TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/27 2001/08/0069

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Veröffentlicht am 27.07.2001
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1297;
ABGB §1313a;
ASVG §33;
ASVG §34;
ASVG §35 Abs3;
ASVG §67 Abs10;
AVG §45 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Mag. Martin Kranich, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 68, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. März 2001, Zl. MA 15-II-R 3/2001, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gem. § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.500,--

binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verpflichtete den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 5. August 1997 gem. § 67 Abs. 10 ASVG als Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H., die auf dem Konto dieser Gesellschaft als Beitragsschuldnerin aushaftenden, uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von S 6.684,29 zuzüglich Verzugszinsen seit 23. Juli 1997 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG ergebenden Höhe, berechnet von

S 6.007,80 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde zunächst mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Oktober 1997 abgewiesen; nach Aufhebung dieses Bescheides im Gefolge des Erkenntnisses eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192, mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2000, Zl. 97/08/0644, wies die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Ersatzbescheid den Einspruch des Beschwerdeführers neuerlich ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gem. § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Handelsgesellschaft, offene Erwerbsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Kommandit-Erwerbsgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

1.1. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zl. 98/08/0191, 0192, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen und näher begründet, die Inanspruchnahme der Haftung der im § 67 Abs. 10 ASVG genannten Personen setze voraus, dass diese ihnen sozialversicherungsrechtlich auferlegte Verpflichtungen verletzt haben. Im genannten Erkenntnis sind als solche Verpflichtungen jene zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge iS des § 114 Abs. 2 ASVG und die - wegen der sich gemäß § 9 VStG auch an Vertreter richtenden verwaltungsstrafrechtlichen Sanktion - Auskunfts- und Meldepflichten iS des § 111 Abs. 1 iVm §§ 33 ff ASVG genannt. Im letztgenannten Fall sind unter Bevollmächtigten iSd § 35 Abs. 3 bzw § 36 Abs. 2 ASVG zwar gewillkürte Vollmachtsträger zu erstehen, auf die der Dienstgeber die ihm gem. den §§ 33 und 34 ASVG obliegenden Meldepflichten (An- und Abmeldung der Pflichtversicherten, Meldung von Änderungen) übertragen hat und die dem Versicherungsträger bekannt gegeben worden sind; der in § 111 ASVG sanktionierte Straftatbestand richtet sich jedoch bei juristischen Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes oder eingetragenen Erwerbsgesellschaften im Falle, dass solche Bevollmächtigte nicht bestellt sind, gem. § 9 VStG an zur Vertretung nach außen berufene Personen. Für diesen Fall kann also § 111 ASVG iVm § 9 VStG eine Handlungspflicht gesetzlicher Vertreter iZm den in den §§ 33 und 34 ASVG normierten Melde- und Auskunftspflichten insoweit entnommen werden, als die Verletzung dieser Pflichten, wie in § 111 ASVG umschrieben, verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert ist. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher - sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Beitragsforderung kausal ist - zu einer Haftung gem § 67 Abs. 10 ASVG führen. Im Übrigen normiert weder § 67 Abs. 10 ASVG noch eine andere Bestimmung dieses Gesetzes spezifische sozialversicherungsrechtliche, gegenüber der Gebietskrankenkasse bestehende Verpflichtungen des Vertreters einer juristischen Person, wie dies etwa in § 80 Abs. 1 BAO für das Abgabenrecht angeordnet ist.

1.2. Im vorliegenden Beschwerdefall besteht kein Streit darüber, dass die Haftungssumme von S 6.684,29 (zuzügl. Verzugszinsen seit 23. Juli 1997 berechnet von S 6.007,80) aus einer Beitragsnachverrechnung stammt, die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse für den Monat Dezember 1995 erstellt worden ist. Strittig ist, ob dem Beschwerdeführer eine Meldepflichtverletzung im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates zur Last liegt.

1.3. Zu der - im vorliegenden Beschwerdefall danach entscheidenden - Frage, wann ein Meldeverstoß verschuldet ist, liegt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit § 68 Abs. 1 ASVG (Verlängerung der Verjährungsfrist bei verschuldeten Meldeverstößen) bereits vor. Unter Heranziehung der Vorjudikatur und der Literatur hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Frage im Erkenntnis vom 22. März 1994, Slg. Nr. 14020/A, in umfassender Weise auseinandergesetzt und ist zu folgenden - auch im hier maßgebenden Zusammenhang wesentlichen -

Ergebnissen gelangt:

1.3.1. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muss und den Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat. Den Meldepflichtigen trifft aber keine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für die richtige Gesetzeskenntnis; erforderlich ist vielmehr eine Vorwerfbarkeit der Rechtsunkenntnis. Dies bedeutet, dass ein Meldepflichtiger, der nicht über alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verfügt, nicht schon deshalb exkulpiert ist, weil er sich mit der strittigen Frage ohnedies, wenn auch nur auf Grund seiner eingeschränkten Kenntnisse, auseinandergesetzt hat und dementsprechend vorgegangen ist. Einen solchen Meldepflichtigen trifft vielmehr eine Erkundigungspflicht, sofern er seine - objektiv unrichtige - Rechtsauffassung nicht etwa auf höchstgerichtliche (und erst später geänderte) Rechtsprechung oder bei Fehlen einer solchen auf eine ständige Verwaltungsübung zu stützen vermag. Im Rahmen dieser Erkundigungspflicht ist der Meldepflichtige gehalten, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewissheit zu verschaffen, sowie bei widersprüchlichen Rechtsauffassungen sich mit Gewissenhaftigkeit mit dem Für und Wider eingehend auseinanderzusetzen. Die Erkundigungspflicht wird aber nur ausgelöst, wenn der Meldepflichtige nach dem von ihm zu fordernden Grundwissen über beitragsrechtliche und melderechtliche Angelegenheiten zumindest Bedenken gegen die bzw Zweifel an der Beitragsfreiheit gehabt haben musste.

1.3.2. Das gilt konsequenterweise auch für den Fall, dass der Meldepflichtige selbst über die erforderlichen, das zu erwartende Grundwissen überschreitenden Kenntnisse verfügt, mit der Maßgabe, dass er selbst nach gewissenhafter Auseinandersetzung mit widersprechenden Auffassungen anhand von Rechtsprechung und Schrifttum zu einer zwar unrichtigen, aber doch vertretbaren Auffassung gelangt und danach vorgeht.

1.3.3. Der Meldepflichtige ist also nur dann entschuldigt, wenn die zur Beurteilung im Einzelfall notwendigen Kenntnisse nicht zu dem einem Meldepflichtigen zu unterstellenden Grundwissen gehören und er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu machen und die Unterlassung der Meldung auf das Ergebnis dieser Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich der Dienstgeber auf eine ihm mitgeteilte Verwaltungspraxis der Gebietskrankenkasse, auf ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung oder auf sonstige verlässliche Auskünfte sachkundiger Personen oder Institutionen zu stützen vermag.

1.3.4. Diese Grundsätze betreffend die Erkundigungspflicht bzw Befassungspflicht beziehen sich nicht auf Fallkonstellationen, in denen dem Meldepflichtigen schon vor dem Zeitpunkt, zu dem die bezüglichen Meldungen zu erstatten waren bzw erstattet wurden, von der zur Vollziehung der beitragsrechtlichen Normen des ASVG zuständigen Gebietskrankenkasse eine die Meldepflicht auslösende Rechtsauffassung mitgeteilt wurde. In diesem letztgenannten Fall geht das Risiko der Unterlassung einer Meldung bzw der Erstattung einer unrichtigen Meldung (bei einer wenn auch erst im späteren Beitragsverfahren bestätigten Richtigkeit dieser mitgeteilten Rechtsauffassung) zu Lasten des Meldepflichtigen, dem es freilich nach § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG freisteht, unverzüglich nach einer solchen Mitteilung von sich aus auf eine rasche Klärung der strittigen Frage im Beitragsverfahren zu dringen.

1.4. Dies bedeutet im Zusammenhang mit der Beurteilung der Haftung eines Geschäftsführers gem. § 67 Abs. 10 ASVG wegen eines Meldeverstoßes im vorgenannten Sinne, dass zunächst von der Behörde festzustellen ist, welche Umstände zu welchem Zeitpunkt im Sinne der §§ 33ff ASVG hätten gemeldet werden müssen, sowie, dass diese Meldung unterblieben ist. Aufgrund des zu unterstellenden Grundwissens eines Meldepflichtigen, sowie der Verpflichtung, dass er sich darüberhinaus grundsätzlich alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muss, so er diese nicht besitzt und den Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt (§ 1297 ABGB) zu vertreten hat, liegt es im Zuge der Gewährung des Parteiengehörs sodann beim Meldepflichtigen darzutun, dass er entweder die Verpflichtung im Sinne des § 35 Abs. 3 ASVG an Dritte übertragen hat (welche Sorgfalt dabei gegebenenfalls bei der Auswahl des Vertreters und bei den ihm zu erteilenden Anweisungen zu walten hat, kann im Beschwerdefall ununtersucht bleiben) oder aus welchen sonstigen Gründen ihn kein Verschulden an der Unterlassung der Meldung trifft.

2.1. Der erstinstanzliche Bescheid der Gebietskrankenkasse beschränkt sich (auf dem Boden der Rechtsprechung vor dem genannten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000) in seiner Begründung auf die Zitierung des § 67 Abs. 10 ASVG und die Feststellung, dass der Beschwerdeführer "zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge als Geschäftsführer zur Vertretung des Beitragsschuldners berufen" gewesen sei, woran sich nur noch die Wendung knüpft, dass es zu seinen Pflichten gehöre, für eine ordnungsgemäße Beitragsentrichtung zu sorgen.

2.2. Die in tatsächlicher Hinsicht im nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid gegebene Begründung der belangten Behörde erschöpft sich darin, dass

"auf Grund der Aktenlage, insbesondere auf Grund des Vorlageberichtes der Wiener Gebietskrankenkasse vom 12.9.1997 und des in der mündlichen Verhandlung vom 5.3.2001 vorgelegten Prüfberichtes ..(feststehe) ..., dass der Beitragsrückstand für die mit den Nachträgen vorgeschriebenen Beitragsausfälle auf Meldeverstöße zurückzuführen ist."

Zum Verschulden des Beschwerdeführers heißt es, dass dieser "in diesem Zeitraum" (womit im Begründungszusammenhang eindeutig jener vom 1. bis 31. Dezember 1995 gemeint ist) Geschäftsführer war "und ihn somit an den Meldeverstößen ein Verschulden trifft". Ein allfälliges Verschulden der mit der Lohnverrechnung betrauten Kanzlei sei "wie das eigene Verschulden des (Beschwerdeführers) zu werten", da dieser für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen einzustehen habe.

2.2.1. Im zitierten Vorlagebericht der Gebietskrankenkasse finden sich zu der Frage, aus welchen Gründen Beiträge für Dezember 1995 nachverrechnet worden sind und welcher Umstand den Beitragszeitraum Dezember 1995 betreffend nicht gemeldet worden ist, jedoch keine näheren Ausführungen. Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsbehörde vom 5. März 2001 wurde ein Prüfbericht vorgelegt, zu welchem sich der Beschwerdeführer nur dahin geäußert hat, dass ihn der zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichtes tätige Geschäftsführer unterschrieben habe, dessen Ladung der Beschwerdeführer beantragte. Ferner wurde bei dieser mündlichen Verhandlung ein Zeuge namens B vernommen, von dem zwar nicht festgestellt oder erörtert wurde (und daher auch nicht nachvollziehbar ist), in welcher Beziehung er zu der Sache steht, der jedoch erklärte, bei der Beitragsprüfung durch die Wiener Gebietskrankenkasse anwesend gewesen zu sein. Es sei - so der Zeuge wörtlich -

"glaublich zu Nachverrechnungen (gekommen), da einige als Diäten geleistete Zahlungen nicht als solche anerkannt wurden sondern als lohnsteuerpflichtig eingestuft wurden."

2.2.2. Der dieser Niederschrift angeschlossene Prüfbericht lautet eingangs wie folgt:

"Bei der heutigen Abschluss BP wurde festgestellt, dass der Dienstgeber diverse Lohnänderungen im Zeitraum 12/96 bis 3/96 (lt. DG neue Lohnverrechner ab 96) nicht gemeldet wurden (lt. LK.- beiliegender DZ, Anhang u. Bandausdruck)"

Nach Erwähnung von aufgrund der Beitragsprüfung seitens der Gebietskrankenkasse zu erteilenden Gutschriften setzt der Bericht fort:

"Weiters wurden nicht gemeldete SZ in den Jahren 95 und 96 festgestellt (lt. LK). Die erforderlichen LÄ-Meldungen und SZ-Meldungen wurden erstellt (beiliegend)."

Im Übrigen erwähnt der Bericht eine irrtümliche "BN" (gemeint offenbar: Beitragsnachverrechnung), die als gegenstandslos zu betrachten sei, sowie dass der Dienstgeber über die Nachverrechnung sowie die Verhängung eines "BZ bzw. VZ" informiert worden sei. Die angeschlossenen Listen beziehen sich augenscheinlich auf 14 Dienstnehmerinnen und einen Dienstnehmer und enthalten handschriftliche Ergänzungen, die sich offenbar auf die Ergebnisse der Beitragsprüfung beziehen, jedoch aufgrund der schlechten Kopierqualität unlesbar sind; Änderungsmeldungen ("LÄ-Meldungen bzw. SZ-Meldungen") liegen nicht bei.

2.3. Als zu meldende Umstände (und wegen der schuldhaften Unterlassung der Meldung zur Haftung des Beschwerdeführers führend) stehen also im Lichte der Begründung im Bescheid der belangten Behörde, insbesondere der darin bezogenen Teile der Verwaltungsakten "Lohnänderungen", "zu Unrecht als Diäten ausbezahlte Beträge" oder "nicht gemeldete Sonderzahlungen" bezogen auf den Beitragszeitraum Dezember 1995 gleichsam zur Wahl, wobei aus den Verwaltungsakten auch nicht nachvollzogen werden kann, ob unter "Lohnänderungen" durchgeführte Eintragungen des Beitragsprüfers oder (kollektivvertragliche oder einzelvertragliche) Änderungen des Entgelts zu verstehen sind, sowie, wann diese Änderungen gegebenenfalls vereinbart und ab welchem Zeitpunkt sie rechtswirksam wurden.

In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Gegenschrift (in welcher fehlende Bescheidbegründungen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr nachgeholt werden können - vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 § 60, Punkt 9, S 1064 f wiedergegebene Rechtsprechung, wie zB das Erkenntnis dieses Senates vom 8. Oktober 1991, Zl. 90/08/0167, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 11. April 1983, Slg. Nr. 11496/A) vertritt die belangte Behörde - insoweit jedoch in Abweichung von ihrer Bescheidbegründung - die Auffassung, es sei die Nachverrechnung "im Wesentlichen auf Lohnänderungen und auf Sonderzahlungen für die Jahre 1995 und 1996" zurückzuführen, welcher sich die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift anschließt, und daran die Feststellung knüpft, es handle sich "beim 3. Nachtrag 12/96... um einen solchen Meldeverstoß im Sinne der §§ 33 und 34 ASVG" (womit nicht bloß das Unterlassen einer Änderungsmeldung, sondern - erstmals - auch das Vorliegen der Unterlassung einer Anmeldung zur Pflichtversicherung im Sinne des § 33 ASVG behauptet zu werden scheint), sowie, es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von der Pflicht, "Lohnänderungen bzw. auch Sonderzahlungen" der Gebietskrankenkasse zu melden, Kenntnis gehabt haben musste.

2.4. Gem. § 37 AVG ist es Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Gem. § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungerichtshofes muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, von welchem Sachverhalt die Behörde ausgegangen ist und aus welchen Erwägungen sie gerade diesen Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 60 E 19 wiedergegebene Judikatur).

2.4.1. Die Begründung der belangten Behörde entspricht insofern nicht diesen Grundsätzen, als daraus nicht entnommen werden kann, welche entgeltbezogenen Umstände im Dezember 1995 eingetreten sind, die vom Beschwerdeführer hätten (offenbar als Änderung dieser Umstände iS des § 34 ASVG) gemeldet werden müssen.

Stehen diese Umstände aber nicht fest, so kann auch nicht ohne weiteres ein Verschulden des Beschwerdeführers am Unterbleiben der Meldung unterstellt werden.

2.4.2. Es trifft zwar die Auffassung der belangten Behörde zu, dass sich der Beschwerdeführer bei Erfüllung der gegenüber der Gebietskrankenkasse konkret bestehenden Verpflichtungen ein allfälliges Verschulden der Kanzlei, bei welcher die Buchführung erfolgte und der offenbar auch der Verkehr mit der Gebietskrankenkasse oblag, nach den Grundsätzen über die Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 1313a ABGB; zur Anwendung dieser Bestimmung auch auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse, sofern diese nicht bloß gegenüber der Allgemeinheit bestehen Reischauer in: Rummel II2, § 1313a, Rz 6f mwH) zurechnen lassen müsste, zumal der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, einen Vertreter iS des § 35 Abs. 3 ASVG bestellt zu haben (dazu, dass mit der Beauftragung eines Bevollmächtigten allein den Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 ASVG nicht Genüge getan wird, vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 88/08/0145).

2.4.3. Verschulden kann dem Beschwerdeführer aber nach obigen Grundsätzen erst dann und nur insoweit angelastet werden, als er verpflichtet gewesen wäre, bestimmte, konkret zu bezeichnende Meldungen zu erstatten und das Wissen um diese Meldepflicht entweder als vom Grundwissen des Geschäftsführers einer GesmbH umfasst anzusehen oder das Nichtwissen von ihm zu vertreten wäre. Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten, teils von der Bescheidbegründung abweichenden, teils aber auch untereinander divergenten Äußerungen der belangten Behörde und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse lassen erkennen, dass nicht einmal bei diesen Verfahrensparteien Klarheit über den Gegenstand der dem Beschwerdeführer angelasteten Meldepflichtverletzung bestehen dürfte.

2.5. Da es ohne Kenntnis des maßgeblichen Sachverhalts somit nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Unterlassung erforderlicher Meldungen auf Umstände gründete, die dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden können, bedarf es in erster Linie konkreter Feststellungen im Einzelnen über den Gegenstand, dessen Meldung unterblieben ist, ehe dem Beschwerdeführer entgegengehalten werden könnte, er habe in Kenntnis dieser Umstände trotz der ihn treffenden - oben unter

1.4. umschriebenen - Mitwirkungsverpflichtung nichts Geeignetes vorgebracht, das an einem Verschulden im Sinne von zumindest leichter Fahrlässigkeit am Unterbleiben der Meldung im Sinne der vorerwähnten Rechtsprechung zweifeln ließe.

3. Da es dem angefochtenen Bescheid somit an einer wesentlichen Beurteilungsgrundlage mangelt, bei Unterbleiben dieses Fehlers aber ein anderes Ergebnis des Verfahrens denkbar wäre, war er gem. § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994; das Mehrbegehren war als in der genannten Verordnung nicht gedeckt abzuweisen.

Wien, am 27. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001080069.X00

Im RIS seit

28.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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