TE Vfgh Beschluss 1998/10/5 V43/97, V45/97, V46/97

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Veröffentlicht am 05.10.1998
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Flächenwidmungsplanänderung der Gd Hofgastein vom 14.12.95
Sbg BaupolizeiG §7 Abs1 Z1 lita

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung einer Flächenwidmungsplanänderung und von Bebauungsplänen infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges bzw mangels Eingriffs in die Rechtssphäre des Zweit- und Drittantragstellers

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Schriftsatz vom 5. März 1997 begehrten die Antragsteller unter Berufung auf Art139 Abs1 B-VG die Aufhebung folgender Verordnungen:

1."des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Bad Hofgastein,

und zwar insoweit als dieser nunmehr auf Grund der von der Marktgemeinde Bad Hofgastein am 14.12.1995 beschlossenen Teilabänderung für den Bereich des 'Griesparks', Grundstück Nr. 63/1, KG Bad Hofgastein, für den räumlichen Bereich des Grundstücks Nr. 63/1 die Nutzungsart bzw. Widmungskategorie 'Bauland-Erweitertes Wohngebiet' festlegt;

2. des von der Marktgemeinde Bad Hofgastein für das Grundstück Nr. 63/1, KG Bad Hofgastein, am 21.8.1996 beschlossenen Bebauungsplans der Grundstufe;

3.

des von der Marktgemeinde Bad Hofgastein hinsichtlich des Grundstückes Nr. 63/1, KG Bad Hofgastein am 14.10.1996 beschlossenen Bebauungsplans der Aufbaustufe,

4.

jeweils wegen Gesetzwidrigkeit.

Begehrt wird:

ad 1.: die teilweise Aufhebung des Flächenwidmungsplans der Marktgemeinde Bad Hofgastein, und zwar, soweit dieser sich auf das Grundstück Nr. 63/1, KG Bad Hofgastein (östlicher Teil des sog. 'Griesparks') bezieht und für dieses Teilareal nunmehr die Flächenwidmung 'Bauland-Erweitertes Wohngebiet', §17 Abs1 Z2 des Salzburger Raumordnungsgesetzes (SROG), LGBl. Nr. 98/1992, festlegt;

ad 2. und ad 3.: die gänzliche Aufhebung dieser Bebauungspläne."

              2.              Zur Frage der Legitimation der Antragsteller auf Anfechtung des Flächenwidmungsplans werden zunächst die Auswirkungen der Baulandwidmung des Grundstücks 63/1 auf die Liegenschaften der Antragsteller dargestellt:

1. Völlige Veränderung des visuell wahrnehmbaren räumlichen Liegenschaftsumfeldes (die Liegenschaften der Antragsteller würden nicht mehr vom naturschönen Grün des Griesparks, sondern von den Mauern des beabsichtigten Altenheim-Neubaues überstrahlt)

2.

Beschattungswirkungen des Gebäudes (die Liegenschaft des Erstantragstellers würde im Winter wesentlich weniger Sonne, Licht und Wärme empfangen)

3.

Veränderungen der Oberflächengestalt durch nicht bewilligungspflichtige Versiegelungen, Aufschüttungen oder Niveauveränderungen könnten bei starken Regenereignissen bewirken, daß die Oberflächenwässer zumindest teilweise auf das Grundstück der Antragsteller fließen und dort zu Durchfeuchtungen und Vernässungen oder gar Überflutungen führen

4.

Veränderungen unterirdischer Wasserwege könnten die Gefahr von Wassereintritten in den Kellern der Liegenschaften der Antragsteller bewirken

5.

Nachteilige Einwirkungen auf die Festigkeit des Baugrunds und auf die Fundierungs- und Gründungsverhältnisse im Bereich der Liegenschaften und Bauwerke der Antragsteller

6.

Umwidmungskausale nachteilige Einwirkungen auf die Liegenschaften der Antragsteller durch Emissionen aufgrund der Bautätigkeit und der zukünftigen widmungsgemäßen Nutzung des Altenheim-Gebäudes (Luftschadstoffemissionen der Heizungsanlage, Lärmemissionen von Lüftungsanlagen, Kühlanlagen und anderen technischen Einrichtungen, Verkehrsemissionen)

Ferner wird behauptet, daß die genannten Einwirkungen auf das Eigentum der Antragsteller bereits unmittelbar durch die Umwidmungsverordnung eintreten, denn sie bestimme im Zusammenwirken mit den geltenden materiellen Bestimmungen des Salzburger Baurechts in ausreichend konkreter Weise auch das Ausmaß und den Umfang des Eingriffs in das Liegenschaftseigentum der Antragsteller durch Bebauung des Grundstückes Nr. 63/1.

Schließlich wird behauptet, daß sich die dargestellten faktischen Auswirkungen wie folgt auf die Rechtssphäre der Antragsteller auswirkt. Es werden folgende "umwidmungskausale Eigentumsauswirkungen" vorgebracht:

1."... Eigentumsauswirkung der Störung widmungsgemäßer

Liegenschaftsnutzungen bzw. der geminderten Nutzungsqualität" (die Qualität der Wohnnutzung würde deutlich gestört und gemindert)

2."die Eigentumsauswirkung der widmungskausalen Abwehrmaßnahmen zum Schutze der räumlichen Liegenschaftseigentums-Nutzungssphäre der Antragsteller" (Vorkehrungen zur Ableitung der Niederschlagswässer)

3."Schäden an der Substanz des Liegenschaftseigentums der Antragsteller sowie an den auf den Liegenschaften der Antragsteller befindlichen Bauwerken, welche auch durch Gegen- und Abwehrmaßnahmen nicht abgewendet werden könnten, aufgrund von" 3.1.bebauungskausalen Bodenerschütterungen und dadurch

ausgelösten Änderungen im Bodengefüge;

3.2.bebauungskausalen Veränderungen unterirdischer Wasserwege

und dadurch ausgelösten Durchfeuchtungen der Liegenschaften der Antragsteller

3.3.bebauungskausalen Veränderungen der Grundwasserverhältnisse

und dadurch ausgelösten Durchfeuchtungen der Liegenschaften der Antragsteller

4. Entzug bestimmter, konkreter, widmungskonformer Eigentumsnutzungsmöglichkeiten (in Form einer Privatpension)

5.

Entzug der aus dem Liegenschaftseigentum erfließenden konkreten Dispositions- und Nutzungsmöglichkeit, das Eigentumsrecht durch Veräußerung der Liegenschaft um einen angemessenen Kaufpreis zu verwerten und den Kaufpreis zu verwenden, um eine Liegenschaft von gleichwertiger Nutzungsqualität und gleichwertigen Nutzungsmöglichkeiten erstehen zu können.

              3.              Zur Antragslegitimation auf Anfechtung der Bebauungspläne der Grundstufe und der Aufbaustufe bringen die Antragsteller vor:

Durch die Festlegung der zulässigen Bebauungshöhe (vier oberirdische Vollgeschoße) und der baulichen Ausnutzbarkeit (Geschoßflächenzahl von 0,75 und Baumassenzahl von 2,30) werde die Errichtung eines 105 m langen und 11,5 m hohen Gebäudes vor den Liegenschaften der Antragsteller ermöglicht, was zu den behaupteten Beeinträchtigungen des Liegenschaftseigentums führe.

4. Die Antragsteller behaupten, daß ihnen ein zumutbarer Weg zur Abwehr des - ihrer Meinung nach rechtswidrigen - Eingriffes in die in den Anträgen geltend gemachte Rechtssphäre nicht zur Verfügung steht.

Im Baubewilligungsverfahren sei nur dem Erstantragsteller Parteistellung zugekommen. In Ermangelung entsprechender subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte habe der Erstantragsteller im Bauverfahren nicht einwenden können, daß die Bebauung des Grundstücks Nr. 63/1 grundsätzlich unzulässig sei oder die Bebauung in dieser Höhe oder in dieser Form nicht statthaft sei. Eine Bescheidbeschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG im Baubewilligungsverfahren sei ebenfalls kein zumutbarer Weg, weil diese nur den Umweg einer Verordnungsprüfungsanregung und nicht auch eines konkreten Verordnungsprüfungsantrags biete, in dem der Verfassungsgerichtshof an das Antragsvorbringen gebunden sei und die im Antrag enthaltenen Gesetzwidrigkeitsbehauptungen Punkt für Punkt prüfen müsse.

Den Zweit- und Drittantragstellern sei im Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zugekommen.

Da kein wasserrechtliches Verfahren durchgeführt worden sei, habe keine Möglichkeit bestanden, in einem Wasserrechtsverfahren einen Schutz vor den die Oberflächen- und Grundwasserverhältnisse betreffenden Beeinträchtigungen und Eigentumseingriffen zu erreichen.

II.Die Anträge sind unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf die Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, und überdies, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, 13944/1994).

2. Dem Erstantragsteller stand ein zumutbarer Weg zur Abwehr des Eingriffes in die in den Anträgen geltend gemachte Rechtssphäre zur Verfügung. Denn er hatte als Partei im Baubewilligungsverfahren durch die Erhebung von Einwendungen und die Bekämpfung eines diese abweisenden Bescheides die Möglichkeit, seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplans und der Bebauungspläne der Grundstufe und der Aufbaustufe an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Nur die Geltendmachung von Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit von Verordnungen gegenüber den Höchstgerichten und nicht die verfahrensrechtliche Stellung des Antragstellers in solchen Verfahren ist für die Beurteilung der Frage eines zumutbaren Weges und damit der Antragslegitimation von Bedeutung. Wenn der Erstantragsteller behauptet, er hätte im Baubewilligungsverfahren gegen die Baubewilligung nicht mit Erfolg durchdringen können, so ist ihm zu entgegnen, daß für die Frage, ob ein zumutbarer Weg zur Abwehr des rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht, das zu erwartende Ergebnis des Verwaltungsverfahrens irrelevant ist (VfSlg. 14297/1995), denn die Abweisung der Vorstellung hindert den Nachbarn nicht, die Gesetzwidrigkeit der Flächenwidmung vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen.

3. Die Zweit- und Drittantragsteller gehen davon aus, daß ihnen ein zumutbarer Weg zur Abwehr des - ihrer Meinung nach rechtswidrigen - Eingriffes in die in den Anträgen geltend gemachte Rechtssphäre nicht zur Verfügung stehe, weil ihnen in einem Bauverfahren gemäß §7 Abs1 Z1 lita Sbg.

Baupolizeigesetz eine Parteistellung dann nicht zukommt, wenn das geplante Gebäude einen Abstand von mindestens 15 m zur Grenze der Liegenschaft der Antragsteller einhält (zur Unbedenklichkeit dieser Bestimmung vgl. VfSlg. 10844/1986).

Insofern aber eine Person mangels Nachbareigenschaft keine Parteistellung im baurechtlichen Verfahren genießt, kommt ihr schon deswegen keine Legitimation zur Anfechtung der für ein anderes Grundstück geltenden Flächenwidmung zu, weil sie durch diese nicht in einem subjektiven Recht betroffen sein kann. Wenn den Antragstellern im baurechtlichen Verfahren daher keine Nachbareigenschaft zukommt, so kann sie die angefochtene Verordnung auch nicht in ihrer Rechtssphäre berühren, sodaß es ihnen an der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 B-VG mangelt (vgl. VfSlg. 14839/1997 und B vom 24.2.1998 V232-234/97).

Dazu kommt, daß sich die von den Zweit- und Drittantragstellern behaupteten nachteiligen Auswirkungen auf Nutzung und Wert ihrer Grundstücke nicht unmittelbar aus der durch die Verordnung festgesetzten Flächenwidmung ergeben, sondern erst durch allfällige Inanspruchnahme der Baubewilligung oder durch Setzung von Maßnahmen des Grundeigentümers im Rahmen seiner Baufreiheit. Insoweit stellen die behaupteten Auswirkungen auf das Eigentum der Antragsteller bloße Reflexwirkungen der Raumordnungspläne dar (vgl. zB VfSlg. 10346/1985, V156/96 vom 7.10.1997).

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Flächenwidmungsplan, Nachbarrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:V43.1997

Dokumentnummer

JFT_10018995_97V00043_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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