TE Vwgh Erkenntnis 2001/8/7 2000/18/0085

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Veröffentlicht am 07.08.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

PaßG 1992 §11 Abs1;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3;
PaßG 1992 §14;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §15;
PaßG 1992 §3 Abs1 Z1;
PaßG 1992;
VwGG §30 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des F S, (geb. 22.3.1948), in Wien, vertreten durch Dr. Monika Pitzlberger, Rechtsanwalt in 1096 Wien, Rooseveltplatz 13/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. September 1999, Zl. SD 710/99, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. September 1999 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839 idgF (PassG), der ihm von der Bundespolizeidirektion Wien am 9. November 1998 ausgestellte Reisepass, Nr. C 0971235, entzogen. Zwar habe die nach seinem früheren Wohnsitz zuständig gewesene Behörde einen Entziehungsbescheid betreffend den dem Beschwerdeführer im Jahr 1991 ausgestellten Reisepass erlassen, doch habe der Verwaltungsgerichtshof dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Der Beschwerdeführer habe angegeben, diesen Reisepass verloren zu haben. Als die Erstbehörde Anfang Februar 1999 davon Kenntnis erlangt habe, dass der Verwaltungsgerichtshof die besagte Beschwerde abgewiesen hätte, habe sie sich veranlasst gesehen, den im Hinblick auf die aufschiebende Wirkung ausgestellten Reisepass zu entziehen. Wie aus dem angesprochenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0181, hervorgehe, sei der Beschwerdeführer am 7. November 1996 wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens nach den §§ 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung habe zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer als Mittäter am 4. Februar 1994 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich ca. 1 kg Kokain, aus Kolumbien ausgeführt und nach Brasilien einzuführen versucht habe, um das Suchtgift in weiterer Folge nach Österreich verschaffen zu lassen. Bei der Menge von Kokain, die der Beschwerdeführer zu verantworten gehabt habe, habe es sich um eine so genannte "Übermenge", das sei mehr als das 25-fache einer so genannten großen Menge, welche allein schon geeignet sei, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, gehandelt.

Gemäß § 15 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG idgF sei ein Reisepass zu entziehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Passbesitzer den Reisepass benützen wolle, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen. Die Versagung eines Reisepasses stelle somit eine vorbeugende Sicherheitsmaßnahme zur Abwendung künftiger Straftaten, wie etwa der Einfuhr bzw. des In-Verkehr-Setzens großer Mengen Suchtgift dar. Bei der Prüfung der Frage, ob die vom Gesetz geforderte Annahme gerechtfertigt sei (Zukunftsprognose), habe die Behörde festzustellen, ob Tatsachen vorliegen, die diese Annahme rechtfertigten. Dass der Beschwerdeführer den Reisepass tatsächlich schon einmal für den verpönten Zweck benutzt habe, sei keine Voraussetzung. Solche Tatsachen seien insbesondere Tathandlungen, die durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil festgestellt worden seien. Wie bereits erwähnt, sei der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden, weil er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei weiteren Personen als Mittäter am 4. Februar 1994 den bestehenden Vorschriften zuwider das Suchtgift aus Kolumbien ausgeführt und nach Brasilien einzuführen versucht habe, um das Suchtgift in weiterer Folge nach Österreich verschaffen zu lassen. Die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Suchtgiftmenge wäre geeignet gewesen, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Die Entziehung eines Reisepasses sei, wie bereits dargelegt, eine Sicherungsmaßnahme. Der Handel mit Suchtgift in großen Mengen stelle im Hinblick auf die solchen Delikten immanente Wiederholungsgefahr eine Tatsache dar, die die Annahme rechtfertige, dass der Passinhaber seinen Reisepass in Hinkunft benützen wolle, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen. Somit diene diese Maßnahme zum Schutz vor einer Aufnahme weiterer neuer Kontakte wie z.B. durch Reisen ins Ausland. Bemerkenswert sei übrigens, dass der Beschwerdeführer schon im Jahr 1991 einen neuen Reisepass erhalten habe, weil er angegeben habe, den ihm im Jahr 1988 ausgestellten Reisepass verloren zu haben, und dann bei seiner Festnahme im Jahr 1994 im Besitz beider Reisepässe gewesen war, und dass er in seiner nunmehren Verlustanzeige vom 11. Dezember 1998 angegeben habe, den Reisepass aus dem Jahr 1991 im Jahr 1994 in Frankreich verloren zu haben. Im Hinblick auf das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten und im Hinblick darauf, dass seine Verurteilung im Jahr 1996 erfolgt sei, werde es noch eines langen Zeitraumes bedürfen, ehe von einem die Ausstellung eines Reisepasses rechtfertigenden, relevanten Wohlverhalten gesprochen werden könne. Den Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Folgen, die sich aus dem Fehlen eines Reisepasses für ihn ergeben würden, müsse entgegnet werden, dass diese Folgen keine andere Entscheidung rechtfertigten, und dass es sich bei der vorliegenden Entscheidung um keine Ermessensentscheidung handle.

2. Mit Beschluss vom 6. März 2000, B 1939/99, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde abgelehnt und diese Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des PassG haben folgenden

Wortlaut:

"§ 14 (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn

...

3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um

...

f. entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, ...

§ 15 (1) Ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, ist zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen."

2. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid (ua) ein, dass ihm nach der Erlassung des unter I.1. zitierten hg. Erkenntnisses vom 17. September 1998 (über seinen Antrag) am 9. November 1998 neuerlich ein Reisepass ausgestellt worden sei. Der Behörde sei zum Zeitpunkt der Antragstellung der Sachverhalt der Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 1996, die der mit dem genannten Verwaltungsgerichtshoferkenntnis bestätigten Passentziehung zu Grunde lag, bekannt gewesen. Seither habe sich der Sachverhalt nicht geändert. Da nur ein neu hervorgekommener Sachverhalt eine Passentziehung rechtfertigen könnte, erscheine der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

3. In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich der mit dem zitierten hg. Erkenntnis bestätigte Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (Blatt 3 bis 7) betreffend die Entziehung des dem Beschwerdeführer im Jahr 1991 ausgestellten Reisepasses, der (ua) auch auf das im angefochtenen Bescheid genannte Fehlverhalten des Beschwerdeführers gestützt ist. Dieses Fehlverhalten musste der Erstbehörde bei der Ausstellung des nunmehr mit dem bekämpften Bescheid entzogenen Reisepasses am 9. November 1998 bereits bekannt sein, ist doch der angesprochene Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich in den vorgelegten Verwaltungsakten vor dem Antrag des Beschwerdeführers aus dem Jahr 1998 auf neuerliche Ausstellung eines Reisepasses (vgl. Blatt 9) eingeordnet. Es kann daher - entgegen der belangten Behörde - nicht davon gesprochen werden, dass es sich bei diesem Fehlverhalten um eine erst nach dieser Ausstellung nachträglich bekannt gewordene oder nachträglich eingetretene Tatsache handelt, die die Entziehung des am 9. November 1998 ausgestellten Reisepasses rechtfertigen würde. Dem Hinweis der belangten Behörde, die Ausstellung des Reisepasses am 9. November 1998 sei in Anbetracht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die dem zitierten hg. Erkenntnis zu Grunde liegende Beschwerde gegen die Entziehung des ihm 1991 ausgestellten Reisepasses (mit Beschluss vom 22. Juni 1998, Zl. AW 98/18/0172, Blatt 8 der vorgelegten Verwaltungsakten) und des vom Beschwerdeführer vor der Erstbehörde behaupteten mittlerweile eingetretenen Verlustes dieses Reisepasses (vgl. Blatt 10 der vorgelegten Verwaltungsakten) erfolgt, ist entgegenzuhalten, dass diese Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Grunde des § 30 Abs. 3 VwGG (lediglich) der Umsetzung der Entziehung des dem Beschwerdeführer 1991 ausgestellten (bis 2. September 2001 gültigen) Reisepasses in der Wirklichkeit für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entgegenstand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1999, Zl. 99/18/0072), die Erstbehörde durch diese Zuerkennung aber nicht gehalten war, dem Beschwerdeführer den mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid entzogenen gewöhnlichen Reisepass mit einer zehnjährigen Gültigkeitsdauer (vgl. § 3 Abs. 1 Z. 1, § 11 Abs. 1 PassG) bis 8. November 2008 (vgl. die Eintragung auf dem Antrag Blatt 2 der vorgelegten Verwaltungsakten) auszustellen.

4. Da die belangte Behörde solcherart die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. August 2001

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000180085.X00

Im RIS seit

27.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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