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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1152;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/08/0161 E 27. Juli 2001Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. F in Z, vertreten durch Dr. Franz Wielander, Rechtsanwalt in 3950 Gmünd, Walterstraße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. August 1999, Zl. GS8-7953/3-1999, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Niederösterreich Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Dr. Karl-Renner-Promenade 14- 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist ein öffentlicher Notar. Das Dienstverhältnis der von ihm beschäftigten Notariatsangestellten wird durch den Kollektivvertrag vom 22. November 1996 für Angestellte in Notariatskanzleien aller im Sprengel der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland beschäftigten Notariatsangestellten geregelt. In diesem Kollektivvertrag (Punkt VII.) ist das Entgelt für die in Ortsklassen und Berufsgruppen einzuteilenden Notariatsangestellten festgelegt.
Die mitbeteiligte Partei führte beim Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. Juni 1994 bis 30. September 1996 eine Beitragsprüfung durch. Hiebei wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer einigen Notariatsangestellten nicht das im Kollektivvertrag vorgesehene Entgelt bezahlte, sondern das im jeweiligen Dienstvertrag vereinbarte niedrigere. Hinsichtlich der daraus resultierenden Differenzen wurde eine Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen und sonstigen Umlagen vorgenommen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, die aus Anlass der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse durchgeführten Beitragsprüfung vorgenommene Beitragsnachverrechnung von Krankenversicherungs-, Unfallversicherungs-, Pensionsversicherungs- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen, Zuschlägen zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden Anteil des Arbeitslosenversicherungsbeitrages nach § 12 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz 1977 und Arbeiterkammerumlagen für den Zeitraum 1. Juni 1994 bis 30. September 1996 von S 79.217,99 zu bezahlen.
In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens festgehalten, dass der - eingangs dargelegte - Sachverhalt unstrittig sei und lediglich über die daraus resultierenden Rechtsfolgen Uneinigkeit bestehe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (als Beispiel für viele werden vier Erkenntnisse angeführt) sei für die Berechnung der Beiträge nach § 44 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 ASVG nicht lediglich das tatsächlich gezahlte Entgelt (Geld- und Sachbezüge) maßgebend, sondern, wenn es das tatsächlich gezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch bestehe. Der Beitragsvorschreibung sei daher in diesem Fall der nach dem Kollektivvertrag gebührende Lohn zu Grunde zu legen, auch wenn dieser vom Dienstnehmer nicht geltend gemacht worden und verfallen sei. § 44 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 ASVG stellten für den Fall, dass das tatsächlich gezahlte Entgelt geringer sei als jenes, worauf Anspruch bestehe, auf den "Anspruchslohn" ab.
Nach § 11 Abs. 1 Arbeitsverfassungsgesetz seien die Bestimmungen des Kollektivvertrages, soweit sie nicht die Rechtsbeziehungen zwischen den Kollektivvertragsparteien regeln, innerhalb seines fachlichen, räumlichen und persönlichen Geltungsbereiches unmittelbar rechtsverbindlich. Die Bestimmungen des "Mindestlohntarifes" des Kollektivvertrages für Angestellte in Notariatskanzleien würden Mindestlöhne vorsehen, die im jeweiligen Beitragszeitraum im Sinne des § 44 Abs. 1 ASVG gebührten.
Die Angestellten des Beschwerdeführers würden der Arbeitslosenversicherung unterliegen. Nach § 4 Abs. 1 AMPFG gelten für den Arbeitslosenversicherungsbeitrag und für den Sonderbeitrag die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung über den Abzug des Versicherungsbeitrages vom Entgelt. Nach § 5 leg. cit. seien die Beiträge durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gemeinsam mit dem Beitrag zur Krankenversicherung einzuheben. Für diese Beiträge gälten die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung über die Berechnung, Fälligkeit, Einzahlung, Eintreibung, Beitragszuschläge, Sicherung, Verjährung und Rückforderung der Pflichtbeiträge entsprechend, soweit sich aus bundesgesetzlichen Vorschriften nichts Abweichendes ergäbe. Da sich aus solchen Vorschriften nichts Abweichendes im Sinne des § 5 leg. cit. ergäbe, sei die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zuständige Behörde für die Erlassung des angefochtenen Bescheides auch hinsichtlich des Arbeitslosenversicherungsbeitrages gewesen.
Nach § 61 Abs. 4 Arbeiterkammergesetz 1992 hätten die mit der Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung befassten Sozialversicherungsträger die Arbeiterkammerumlage für die bei ihnen versicherten kammerzugehörigen Arbeitnehmer von den Arbeitgebern einzuheben und an die zuständige Arbeiterkammer abzuführen. Im Übrigen gälten für die Leistung, Erbringung und Rückzahlung der Umlage sowie hinsichtlich der Verzugszinsen die Bestimmungen über die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei daher auch hinsichtlich der Arbeiterkammerumlage zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig gewesen.
Nach § 12 Abs. 4 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz 1977 finde für die Einhebung und Abfuhr des Zuschlages § 5 AMPFG Anwendung. Damit sei die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auch zur Erlassung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich dieser Zuschläge zuständig gewesen.
(Es folgt eine - in der Beschwerde nicht bekämpfte - detaillierte Berechnung der nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Zuschläge).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer bekämpft die Rechtsauffassung der Instanzen, für die Bemessung der Beiträge sei nicht lediglich der vereinbarte und tatsächlich gezahlte Lohn maßgebend, sondern, wenn er den vereinbarten und tatsächlich gezahlten Lohn übersteige, der Lohn laut Kollektivvertrag. Der Beschwerdeführer meint, aus der Formulierung im § 49 Abs. 1 ASVG, auf die der "pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat", müsse abgeleitet werden, dass sich der Anspruch aus dem Dienstverhältnis und nicht aus einem Kollektivvertrag ergäbe. Aus der weiteren Formulierung in der genannten Bestimmung, "die der Dienstnehmer darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber oder von einem Dritten erhält" ergäbe sich eindeutig, dass unter Entgelt immer nur das im Einzelfall tatsächlich vom Dienstgeber ausbezahlte und mit dem Dienstnehmer vereinbarte Entgelt zu verstehen sei. Zur Stütze dieser seiner Thesen beruft sich der Beschwerdeführer auch auf die Bestimmungen der §§ 3 und 12 Arbeitsverfassungsgesetz sowie der Verjährungsbestimmungen des § 1486 ABGB und § 68 ASVG. Schließlich liege nach Auffassung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Arbeitslosenversicherungsbeitrages, der Arbeiterkammerumlage und der Insolvenzentgeltsicherung ein Begründungsmangel im Sinne der §§ 58 Abs. 2, 60 AVG vor, weil die belangte Behörde nicht ausgeführt habe, auf Grund welcher Bestimmungen die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse über diese Ansprüche absprechen könne.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Mit seinen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer völlig die Rechtslage: Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 leg. cit. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt nach § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6. Gemäß § 49 Abs. 1 leg. cit. (eine Anwendung der Abs. 3, 4 und 6 scheidet im Beschwerdefall aus) sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Für die Bemessung der Beiträge ist demnach nicht lediglich das tatsächlich gezahlte Entgelt (Geld- und Sachbezüge) maßgebend, sondern, wenn es das tatsächlich gezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch bestand (vgl. hiezu zusätzlich zu den von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnissen aus der insoweit einhelligen ständigen Judikatur etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 1984, 81/08/0211, vom 24. November 1992, 91/08/121, und vom 30. Mai 2001, 95/08/0301, sowie aus der Literatur etwa Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis, Seite 123, und Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, Seite 196f). Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen (vgl. hiezu zusätzlich etwa die Erkenntnisse vom 3. Juli 1990, 88/08/138, und vom 5. März 1991, 88/08/0239). Das Entgelt und die Entgelthöhe richten sich im Arbeitsverhältnis gemäß § 1152 ABGB primär nach der Vereinbarung. Die Bestimmungsfaktoren des § 1152 ABGB weichen aber dem zwingenden Recht, also dem Kollektivvertrag, der Satzung, dem Mindestlohntarif und der Betriebsvereinbarung. Die im Kollektivvertrag festgelegten Löhne und Gehälter sind Mindestentgelte. Verstößt eine Vereinbarung des Dienstvertrages gegen eine Norm kollektiver Rechtsgestaltung, so ist sie insoweit (teil-) nichtig. An die Stelle der nichtigen Lohnabrede tritt der Lohnsatz der kollektiven Rechtsquelle (vgl. zusätzlich zu den oben zitierten hg. Erkenntnissen etwa auch das Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, 90/08/0190, Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht, 7. Auflage, 365 ff, Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht II, 3. Auflage, Seite 119 f, und OGH in Arb 10.030).
Der belangten Behörde ist daher bei Auslegung der §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG keine Rechtswidrigkeit des Inhaltes unterlaufen. Zu dem vom Beschwerdeführer geradezu mutwillig behaupteten Begründungsmangel hinsichtlich der Zuständigkeit der Gebietskrankenkasse zur Entscheidung über die Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die Arbeiterkammerumlage und die Beiträge nach dem Insolvenzentgeltsicherungs-Gesetz genügt es, auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen. Die vom Beschwerdeführer vermissten Begründungen sind auf den Seiten 7-9 des angefochtenen Bescheides nachzulesen.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Gebietskrankenkasse steht kein Ersatz des Schriftsatzaufwandes zu (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 30. Mai 2001, 95/08/0301). Ihr Kostenbegehren war daher abzuweisen.
Wien, am 27. Juli 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999080148.X00Im RIS seit
28.12.2001