Index
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;Norm
ASVG §49;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Versicherungsanstalt der österreichischen Bundesländer Versicherungs AG in Wien, vertreten Dr. Josef Bock, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fichtegasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 16. April 1997, Zl. Vd-4417/5/We, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse, Klara-Pölt-Weg 2, 6021 Innsbruck), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der belangten Behörde Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenbegehren der Tiroler Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse stellte aus Anlass einer am 1. April 1996 bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Beitragsprüfung für den Zeitraum vom 1. Jänner 1992 bis 31. Dezember 1995 fest, dass an sechs näher bezeichnete Dienstnehmer Schreibzulagen, an drei Dienstnehmer Verwendungszulagen, an sieben Dienstnehmer sogenannte "abbaufähige Zulagen", sowie an einen Dienstnehmer eine Akademikerzulage und an zwei Dienstnehmer Maturantenzulagen zuerkannt worden waren. Diese Zulagen wurden bei der Bemessung der Sonderzahlungen nicht berücksichtigt, weshalb 36 Sonderzahlungen in zu niedrigem Ausmaß in die Beitragsabrechnung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse einbezogen worden waren. Mit Bescheid vom 1. Juli 1996 verpflichtete die Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin zur Zahlung des Differenzbetrages an Sozialversicherungsbeiträgen von S 13.657,--.
Der gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
Nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Hinweisen auf die angewendeten Gesetzesbestimmungen vertrat die belangte Behörde zusammengefasst die Auffassung, dass der hier anzuwendende Kollektivvertrag für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmen in der Fassung vom 1. April 1995 die Sonderzahlungen den "Bezügen" im Sinne des § 13 dieses Kollektivvertrages gleichstelle. Die in § 13 definierten Bezüge würden auch die gegenständlich gewährten Zulagen mitumfassen. Die zwingende Wirkung des Kollektivvertrages könne auch nicht durch eine einzelvertragliche Vereinbarung einer lediglich zwölfmaligen Auszahlung der genannten Zulagen abgeändert werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
Gemäß § 49 Abs. 2 ASVG sind Sonderzahlungen Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie z.B. ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld. Sie sind als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen.
Da § 49 Abs. 2 ASVG auf den ersten Absatz dieser Gesetzesbestimmung verweist, sind trotz der Wendung "gewährt werden" unter Sonderzahlungen nicht nur solche Geld- und Sachbezüge zu verstehen, die dem pflichtversicherten Dienstnehmer (Lehrling) in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen tatsächlich "zukommen", sondern entweder Geld- und Sachbezüge, auf die er aus dem Dienst(Lehr)verhältnis "in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen" Anspruch hat, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihm überhaupt oder in der gebührenden Höhe zukommen, oder die er darüber hinaus in diesen "Zeiträumen" auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder einem Dritten tatsächlich erhält (vgl. die Erkenntnisse vom 26. Jänner 1984, Zl. 81/08/0211, vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0050, vom 8. Februar 1994, Zl. 93/08/0219, und vom 30. Mai 1995, Zl. 94/08/0007).
Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides demnach davon ab, ob die von der Beitragsnachrechnung betroffenen Dienstnehmer aufgrund des unstrittig auf ihre Ansprüche anzuwendenden § 14 Abs. 2 des Kollektivvertrages für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmen vom 21. August 1951 in der am 1. April 1995 in Geltung stehenden Fassung (in der Folge: KollV Innendienst) Anspruch auf höhere (weil unter Einbeziehung von Schreibzulagen, Verwendungszulagen, "abbaufähigen Zulagen", Akademikerzulagen bzw Maturantenzulagen in deren Berechnungsgrundlage zu ermittelnde) Sonderzahlungen hatten.
Die Höhe der in Rede stehenden Sonderzahlungen wird in § 14 Abs. 2 KollV Innendienst geregelt. Das Bilanzgeld gebührt spätestens am 31. März, die Urlaubszulage spätestens am 30. Juni eines jeden Jahres "in der Höhe eines halben März- bzw. Junigehaltes". Der Anschaffungsbeitrag gebührt spätestens am 30. September, die Weihnachtsremuneration spätestens am 15. Dezember eines jeden Jahres "in der Höhe eines halben September- bzw. Dezembergehaltes".
Der KollV Innendienst verwendet im Zusammenhang mit Entgeltregelungen unterschiedliche Begriffe: er enthält einen Anhang der als "Gehaltsschema" bezeichnet wird. Dieses Gehaltsschema ist in "Bezugsklassen" (nämlich in die "Allgemeine Bezugsklasse" und in die "Besondere Bezugsklasse") unterteilt. Die aufgrund der einzelnen Stufen dieser Bezugsklassen (3 bis 26 in der "Allgemeinen Bezugsklasse", IIa bis VIc in der "Besonderen Bezugsklasse") gebührenden Arbeitsentgelte werden in § 4 Abs. 6 KollV Innendienst als "Bezüge der Stufe ..." bezeichnet. Im Zusammenhang mit der Dienstzuweisung ist in § 6 Abs. 2 KollV Innendienst von "Zulagen" die Rede, die der Angestellte lediglich deshalb bezieht, weil er einen bestimmten Arbeitsplatz inne hat, "wie beispielsweise Leiterzulagen, Repräsentationspauschalien, Überstundenpauschalien etc."; sie können bei der Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder bei Änderung der Voraussetzungen für die Zuerkennung dieser Zulagen jederzeit eingestellt werden. Diese Zulagen fallen offenbar nicht unter den Begriff der Bezüge, wie er im § 4 Abs. 6 KollV Innendienst verwendet wird. Letzterer Bezugsbegriff wird auch in § 13 Abs. 1 KollV Innendienst verwendet, wonach "die Bezüge der Angestellten ... im Gehaltsschema ... geregelt" sind. § 13 Abs. 2 KollV Innendienst legt fest, dass auf die Bezüge des Gehaltsschemas (mit Ausnahmen) jeder Angestellte Anspruch hat, sowie, dass daneben "zur Entlohnung besonderer Leistungen, höherer Qualifikation, gesteigerter Verantwortlichkeit bei der Arbeitsleistung von Angestellten" zusätzliche Leistungen "in Betracht" kommen, die wie folgt umschrieben sind: außertourliche Vorrückungen, zeitlich begrenzte oder dauernde Personalzulagen, Funktionszulagen und Remunerationen. Gem. § 13 Abs. 3 KollV Innendienst gelten sodann als
"Bezüge im Sinne des Kollektivvertrages ...bei Angestellten, welche ausschließlich nach dem Gehaltsschema entlohnt werden, die Geldbezüge, welche diese Angestellten aufgrund ihrer Einreihung in das Gehaltsschema einschließlich der besonderen Entlohnung mit Ausnahme der im Abs. 4 erwähnten Vergütung erhalten."
Nach Abs. 4 gelten Provisionen und Superprovisionen, Dienstaufwandsentschädigungen, ferner die Entlohnung (einzeln oder pauschaliert) von Überstunden und Akkordarbeiten und fallweise aus besonderem Anlass gewährte Remunerationen nicht als Bezüge.
Wenn in § 14 Abs. 1 KollV Innendienst sodann davon die Rede ist, dass "das Gehalt ... monatlich im Vorhinein ..." ausbezahlt wird, und in § 14 Abs. 2 davon, dass "außer den im Abs. 1 angeführten Monatsgehältern" die näher bezeichneten Sonderzahlungen gebühren, dann ist zwar evident, dass unter "Gehalt" die laufenden monatlichen Zahlungen zu verstehen sind. Offen ist jedoch angesichts der für den Begriff der "Bezüge" in § 13 normierten Definitionen, welche Bezüge oder Bezugsteile unter den Begriff des Gehaltes fallen sollen. Als sicher kann jedoch vor dem Hintergrund der Definitionen des § 13 gelten, dass Gehalt sich von Bezug nicht darin unterscheidet, dass ersteres das monatliche Entgelt auf Grund des "Gehaltsschemas", letzteres hingegen das monatliche Entgelt unter Einbeziehung von "besonderen Leistungen" wäre, da sowohl die Ansätze des Gehaltsschemas für sich allein, als auch unter Einbeziehung der in § 13 Abs. 2 erwähnten "Entlohnung besonderer Leistungen", jedoch unter Ausnahme der im § 13 Abs. 4 genannten Entgelte als "Bezüge" definiert werden. In § 17 (Fortzahlung der Bezüge ...) wird durchwegs der Begriff "Bruttomonatsbezug" bzw "Nettomonatsbezug" verwendet, in § 18 (Sterbequartal) wird ebenfalls an den Begriff der "Bezüge (§ 13)" angeknüpft.
Nach Auffassung des erkennenden Senates kann die Verwendung der Begriffe Gehalt und Bezug im KollV Innendienst nur auf eine sprachliche Ungenauigkeit zurückgeführt werden. Dies nicht nur deshalb, weil der KollV Innendienst einerseits von Bezügen spricht, diese aber in ein "Gehaltsschema" zusammenfasst, sondern aufgrund der Wortbedeutung, die "Gehalt" und "Bezug" offenbar in § 15 ("Gehaltsvorschüsse") zukommt: in dieser Bestimmung wird in Abs. 1 geregelt, dass ein Vorschuss "im Höchstausmaß von zwei Monatsgehältern" gewährt werden kann, während gem. § 15 Abs. 3 KollV Innendienst "Rückstände aus Gehaltsvorschüssen, die unter den Anspruchsvoraussetzungen des Abs. 1 gewährt wurden, ..bis zum Höchstausmaß von zwei Monatsbezügen im Falle des Ablebens des Angestellten als gelöscht zu betrachten" sind (Unterstreichungen jeweils nicht im Original), obwohl der KollV Innendienst an beiden Stellen in § 15 offenkundig dasselbe meint.
Unter Bezug, den der KollV Innendienst an einigen Stellen auch als "Gehalt" bezeichnet, ohne damit etwas anderes zu meinen, wird erkennbar die Gegenleistung für die Erbringung der jeweils vereinbarten Arbeitsleistungen in der normalen Arbeitszeit (wie der Ausschluss von Überstundenentgelten und Leistungsentgelten aus dem Begriff des Bezuges in § 13 Abs. 4 KollV Innendienst zeigt) verstanden. Dieser Bezug (wenn auch als Gehalt bezeichnet) ist demnach auch Grundlage der Berechnung der Sonderzahlungen in § 14 Abs. 2 KollV Innendienst. Zu diesen Gegenleistungen für die Erbringung der jeweils vereinbarten Dienste zählen letztlich auch die im Beschwerdefall strittigen "abbaufähigen Zulagen" (dh Zulagen, die im Zuge des Aufstieges in höhere Bezugsstufen abgebaut, sc. durch höhere Bezüge ersetzt werden), Schreibzulagen (zum ähnlichen Fall einer Bildschirmzulage vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/08/0007, welches zum Kollektivvertrag für Angestellte in Rechtsanwaltskanzleien ergangen ist) bzw Akademiker- oder Maturantenzulagen. Diese Zulagen sind daher unter den Begriff der Bezüge bzw des Gehaltes zu subsumieren und in die Bemessung der Sonderzahlungen iS des § 14 Abs. 2 KollV Innendienst einzubeziehen, wie die belangte Behörde im Ergebnis frei von Rechtsirrtum erkannt hat.
Die Beschwerde war daher gem. § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Dieses Ergebnis wird auch durch die Überlegung erhärtet, dass auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung der Begriff des Gehaltes alle Lohnbestandteile, einschließlich aller Zulagen und Zuschläge umfasst, nicht jedoch - im Gegensatz zum (weiten) Entgeltbegriff (zu diesem vgl. zB OGH 1994, 9ObA365/93 mwH) - Vergütungen für die Leistung von Überstunden. Gehalt wird mit "Durchschnittsverdienst" oder "Normallohn" synonym behandelt (vgl. OGH 1995, 8ObA233/95; zum vergleichbaren Begriff des Gehaltes als Berechnungsgrundlage für Sonderzahlungen iS des KollV für die Handelsangestellten vgl. OGH 1989, 9ObA301/89 = RdW 1990, 166 = ecolex 1990, 173).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994; das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war mangels anwaltlicher Vertretung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof abzuweisen.
Wien, am 27. Juli 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1997080401.X00Im RIS seit
28.12.2001