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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des A J, geboren am 17. Dezember 1973, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Marienstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. September 2000, Zl. St 135-1/00, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen tunesischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer habe am 22. März 1996 in Tunesien mit einer österreichischen Staatsangehörigen, die er während ihres dortigen Urlaubes kennen gelernt habe, die Ehe geschlossen. Daraufhin sei er mit einem von der österreichischen Botschaft in Tunis ausgestellten, bis zum 29. September 1996 gültigen Sichtvermerk nach Österreich eingereist. In der Folge seien ihm Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligungen für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher", zuletzt gültig bis 20. Juli 2001, erteilt worden.
Am 12. August 1999 sei es in einem Lokal in Bad Aussee zwischen dem Beschwerdeführer und einem anderen tunesischen Staatsangehörigen einerseits und zwei weiteren Gästen andererseits zu einer zuerst wörtlichen und dann tätlichen Auseinandersetzung gekommen, wobei der Beschwerdeführer mit einem Gegenstand auf den Kellner, der eine Rauferei verhindern habe wollen, eingeschlagen habe. Auf Grund dieses Vorfalls sei der Beschwerdeführer am 19. Jänner 2000 wegen des Vergehens der Körperverletzung zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden.
Bereits am 5. März 1998 habe der Beschwerdeführer mit einem Radmutternschlüssel mehrmals wuchtig auf einen anderen eingeschlagen. Dadurch habe er diesem anderen, der seinen Kopf mit der Hand habe schützen wollen, einen Mittelhandknochen der linken Hand gebrochen. Als der andere bereits am Boden gelegen sei, habe er mehrmals mit den Füßen auf ihn eingetreten und lediglich deshalb von ihm abgelassen, weil ein Auto gekommen sei. Auf Grund dieses Vorfalls sei er mit Urteil vom 31. März 2000 wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten rechtskräftig verurteilt worden.
Am 14. Juli 1998 sei er wegen Verweigerung der Atemluftprobe gemäß § 5 Abs. 2 Z. 1 StVO mit einer Geldstrafe von S 9.000,-- rechtskräftig bestraft worden.
Am 18. Mai 2000 sei die Gattin des Beschwerdeführers aus eigenem bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden erschienen und habe zu Protokoll gegeben, dass es nach zirka einem Jahr Ehe zu massiven Problemen mit dem Beschwerdeführer gekommen wäre. Es wäre ihr nunmehr klar, dass sie der Beschwerdeführer ausgenützt hätte. In den letzten drei Jahren wäre sie von ihrem Gatten immer wieder geschlagen worden. Der Beschwerdeführer hätte diverse Gegenstände wie Glasflaschen und Sessel durch die Wohnung geworfen. Einmal hätte er auch ein Fernsehgerät auf den Boden geworfen. Es hätte keine Gründe für die Schläge gegeben, der Beschwerdeführer wäre dabei meistens betrunken gewesen. Er hätte die Aggressionen, die er gegen andere gehabt hätte, an seiner Gattin ausgelassen. Überdies würde er seine Gattin ständig bedrohen. Insbesondere hätte er damit gedroht, im Fall seiner Abschiebung wiederzukommen und das Haus seiner Gattin anzuzünden.
Am 18. Mai 2000 habe der Beschwerdeführer mit seinem PKW einen Unfall gehabt und deshalb seine Frau angerufen. Als diese an der Unfallstelle angekommen sei, habe er ihr eine Ohrfeige versetzt. Gegenüber den einschreitenden Gendarmeriebeamten habe er sich so renitent verhalten, dass gegen ihn mit Pfefferspray habe vorgegangen werden müssen.
Auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 12 Monaten sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG erfüllt. Da er bereits zuvor wegen des Vergehens der Körperverletzung verurteilt worden sei, liege auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG vor. Dazu kämen die durchaus glaubwürdigen Schilderungen der Gattin über das gewalttätige Verhalten des Beschwerdeführers ihr gegenüber. Die Behörde sehe keinen Anlass, an den Angaben der Gattin zu zweifeln. Der Beschwerdeführer habe einen "aggressiven Charakter" und sei ein "sehr aggressiver Typ". Die beiden gerichtlichen Verurteilungen sprächen für die Richtigkeit dieser Angaben der Gattin des Beschwerdeführers. Auf Grund der Neigung des Beschwerdeführers zu aggressivem Verhalten sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher (im Grund des § 36 Abs. 1 FrG) gerechtfertigt.
Da sich der (noch) verheiratete Beschwerdeführer schon seit etwas mehr als vier Jahren im Bundesgebiet aufhalte, werde durch das Aufenthaltsverbot in dessen Privat- und Familienleben eingegriffen. Dessen ungeachtet sei diese Maßnahme zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten, denn "immerhin" werde der Beschwerdeführer glaubwürdig beschuldigt, seine Gattin in einem solchen Ausmaß bedroht zu haben, dass sie sich vor ihm fürchte.
Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen auf jeden Fall schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. In Anbetracht dessen, dass sogar die Gattin des Beschwerdeführers dafür eintrete, dass dieser Österreich verlassen müsse, könne nicht mehr von intensiven familiären Bindungen gesprochen werden. Die Aufenthaltsdauer von etwas mehr als vier Jahren sei noch nicht so lange, dass von einem so schweren Eingriff in das Privatleben gesprochen werden könne, dass demgegenüber die öffentlichen Interessen zurückzutreten hätten. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach § 49 Abs. 1 erster Satz FrG genießen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 leg. cit., die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit. Für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt des 4. Hauptstückes. Im vorliegenden Fall findet daher auf den Beschwerdeführer, der unstrittig Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin ist, die Bestimmung des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG Anwendung, derzufolge die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig ist, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.
Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt, als sie das Aufenthaltsverbot im Spruch ihres Bescheides auf § 36 FrG und nicht auf § 48 Abs. 1 leg. cit. gestützt hat. Dies stellt jedoch für sich gesehen keine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers dar, zumal § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, insofern von Bedeutung ist, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 2000/18/0008).
2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, am 19. Jänner 2000 zu einer Geldstrafe und am 31. März 2000 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten als Zusatzstrafe (gemäß §§ 31 und 40 StGB) rechtskräftig verurteilt worden zu sein. Zu Recht verweist er darauf, dass diese beiden Verurteilungen als Einheit zu werten sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 2000/18/0013, mit ausführlicher Begründung) und daher nur der dritte Fall, nicht aber auch der vierte Fall des - als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehenden - § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt ist.
Schon deswegen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, der Anregung des Beschwerdeführers zu folgen, ein Normenprüfungsverfahren hinsichtlich § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG beim VfGH zu beantragen.
3. Bei der Beurteilung der Frage, ob die in § 48 Abs. 1 iVm § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dabei ist - anders als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt ist - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Fremden abzustellen.
Der Beschwerdeführer hat am 5. März 1998 mehrmals wuchtig mit einem Radmutternschlüssel auf einen anderen eingeschlagen. Dabei hat er diesem an der schützend über den Kopf gehaltenen Hand einen Knochen gebrochen. Als sein Kontrahent bereits am Boden gelegen ist, hat er mehrmals mit den Füßen auf ihn eingetreten. Dabei handelt es sich um ein Verhalten, das von besonderer Aggressivität des Beschwerdeführers zeugt. Am 12. August 1999 ist er in einem Lokal tätlich gegen den Kellner, der versucht hat, eine tätliche Auseinandersetzung zu verhindern, vorgegangen, wobei er diesen am Körper verletzt hat. Auch hiebei handelt es sich um ein sehr aggressives Verhalten des Beschwerdeführers.
Die belangte Behörde hat die Aussage der Gattin des Beschwerdeführers wiedergegeben, wonach sie von ihrem Gatten seit drei Jahren immer wieder geschlagen und zuletzt bedroht worden sei. Die Behörde hat diese Aussage als glaubwürdig bezeichnet und ging in ihren weiteren Ausführungen davon aus, dass der Beschwerdeführer die ihm von seiner Gattin angelasteten Handlungen tatsächlich begangen hat. Damit hat sie ein strafbares Verhalten (gefährliche Drohung, Misshandlungen), für das der Beschwerdeführer nicht gerichtlich verurteilt worden ist, festgestellt und ihrer Beurteilung zugrunde gelegt. Da die Fremdenpolizeibehörde die Frage, ob gegen einen Fremden auf Grund seines Fehlverhaltens ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, eigenständig zu lösen hat, besteht kein Einwand gegen eine derartige Vorgangsweise (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0089).
Die - nicht konkret bekämpfte - Beweiswürdigung der belangten Behörde, die zu dieser Feststellung führte, begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde aus dem gesamten Fehlverhalten zu Recht auf einen "aggressiven Charakter" des Beschwerdeführers geschlossen, hat er doch in den letzten drei Jahren nicht nur die beiden Gewalttaten, für die er verurteilt wurde, gesetzt, sondern auch mehrmals seine eigene Gattin geschlagen und zuletzt sogar damit bedroht, das Haus anzuzünden. Um aus diesem gesamten Fehlverhalten auf eine Neigung des Beschwerdeführers zu Aggressionshandlungen zu schließen, bedurfte es keines Sachverständigengutachtens.
Darüber hinaus gefährdet der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers auch insofern öffentliche Interessen, als der Beschwerdeführer § 5 Abs. 2 StVO übertreten hat.
Gegen die Ansicht der belangten Behörde, die in (§ 48 Abs. 1 iVm) § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, bestehen keine Bedenken.
4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers und seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin berücksichtigt. Zu Recht hat sie die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Gattin als relativiert angesehen, wurde ihm doch auf Grund seiner Straftaten gegen seine Gattin mit der bei den Verwaltungsakten erliegenden einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Bad Ischl verboten, in die Ehewohnung und deren unmittelbare Umgebung zurückzukehren. Der in der Beschwerde geltend gemachte Umstand, dass der Beschwerdeführer durch seine regelmäßige Berufstätigkeit einen selbstständigen Beitrag zum gemeinsamen Familieneinkommen geleistet habe, bewirkt keine den Ausschlag gebende Verstärkung seiner persönlichen Interessen.
Dem steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers gegenüber. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Gewalttaten bestehen keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.).
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die bedingte Strafnachsicht und die daraus ableitbare "positive Zukunftsprognose" des Gerichtes verweist, ist ihm zu entgegnen, dass die Behörde die Frage des Gerechtfertigt-Seins des Aufenthaltsverbotes (auch im Grund des § 37 FrG) unabhängig von den die bedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen hat (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033).
5. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. August 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001180032.X00Im RIS seit
27.11.2001