RS UVS Oberösterreich 2000/05/01 VwSen-420271/14/Gf/Km

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 01.05.2000
beobachten
merken
Rechtssatz

Nach § 3 Z.4 WaffGebrG sind Schusswaffen, die u.a. den Organen der Bundesgendarmerie zur Erfüllung ihrer Aufgaben von deren Dienststelle zugeteilt wurden, als Dienstwaffen anzusehen.

Von diesen darf gemäß § 2 Z.1 bis 3 WaffGebrG insbesondere im Falle gerechter Notwehr, zur Überwindung eines auf die Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes oder zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme Gebrauch gemacht werden.

Nach den Sonderbestimmungen der §§ 7 und 8 WaffGebrG ist bei gerechter Notwehr zur Verteidigung eines Menschen oder zur Erzwingung der Festnahme bzw. der Verhinderung des Entkommens einer Person, die dringend verdächtig ist, eine mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedrohte gerichtlich strafbare Handlung vorsätzlich begangen zu haben (vgl. § 7 Z.3 WaffGebrG iVm § 17 Abs.1 StGB), die sie für sich allein oder in Verbindung mit ihrem Verhalten bei der Festnahme oder Entweichung als einen für die Sicherheit der Person allgemein gefährlichen Menschen kennzeichnet, auch ein lebensgefährdender Waffengebrauch zulässig. Dieser ist ausdrücklich, zeitlich unmittelbar vorangehend und deutlich anzudrohen, wobei als Androhung des Schusswaffengebrauches auch die Abgabe eines Warnschusses dient. Außer im Falle gerechter Notwehr ist der lebensgefährdende Waffengebrauch jedoch nur dann zulässig, wenn dadurch Unbeteiligte voraussichtlich nicht gefährdet werden.

Das WaffGebrG regelt damit die Voraussetzungen, unter denen ein Waffengebrauch zulässig ist, nicht jedoch, wie dabei - insbesondere etwa nach der Art der jeweiligen Waffe iSd § 3 Z.1 bis 4 (und § 9) WaffGebrG unterschiedlich - im Detail vorzugehen ist.

Nach Art.3 MRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Hierbei handelt es sich um ein "absolut" bzw. "vorbehaltslos" gewährleistetes Grundrecht, d.h., dass es dem einfachen Gesetzgeber von Verfassungs wegen verwehrt ist, in irgendeiner Form Beschränkungen desselben vorzusehen (vgl. z.B. VfGH v. 14.12.1994, B 711/94 = VfSlg 13981/1994). Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit einem Schusswaffengebrauch auch ausgesprochen, dass eine Person in ihrem durch Art.3 MRK verbürgten Recht verletzt werden kann, wenn der Einsatz der Waffe entgegen dem WaffGebrG unverhältnismäßig und nicht maßhaltend war; außerdem liegt ein Eingriff in das gemäß Art.2 MRK gewährleistete Recht auf Leben vor, wenn eine Gewaltanwendung - wie der Gebrauch einer Dienstwaffe - zwar nicht zum Tod führt, aber von solcher Gravität und Intensität ist, dass sie das Leben des Betroffenen ernsthaft zu gefährden geeignet ist (vgl. zB. VfGH v. 10.12.1997, B 4127/96 = VfSlg 15046/1997).

In der "Bedienungsanleitung für die Selbstladepistole GLOCK 17" bzw. der "Bedienungsanleitung für die GLOCK Safe Action Selbstladepistolen 17, 17L 19, 20, 21, 22, 23, 24, 24C, 25, 26, 27" (im Folgenden kurz: "Bedienungsanleitung";

Hervorhebungen auch im Original) wird jeweils unter der Überschrift "ZU BEACHTEN:" ausgeführt, dass die Waffe "stets als geladen und feuerbereit zu betrachten" ist; "eine unbeabsichtigte Schussabgabe ist jederzeit anzunehmen. Der Abzugsfinger ist grundsätzlich am Abzugbügel anzulegen und erst dann auf den Abzug zu bringen, wenn die Waffe in das Ziel zeigt" (S. 1). Als "HAUPTMERKMALE" gelten u.a.: "Das neue Safe-Action-Abzugssystem bietet dem Schützen die beste Möglichkeit, jeden Schuss schnell und ohne Bedienung

außenliegender Sicherungen abzugeben ... Ein Schuss kann nur

durch bewusste Betätigung des Abzuges ... abgegeben werden.

Dabei muss der Abzugsfinger zuerst die Abzugssicherung betätigen. Eine Schussauslösung ist durch außermittiges, seitliches Drücken des Abzuges nicht möglich" (S. 5). Im Zuge der Beschreibung der "TECHNISCHEN DATEN" wird dargelegt, dass der Vorspannwiderstand bis zum Druckpunkt (Spannen und Entsichern) ca. 1 kg und das Abzugsgewicht vom Druckpunkt bis zur Schussauslösung ca. 2,5 kg (S. 7) beträgt. Im Abschnitt über die "SICHERUNGSEINRICHTUNGEN" wird ua. die Abzugssicherung dargestellt und hiezu ausgeführt: "Sie ist im Abzug als Hebel eingebaut und sperrt im unberührten Zustand den Weg des Abzuges nach hinten. Fällt die Waffe zu Boden oder wird der Abzug außermittig, seitlich gedrückt, so kann sich kein Schuss lösen. Diese Sicherung wird erst durch das Abziehen mit dem Abzugfinger gelöst" (S. 17). Und schließlich heißt es unter "LADEN UND SCHIESSEN" im Pkt. 3.: "Mit der freien Hand das Verschlussstück zurückziehen und in die Endstellung vorschnellen lassen. Der Abzugfinger der Schießhand liegt dabei außen am Abzugbügel. Die Waffe ist nun gesichert und schussbereit" (S. 21); der Abzugbügel der Waffe ist daher für den Abzugsfinger dementsprechend ergonomisch geformt. Aus allen diesen Bestimmungen folgt insgesamt, dass es zwar kein generelles Recht auf Nichtbeeinträchtigung oder Nichtgefährdung der körperlichen Integrität gibt; wenn und soweit aber die Umstände des konkreten Falles darauf hinweisen, dass die staatliche Handlung in ihren Auswirkungen zu einer echten (ernsthaften) Bedrohung des Lebens des einzelnen führt oder dieser objektiv besehen insbesondere Aspekte einer unmenschlichen Behandlung innewohnen, kommen jedoch bereits die Schutzbestimmungen der Art.2 erster Satz und Art.3 MRK zum Tragen. In diesem Sinne liegt eine Beeinträchtigung der in Art.2 und 3 MRK verankerten Schutzgüter grundsätzlich dann vor, wenn staatliche Organe deren Gefährdung dadurch herbeiführen, dass sie die von ihnen verwendeten gefahrgeneigten Geräte, insbesondere Waffen, nicht den entsprechenden allgemeinen, für jedermann geltenden Verwendungsbestimmungen ihres Herstellers, die gerade eine derartige Gefährdung hintanhalten sollen, gemäß handhaben. (Dieser allgemeine, aus grundrechtssystematischen Überlegungen abgeleitete Gedanke liegt letztlich wohl auch § 87 SPG zugrunde, wenn dort für den spezifischen Bereich der Sicherheitspolizei (abweichend von Art.18 Abs.1 B-VG) ein umfassendes subjektives Recht des einzelnen auf Gesetz- und Verordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns positiviert wird).

Wenngleich dies daher weder in Art.2 und 3 MRK selbst noch im WaffGebrG und im SPG ausdrücklich angeordnet ist, besteht so im Ergebnis (über die Bestimmungen des WaffGebrG hinaus, die nur die Voraussetzungen, nicht aber die Art und Weise des Gebrauches der Dienstwaffe regeln) die Verpflichtung der staatlichen Organe zum sachgemäßen, dh. der Bedienungsanleitung entsprechenden Waffengebrauch, der auf der anderen Seite ein - verfassungsmäßig gewährleistetes - subjektiv-öffentliches Recht des einzelnen, durch unsachgemäße Handhabung nicht einer Lebensgefährdung oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu werden, korreliert.

Zum Beschwerdevorbringen im Einzelnen:

Schuss durch die Seitenscheibe:

Im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat hat sich zweifelsfrei ergeben, dass der dritte Zeuge aus seiner Dienstwaffe einen Schuss abgegeben hat, dessen Projektil die Scheibe des KFZ auf der Beifahrerseite durchschlug und schließlich im Armaturenbrett oberhalb der Mittelkonsole stecken blieb.

Unmittelbar zuvor fühlte sich der Beamte dadurch bedroht, dass der PKW, in dem sich der Beschwerdeführer auf dem Beifahrersitz befand, seiner Anhalteaufforderung keine Folge leistete, sondern vielmehr direkt auf ihn zufuhr. Er war daher genötigt, sich durch einen seitlichen Sprung von der Fahrbahn in Sicherheit zu bringen, fasste aber dabei nach seinen eigenen Aussagen unter einem den Entschluss, einen Schreckschuss in die Luft abzugeben. Während dieses Sprunges (der Beamte ist Rechtshänder) musste er sich - seinem eigenen Vorbringen zufolge - zunächst noch des Anhaltestabes entledigen, bevor er die Pistole ziehen konnte. Außerdem führte er dabei noch eine Drehung aus, sodass er danach in Richtung des passierenden KFZ zu stehen kam. Da auf der einen Seite unbestritten blieb, dass der Gendarm bei diesem Manöver nicht stürzte und außerdem feststeht, dass das Projektil durch die Seitenscheibe - und nicht durch die Beifahrertür oder noch tiefer - in das Wageninnere eindrang, ist es unwahrscheinlich, dass sich der erste Schuss schon während des Ziehens der Pistole aus dem Halfter löste; dies kann vielmehr erst (frühestens) beim Heben des Armes und dessen (bewusste oder unbewusste) Führung in die Richtung des Fahrzeuges, und zwar - wie sich aus den vorgelegten Beweisfotos ergibt - zu einem Zeitpunkt, als dieses den Standort des Beamten bereits passiert hatte, (also von hinten) geschehen sein. Im Ergebnis diente damit der Gebrauch der Dienstwaffe aber jedenfalls nicht (mehr) der Abwehr eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffes auf ein notwehrfähiges Rechtsgut iSd § 3 Abs.1 StGB (sondern vielmehr der Anhaltung des KFZ zwecks Feststellung der Fahreridentität).

Andererseits ließ sich jedoch nicht nachweisen, dass der dritte Zeuge einen gezielten Schuss auf das vorbeifahrende KFZ abgegeben hat.

Bei dieser Sachlage hatte sich er Oö. Verwaltungssenat - im Lichte des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1995, Zl. 94/01/0741, mit dem ausgesprochen wurde, dass ein nicht vom Willen des Beamten umfasst abgegebener Schuss kein der Behörde zurechenbares Handeln, dem normativer Charakter zukommt und daher mit Beschwerde bekämpft werden kann, darstellt - jedoch zunächst mit dem von der belangten Behörde erhobenen Einwand, dass sich der in Rede stehende Schuss bloß "ungewollt gelöst" habe, auseinanderzusetzen.

In diesem Zusammenhang hat das einschreitende Sicherheitsorgan im Zuge seiner Einvernahme vor dem Oö. Verwaltungssenat selbst ausgeführt, dass er beabsichtigte, (nicht auf das Fahrzeug zu schießen, sondern nur) einen Schreckschuss in die Luft abzugeben, aber dabei seine Dienstwaffe falsch, nämlich nicht den "Sicherheitsbestimmungen" - gemeint: der Bedienungsanleitung, insbesondere den Abschnitten "ZU BEACHTEN" sowie "LADEN UND SCHIESSEN" - entsprechend gehandhabt hat. Die verwendete Pistole der Type "GLOCK 17", die in Entsprechung zu den Dienstvorschriften bereits geladen war, ist nur in der Weise gesichert, dass sich direkt im Abzug ein Hebel befindet, dessen - geringer ("kaum spürbarer") - Widerstand (von 1 kg) noch vor dem eigentlichen Abschießen der Waffe (Abzugsgewicht: 2,5 kg) zusätzlich überwunden werden muss. Ohne entsprechendes "Fingerspitzengefühl", das im gegenständlichen Fall noch zusätzlich dadurch beeinträchtigt war, dass der Beamte Handschuhe trug - also Umstände, unter denen er sonst nach eigenen Angaben nie zum Schiessen kommt -, geht die Waffe sohin bei entsprechendem Druck auf den Abzug relativ leicht los, weil auch das Abzugsgewicht insgesamt nicht übermäßig hoch ist. Deshalb ist insbesondere in den Sicherheitsbestimmungen zu dieser Pistole (sehr eindringlich und deshalb jeweils auch entsprechend hervorgehoben) vorgesehen, vor der tatsächlichen Abgabe des Schusses den Abzugsfinger außen am - entsprechend geformten - Abzugbügel anzulegen (S. 1 und 21 der Bedienungsanleitung). Wenn daher der Beamte beabsichtigte, einen Schreckschuss in die Luft abzugeben, sich dieser Schuss aber vorzeitig löste und dabei das ihn passierende KFZ traf, so hat er offensichtlich gerade den Eintritt jenes verpönten Erfolges zu verantworten, den die Sicherheitsbestimmungen unter Abwägung des Aspektes, dass diese Waffe einerseits im Ernstfall zwar rasch einsatzbereit ist, aber gerade deshalb auf der anderen Seite - im Vergleich zu Waffen mit außenliegender Sicherungseinrichtung - ein erhöhtes Sicherheitsrisiko aufweist, zu verhindern versuchen. Im Ergebnis kann daher im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, dass der vorzeitige Griff auf den Abzugbügel mit dem Zeigefinger, dessen Tastempfindlichkeit durch einen Handschuh vergleichsweise wesentlich herabgesetzt war, eine nicht vom menschlichen Willen getragene und daher dem Staat nicht zurechenbare Handlung darstellte.

Die infolge einer unsachgemäßen Handhabung der Dienstwaffe bewirkte unabsichtliche Abgabe eines Schusses bildet daher nicht nur einen tauglichen Beschwerdegegenstand iSd Art.129a Abs.1 Z.2 B-VG; sie erweist sich unter den gegebenen Umständen, wo das Projektil die Seitenscheibe durchschlug und den Beschwerdeführer als Beifahrer knapp verfehlend ins Wageninnere drang, nach dem zuvor Dargestellten grundsätzlich auch als rechtswidrig iSd Art.2 Abs.1 erster Satz MRK, weil dieser dadurch fraglos einer konkreten Lebensgefährdung ausgesetzt wurde. Wie nämlich schon der Rechtsmittelwerber selbst überzeugend dartut, entschieden offenkundig bloß Sekundenbruchteile darüber, dass das Geschoss nicht auch seinen Körper traf, wenn man bedenkt, dass schon unter der Annahme, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten wurde, pro Sekunde eine Strecke von 13,89 Metern, bei höherer Geschwindigkeit hingegen in diesem Zeitraum ein noch längerer Weg, zurückgelegt wird.

Eine Rechtfertigung könnte sohin letztlich nur mehr darin gefunden werden, dass die gegebene Situation einen lebensgefährdenden Waffengebrauch zuließ.

Objektiv besehen diente der in Rede stehende (erste) Schuss offenkundig schon von vornherein nicht mehr in erster Linie dazu, die Durchführung der Verkehrskontrolle sicherzustellen; denn zum Zeitpunkt seiner Abgabe war aus der Sicht der einschreitenden Sicherheitsorgane bereits klar, dass sich der Lenker dieser entziehen wollte. Auch eine Notwehrsituation war - wie bereits zuvor festgestellt:

mangels eines (weiterhin) gegenwärtigen Angriffes - nicht (mehr) gegeben. Der als Schreckschuss intendierte Waffengebrauch sollte daher iSd § 7 Z.3 WaffGebrG das Entkommen einer Person, die des Verbrechens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt (§ 269 Abs.1 iVm § 17 Abs.1 und § 106 StGB) dringend verdächtig war, verhindern.

Weil zu diesem Zeitpunkt unklar war, aus welchem Grund sich der Fahrer des PKW der Verkehrskontrolle entziehen wollte und insbesondere die Annahme, dass dieser auch eines Gewaltverbrechens verdächtig sein könnte, nicht unvertretbar erschien, diente die von den Beamten intendierte Anhaltung aber nicht bloß der polizeilichen Nachforschung, sondern vorerst auch noch der Gefahrenabwehr (zur Abgrenzung vgl. Weiß, Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Aspekte im Verhältnis von Sicherheitspolizei und Strafrechtspflege, in:

Huber - Jesionek - Miklau (Hrsg.), FS für Reinhard Moos, Wien 1997, 198 ff); es lag somit eine sicherheitspolizeiliche Maßnahme iSd § 3 iVm § 16 SPG vor, wobei der Beschwerdeführer gemäß § 87 SPG ein subjektives Recht darauf hatte, dass diese nur in gesetzmäßiger Weise, nämlich § 50 Abs.3 SPG zufolge nur den Bestimmungen des WaffGebrG entsprechend, vorgenommen wurde.

Für den Fall, dass solcherart der dringende Verdacht eines Verbrechens gegeben ist, rechtfertigt § 7 Z.3 WaffGebrG u.U. sogar einen lebensgefährdenden Waffengebrauch, schon um das Entweichen des Täters zu verhindern. Allerdings geht der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang - wie sich insbesondere aus § 8 Abs.1 und 2 WaffGebrG (vom hier nicht maßgeblichen Fall einer Notwehrsituation abgesehen) ergibt - stets von einem wohlüberlegten und kontrollierten Einsatz der Dienstwaffe aus. Deren unsachgemäße Handhabung ist dadurch hingegen von vornherein nicht erfasst und daher auch nicht gedeckt, weil anders nicht sichergestellt wäre, dass Unbeteiligte iSd § 8 Abs.2 WaffGebrG nicht gefährdet werden. Davon abgesehen wäre auch die notwendige Voraussetzung des § 8 Abs.1 WaffGebrG (nämlich die ausdrückliche, zeitlich unmittelbar vorausgehende und deutlich wahrnehmbare Androhung des lebensgefährdenden Waffengebrauches) im gegenständlichen Fall - allseits unbestritten - ohnehin nicht erfüllt gewesen.

Dazu kommt schließlich noch, dass vorliegend auch das an verschiedenen Stellen des WaffGebrG (vgl. die §§ 4 bis 6) näher präzisierte, als "Allgemeine Bestimmungen" (vgl. die Überschrift vor § 1 WaffGebrG) auch für den lebensgefährdenden Waffengebrauch maßgebliche verfassungsmäßige Verhältnismäßigkeitsgebot nicht gewahrt gewesen wäre. Denn um die Identität des Pkw-Lenkers, der sich der Amtshandlung widersetzt hat, zu klären, wären offenkundig auch ungefährliche und/oder weniger gefährliche Maßnahmen zweckdienlich gewesen, wie z.B. die Verfolgung des Flüchtenden mit dem Gendarmeriebus. Diese musste nicht schon allein deshalb, weil sich in diesem schweres Gerät befand (sog. "Schengen"-Bus), von vornherein als aussichtslos erscheinen, da sich die Beamten zum einen offenkundig leicht Kenntnis vom Kennzeichen verschaffen und andererseits die Nachfahrt unschwer mit der Herbeiholung kollegialer Hilfe per Funk - wie dies auch tatsächlich geschehen ist - kombinieren hätten können.

Im Ergebnis erweist sich die Abgabe des Schusses sohin als rechtswidrig, weil der Beschwerdeführer dadurch ungerechtfertigterweise einer ernsthaften Gefährdung seines Lebens iSd Art.2 Abs. 1 erster Satz MRK ausgesetzt wurde.

Aufforderung zum Aussteigen mit vorgehaltener Pistole:

Während hinsichtlich des zuvor behandelten unkontrollierten Schusses zweifelsfrei feststeht, dass - wenn schon dessen gezielte Abgabe auf das flüchtende Fahrzeug nicht erwiesen werden konnte - zumindest insofern eine unsachgemäße Handhabung der Dienstwaffe vorgelegen haben muss, als der Beamte (was von diesem gar nicht bestritten wird) entgegen der Bedienungsanleitung seinen Abzugsfinger nicht solange bloß am Abzugbügel - anstelle am Abzug selbst - angelegt hat, bis die Waffe ins Ziel, nämlich senkrecht nach oben zeigte, wird Gleichartiges im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er mit vorgehaltener Waffe zum Aussteigen aus dem KFZ gezwungen worden sei, nicht einmal von letzterem selbst behauptet.

Ist damit aber davon auszugehen, dass - wenn der Abzugsfinger hier am Abzugbügel lag - die unbeabsichtigte Auslösung eines Schusses nicht möglich war, weil ein solcher der Bedienungsanleitung zufolge nur durch eine bewusste Betätigung des Abzuges abgegeben werden kann, wozu der Finger zuvor vom Bügel auf den Abzug gelegt werden muss (vgl. S.5 der Bedienungsanleitung), so lag insoweit auch keine konkrete Lebensgefährdung des Beschwerdeführers iSd Art.2 Abs.1 erster Satz MRK vor, und zwar unabhängig davon, ob die Dienstwaffe tatsächlich aus einer Entfernung von 2 bis 3 cm (so der erste Zeuge), von 30 cm (wie der Beschwerdeführer vorbringt) oder aus einem größeren Abstand (so das einschreitende Sicherheitsorgan) auf den Körper des Rechtsmittelwerbers gerichtet war.

Auch eine unmenschliche Behandlung iSd Art.3 MRK ist in dieser Vorgangsweise nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates nicht zu erblicken, weil die Beamten zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht wussten, welche und wieviele Personen in dem KFZ waren und in welcher psychischen Verfassung sich diese befanden. Vom dringenden Verdacht der Begehung des Deliktes des Widerstandes gegen die Staatsgewalt abgesehen war jedenfalls objektiv betrachtet auch die Annahme nicht gänzlich unvertretbar, dass die Insassen schon zuvor eine gravierende Kriminalstraftat, insbesondere ein Gewaltdelikt, begangen haben könnten, deretwegen sie unbedingt eine Umgehung der Verkehrskontrolle bewerkstelligen wollten.

Daher wurde der Rechtsmittelwerber insoweit nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt.

Aus allen diesen Gründen war somit der Beschwerde gemäß § 67c Abs. AVG insoweit stattzugeben, als die durch unsachgemäße Bedienung ausgelöste Abgabe eines Schusses aus der Dienstpistole des einschreitenden Sicherheitsorganes und die dadurch bewirkte ernsthafte Lebensgefährdung des Rechtsmittelwerbers iSd Art.2 MRK als rechtswidrig zu erklären war; hinsichtlich des Vorbringens, dass jener darüber hinaus durch die mit vorgehaltener Waffe ausgesprochene Aufforderung, aus dem PKW auszusteigen, in seinen Rechten verletzt worden wäre, war diese hingegen als unbegründet abzuweisen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten