim ersten positiven Befund abzumahnen. Im Wiederholungsfall seien die Unterlagen über das durchgeführte Ordnungsstrafverfahren dem Leiter des Strafvollzuges zu übermitteln, der beim Bundesministerium für Justiz die "Aberkennung des Erstvollzuges" zu beantragen habe.

Laut einem Aktenvermerk vom 4. Februar 1997 und mit "Dienstverfügung Nr. 1/1997" vom 24. Februar 1997 wurde namens des Anstaltsleiters angeordnet, dass die Insassen des Erstvollzuges "vierteljährlich" einem Harntest zu unterziehen seien. Ein Aushang der Dienstverfügungen Nr. 21/96 und Nr. 1/1997 wurde - soweit aus den Akten ersichtlich - nicht angeordnet (nach den Angaben des Beschwerdeführers erfolgte ein Aushang im März 1998).

Im März 1997 nahm der Beschwerdeführer an einem derartigen Harntest teil. Bei diesem Test mussten die Häftlinge - nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers - in Gegenwart des Gruppeninspektors V. und eines jungen Justizwachebeamten in einer Entfernung von etwa 1 m von diesen und ihnen zugewendet in einen Plastikbecher urinieren.

Den nächsten derartigen Harntest - im Mai 1997 - verweigerte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die schon im Jahr zuvor von ihm erhobene Beschwerde wegen der Vorgangsweise bei der Harnabgabe. Im Juni 1997 wurde er wegen dieses Verhaltens dem Strafreferat der Justizanstalt vorgeführt. Mit Schreiben vom 23. Juni 1997 beschwerte er sich beim Anstaltsleiter über Einzelheiten seiner Vernehmung im Strafreferat und über die seines Erachtens unwürdige und erniedrigende Behandlung der Strafgefangenen bei der von ihnen verlangten Harnabgabe. Er machte darüber hinaus auch geltend, dass für die Anordnung von Harntests, bei denen die Teilnahme nicht auf Freiwilligkeit beruhe, keine Rechtsgrundlage erkennbar sei.

Über diese Beschwerde wurde erst mit Bescheid des Anstaltsleiters vom 30. März 1998 entschieden. Das wegen der Verweigerung des Harntests im Mai 1997 gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Ordnungsstrafverfahren wurde am 30. Juni 1997 eingestellt, wobei dem Beschwerdeführer für den Fall einer neuerlichen Weigerung eine Bestrafung und - seinen Behauptungen zufolge - auch "Konsequenzen für den Erstvollzug" angekündigt wurden.

Am 7. Juli 1997 wandte sich der Beschwerdeführer mit einem schriftlichen "Ersuchen um verbindliche Rechtsauskunft wegen der Vornahme von Harntests" an die belangte Behörde. Er beschrieb seine Schwierigkeiten mit der seines Erachtens die Menschenwürde verletzenden Vorgangsweise bei der Vornahme der Harntests, wies auf die ihm für den Fall einer neuerlichen Weigerung angedrohte Bestrafung hin und ersuchte um Auskunft darüber, ob die verpflichtende Anordnung der Harntests eine gesetzliche Grundlage habe, die von ihm beschriebene Vorgangsweise die Menschenwürde verletze und seine Bestrafung im Falle einer neuerlichen Weigerung rechtmäßig wäre.

Die belangte Behörde beantwortete dieses Schreiben im Februar 1998.

Am 18. November 1997 wurde dem Beschwerdeführer - unter im Einzelnen strittigen Umständen - mitgeteilt, dass an diesem Tag wieder ein Harntest an den Insassen des Erstvollzuges vorgenommen würde. Der Beschwerdeführer nahm an diesem Harntest nicht teil, woraufhin der für die Durchführung des Harntests verantwortliche Gruppeninspektor V. gegen den Beschwerdeführer die "Meldung einer Ordnungswidrigkeit" erstattete.

Mit Schreiben vom 24. November 1997 beschwerte sich der Beschwerdeführer beim Anstaltsleiter über das Vorgehen von Gruppeninspektor V. am 18. November 1997.

Mit Schreiben vom 25. November 1997 erhob der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde - unter Hinweis darauf, dass seine Beschwerde an den Anstaltsleiter vom 23. Juni 1997 unerledigt und seine Bitte an die belangte Behörde um Rechtsauskunft unbeantwortet geblieben war - eine Beschwerde gegen den Anstaltsleiter, weil dieser die Harntests ohne Grundlage im Gesetz angeordnet habe und die nach Ansicht des Beschwerdeführers die Menschenwürde verletzende Art ihrer Durchführung, die auch am 18. November 1997 wieder eingehalten worden sei, trotz der vorangegangenen Beschwerden des Beschwerdeführers weiterhin dulde. Am 18. November 1997 hätten sich einige Strafgefangene bei der Harnabgabe aus Scham von Gruppeninspektor V. abgewendet, um in den Plastikbecher zu urinieren, sich Gruppeninspektor V. über dessen Aufforderung aber wieder in ca. 1 m Entfernung zuwenden müssen (vgl. zu dieser Beschwerde, die von der belangten Behörde mit Bescheid vom 26. Mai 1998 erledigt wurde, den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 98/20/0284).

Auf Grund der von Gruppeninspektor V. erstatteten Meldung wegen des Verhaltens des Beschwerdeführers am 18. November 1997 wurde der Beschwerdeführer am 26. Jänner 1998 und am 7. April 1998 als Beschuldigter im Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten vernommen, wobei er jeweils die Unterfertigung der Niederschrift verweigerte, weil seine Angaben seines Erachtens nicht vollständig und unverfälscht wiedergegeben wurden. In Verbindung mit den schriftlichen Äußerungen des Beschwerdeführers - insbesondere in einem Schreiben an den Anstaltsleiter am 27. Jänner 1998 - lässt sich den Akten aber entnehmen, dass der Beschwerdeführer u.a. den Standpunkt vertrat, er habe am 18. November 1997 gefragt, ob der Harntest wieder zu den bisher üblichen Bedingungen durchgeführt werde, und die Teilnahme am Harntest nach der Bejahung dieser Frage durch Gruppeninspektor V. mit dem Hinweis darauf, dass diese Bedingungen menschenunwürdig seien, verweigert. Weiters wiederholte der Beschwerdeführer - unter Angabe der Namen der betroffenen Strafgefangenen - die schon in seiner Beschwerde an die belangte Behörde vom 25. November 1997 enthaltenen Einzelheiten über die am 18. November 1997 tatsächlich eingehaltene Vorgangsweise. Demgegenüber gab Gruppeninspektor V. bei seiner Zeugeneinvernahme am 9. Februar 1998 an, der Beschwerdeführer habe für seine Nichtteilnahme am Harntest keine Begründung angegeben und es sei auch nicht richtig, dass er vor der Verweigerung des Harntests gefragt habe, ob die Harnabgabe wieder unter den üblichen Bedingungen stattfinden werde. Weiters gab Gruppeninspektor V. an, die Strafgefangenen hätten sich bei der Harnabgabe "zwar in entsprechender Entfernung" von ihm "aufzustellen", sie könnten sich jedoch "insoweit zur Seite drehen", dass er durch seine "Einsichtnahme eine Manipulation bei der Harnabgabe erkennen" könne. Nur der Beschwerdeführer sei nicht bereit, "den Harn unter den o.a. Bedingungen abzugeben".

Im Anschluss an seine Einvernahme am 7. April 1998 wurde dem Beschwerdeführer - auf im Einzelnen strittige Weise - die Bestrafung mit der Ordnungsstrafe des Verweises verkündet und der Entzug der Vergünstigung der Ergänzung des Hausgeldes aus dem Eigengeldguthaben ("Ausspeissperre vom Eigengeld") für vier Wochen mitgeteilt.

Das schriftliche Straferkenntnis vom 7. April 1998 wurde dem Beschwerdeführer nach schriftlichen Urgenzen beim Anstaltsleiter am 8. April 1998 und am 17. April 1998 sowie nach Erhebung einer Administrativbeschwerde an die belangte Behörde gegen die mündlich verkündete Entscheidung mit Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 21. April 1998 erst am 24. April 1998 ausgefolgt. Es enthielt im Spruch die Feststellung, der Beschwerdeführer habe am 18. November 1997 dadurch, dass er vorsätzlich der Aufforderung des Gruppeninspektors V. zur Harnabgabe zwecks Harnscreenings trotz Abmahnung keine Folge geleitet habe, gegen § 26 Abs. 1 StVG verstoßen und dadurch eine Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs. 1 Z 10 StVG begangen, wofür er gemäß § 109 Z 1 und § 110 StVG mit der Ordnungsstrafe des Verweises bestraft werde (ein dem hinzu gefügter Kostenausspruch ist auf Grund seiner Behebung durch die belangte Behörde nicht beschwerdegegenständlich). In der Begründung des Straferkenntnisses wurde der "klar dezidierten, emotionslosen und daher zu keinem Zweifel Anlass bietenden Zeugenaussage des Meldungslegers" gefolgt und der Rechtfertigung des Beschwerdeführers "keine Bedeutung beigemessen". Als erschwerend wurden "die gröbliche Verletzung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt, das verderbliche Beispiel für andere Insassen", als mildernd wurde "kein Umstand" gewertet.

Über den Entzug der Vergünstigung liegt ein formularmäßiger Aktenvermerk vom 7. April 1998 vor, wonach "zum Straferkenntnis vom 7.4.1998 ... mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Bestimmungen des § 24 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 StVG bzw. ordnungswidrigem Verhalten im administrativen Weg verfügt" worden sei, dass dem Beschwerdeführer die Vergünstigung unter Festsetzung eines "Beobachtungszeitraumes" von vier Wochen entzogen werde ("Begründung: ordnungswidriges Verhalten").

Mit der - bereits erwähnten - Beschwerde vom 21. April 1998 gegen die ihm bis dahin nur mündlich verkündete Entscheidung und einem weiteren, auf das schriftliche Straferkenntnis Bezug nehmenden Schriftsatz an die belangte Behörde vom 4. Mai 1998 wandte sich der Beschwerdeführer gegen den Ausspruch des Verweises und den Entzug der Vergünstigung, wobei er den Standpunkt vertrat, beide Maßnahmen seien ihm gegenüber am 7. April 1998 als Strafe ausgesprochen, der Entzug der Vergünstigung trotz dessen Vollzuges aber im schriftlichen Straferkenntnis weggelassen worden. Der abschließende Hinweis im Straferkenntnis, "in Abwägung" der erwähnten "Strafzumessungsgründe" habe mit dem Verweis "gerade noch das Auslangen gefunden werden" können, sei eine "Lüge".

In Bezug auf die ihm zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit machte der Beschwerdeführer in den beiden Schriftsätzen Verfahrensfehler bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geltend, wobei er sich im Besonderen gegen die unvollständige Protokollierung seiner Angaben bei den beiden Einvernahmen, gegen das Unterbleiben der Einvernahme näher genannter Zeugen zu den Umständen der Verweigerung des Harntests am 18. November 1997 sowie der an diesem Tag eingehaltenen Modalitäten der Harnabgabe und gegen die Beweiswürdigung im schriftlichen Straferkenntnis wandte. In rechtlicher Hinsicht verwies er - unter Darstellung auch der Vorgeschichte - im Wesentlichen auf die seines Erachtens gegen die Menschenwürde verstoßende Art der Durchführung der Harntests und das Fehlen der - gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK seines Erachtens erforderlichen - gesetzlichen Grundlage für die verpflichtende Anordnung der Harntests, die im Strafvollzugsgesetz nicht vorhanden sei und insbesondere nicht in § 102 Abs. 2 StVG (Zulässigkeit u.a. der mit einer Entblößung verbundenen körperlichen Durchsuchung Strafgefangener) gesehen werden könne. Darüber hinaus wandte er sich auch gegen die herangezogenen Strafzumessungsgründe.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde der Beschwerde - abgesehen von der ersatzlosen Behebung des Kostenausspruches im schriftlichen Straferkenntnis vom 7. April 1998 - nicht Folge.

Die belangte Behörde befasste sich im erstangefochtenen Bescheid mit dem schriftlichen Straferkenntnis, wobei sie "auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens I. Instanz" feststellte, der Beschwerdeführer habe die Teilnahme am Harntest verweigert, nachdem seine Frage, ob die Harnabgabe in der üblichen Form durchgeführt werde, von Gruppeninspektor V. bejaht worden war. Zur Durchführung des Harntests stellte die belangte Behörde fest, die Strafgefangenen hätten den dafür bestimmten Raum einzeln betreten und "in Gegenwart eines Justizwachebeamten diesem zugewandt" die Harnprobe abgegeben. Während des Vorganges sei "ein zweiter Justizwachebeamter im Raum anwesend" gewesen. Die "so durchgeführte Aufsicht" habe allfälligen Manipulationen bei der Harnabgabe, etwa durch Verdünnung oder Beimengung von Fremdharn, entgegenwirken sollen. Im ersten Quartal 1998 sei die Vorgangsweise dahingehend geändert worden, dass die Insassen vor der Harnabgabe einer genauen Visitierung unterzogen worden seien und sodann in einem geschlossenen Raum den Harn in einen Plastikbecher ausgeschieden hätten, um diesen sodann dem aufsichtsführenden Spitalsbeamten zu übergeben. Seit Oktober 1998 sei es auf Grund abgeschlossener Umbauarbeiten in der Justizanstalt Graz-Karlau möglich, die Harnuntersuchungen in einem speziell dafür vorgesehenen Raum mit verspiegelten Wänden durchzuführen.

Zu den rechtlichen Grundlagen für die Anordnung der Harntests führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Suchtgiftkonsum wird durch das Suchtmittelgesetz als strafbare Handlung grundsätzlich kriminalisiert und stellt auch ein die Sicherheit und Ordnung in einer Vollzugsanstalt gefährdendes Verhalten dar. In Wahrnehmung der den Vollzugsbehörden durch die Bestimmungen des § 102 Abs. 1 und 2 StVG aufgetragenen Verpflichtung, Vorsorge zur Hintanhaltung der Begehung strafbarer Handlungen durch Strafgefangene zu treffen, findet die an den Beschwerdeführer gerichtete Anordnung eine Harnprobe abzugeben, um diese einer labortechnischen Überprüfung auf Suchtgiftkonsum indizierende Inhaltsstoffe zu unterziehen, als allgemeine Präventivmaßnahme in dieser gesetzlichen Bestimmung Deckung. Dies im Hinblick darauf, dass Suchtgiftmissbrauch in Vollzugsanstalten immer wieder auftritt und mit all seinen Begleiterscheinungen große Probleme verursacht.

Die an den Beschwerdeführer gerichtete Anordnung zur Harnabgabe findet somit im Strafvollzugsgesetz gesetzlich Deckung. Ebenso verhält es sich mit der in den Beschwerden angesprochenen Dienstverfügung Nummer 21/96 vom 2.12.1996, in der die grundsätzliche Anordnung der Abgabe von Harnproben vorgeschrieben wird, sodass auch diese Anordnung des Leiters der Justizanstalt Graz-Karlau in Form einer Dienstverfügung mit dem Gesetz im Einklang steht."

Zur Vorgangsweise bei den Harntests heißt es im erstangefochtenen Bescheid, die "grundsätzliche Anordnung der Abgabe von Harnproben" und die "generell abstrakt vorgegebene Aufsicht eines Justizwachebeamten" in der Dienstverfügung vom 2. Dezember 1996 begründeten "für sich allein" nicht die Annahme, dass von einer die Menschenwürde verletzenden Vorgangsweise gesprochen werden müsste. Das Abgehen von der am 18. November 1997 noch eingehaltenen Vorgangsweise habe "der Vermeidung der bei einigen Insassen allfällig bestehenden psychischen Hemmnisse in Gegenwart einer dritten Person Harn auszuscheiden" gedient. Ungeachtet dessen habe aber auch "die in der gegenständlichen Beschwerde angesprochene Methode" nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen. Es könne nämlich keinesfalls davon gesprochen werden, dass zur Anordnung der Harnabgabe qualifizierend eine gröbliche Missachtung des Betroffenen als Person, durch die er zu einem bloßen Objekt herabgewürdigt worden sei, hinzugetreten wäre. Die Abgabe des Harns sei "lediglich in Gegenwart der vom Gesetz bei Entblößungen von Strafgefangenen vorgegebenen Anwesenheit zweier Vollzugsbediensteter desselben Geschlechtes vorgenommen" worden. Der "Beobachtung des Harnausscheidevorganges" komme "kein selbständiger demütigender oder verachtender Charakter gegenüber dem Probanden" zu. "Sonstige, die behauptete Kritik allenfalls rechtfertigende Begleitumstände bei der Abgabe der Harnprobe" habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Durch die Verweigerung der Harnprobe habe er daher die ihm zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit begangen, wobei die verhängte Strafe "tat- und schuldangemessen" sei.

Im zweitangefochtenen Bescheid befasste sich die belangte Behörde mit dem Entzug der Vergünstigung, wobei sie davon ausging, dass dieser "aus Anlass des Ordnungsstraferkenntnisses ... mit formloser Entscheidung" verfügt worden sei. Zur Berechtigung dieser Verfügung führte die belangte Behörde - nach einem Hinweis auf Inhalte der §§ 20 und 24 StVG - Folgendes aus:

"Die Verletzung vorgegebener Verhaltensnormen, nämlich die Nichtbefolgung von Anordnungen gemäß § 26 Abs. 1 StVG, widerspricht einer rechtschaffenen Lebenseinstellung sowie einer den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung.

Durch die Begehung der mit Straferkenntnis vom 7.4.1998 festgestellten Ordnungswidrigkeit ließ der Beschwerdeführer nicht mehr erkennen, dass er an der Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges mitwirkt. Da diese für die Gewährung einer Vergünstigung notwendige Voraussetzung hiedurch weggefallen ist, war die Vergünstigung entsprechend zu entziehen. Das hiezu verfügte Ausmaß in der Dauer von 4 Wochen ist angemessen."

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Zum schriftlichen Straferkenntnis:

1.1. Der erstangefochtene Bescheid enthält - abgesehen von Ausführungen dazu, ob dem Beschwerdeführer bei der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden sei - weder eine Beweiswürdigung der "Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens I. Instanz" noch eine auch nur oberflächliche Auseinandersetzung mit den Verfahrensrügen des Beschwerdeführers, insoweit sich diese auf das Unterbleiben näher bezeichneter Zeugenvernehmungen bezogen. In der Frage, ob sich der Beschwerdeführer am 18. November 1997 erkundigt habe, ob beim Harntest wieder die bisher übliche Vorgangsweise eingehalten werde, wird der Darstellung des Beschwerdeführers und nicht der dem erstinstanzlichen Bescheid zugrunde gelegten Zeugenaussage des Meldungslegers gefolgt. Das fast völlige Fehlen von Ausführungen zu den strittigen Punkten des Sachverhaltes lässt sich auch in Verbindung mit den Bezugnahmen auf "die in der gegenständlichen Beschwerde angesprochene Methode" und den Umstand, dass der Beschwerdeführer "sonstige, die behauptete Kritik allenfalls rechtfertigende Begleitumstände ... nicht behauptet" habe, nur dahingehend deuten, dass sich die belangte Behörde mit den von ihr als entscheidungswesentlich erachteten Aspekten des Falles auf der Grundlage der - im erstangefochtenen Bescheid freilich nur verkürzt wiedergegebenen - Behauptungen des Beschwerdeführers auseinander setzen wollte und ein Eingehen auf die Verfahrensrügen zur Sachverhaltsermittlung aus diesem Grund nicht für nötig hielt.

1.2. Die im Zusammenhang mit dem erstangefochtenen Bescheid maßgeblichen Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 763/1996 (StVG) lauten:

"Zwecke des Strafvollzuges

§ 20. (1) Der Vollzug der Freiheitsstrafen soll den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug soll außerdem den Unwert des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens aufzeigen.

(2) Zur Erreichung dieser Zwecke und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen sind die Strafgefangenen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der darauf gegründeten Vorschriften von der Außenwelt abzuschließen, sonstigen Beschränkungen ihrer Lebensführung zu unterwerfen und erzieherisch zu beeinflussen. ...

Behandlung der Strafgefangenen

§ 22. (1) Die Strafgefangenen sind mit Ruhe, Ernst und Festigkeit, gerecht sowie unter Achtung ihres Ehrgefühls und der Menschenwürde zu behandeln. ...

(2) Den Strafgefangenen dürfen nur nach Maßgabe der Gesetze Beschränkungen auferlegt oder Vergünstigungen und Lockerungen des Strafvollzuges gewährt werden. ...

Allgemeine Pflichten der Strafgefangenen

§ 26. (1) Die Strafgefangenen haben den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten. Sie dürfen die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde.

(2) Die Strafgefangenen haben alles zu unterlassen, was die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder sonst die Verwirklichung der Grundsätze des Strafvollzuges gefährden könnte. Sie haben sich so zu benehmen, wie es der Anstand gebietet.

(3) Die Strafgefangenen dürfen nicht eigenmächtig die ihnen zum Aufenthalt angewiesenen Räume verlassen oder die ihnen bei der Arbeit, bei der Bewegung im Freien, im gemeinsamen Schlafraum oder sonst zugewiesenen Plätze wechseln. Sie haben sich an die Tageseinteilung zu halten.

(4) Die Strafgefangenen haben die auf die Vermittlung einer rechtschaffenen Lebenseinstellung und auf ihre Wiedereingliederung in das Gemeinschaftsleben gerichteten Bemühungen nach Kräften zu unterstützen.

Ärztliche Betreuung

Gesundheitspflege

§ 66. (1) Für die Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit der Strafgefangenen ist Sorge zu tragen. Der Gesundheitszustand der Strafgefangenen und ihr Körpergewicht sind zu überwachen. ...

Sicherung der Abschließung

§ 101. (1) ...

(4) Die Strafvollzugsbediensteten sind ermächtigt, Personen, die nicht in der Anstalt beschäftigt sind, im Anstaltsbereich zu durchsuchen, sofern diese im begründeten Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach Art. VII Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafvollzugsgesetz stehen oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie einen Gegenstand bei sich haben, von dem sonst eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Strafvollzuges ausgeht. ...

(5) Die Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Durchsetzung einer Durchsuchung nach Abs. 4 ist nur zulässig, wenn eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Strafvollzuges nicht mit anderen Mitteln abgewendet werden kann. Personsdurchsuchungen sind von Bediensteten des Geschlechts der zu durchsuchenden Person und möglichst schonend durchzuführen. Die Strafvollzugsbediensteten haben sich dabei auf eine Durchsuchung der Kleidung und eine Besichtigung des Körpers zu beschränken, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, die zu durchsuchende Person habe einen Gegenstand in ihrem Körper versteckt; in solchen Fällen ist mit der Durchsuchung ein Arzt zu betrauen.

Sicherung der Ordnung in der Anstalt

§ 102. (1) Es ist darüber zu wachen, dass sich die Strafgefangenen so verhalten, wie es in diesem Bundesgesetze und den darauf gegründeten Vorschriften und Verfügungen allgemein oder im Einzelfall angeordnet ist. Insbesondere ist angemessene Vorsorge dafür zu treffen, dass sowohl die Begehung strafbarer Handlungen durch Strafgefangene als auch die Begehung strafbarer Handlungen an Strafgefangenen hintangehalten werden.

(2) Die Strafgefangenen sind auch in der Freizeit und Ruhezeit in den ihnen zum Aufenthalt zugewiesenen Räumen unvermutet zu beobachten oder aufzusuchen. Zu diesem Zweck können diese Räume auch während der Nachtruhe vorübergehend beleuchtet werden. Die Strafgefangenen, ihre Sachen und die von ihnen benutzten Räume sind von Zeit zu Zeit zu durchsuchen. Durchsuchungen sind möglichst schonend, Personsdurchsuchungen von Bediensteten des Geschlechts des Strafgefangenen durchzuführen.

§ 101 Abs. 5 letzter Satz gilt entsprechend. Die mit einer Entblößung verbundene körperliche Durchsuchung ist in Anwesenheit zweier Bediensteter des Geschlechtes des Strafgefangenen und in Abwesenheit von Mitgefangenen und Personen des anderen Geschlechtes durchzuführen. ...

Ordnungswidrigkeiten

Begriffsbestimmung

§ 107. (1) Eine Ordnungswidrigkeit begeht der Strafgefangene, der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorsätzlich

1.

die Anstalt verlässt oder sonst flüchtet; ...

10.

sonst den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 zuwiderhandelt."

1.3. Die belangte Behörde unternimmt nicht den Versuch, die an den Beschwerdeführer gerichtete Aufforderung zur "Harnabgabe" als den Umständen nach gebotene Maßnahme zur Überwachung seines Gesundheitszustandes zu rechtfertigen. Sie verweist im erstangefochtenen Bescheid darauf, dass "Suchtgiftkonsum" (gemeint offenbar: wegen des damit meist verbundenen Besitzes) eine "strafbare Handlung" sei und auch die Sicherheit und Ordnung in der Vollzugsanstalt gefährde, und leitet aus der den Vollzugsbehörden in § 102 Abs. 1 und 2 StVG aufgetragenen Verpflichtung, "Vorsorge" (nach dem Gesetz richtig: "angemessene Vorsorge") zur Hintanhaltung der Begehung strafbarer Handlungen durch Strafgefangene zu treffen, die "gesetzliche Deckung" einer "allgemeinen Präventivmaßnahme" in der Form verpflichtender Harnuntersuchungen auch an solchen Strafgefangenen ab, die - wie der Beschwerdeführer - nicht im Verdacht stehen, Suchtgift konsumiert zu haben oder daran auch nur interessiert zu sein. Ergänzend wird - ohne Bezugnahme auf die konkreten Verhältnisse im Erstvollzug der hier betroffenen Justizanstalt während des maßgeblichen Zeitraumes - hinzugefügt, dass Suchtgiftmissbrauch "in Vollzugsanstalten immer wieder" auftrete und große Probleme verursache. Dem Beschwerdeargument, es handle sich nicht um eine Präventivmaßnahme, sondern um eine Maßnahme zum Nachweis bereits erfolgter strafbarer Handlungen gegen das Suchtmittelgesetz, wird in der Gegenschrift mit der Bezeichnung der Harnprobe als "angemessene Ermittlungsmaßnahme zur Feststellung einer strafbaren Handlung" scheinbar Rechnung getragen. Die Ansicht, der Maßnahme komme deshalb kein Präventivcharakter zu, ist für die belangte Behörde aber "völlig unverständlich und würde in logischer Konsequenz auch zu einer Negierung der Strafzwecke (insbesondere Spezial- und Generalprävention) führen".

Mit diesen - angesichts des verlangten Verhaltens auch unter dem Gesichtspunkt der verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Verbot erzwungener Selbstbelastungen diskussionsbedürftigen - Ausführungen zeigt die belangte Behörde jedenfalls nicht auf, dass das Gesetz die Organe des Strafvollzuges zur Anordnung verpflichtender Harntests an Strafgefangenen, die keines Suchtgiftmissbrauchs verdächtig sind, ermächtige. Bedürfte es dazu - angesichts des mit einer solchen Anordnung verbundenen Eingriffes in das Grundrecht des Art. 8 Abs. 1 EMRK (vgl. dazu die Entscheidungen der EKMR vom 6. April 1994, Nr. 21132/93, und vom 9. September 1998, Nr. 34199/96) und des Fehlens einer eindeutigen gesetzlichen Anordnung im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift - noch eines besonderen Beweises, so wäre er in der von der belangten Behörde zitierten Vorschrift des § 102 Abs. 2 StVG zu sehen, wo u.a. die Modalitäten einer (bloßen) Durchsuchung eines Strafgefangenen bis ins Einzelne geregelt sind. Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten, was etwa eine Aufforderung zum völligen Entkleiden ohne Vorliegen eines "Gefährdungspotentials", das diese Intensität der Durchsuchung im Einzelfall rechtfertigt, nicht als gesetzmäßig erscheinen lässt (vgl. das noch zur Fassung der Vorschrift vor der Novelle BGBl. Nr. 763/1996 ergangene Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 97/20/0644; zu der für die Novelle vorbildhaften Regelung des § 40 Abs. 4 SPG das Erkenntnis vom 29. Juli 1998, Zlen. 97/01/0102, 0103). Die Vorstellung, derartige Eingriffe bedürften bei einem Strafgefangenen keiner besonderen Rechtsgrundlage, wäre mit Inhalt und Zweck des Strafvollzugsgesetzes nicht vereinbar (vgl. in diesem Zusammenhang § 22 Abs. 2 StVG und die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des StVG, 511 BlgNR 11. GP 39 f; Machacek in FS Pallin (1989) 221 ff; daran anknüpfend Pilgram/Stangl, ÖJZ 1995, 933 (938)).

1.4. Von der Frage der Rechtmäßigkeit der Anordnung ist aber - grundsätzlich - zu unterscheiden, ob der Beschwerdeführer wegen ihrer Nichtbefolgung bestraft werden konnte. Das Gesetz verlangt - mit den in § 26 Abs. 1 vorgesehenen Einschränkungen - vom Strafgefangenen auch die (vorläufige) Befolgung rechtswidriger Anordnungen und erklärt das Zuwiderhandeln gegen die genannte Vorschrift in § 107 Abs. 1 Z 10 StVG zur Ordnungswidrigkeit. Dies dient, wie in den Erläuterungen von 1967 ausgeführt wurde, der Aufrechterhaltung von "Zucht" und Ordnung (511 BlgNR 11. GP 54; vgl. zum Fehlen eines allgemeinen "Rechts auf Selbsthilfe durch Verweigerung des Gehorsams" aus der hg. Judikatur die Erkenntnisse vom 13. Oktober 1970, Zl. 825/70, vom 22. Oktober 1986, Zl. 85/01/0284, vom 29. Oktober 1986, Zlen. 86/01/0147-0149, und vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0047, jeweils Strafgefangene betreffend; in Bezug auf Untersuchungshäftlinge die Erkenntnisse vom 5. November 1986, Zl. 86/01/0091, und vom 29. November 1994, Zl. 94/20/0291). Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestrafung wegen Nichtbefolgung nicht besonders belastender, aber "überhaupt keine gesetzliche Deckung" findender Anordnungen im Falle eines Untersuchungshäftlings als willkürlich aufgehoben, sich dabei aber ausdrücklich darauf gestützt, dass Untersuchungshäftlinge nicht "alle jene Beschränkungen auf sich zu nehmen haben, denen Strafgefangene unterliegen" (Erkenntnis vom 12. Juni 1975, VfSlg 7561; vgl. dazu die Reformvorschläge von Schmoller, ÖJZ 1992, 212 (218 und 226)).

Zur Ausnahme für den Fall einer "offensichtlichen" Verletzung der Menschenwürde wurde in den Erläuterungen ausgeführt, damit werde dem Art. 3 EMRK Rechnung getragen (511 BlgNR 11. GP 54). Die Einschränkung auf "offensichtliche" Verletzungen blieb dabei unerörtert und wird insoweit, als die Schutzgüter des Art. 3 EMRK berührt sind, einer verfassungskonformen Interpretation bedürfen. In den Erläuterungen zur Strafvollzugsgesetznovelle 1996 wurde aber auch ausgeführt, es verstehe sich "von selbst, dass Achtung der Menschenwürde im vorliegenden Zusammenhang nicht bloß die Einhaltung des etwa durch Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgegebenen Mindeststandards, sondern ganz allgemein einen grundrechtskonformen Vollzug meint" (317 BlgNR 20. GP 8).

Es kann für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob diese die neu eingeführte Innenrevision gemäß § 14a StVG betreffenden Ausführungen (arg. "im vorliegenden Zusammenhang") zum Ausdruck bringen wollen, dass unter Wahrung der "Menschenwürde" an anderen Stellen des Gesetzes nur die Beachtung des erwähnten "Mindeststandards" zu verstehen sei. Der hier zu beurteilende Sachverhalt einer vom Strafgefangenen als erniedrigend empfundenen "Beobachtung des Harnausscheidevorganges" berührt nämlich den Kernbereich der persönlichen Intimsphäre. Unnötige Beeinträchtigungen in diesem Bereich werden vom Verfassungsgerichtshof, wie in der Beschwerde zutreffend dargelegt wird, als Verstoß gegen Art. 3 EMRK gewertet (vgl. etwa VfSlg 10661/1985, 10663/1985, 10837/1986, 10848/1986, 12258/1990, 12596/1991). Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem schon zitierten Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 97/20/0644, hervorgehoben, das gesetzliche Gebot eines "möglichst schonenden" Vorgehens bei einer mit einer Entblößung verbundenen Durchsuchung eines Strafgefangenen (sowie, nach den weiteren Ausführungen in diesem Erkenntnis, bei der Beurteilung der Frage, ob eine Entkleidung überhaupt geboten sei) "korrespondiere" mit dem in § 22 StVG verankerten subjektiven Recht des Strafgefangenen auf Achtung der Menschenwürde. Davon ausgehend genügt es im vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, dass die Praxis einer (noch dazu aus geringster Entfernung gepflogenen) "Beobachtung des Harnausscheidevorganges" durch Strafvollzugsbedienstete nach den Ausführungen der belangten Behörde in der Folge aufgegeben wurde, wobei diesen Ausführungen nicht zu entnehmen ist, dass die Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt darunter in erwähnenswerter Weise gelitten hätten. Da die erwähnte Praxis somit - jedenfalls - nicht nötig war und der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, eine unnötige "Beobachtung" bei derartigen Verrichtungen sei nicht erniedrigend, nicht teilt, verstößt die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Weigerung, sich dieser Prozedur zu unterziehen, gegen das Gesetz. Dass der - des Suchtgiftmissbrauchs nicht verdächtige - Beschwerdeführer dazu aufgefordert und wegen der Nichtbefolgung der Aufforderung ein Ordnungsstrafverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, bevor über seine Beschwerde vom 23. Juni 1997 auch nur in erster Instanz entschieden war und ohne dass er eine Antwort auf sein Schreiben vom 7. Juli 1997 erhalten hatte, kommt - nicht mehr entscheidend - hinzu und trägt gleichfalls dazu bei, dass der Beschwerdeführer das Festhalten an der von ihm kritisierten Vorgangsweise und den Versuch, ihn mit den Mitteln des Ordnungsstrafverfahrens zur Unterwerfung unter diese Vorgangsweise zu zwingen, als Missachtung seiner Person und Herabwürdigung zum Objekt empfinden konnte.

Der erstangefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im Umfang der Anfechtung (d.h. mit Ausnahme des Kostenpunktes, weil der Administrativbeschwerde von der belangten Behörde in diesem Punkt Folge gegeben wurde) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2. Zum Entzug der Vergünstigung:

2.1. Die im Zusammenhang mit dem zweitangefochtenen Bescheid der belangten Behörde maßgeblichen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes lauten:

"Vergünstigungen

§ 24. (1) Einem Strafgefangenen, der erkennen lässt, dass er an der Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges mitwirkt, sind auf sein Ansuchen geeignete Vergünstigungen zu gewähren. ...

(3) Über die Gewährung, Beschränkung und Entziehung von Vergünstigungen hat unbeschadet der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes über das Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten und bei Beschwerden der Anstaltsleiter zu entscheiden. ...

(4) Soweit ein Strafgefangener die ihm gewährten Vergünstigungen missbraucht oder sonst die Voraussetzungen, unter denen sie gewährt worden sind, nachträglich wieder wegfallen, sind die Vergünstigungen zu beschränken oder zu entziehen.

Strafen für Ordnungswidrigkeiten

§ 109. Als Strafen für Ordnungswidrigkeiten kommen nur eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen in Betracht:

1.

der Verweis;

2.

die Beschränkung oder Entziehung von Vergünstigungen;

3.

die Beschränkung oder Entziehung der Rechte auf Verfügung über das Hausgeld (§ 54), Fernsehempfang (§ 58), Briefverkehr (§ 87), Besuchsempfang (§ 93) oder Telefongespräche (§ 96a);

4.

die Geldbuße;

5.

der Hausarrest.

Beschränkung oder Entziehung von Vergünstigungen

§ 111. Vergünstigungen dürfen höchstens für die Dauer von drei Monaten beschränkt oder entzogen werden. Mit dem Ablauf der Zeit der Beschränkung oder Entziehung können sie unter den sonst erforderlichen Voraussetzungen (§ 24) wieder ohne die angeordnete Beschränkung oder von neuem erworben werden."

2.2. Bei dieser Rechtslage kommt es auf die für die Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides maßgeblichen Überlegungen bei der Entscheidung über den zweitangefochtenen Bescheid nicht an. Es braucht auch nicht darauf eingegangen zu werden, ob dem Beschwerdeführer - wie er behauptet - auch die "Ausspeissperre" bei ihrer mündlichen Verkündung als "Strafe" dargestellt wurde und ob er an einer Strafzumessung, wonach "mit der verhängten Strafe" eines Verweises "gerade noch das Auslangen gefunden" werden könne, beim gleichzeitigen Entzug einer Vergünstigung mit der "Begründung: ordnungswidriges Verhalten" nicht in jedem Fall Anstoß nehmen musste.

Die Beschränkung oder Entziehung von Vergünstigungen ist als Strafe bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten in § 109 Z 2 StVG ausdrücklich vorgesehen und in § 111 StVG u.a. insofern näher geregelt, als die Dauer einer solchen Maßnahme ein Höchstmaß von drei Monaten nicht überschreiten darf. Wenn die Dienstverfügung Nr. 21/96 des hier betroffenen Anstaltsleiters vorsieht, dass im Falle eines positiven Harntests "im Ordnungsstrafverfahren ... etwaige ... Vergünstigungen für die Dauer bis zu 6 Monaten zu streichen" sind und damit, wie es den Anschein hat, die formularmäßig vorgesehenen Verfügungen des Strafreferates "im administrativen Weg" gemeint sind, so deutet dies darauf hin, dass in den allgemein gehaltenen Voraussetzungen für die Gewährung und den Entzug von Vergünstigungen die Möglichkeit gesehen wird, bei einer Vermeidung des in § 109 Z 2 StVG für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten vorgezeichneten Weges nicht nur das in § 116 StVG vorgeschriebene Verfahren, sondern auch die zeitliche Begrenzung in § 111 StVG außer Betracht zu lassen. Dem gegenüber ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, dass der "strafweise" Entzug von Vergünstigungen außerhalb des dafür vorgesehenen Verfahrens von vornherein nicht rechtmäßig ist. Dass es sich im vorliegenden Fall um nichts anderes handelte, bedarf in Bezug auf die erstinstanzliche Verfügung ("Begründung: ordnungswidriges Verhalten") keiner näheren Erläuterung. Der Verwaltungsgerichtshof kann aber auch nicht finden, dass es im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde "einer rechtschaffenen Lebenseinstellung" widerspricht, sich einer "Beobachtung des Harnausscheidevorganges" zu entziehen, und es daher sachlich geboten war, dem Beschwerdeführer aus anderen Gründen als zum Zwecke seiner Disziplinierung wegen der ihm angelasteten Ordnungswidrigkeit eine mit dieser in keinem Zusammenhang stehende, Aufbesserungen seiner Ernährung aus Mitteln des Eigengeldes betreffende Vergünstigung zu entziehen. Am rein pönalen Charakter dieses Vorgehens ist auch im Hinblick auf die einer Strafzumessung entsprechende, auf das geahndete Verhalten bezogene Einschätzung des "verfügten Ausmaßes" als "angemessen" in den Ausführungen der belangten Behörde nicht zu zweifeln.

Der zweitangefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den beantragten Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999200261.X00

Im RIS seit

05.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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