TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/27 97/08/0651

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2001
beobachten
merken

Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §18a Abs1 idF 1990/294 ;
ASVG §18a Abs3 idF 1990/294;
ASVG §18a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 11, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 29. Oktober 1997,  Zl. 120.368/5-7/97, betreffend Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG (mitbeteiligte Partei: C in M, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei C Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 5. Oktober 1990 lehnte die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Mitbeteiligten auf Selbstversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Sohnes ab.

Nach der Begründung befinde sich der im Jahre 1973 geborene Sohn von Montag bis Freitag in Pflege des Elisabethinums. Aus diesem Grund werde die Arbeitskraft der Antragstellerin für die Pflege ihres behinderten Kindes nicht gänzlich in Anspruch genommen.

Mit Bescheid vom 29. November 1996 gab der Landeshauptmann von Tirol dem Einspruch der Mitbeteiligten Folge und führte in seiner Begründung im Wesentlichen aus, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt eine Beanspruchung der Mitbeteiligten aufgrund der Pflege ihres Sohnes ergebe, die die Aufnahme einer für eine eigenständige Alterssicherung erforderliche Erwerbstätigkeit sicher ausschließe und somit einer gänzlichen Beanspruchung ihrer Arbeitskraft gleichzusetzen sei.

Der von der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt gegen den Einspruchsbescheid erhobenen Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid teilweise Folge gegeben und in Abänderung des Einspruchsbescheides festgestellt, dass die Mitbeteiligte in der Zeit von 1. August 1989 bis 31. Jänner 1994 zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG berechtigt sei.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung folgenden, von der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt unbestrittenen Sachverhalt zugrunde (Schreibweise wie im Original):

"Unbestritten ist, dass (die Mitbeteiligte) und Alexander P. (der Sohn der Mitbeteiligten) im gemeinsamen Haushalt leben. (Die Mitbeteiligte) hat ihren Wohnsitz im Inland. Weiters bezieht der Vater von Alexander P. zumindest seit 1.01.1988 bis mindestens 31.01.1994 erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 FLAG.

Der am 27.05.1973 geborene Alexander P. ist Spastiker.

Alexander P. war in der Zeit vom 17.4.1979 bis 9.7.1993 im Elisabethinum Axams untergebracht. Dort besuchte er den Kindergarten in der Zeit von 17.1.1979 bis Juli 1979, die Pflichtschule in der Zeit von September 1979 bis Juli 1990, die Schule und die Kreative Arbeitsgruppe im Schuljahr 1990/91 und schließlich die Kreative Arbeitsgruppe in den Jahren 1991/92 und 1992/93. Alexander P. war internatsmäßig im Elisabethinum von Montag 8.00 Uhr bis Freitag 15.00 Uhr aufhältig. Während der Wochenenden, der gesetzlichen Schulferien (13 Wochen) und wenn Alexander P. krank war, wurde er zu Hause betreut.

Seit 6.9.1993 ist Alexander P. im Zentrum St. Franziskus untergebracht. Das Zentrum St. Franziskus ist ein Wohnheim für behinderte Menschen mit angeschlossenen Werkstätten. Alexander P. wird während der Wochenenden, während des Urlaubes und in Krankheitsfällen zu Hause betreut.

Dem ärztlichen Gutachten vom 20.8.1990 zufolge ist im Wesentlichen folgender Befund zu entnehmen:

Alexander P. besitzt keine Gehfähigkeit, kann mit Geld nicht umgehen, ist fremder Hilfe bedürftig beim Zubereiten der Nahrung, beim Essen, beim Ankleiden, beim Aufstehen aus dem Bett, beim Benützen der Toilette, beim Waschen der Wäsche, beim Frisieren, beim Rasieren, beim Lagern zur Nachtruhe, bei der Wohnungsreinigung, beim Einkaufen, beim Wäsche waschen. Die Diagnose lautet auf schwere cerebrale Bewegungsstörungen (Ataxie mit Diplegie).

Einem Schreiben des Seraphischen Liebeswerkes in Axams vom 15.8.1997 lässt sich Folgendes entnehmen:

'Alexander ist zeitweise psychisch sehr instabil und befindet sich während solcher Phasen in recht verwirrtem Zustand. Während dieser Zeiten darf er beinahe nie allein gelassen werden, was bedeutet, dass der Betreuungsaufwand sehr groß ist.

Alexander hat ein Blasenleiden und muss zweimal am Tag kathederisiert werden. Speisen, die aufgeschnitten zum Tisch gebracht werden, kann Alexander mit dem Löffel alleine essen. Während seiner schlechten physischen Phasen muss ihm das Essen jedoch eingegeben werden. Alexander kann nicht allein aus dem Bett in den Rollstuhl steigen und kann sich auch nicht selbständig außer Haus fortbewegen.'

Alexander P. bedarf der ständigen persönlichen Hilfe und Wartung."

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde, gestützt unter anderem auf die Gesetzesmaterialien zur 44. ASVG-Novelle, die Auffassung, dass im Beschwerdefall die gesetzliche Vermutung des § 18a Abs. 3 ASVG zum Tragen komme, nämlich dass es der Mitbeteiligten auch in der ihr verbleibenden freien Zeit (in der sich Alexander P. im Elisabethinum bzw. St. Franziskus Heim befindet) kaum möglich wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und dadurch für eine eigenständige Alterssicherung vorzusorgen, da die Ausübung einer Erwerbstätigkeit grundsätzlich nur dann als zumutbar gelte, wenn neben ihrer Ausübung genügend Zeit zur Erholung zur Verfügung stehe. In diesem Zusammenhang verwies die belangte Behörde insbesondere auf die arbeitsrechtlichen Vorschriften betreffend Arbeitsruhe und Urlaub. Die Mitbeteiligte leiste an den Wochenenden, in den Ferien und Krankheitsfällen dasjenige Maß an Arbeit, das ihr zuzumuten sei. Ein "pausenloser" Einsatz (Erwerbstätigkeit alternativ zur Pflegetätigkeit, wobei die Ferien- und Krankheitsproblematik ausgespart bleibe) könne nicht als vom Gesetz gefordert anerkannt werden. Dem von der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt erhobenen Einwand, "es könne nicht davon gesprochen werden, dass die Arbeitskraft der Mitbeteiligten gänzlich durch den vom Gesetz geforderten ständigen Hilfeleistungsbedarf in Anspruch genommen werde, weil das Kind lediglich an den Wochenenden bzw. in den Schulferien - wie jedes andere Kind - zu Hause sei", hielt die belangte Behörde entgegen, dass Alexander P. eben nicht wie jedes Kind zu behandeln sei. Andere Behauptungen würden in Anbetracht der Sachverhaltsfeststellungen, welche die Behinderung des Alexander P. veranschaulichen, merkwürdig erscheinen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt lässt zwar in ihrer Beschwerde unbestritten, dass Alexander P. unter einer schweren cerebralen Bewegungsstörung leidet und ständiger Wartung und Hilfe bedarf, bringt aber im Wesentlichen vor, dass es nicht im Sinne des Gesetzgebers gelegen sein könne, dass der Tatbestand der "ständigen persönlichen Hilfe und Wartung", deren das behinderte Kind bedarf, von der pflegenden Person losgelöst betrachtet werde. Vielmehr könne im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, dass sich die Mitbeteiligte ausschließlich und allein der Pflege ihres Kindes widme, womit ihre Arbeitskraft gänzlich beansprucht werde.

Der durch die 44. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 609/1987, eingeführte § 18a ASVG lautet in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung auszugsweise:

"§ 18 a. (1) Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird (Abs. 3), können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

...

(3) Eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 liegt vor, solange das behinderte Kind

1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,

2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,

3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 30. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf.

..."

Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage nimmt die Frage der pensionsversicherungsrechtlichen Berücksichtigung der Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes durch einen Elternteil ihren Ausgang von der Tatsache, dass die Mutter bzw. der Vater eines solchen Kindes (in der Regel wird es die Mutter sein), sofern sie bzw. er sich ausschließlich und allein seiner Pflege widmet, aus diesem Grund nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und damit auch nicht für eine eigenständige Alterssicherung vorsorgen kann. Für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung kommen alle jene Personen in Betracht, die sich der Pflege eines behinderten Kindes, das nicht älter als 27 Jahre (seit der Novelle BGBl. Nr. 294/1990: 30 Jahre) ist, widmen, für das erhöhte Kinderbeihilfe nach § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, und deren Arbeitskraft als Folge der Pflege zur Gänze in Anspruch genommen ist. Bei Zutreffen der Voraussetzungen des Abs. 3 des neuen § 18a ASVG gilt die gesetzliche Vermutung, der zu Folge die Arbeitskraft der Pflegeperson durch die Pflege auf jeden Fall gänzlich in Anspruch genommen ist. Die Aufzählung ist taxativ, sodass es daneben keine Fälle gibt, die zur Stellung eines Antrages auf eine Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG berechtigen. Sinn dieser Regelung ist es, den Antragsteller davon zu befreien, im Einzelfall nachweisen zu müssen, dass seine Arbeitskraft durch die Pflege des behinderten Kindes zur Gänze beansprucht wird. Dies könnte vor allem dann auf Schwierigkeiten stoßen, wenn eine Pflegeperson neben der Betreuung eines behinderten Kindes noch weitere Kinder versorgt und betreut bzw. den Haushalt führt. Gemäß § 18a Abs. 3 ASVG sind dies die Pflegefälle, in denen das behinderte Kind das sechste Lebensjahr noch nicht erreicht hat (Z. 1), wenn es älter ist, während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht (9 Schuljahre nach Beginn der allgemeinen Schulpflicht), sofern das Kind wegen Schulunfähigkeit von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf (Z. 2) bzw. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 27. Lebensjahres (seit der Novelle BGBl. Nr. 294/1990: 30 Jahre), wenn das Kind dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf (Z. 3). Die zuletzt genannten Kriterien decken sich im Wesentlichen mit den Voraussetzungen, die nach den einzelnen Sozialhilfe- und Behindertengesetzen der Länder für den Anspruch auf die höchste Stufe des Pflegegeldes erforderlich sind (vgl. 324 BlgNR. 17. GP., Seite 24 f).

Vor diesem Hintergrund hatte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0353, über den Fall eines zufolge einer Hörbehinderung in seiner Kommunikationsfähigkeit gestörten Kindes zu entscheiden, das - vergleichbar mit dem vorliegenden Sachverhalt - ab Montag

7.30 Uhr bis Freitag mittags, außer in den gesetzlichen Schulferien und im Krankheitsfall, internatsmäßig untergebracht war. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in diesem Fall folgende Auffassung:

"Unabhängig von der Frage, ob das Kind in diesem Zeitraum gemäß § 18a Abs. 1 ASVG im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin lebte, kann im Hinblick auf den in den Erläuternden Bemerkungen zum Ausdruck kommenden Zweck der Regelung nicht davon gesprochen werden, dass sich die Beschwerdeführerin in diesem Fall ausschließlich und allein der Pflege ihres Kindes widmete, womit ihre Arbeitskraft gänzlich beansprucht wurde. Dass das behinderte Kind in den Ferien bzw. im Krankheitsfalle unter Umständen ihrer Hilfe bedurfte, führte nicht zu einem Ausschluss jeglicher Erwerbstätigkeit."

Dabei stellte der Verwaltungsgerichtshof insbesondere auf die Behinderung des Kindes (hochgradige irreparable sensoneurale Hörschädigung) ab und hob den bekämpften Bescheid betreffend Zeiten, in denen das Kind tagsüber eine Sonderschule besuchte, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil insbesondere nicht im Wege eines Sachverständigengutachten geklärt gewesen war, ob unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches erforderlich war und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt und gefährdet wäre, worauf es nach diesem Erkenntnis somit entscheidend ankommt.

In seinem Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 99/08/0053, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass der Gesetzgeber - freilich in typisierender Weise - davon ausgehe, dass der Bedarf eines behinderten Kindes nach persönlicher Betreuung durch einen Elternteil im Verhältnis zur Betreuungstätigkeit durch Dritte variabel sei und vom Alter des Kindes in Kombination mit der Schwere der Behinderung abhänge. Dabei sei auch eine angemessene Zeit der Erholung und Regeneration von der Pflegeleistung in Rechnung zu stellen, worauf jedoch schon der Gesetzgeber, wie sich aus der typisierenden Gesetzestechnik ergibt, in abschließender Weise Bedacht genommen habe, ohne dass der Erholungsbedarf der betreuenden Person im Einzelfall gesondert (dh neben den Voraussetzungen des § 18a Abs. 3 ASVG) zu prüfen wäre, solange das behinderte Kind tatsächlich mit der Pflegeperson im gemeinsamen Haushalt lebt.

Diese Vorjudikatur zeigt, dass der Verwaltungsgerichtshof stets die Auffassung vertreten hat, dass der Gesetzgeber es offenbar bewusst bei der die Kriterien der Inanspruchnahme der Arbeitskraft sehr formalisiert umschreibenden Regelung in § 18a Abs. 3 ASVG bewenden ließ. Der Gesetzgeber hat damit zwar einerseits entsprechende Unschärfen in den Anspruchsvoraussetzungen in Kauf genommen, andererseits aber auch die Möglichkeit einer begünstigten Selbstversicherung mit dem 30. Lebensjahr des Kindes begrenzt. Eine solche Regelungstechnik - die freilich den Vorteil der leichteren Handhabbarkeit für sich hat - bringt es zwangsläufig mit sich, dass die im Einzelfall trotz der Pflege allenfalls für die Pflegeperson gegebene Möglichkeit, eine die Pensionsversicherungspflicht begründende Teilzeitbeschäftigung einzugehen, ebenso unberücksichtigt bleiben muss, wie das ausnahmsweise, die Aufnahme einer Beschäftigung hindernde Fortbestehen eines an die bisherige Pflegeperson gebundenen Pflegebedarfs über das 30. Lebensjahr des Kindes hinaus. Der Gesetzgeber wollte bewusst - wie auch die Materialien zeigen - eine (weil unter Außerachtlassung der emotionalen Seite stattfindende und daher für die Pflegeperson mitunter auch entwürdigende) Untersuchung der Frage der Zumutbarkeit der Aufnahme einer Beschäftigung vor dem Hintergrund der rein zeitlichen Dimension der Inanspruchnahme vermeiden. Statt dessen hat der Gesetzgeber an der Schwere der Behinderung allein und typisierend angeknüpft und das Ausmaß der (psychischen und physischen) Belastung der Pflegeperson als eine Reflexwirkung der Schwere der Behinderung verstanden wissen wollen. Diesen Zusammenhang sieht das Gesetz nur in dem Falle als gelöst an, in dem von einem gemeinsamen Haushalt nicht mehr gesprochen werden kann und somit - wenn auch hier wieder in typisierender Weise - feststeht, dass Pflegeleistungen tatsächlich nur in einem untergeordneten Ausmaß persönlich erbracht werden.

Ohne dass die konkrete zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege daher einer gesonderten Untersuchung bedürfte, liegen die Voraussetzungen des § 18a ASVG lediglich dann nicht vor, wenn das - in einem dem Gesetz entsprechenden Ausmaß behinderte - Kind in einem solchen zeitlichen Ausmaß in einer Einrichtung untergebracht ist, dass von einem gemeinsamen Haushalt mit dem Elternteil, der sich in der verbleibenden Zeit seiner Pflege widmet, nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 21. September 1999).

Davon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Der Sohn der Mitbeteiligten leidet nach den zwischen den Parteien nicht strittigen Feststellungen der belangten Behörde an einer so schweren Behinderung, dass eine Betreuung "rund um die Uhr" erforderlich ist; er ist zwar von Montag früh bis Freitag Nachmittag internatsmäßig untergebracht, wird aber an den Wochenenden, den Ferien (die in diesem Fall über das gesetzliche Maß hinaus gehen) sowie im jederzeit unvorhersehbaren Krankheitsfall von der Mitbeteiligten zu Hause betreut. In dieser Zeit benötigt Alexander P., wie die unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen zeigen, nicht nur - wie im Falle des Vorerkenntnisses vom 17. Dezember 1991 - "unter Umständen", sondern ständig der persönlichen Hilfe und Wartung. Anders als beispielsweise bei einer ganzjährigen Unterbringung, bei der ein Schwerstbehinderter lediglich fallweise von seinen Eltern besucht bzw. nach Hause genommen wird, ist im vorliegenden Fall von der Mitbeteiligten eine die Arbeitskraft gänzlich beanspruchende Pflegeleistung zu erbringen. Diese Pflege wird nur in jenen Wochen, in denen Alexander P. in der Einrichtung untergebracht ist, für jeweils ungefähr viereinhalb Tage unterbrochen.

Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Arbeitskraft der Mitbeteiligten durch ein den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 ASVG entsprechendes Betreuungserfordernis zur Gänze in Anspruch genommen ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf Ersatz von Stempelgebühren gerichtete Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war in Hinblick auf die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Gebührenbefreiung gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 27. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997080651.X00

Im RIS seit

28.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten