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25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde der Z J, geboren am 22. November 1950, vertreten durch Dr. Michael Velik, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alserstraße 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. März 2001, Zl. SD 784/00, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. März 2001 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 7. April 2000 auf Aufhebung des mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. Oktober 1996 gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, (im Folgenden: FrG 1992) über sie verhängten Aufenthaltsverbotes für die Dauer von zehn Jahren gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin befinde sich seit 1988 im Bundesgebiet. Sie sei auf Grund ihr erteilter Sichtvermerke vom 16. Juli 1989 bis 27. August 1995 zum Aufenthalt berechtigt gewesen. Mit Urteil vom 16. September 1992 sei sie wegen gewerbsmäßigen Diebstahles, Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Mit Urteil vom 11. November 1994 sei sie neuerlich wegen gewerbsmäßigen Diebstahles zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Gleichzeitig sei die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe des vorzitierten Urteils widerrufen worden. Dem Urteil vom 11. November 1994 liege zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin am 22. Oktober 1994 gemeinsam mit ihrer Tochter gewerbsmäßig Bargeld zu stehlen versucht habe. Die Beschwerdeführerin habe ihre Tochter mit dem Körper abgedeckt, während diese versucht habe, Gegenstände aus dem Einkaufskorb einer Unbekannten zu stehlen.
Auf Grund dieser Umstände sei gegen die Beschwerdeführerin mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. Oktober 1996 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen worden. Dabei seien die privaten und familiären Lebensumstände der Beschwerdeführerin vollständig berücksichtigt worden.
Den vorliegenden Antrag habe die Beschwerdeführerin im Wesentlichen damit begründet, dass ihre beiden Töchter in Wien lebten und arbeiteten. Sie selbst bezöge eine Witwenpension und wäre krankenversichert. Darüber hinaus würde sie ihre Straftaten bereuen. Im weiteren Verfahren habe die Beschwerdeführerin allerdings eingeräumt, zu ihren beiden Töchtern keinen Kontakt zu haben.
Zunächst sei festzuhalten, dass das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des FrG hätte erlassen werden können. Mangels besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände wäre von dem nunmehr in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen gewesen.
Das von der Beschwerdeführerin behauptete Wohlverhalten seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle keine Änderung des Sachverhaltes dar, weil bereits bei Erlassung des befristeten Aufenthaltsverbotes das Wohlverhalten des Fremden während der festgesetzten Dauer des Aufenthaltsverbotes vorausgesetzt werde. Im Übrigen habe sich die Beschwerdeführerin insofern nicht wohlverhalten, als sie trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes (unangemeldet) im Bundesgebiet verblieben sei. Die mögliche Tilgung der gerichtlichen Verurteilungen sei ebenfalls bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden.
Die Beschwerdeführerin sei wiederholt wegen gewerbsmäßiger Eigentumskriminalität verurteilt worden. Sie habe sich von einer einmal erfolgten Verurteilung nicht davon abhalten lassen, erneut straffällig zu werden. Vor diesem Hintergrund sei der seither verstrichene Zeitraum zu kurz, um mit der dafür erforderlichen Verlässlichkeit von einem zukünftig rechtskonformen Verhalten der Beschwerdeführerin auszugehen. Auch die privaten Lebensumstände der Beschwerdeführerin hätten sich nicht maßgeblich verändert, habe sie doch bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine Witwenpension bezogen. Insgesamt habe sich die Interessenlage daher nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin verschoben, vielmehr habe die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes deutlich unter Beweis gestellt, dass ihr Aufenthalt nach wie vor eine massive Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen darstelle. Demgegenüber hätten die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin in den Hintergrund zu treten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Für - auf das FrG 1992 gegründete - Aufenthaltsverbote, die vor dem Inkrafttreten des FrG mit 1. Jänner 1998 erlassen wurden, normiert § 114 Abs. 3 dieses Gesetzes folgendes:
"Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit der selben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können."
Es kommt also darauf an, ob der zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG diese Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Verhängung gerechtfertigt hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133).
§ 36 Abs. 1 FrG räumt der Behörde - anders als
§ 18 Abs. 1 FrG 1992 - das Ermessen ein, von der Erlassung des
Aufenthaltsverbotes trotz Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen hiefür Abstand zu nehmen.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass es bei ihren Straftaten jeweils beim Versuch geblieben und daraus kein Schaden entstanden sei. Überdies seien nur relativ geringe Strafen verhängt worden. Angesichts ihrer Integration, des Bezuges einer Witwenpension und des im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestehenden "Familienzusammenhalts" mit ihren Töchtern wäre das Ermessen zu ihren Gunsten zu üben gewesen. Die belangte Behröde habe diese Umstände nicht ausreichend ermittelt und festgestellt.
Dem ist folgendes zu entgegnen:
Die Beschwerdeführerin wurde am 16. September 1992 wegen Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen gewerbsmäßigen Diebstahls rechtskräftig zu einer keineswegs geringen Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Monaten verurteilt, wobei die verhängte Straft bedingt nachgesehen wurde. Bei der Begehung (oder versuchten Begehung) des Diebstahles ging die Beschwerdeführerin in der Absicht vor, sich durch wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB). Trotzt rechtskräftiger Verurteilung hat sie am 22. Oktober 1994 neuerlich versucht, einen gewerbsmäßigen Diebstahl zu begehen, weshalb sie zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde. Das Aufenthaltsverbot wurde nur zwei Jahre nach der zweiten Verurteilung erlassen. Angesichts der gewerbsmäßigen Tatbegehung und des Rückfalles stellte die Beschwerdeführerin in diesem Zeitpunkt eine große Gefährdung des bedeutsamen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität dar. Ihr damals etwa achtjähriger Aufenthalt in Österreich, der Bezug einer Witwenpension und die Beziehung zu ihren im Inland lebenden Töchtern - welche Umstände von der Behörde im Rahmen der Abwägung gemäß § 19 und § 20 Abs. 1 FrG 1992 ohnehin zu berücksichtigen waren - hätten nicht dazu geführt, dass die Behörde bei einem bereits damals eingeräumten Ermessen von diesem zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen gehabt hätte.
Das Aufenthaltsverbot hätte somit selbst unter Berücksichtigung der in der Beschwerde geltend gemachten Umstände auch auf Grundlage des FrG erlassen werden können. Den von der Beschwerdeführein geltend gemachten Verfahrensmängeln kommt daher keine Relevanz zu.
2. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2000/18/0133).
Die von den Straftaten der Beschwerdeführein ausgehende Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität ist angesichts des Umstandes, dass die zur letzten Verurteilung der Beschwerdeführerin führende Straftat erst sechseinhalb Jahre zurückliegt, noch nicht weggefallen. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass die Tilgung derartiger Verurteilungen gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 iVm § 4 Abs. 1 und Abs. 2 Tilgungsgesetz erst nach zehn Jahren eintritt. Darüber hinaus ist die Beschwerdeführerin trotz rechtskräftiger Verhängung des Aufenthaltsverbotes unstrittig im Bundesgebiet verblieben, was eine nicht unerhebliche Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens darstellt.
Auch die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet haben sich zwischenzeitig nicht wesentlich verstärkt. Die Beschwerdeführerin befindet sich zwar nunmehr seit bereits 13 Jahren im Bundesgebiet. Das Gewicht der daraus ableitbaren Integration wird jedoch dadurch relativiert, dass der Aufenthalt seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes illegal ist. Darüber hinaus gesteht die Beschwerdeführerin zu, dass sie - anders als im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - keinen Kontakt zu ihren beiden Töchtern mehr hat.
Unter Berücksichtigung all dessen kann nicht davon gesprochen werden, dass sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände in einem die Aufhebung dieser Maßnahme rechtfertigendem Ausmaß zu Gunsten der Beschwerdeführerin geändert hätten.
Soweit die Beschwerdeführerin als Verfahrensmangel rügt, dass die belangte Behörde ihr Wohlverhalten seit der Begehung der gerichtlich strafbaren Handlungen nicht ermittelt habe, ist ihr zu entgegnen, dass die belangte Behörde ohnehin kein weiters gerichtlich strafbares Verhalten festgestellt hat. Im Übrigen hat sich die Beschwerdeführerin insofern nicht wohlverhalten, als sie trotz rechtkräftiger Verhängung des Aufenthaltsverbotes im Inland verblieb.
3. Da die belangte Behörde demnach zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 hätte erlassen werden können und die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, nicht weggefallen sind, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass sie das Aufenthaltsverbot weder nach § 114 Abs. 3 FrG noch nach § 44 leg. cit. aufgehoben hat.
Es lässt somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 FrG ohne weiters Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war. Wien, am 7. August 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001180107.X00Im RIS seit
27.11.2001