TE Vfgh Beschluss 2007/11/30 G181/07 ua, V60/07 ua

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Veröffentlicht am 30.11.2007
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §609 Abs19 idF Sozialrechts-ÄnderungsG 2004
ASVG §351g Abs4 idF 2. Sozialversicherungs-ÄnderungsG 2003
JN §1
Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG - VO-EKO XI, und XII. Abschnitt

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge der Vertreiber vonArzneimittelspezialitäten auf Aufhebung von Bestimmungen des ASVGüber die Abgeltung der Bearbeitungskosten für den Erstattungskodexund den Finanzierungs-Sicherungs-Beitrag sowie dazu ergangenerAusführungsbestimmungen in der Verfahrensordnung mangelsLegitimation; keine aktuelle Betroffenheit durch eine bereits außerKraft getretene Norm; im Übrigen keine konkrete Festlegung vonZahlungsverpflichtungen; Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zurEntscheidung über den pauschalierten Kostenersatz und dennachträglichen Rabatt

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Die zu G181/07, V60/07 und zu G203/07, V81/07 einschreitenden Gesellschaften stellen - gestützt auf Art140 und 139 B-VG - die Anträge,

-

§609 Abs19 ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2004

-

SRÄG 2004, BGBl. I 105, zur Gänze,

-

die Zahl "19" bzw. die Wortfolge "und 19" in §615 Abs1 Z4 ASVG idF des SRÄG 2004, und

-

§§52-55 der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG - VO-EKO, Amtliche Verlautbarung der österreichischen Sozialversicherung im Internet Nr. 47/2004, zur Gänze, in eventu näher bezeichnete Teile dieser Bestimmungen,

als verfassungs- bzw. gesetzwidrig aufzuheben.

1.2. Mit einem am 9. Oktober 2007 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz stellt die zu G245/07, V83/07 einschreitende Gesellschaft - gestützt auf Art140 und 139 B-VG - die Anträge,

-

§609 Abs19 ASVG idF des SRÄG 2004 zur Gänze,

-

§§47 bis 55 VO-EKO zur Gänze, in eventu näher bezeichnete Teile dieser Bestimmungen

als verfassungs- bzw. gesetzwidrig aufzuheben und auszusprechen, dass §351g Abs4 ASVG idF der 61. Novelle (Art1 des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2003 - 2. SVÄG 2003, BGBl. I 145) verfassungswidrig war.

2. Die angefochtenen Bestimmungen stehen im folgenden rechtlichen Zusammenhang:

2.1. Gemäß §31 Abs3 Z12 ASVG idF der 61. Novelle obliegt dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger die Herausgabe eines "Erstattungskodex der Sozialversicherung" für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex sind vom Hauptverband durch Verordnung zu regeln (§351g ASVG).

Die im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten sind drei Bereichen zuzuordnen: Im roten Bereich (red box) sind zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten angeführt, die erstmalig auf dem österreichischen Markt lieferbar sind und deren Aufnahme in den Erstattungskodex beantragt worden ist (§31 Abs3 Z12 lita ASVG). Der gelbe Bereich (yellow box) enthält jene Arzneispezialitäten, die zwar einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweisen, jedoch aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich (green box) aufgenommen werden (§31 Abs3 Z12 litb ASVG idF des SRÄG 2004). Im letztgenannten Bereich finden sich schließlich jene Arzneispezialitäten, die allein auf Grund ärztlicher Verschreibung auf Rechnung der Sozialversicherungsträger - ohne Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Versicherungsträger - abgegeben werden können (§31 Abs3 Z12 litc ASVG).

2.2. §351g ASVG hatte idF der 61. Novelle samt Überschrift auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Verordnungsermächtigung ...

§351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität und Form der vorzulegenden Unterlagen festzulegen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Verordnung ist vom Hauptverband im Internet kundzumachen.

(2) - (3) ...

(4) Zur Abgeltung der Bearbeitungskosten für den Erstattungskodex ab dem Jahr 2004 zahlen jene vertriebsberechtigten Unternehmen, deren Arzneispezialitäten im Erstattungskodex angeführt sind, insgesamt einen pauschalierten Kostenersatz an den Hauptverband in der Höhe von einer Million Euro. Dieser Betrag unterliegt einer jährlichen Valorisierung auf Basis der Steigerungen der Heilmittelaufwendungen der Krankenversicherungsträger. Die Aufteilung dieses Betrages auf die einzelnen Berufsgruppenmitglieder obliegt der Wirtschaftskammer Österreich. Eine erste Akontierung ist mit 1. Juli 2004 fällig, die Abrechnung ist so rasch wie möglich nach Ende des jeweiligen Kalenderjahres vorzunehmen. Eine weitere Akontierung ist mit 10. Jänner 2005 fällig, in weiterer Folge gelten als Fälligkeitstage jeweils der 1. April und der 1. Oktober. Die Abrechnungsregeln für diese Zahlung sind in der Verordnung nach Abs1 festzulegen.

(5) ..."

Mit der 66. Novelle zum ASVG (Art1 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2006 - SRÄG 2006, BGBl. I 131), wurde §351g Abs4 ASVG zur Gänze neu erlassen und lautet nunmehr:

"(4) Der Hauptverband hat durch Verordnung pauschalierte Kostenersätze für die Kosten der Verfahren nach den §§351c Abs1 und 351e festzusetzen. Die Höhe der pauschalierten Kostenersätze hat sich nach den Kosten eines durchschnittlichen Verfahrens zu richten, wobei jedenfalls zwischen Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex und Verfahren zur Änderung der Verschreibbarkeit oder zur Preiserhöhung der im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten zu unterscheiden ist. Die Antragsteller/Antragstellerinnen haben die Kostenersätze gleichzeitig mit der Antragstellung an den Hauptverband zu entrichten, anderenfalls der Antrag als unvollständig gilt. Die Verordnung ist im Internet zu veröffentlichen."

Diese Bestimmung trat mit 1. Juli 2006 in Kraft (§628 Abs1 Z1 ASVG).

In den Materialien heißt es dazu (AB 1483 BlgNR 22. GP, 2 f):

"Dem Hauptverband obliegt die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung der Sozialversicherungsträger im niedergelassenen Bereich. Zur Abgeltung der Kosten für die Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex, Änderung der Verschreibbarkeit oder Preiserhöhung einer sich im Erstattungskodex befindenden Arzneispezialität soll der Hauptverband ermächtigt werden, pauschalierte Kostenersätze durch Verordnung festzusetzen. Die Höhe der Kostenersätze soll sich nach den Kosten eines durchschnittlichen Verfahrens richten.

Das System antragsbezogener Kostenersätze ist nicht neu, sondern war bereits für Verfahren zur Herausgabe des Heilmittelverzeichnisses (Vorgänger des Erstattungskodex) vorgesehen. Die derzeitige Regelung der Abgeltung der Bearbeitungskosten für den Erstattungskodex durch einen pauschalierten umsatzabhängigen Kostenersatz wurde mit dem 2. SVÄG 2003, BGBl. I Nr. 145/2003, eingeführt. Entgegen den Intentionen einer Vereinfachung stellte sich diese Form der Verrechnung jedoch als äußerst aufwendig heraus. Da sich die derzeit geltenden pauschalierten Bearbeitungskosten in ihrer praktischen Umsetzung nicht bewährt haben, soll auf gemeinesamen Wunsch der österreichischen Sozialversicherung, der Wirtschaftskammer Österreich und der pharmazeutischen Industrie das frühere System der antragsbezogenen Kostenersätze für Verfahren in Zusammenhang mit dem Erstattungskodex wieder eingeführt werden. Für die Sozialversicherung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Annahme eines gleichbleibenden Antragsverhaltes der vertriebsberechtigten Unternehmen keine finanziellen Auswirkungen zu erwarten. Aufgrund der laufenden Finanzierung für das Kalenderjahr 2006 sollen die antragsbezogenen Kostenersätze für neu einlangende Anträge nach dem 31. Dezember 2006 anzuwenden sein."

Nähere Bestimmungen dazu enthalten die §§47 - 51 VO-EKO. Diese lauteten in der Stammfassung (Amtliche Verlautbarung der österreichischen Sozialversicherung im Internet Nr. 47/2004):

"XI. Abschnitt: Bearbeitungskosten

Abgeltung der Bearbeitungskosten

§47. Zur Abgeltung der Bearbeitungskosten für den Erstattungskodex ab dem Jahr 2004 zahlen gemäß §351g Abs4 ASVG jene vertriebsberechtigten Unternehmen, deren Arzneispezialitäten im Erstattungskodex angeführt sind, einen pauschalierten Kostenersatz an den Hauptverband. Für das Jahr 2004 sind die Bearbeitungskosten für den Erstattungskodex von jenen vertriebsberechtigten Unternehmen zu bezahlen, deren Arzneispezialitäten im Erstattungskodex und/oder im Heilmittelverzeichnis angeführt sind. Bereits geleistete Kostenersätze aus dem Jahr 2004 sind anzurechnen (§609 Abs17 ASVG).

Höhe der Bearbeitungskosten

§48. (1) Gemäß §351g Abs4 ASVG beträgt der pauschalierte Kostenersatz für das Jahr 2004 insgesamt eine Million Euro.

(2) Ab dem Jahr 2005 ist dieser Betrag jährlich auf Basis der Steigerungen der Heilmittelaufwendungen der krankenversicherungsträger zu valorisieren.

Regeln über die Abrechnung der Bearbeitungskosten

§49. (1) Der Hauptverband stellt pro vertriebsberechtigtem Unternehmen den Arzneimittelumsatz des jeweiligen Kalenderjahres auf Basis der Meldungen der Krankenversicherungsträger im Rahmen der maschinellen Heilmittelabrechnung und der Fabriks-/Depotabgabepreise fest.

(2) Jene vertriebsberechtigten Unternehmen, deren Arzneimittelumsatz des jeweiligen Kalenderjahres gemäß Abs1 den Betrag von 100.000 Euro nicht übersteigt, leisten keinen Beitrag zu den Bearbeitungskosten an den Hauptverband.

(3) Jene vertriebsberechtigten Unternehmen, deren Arzneimittelumsatz des jeweiligen Kalenderjahres gemäß Abs1 den Betrag von 100.000 Euro übersteigt, zahlen einen Pauschalbetrag von 2.000 Euro pro Jahr an den Hauptverband.

(4) Der allfällig fehlende Betrag auf den pauschalierten Kostenersatz gemäß §48 wird auf Basis des jeweiligen Arzneimittelumsatz des jeweiligen Kalenderjahres gemäß Abs1 anteilig auf die vertriebsberechtigten Unternehmen, deren Arzneimittelumsatz den Betrag von 2 Millionen Euro übersteigt, aufgeteilt.

Mitteilung an die Wirtschaftskammer Österreich

§50. Der Wirtschaftskammer Österreich wird die Aufteilung der Bearbeitungskosten zur Kenntnis gebracht. Der Hauptverband teilt der Wirtschaftskammer Österreich rechtzeitig die Valorisierungsbeträge mit.

Zahlungstermine der Bearbeitungskosten

§51. (1) Gemäß §351g Abs4 vorletzter Satz ASVG haben die vertriebsberechtigten Unternehmen dem Hauptverband Zahlungen wie folgt zu leisten:

Fälligkeitszeitpunkt Zu bezahlender Betrag          Für

                                                    Kalenderjahr

   1. Juli 2004      500.000,-- €                   2004

10. Jänner 2005      500.000,-- €                   2004

  1. April 2005      Schlussrechnung                2004

  1. April 2005      500.000,-- €                   2005

1. Oktober 2005      1.000.000,-- € plus            2005

                     Valorisierung (2005 auf 2004)

                     minus 500.000,-- €

  1. April 2006      Schlussrechnung                2005

  1. April 2006      Akontierungsbetrag des         2006

                     1. Oktober 2005

1. Oktober 2006      1.000.000,-- € plus            2006

                     Valorisierung (2006 auf 2005)

                     minus Akontierungsbetrag des

                     1. April 2006

  1. April 2007      Schlussrechnung                2006

Ab dem Kalenderjahr 2007 ist sinngemäß wie für das Kalenderjahr 2006 vorzugehen.

(2) Die Aufteilung der Akontierungsbeträge ist nach den Abrechnungsregeln des §49, jedoch auf Basis der Arzneimittelumsätze des vorangegangenen Kalenderjahres durchzuführen. Liegen diese Arzneimittelumsätze nicht rechtzeitig vor, können die Arzneimittelumsätze des zweitvorangegangenen Kalenderjahres herangezogen werden. Statt des Pauschalbetrages gemäß §49 Abs3 in Höhe von 2.000 Euro ist ein Pauschalbetrag in Höhe von 1.000 Euro heranzuziehen. Die Kostenersätze aus dem Jahr 2004 gemäß §609 Abs17 ASVG sind bei der Akontierungsberechnung für den 10. Jänner 2005 zu berücksichtigen.

(3) Die im Rahmen der Schlussrechnung des Hauptverbandes zu berücksichtigenden Differenzbeträge (an oder von vertriebsberechtigten Unternehmen) sind ohne Zinsen zu verrechnen, wenn sie rechtzeitig überwiesen wurden. Die Zahlung ist rechtzeitig erfolgt, wenn die jeweiligen Beträge innerhalb einer Respiro-Frist von 5 Kalendertagen auf dem Konto des Hauptverbandes gutgeschrieben sind."

Durch die 1. Änderung der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG - VO-EKO, Amtliche Verlautbarung der österreichischen Sozialversicherung im Internet Nr. 41/2007, wurde die VO-EKO u.a. wie folgt geändert:

"...

24. Im §47 wir nach dem Ausdruck 'ab dem Jahr 2004' der Ausdruck 'bis einschließlich des Jahres 2006' eingefügt.

25. §51 Abs1 letzter Satz wird gestrichen.

..."

Diese Änderungen traten mit 1. März 2007 in Kraft (§56a VO-EKO idF der 1. Änderung).

2.3. §609 Abs19 ASVG idF des SRÄG 2004 lautet:

"Die vertriebsberechtigten Unternehmen haben zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit den Krankenversicherungsträgern beginnend mit dem Jahr 2004 bis einschließlich 2006 jährlich einen nachträglichen Rabatt in Höhe von 2 % ihres jährlichen Arzneimittelumsatzes, den sie auf Rechnung der Krankenversicherungsträger erzielen, zu gewähren. Bei jedem Unternehmen bleibt dabei ein Sockelbetrag von zwei Millionen Euro außer Betracht. Dieser Betrag unterliegt einer jährlichen Valorisierung auf Basis der Steigerungen der Heilmittelaufwendungen der Krankenversicherungsträger. Für das Jahr 2004 beträgt die Summe der Überweisungen pauschal 23 Millionen Euro. Eine erste Akontierung ist mit 1. Juli 2004 fällig, die Abrechnung ist so rasch wie möglich nach Ende des jeweiligen Kalenderjahres vorzunehmen. Eine weitere Akontierung ist mit 10. Jänner 2005 fällig, in weiterer Folge gelten als Fälligkeitstage jeweils der 1. April und der 1. Oktober. Die Abrechnung und Einhebung des Betrages erfolgt durch den Hauptverband, der im Namen und auf Rechnung der Krankenversicherungsträger tätig wird."

§615 ASVG idF des SRÄG 2004 lautete samt Überschrift auszugsweise:

"Schlussbestimmungen zu Art1 des

Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2004, BGBl. I Nr. 105

§615. (1) Es treten in Kraft:

1. - 3. ...

4. rückwirkend mit 31. Dezember 2003 §609 Abs... 19 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 105/2004.

(2) - (11) ..."

Mit der 62. Novelle zum ASVG (Art2 des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I 142/2004), wurde die Paragraphenbezeichnung dieser Schlussbestimmung in "616" geändert [Anmerkung: §615 ASVG war mit Bundesgesetz BGBl. I 106/2004 ein zweites Mal vergeben worden.]

Die §§52-55 VO-EKO bestimmen dazu Folgendes:

"XII. Abschnitt: Beitrag zur Wahrung des finanziellen

Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit

gemäß §609 Abs19 ASVG

Finanzierungs-Sicherungs-Beitrag

§52. Die vertriebsberechtigten Unternehmen haben zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit dem Hauptverband beginnend mit dem Jahr 2004 bis einschließlich 2006 einen Beitrag zu überweisen. Der Hauptverband ist im Namen und auf Rechnung der Krankenversicherungsträger tätig.

Höhe des Finanzierungs-Sicherungs-Beitrages

§53. (1) Für das Jahr 2004 beträgt die Summe der Überweisungen pauschal 23 Millionen Euro zuzüglich 20 % Umsatzsteuer.

(2) Für das Jahr 2005 bzw. 2006 beträgt die Summe der jährlichen Überweisungen 2 % des Arzneimittelumsatzes zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, den die vertriebsberechtigten Unternehmen im Jahr 2005 bzw. 2006 auf Rechnung der Krankenversicherungsträger erzielt haben. Dabei bleibt bei jedem Unternehmen jährlich ein Sockelbetrag von zwei Millionen Euro außer Betracht.

(3) Der Sockelbetrag unterliegt einer jährlichen Valorisierung auf Basis der Steigerungen der Heilmittelaufwendungen der Krankenversicherungsträger.

Regeln über die Abrechnung des

Finanzierungs-Sicherungs-Beitrages

(gemäß §609 Abs19 ASVG)

§54. (1) Der Hauptverband stellt pro vertriebsberechtigtem Unternehmen den Arzneimittelumsatz des jeweiligen Kalenderjahres auf Basis der Meldungen der Krankenversicherungsträger im Rahmen der maschinellen Heilmittelabrechnung und der Fabriks-/Depotabgabepreise fest. Dieser ist bei der Schlussrechnung des Hauptverbandes für das jeweilige Kalenderjahr heranzuziehen. Für die in §55 vorgesehenen Akontierungen ist der Arzneimittelumsatz des zweitvorangegangenen Kalenderjahres heranzuziehen.

(2) Von diesem Arzneimittelumsatz pro vertriebsberechtigtem Unternehmen wird der Sockelbetrag nach §53 Abs2 abgezogen.

(3) Der Hauptverband stellt in der Folge den betroffenen vertriebsberechtigten Unternehmen Rechnungen zuzüglich 20 % Umsatzsteuer (einschließlich Akontierungen) entsprechend de[n] folgenden Bestimmungen.

(4) Für das Jahr 2004 ist abweichend von den Bestimmungen der Abs1 bis 3 wie folgt vorzugehen:

1. Der Arzneimittelumsatz pro vertriebsberechtigtem Unternehmen ist wie in Abs1 und 2 beschrieben festzustellen.

2. Der pauschale Beitrag in Höhe von 23 Millionen Euro zuzüglich 20 % Umsatzsteuer ist anteilig auf die vertriebsberechtigten Unternehmen zu verteilen, deren Arzneimittelumsatz gemäß Z1 den Sockelbetrag übersteigt.

Zahlungstermine des Finanzierungs-Sicherungs-Beitrages

(gemäß §609 Abs19 ASVG)

§55. Gemäß §609 Abs19 ASVG haben die betroffenen vertriebsberechtigten Unternehmen zu folgenden Terminen Zahlungen an den Hauptverband zu leisten:

Fälligkeitszeitpunkt Zu bezahlender Betrag          Für

                     der betroffenen                Kalenderjahr

                     vertriebsberechtigten

                     Unternehmen

   1. Juli 2004      11.500.000,-- € zuzüglich      2004

                     20 % Umsatzsteuer

10. Jänner 2005      11.500.000,-- € zuzüglich      2004

                     20 % Umsatzsteuer

   Im Laufe des      Schlussrechnung des            2004

    Jahres 2005      Hauptverbandes

  1. April 2005      50 % des Betrages gemäß §53    2005

                     Abs2, wobei jedoch der

                     Umsatz des Kalenderjahres

                     2003 heranzuziehen ist

1. Oktober 2005      50 % des Betrages gemäß §53    2005

                     Abs2, wobei jedoch der

                     Umsatz des Kalenderjahres

                     2003 heranzuziehen ist

   Im Laufe des      Schlussrechnung des            2005

    Jahres 2006      Hauptverbandes

  1. April 2006      50 % des Betrages gemäß §53    2006

                     Abs2, wobei jedoch der

                     Umsatz des Kalenderjahres

                     2004 heranzuziehen ist

1. Oktober 2006      50 % des Betrages gemäß §53    2006

                     Abs2, wobei jedoch der

                     Umsatz des Kalenderjahres

                     2004 heranzuziehen ist

   Im Laufe des      Schlussrechnung des            2006

    Jahres 2007      Hauptverbandes

Die im Rahmen der Schlussrechnung des Hauptverbandes zu berücksichtigenden Differenzbeträge (an oder von vertriebsberechtigten Unternehmen) sind ohne Zinsen zu berücksichtigen, wenn sie rechtzeitig überwiesen wurden. Die Zahlung ist rechtzeitig erfolgt, wenn die jeweiligen Beträge innerhalb einer Respiro-Frist von 5 Kalendertagen auf dem Konto des Hauptverbandes gutgeschrieben sind."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der vorliegenden - gemäß §§404 Abs2, 187 Abs2 ZPO (§35 Abs1 VfGG) zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Anträge erwogen:

1. Gemäß den Art140 und 139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit (Gesetzwidrigkeit) von Gesetzen (Verordnungen) auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Rechtswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die angefochtene Norm ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Die Antragslegitimation setzt daher voraus, dass die angefochtene Norm in die Rechtssphäre der antragstellenden Partei unmittelbar eingreift und sie - im Falle ihrer Rechtswidrigkeit - verletzt.

Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muss jedenfalls nach Art und Ausmaß durch die Norm eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie die Art140 und 139 B-VG als Voraussetzung der Antragslegitimation verlangen (siehe dazu schon VfSlg. 8062/1977 und 8292/1978; aus jüngster Zeit etwa VfSlg. 16.426/2002 mwN).

Der Verfassungsgerichtshof bezieht schließlich seit den Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 und 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, dass die mit Art139 Abs1 und Art140 Abs1 (jeweils letzter Satz) B-VG eingeräumten Rechtsbehelfe dazu bestimmt sind, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes nicht zur Verfügung steht.

2. Die Antragslegitimation ist im vorliegenden Fall - gemessen an den soeben genannten Kriterien - nicht gegeben:

2.1. Wie unter Pkt. I.2.2. dargelegt, ist die zu G245/07 angefochtene Bestimmung des §351g Abs4 ASVG idF der 61. Novelle durch die 66. Novelle zum ASVG mit Wirkung vom 1. Juli 2006 zur Gänze ersetzt worden und damit außer Kraft getreten.

Eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getretene Norm entfaltet aber für die Rechtssphäre des Antragstellers in der Regel nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist vielmehr mit ihrem Außerkrafttreten schon erreicht (vgl. zB VfSlg. 16.618/2002 mwN, 17.400/2004, 17.653/2005).

Der zu G245/07 einschreitenden Gesellschaft fehlt daher insoweit die - auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes - erforderliche aktuelle Betroffenheit durch die bereits außer Kraft getretene Vorschrift und damit - schon aus diesem Grund - die Legitimation zu deren Anfechtung.

2.2. Aus demselben Grund fehlt es der zu V83/07 einschreitenden Gesellschaft an der Legitimation zur Anfechtung des §47 VO-EKO, der durch die 1. Änderung der VO-EKO novelliert wurde:

Der Verfassungsgerichtshof vertritt nämlich in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine im Wortlaut unveränderte Bestimmung durch eine Novellierung als neu erlassen anzusehen ist, wenn der unverändert gebliebene mit dem novellierten Text in untrennbarem Zusammenhang steht (vgl. zB VfSlg. 15.203/1998 mwN, 17.570/2005). Da im vorliegenden Fall ein solcher untrennbarer Zusammenhang zwischen dem novellierten Teil des §47 VO-EKO und seinem im Wortlaut unveränderten Teil gegeben ist, ist diese Bestimmung durch die 1. Änderung der VO-EKO mit Wirkung vom 1. März 2007 zur Gänze neu erlassen worden und in ihrer - angefochtenen - Stammfassung außer Kraft getreten.

2.3. Die Anträge erweisen sich aber auch im Übrigen als unzulässig:

2.3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis VfSlg. 17.653/2005 (vgl. hinsichtlich §609 Abs19 ASVG und §§52-55 VO-EKO bereits VfSlg. 17.608/2005) gegen dieselben Bestimmungen des ASVG und der VO-EKO gerichtete Individualanträge mangels Legitimation zurückgewiesen und dies wie folgt begründet:

"Keine der von den antragstellenden Gesellschaften angefochtenen Normen legt das Ausmaß der diese Gesellschaften treffenden Zahlungsverpflichtungen konkret fest: Sowohl das Gesetz (§351g Abs4 und §609 Abs19 ASVG) als auch die vom Hauptverband hiezu erlassenen Vorschriften geben lediglich vor, welche Messgrößen für die Festsetzung des pauschalierten Kostenersatzes und des Finanzierungssicherungsbeitrages heranzuziehen sind. Für das Jahr 2004 ist die Gesamthöhe des von allen in Betracht kommenden Unternehmen gemeinsam aufzubringenden Kostenersatzes bzw. Beitrages mit einem ziffernmäßig bestimmten Betrag (1 Million bzw. 23 Millionen Euro) begrenzt, der nach den angefochtenen Bestimmungen der Verordnung des Hauptverbandes in Teilbeträge (einschließlich der Festlegung ihrer Fälligkeit) aufgegliedert wird.

Die Aufteilung jedes dieser Beträge auf die einzelnen vertriebsberechtigten Unternehmen hängt aber von mehreren Kriterien ab, wie vom Überschreiten eines bestimmten Mindestumsatzes und sodann vom Verhältnis des jeweils erzielten Umsatzes zum Gesamtumsatz aller vertriebsberechtigten Unternehmen. Das Ausmaß der Zahlungsverpflichtung und damit des Eingriffs in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaften bedarf somit erst der Konkretisierung, wobei Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit der vom Hauptverband durchgeführten Berechnungen in einem Verfahren geklärt werden müssten (vgl. in diesem Sinne schon - zum Finanzierungssicherungsbeitrag gemäß §609 Abs19 ASVG - VfGH 24. Juni 2005, G133/04 ua.).

... Auch wenn die Entscheidung über Streitigkeiten betreffend die in Rede stehenden Zahlungspflichten nach dem Gesetz weder dem Hauptverband (vgl. VfGH 13. Oktober 2004, B954/04 ua. [pauschalierter Kostenersatz] bzw. B955/04 ua. [Finanzierungssicherungsbeitrag]) noch sonst einer Verwaltungsbehörde zugewiesen ist, steht den antragstellenden Gesellschaften zur Konkretisierung ihrer Zahlungspflicht, aber auch zu deren Abwehr, ein Verfahren zur Verfügung: Da es sich sowohl beim "nachträglichen Rabatt" gemäß §609 Abs19 ASVG als auch beim pauschalierten Kostenersatz gemäß §351g Abs4 ASVG um privatrechtliche Ansprüche handelt, ist darüber gemäß §1 JN von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden. Die antragstellenden Gesellschaften hätten daher die Möglichkeit, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Verordnung und Gesetz im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens vorzutragen und beim zuständigen Gericht die Stellung eines entsprechenden Prüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. VfSlg. 11.759/1988 mwN).

Besondere, außergewöhnliche Umstände, aus denen sich Zweifel daran ergeben könnten, ob den antragstellenden Gesellschaften auf diese Weise ein ausreichender Rechtsschutz zuteil werden kann, sind dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar."

2.3.2. Die einschreitenden Gesellschaften begründen ihre Antragslegitimation - mit im Einzelnen unterschiedlicher Begründung - im Wesentlichen damit, dass es durch die Vorschriften über den Finanzierungssicherungsbeitrag und über die Bearbeitungskosten zu einem unmittelbaren, aktuellen Eingriff in ihre Rechte komme, der nach Art und Umfang eindeutig bestimmt sei. Die in den Erkenntnissen VfSlg. 17.608/2005 und 17.653/2005 vom Verfassungsgerichtshof aufgezeigte Möglichkeit, ihre Bedenken gegen die genannten Normen im Zivilrechtsweg an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, sei ihnen nicht zumutbar, weil dadurch nicht gewährleistet sei, dass sie in den "Genuss der Anlassfallwirkung" kämen. Da der Finanzierungssicherungsbeitrag gemäß §609 Abs19 ASVG in mehreren Teilbeträgen fällig werde, die gegenüber den einzelnen Krankenversicherungsträgern geschuldet würden, zerfalle er im Ergebnis in eine Vielzahl von Einzelansprüchen, die eine entsprechende Zahl von Zivilverfahren nach sich zögen. Es obliege in der Folge weitgehend dem "Zufall", welche Normenprüfungsanträge rechtzeitig beim Verfassungsgerichtshof anhängig würden, zumal der Hauptverband ein "Musterverfahren" angestrengt und den übrigen vertriebsberechtigten Unternehmen angeboten habe, von der klagsweisen Einbringung der Forderungen bei Abgabe eines Verjährungsverzichtes abzusehen. Die antragstellenden Gesellschaften könnten sich jedenfalls nicht aus eigener Kraft die Anlassfallwirkung sichern.

2.3.3.a) Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem oben wiedergegebenen Beschluss VfSlg. 17.653/2005 (vgl. auch VfSlg. 17.608/2005) die damaligen Individualanträge schon deshalb mangels Legitimation zurückgewiesen, weil durch die auch nunmehr angefochtenen Bestimmungen ein seinem Ausmaß nach bestimmter Rechtseingriff in die Rechtssphäre von vertriebsberechtigten Pharmaunternehmen nicht erfolge. Er sieht keinen Grund, von dieser Meinung abzugehen.

b) Aus dem Vorbringen der antragstellenden Parteien ergeben sich auch keine besonderen, außergewöhnlichen Umstände, die es ihnen unzumutbar machen würden, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Gesetz und Verordnung im Rahmen von zivilgerichtlichen Verfahren vorzutragen und beim zuständigen Gericht die Stellung eines entsprechenden Prüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof anzuregen. Auch wenn es aufgrund der behaupteten Vielzahl von Verfahren weitgehend vom "Zufall" abhängen sollte, welches Verfahren letztlich in den Genuss der Wirkung eines - allfälligen - aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes kommt, so handelt es sich dabei keineswegs um eine Besonderheit dieser Rechtssachen, sondern lediglich um eine systemimmanente Folge der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, im Zuständigkeitsbereich der ordentlichen Gerichte die Initiative zur Prüfung genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus - zu mediatisieren (zB VfSlg. 11.889/1988, 13.659/1993).

2.4. Die Anträge waren daher mangels Legitimation zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Arzneimittel, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, GerichtZuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Sozialversicherung, VfGH /Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:G181.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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