RS UVS Oberösterreich 2001/02/20 VwSen-221665/9/Kl/Km

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Veröffentlicht am 20.02.2001
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Rechtssatz

Gemäß § 12 Abs.2 Störfallverordnung - diese Verordnung gilt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auch für bereits genehmigte gefahrengeneigte Anlagen - hat der Inhaber einer vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung genehmigten gefahrengeneigten Anlage die nach § 7 oder § 8 anzufertigende Sicherheitsanalyse und den Maßnahmenplan (Abs.3) unverzüglich, spätestens jedoch vier Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung, zu erstellen und der zur Genehmigung der Betriebsanlage zuständigen Behörde zu übermitteln.

Die Störfallverordnung trat mit 1. Dezember 1991 in Kraft, sodass der Auftrag gemäß § 12 Abs.2 der Störfallverordnung jedenfalls bis 1. Dezember 1995 zu erfüllen war.

Durch das Verwaltungsverfahren sowie durch den Berufungswerber selbst bestätigt, wurde bis zum 10.6.1999 eine Sicherheitsanalyse und ein Maßnahmenplan gemäß der Störfallverordnung nicht vorgelegt.

Zum Tatbestandsmerkmal der gefahrengeneigten Anlage stützt sich die belangte Behörde mit dem angefochtenen Straferkenntnis zu Recht auf die Definition des § 2 Störfallverordnung. Danach wurden durch einen Amtssachverständigen im April 1993 die Mengen der entzündlichen Flüssigkeiten gemäß Anlage 1 der Störfallverordnung und der darin vorgesehenen Unterscheidung nach Produktion und Lagerung erhoben und zwar jene Mengen, die im bestimmungsgemäßen Betrieb vorhanden sein können. Schon aus diesem Wortlaut ist ersichtlich, dass es nicht auf die zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich vorhandenen Mengen ankommt. Der bestimmungsgemäße Betrieb ist im § 2 Z.2 Störfallverordnung umschrieben als jener Betrieb, für den eine Betriebsanlage nach ihrem technischen Zweck bestimmt, ausgelegt und geeignet ist und der dem Genehmigungsbescheid und den sonst für die Betriebsanlage geltenden gewerberechtlichen Vorschriften entspricht. Danach richtet sich der technische Zweck insbesondere an den für den Gewerbestandort erteilten Gewerbeberechtigungen, also gegenständlich die Erzeugung von Farben und Lacken sowie der Handel mit Farben, Lacken, Malerzubehör und Chemikalien. Diese Gewerbeausübung darf aber nur im Rahmen des für die Betriebsanlage erteilten Genehmigungsbescheides ausgeübt werden. Insbesondere aus den Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden geht aber der Umfang sowie auch die Zweckbestimmung hervor. Es ist daher die belangte Behörde im Recht, wenn sie bei der möglichen Mengenerhebung im Rahmen des technischen Zweckes vom abgesteckten Umfang des Genehmigungsbescheides ausgeht. Danach hat die Behörde bei ihrer Erhebung am 21.4.1993 sowie den Schlussfolgerungen anlässlich der mündlichen Verhandlung am 28.10.1993 nach dem Zweck und Umfang der Genehmigungsbescheide getrennt nach Produktions- und Lagerbereiche die Mengen der entzündlichen Flüssigkeiten aufgegliedert und für die Produktion insgesamt eine mögliche Menge von 302,45 Tonnen entzündlicher Flüssigkeiten und für den Lagerbereich insgesamt 1.133 Tonnen entzündlicher Flüssigkeit ermittelt. Es wäre daher die in Anlage 1 Z.43.1 angeführte Mengenschwelle für den Produktionsvorgang von 300 Tonnen sowie von Anlage 1 Z.45 für den oberirdischen Lagerbereich angeführte Mengenschwelle von 600 Tonnen bei bestimmungsgemäßem Betrieb durch die gegenständliche Betriebsanlage überschritten. Es ist daher die belangte Behörde zu Recht von einer gefahrengeneigten Anlage ausgegangen. Dies war im Übrigen auch Ergebnis eines gemäß § 358 Abs.3 GewO angestrengten Feststellungsverfahrens. Wenn hingegen der Berufungswerber in seinen Ausführungen die angegebenen Mengen bestreitet, so ist ihm die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, dass Bestreitungen allein nicht genügen, sondern die Behauptungen durch ein konkretisiertes Vorbringen und konkret dazu angebotene Beweise zu untermauern sind. Erkundungsbeweise sind von der Behörde nicht aufzunehmen. Hingegen ist zum gerügten Parteiengehör auszuführen, dass bei den jeweiligen Erhebungen Vertreter des Unternehmens anwesend waren und mitgewirkt haben und dass die entsprechenden Angaben auch zur Stellungnahme übermittelt wurden. Im Übrigen ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch die Berufungserhebung Heilung des mangelnden Parteiengehörs eingetreten. Zur eingewendeten Verjährung ist entgegenzuhalten, dass es sich beim gegenständlichen Delikt um ein Unterlassungsdelikt in Form eines Dauerdeliktes handelt, sodass erst mit der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens die Verjährungsfrist (für Verfolgungs- und Strafbarkeitsverjährung) zu laufen beginnt. Verjährung ist daher nicht eingetreten.

Den weiteren Einwendungen des Berufungswerbers, dass eine Strafbarkeit nicht gegeben sei, weil nach der Seveso II Richtlinie 96/82/EG, welche nicht fristgerecht durch den österreichischen Gesetzgeber umgesetzt worden sei und daher unmittelbar anwendbar sei, wesentlich höhere Mengenschwellen festgesetzt seien, sodass der gegenständliche Betrieb nicht in den Anwendungsbereich falle, kann nicht gefolgt werden. Die Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen ist am 3.2.1997 in Kraft getreten und war gemäß deren Art.24 spätestens 24 Monate nach ihrem Inkrafttreten durch die Mitgliedstaaten ins nationale Recht umzusetzen. Es ist zwar richtig, dass der österreichische Gesetzgeber erst mit der Änderung der Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 88/2000 - in Kraft getreten am 1. September 2000 - dieser Anordnung nachgekommen ist, es war aber entgegen den Berufungsbehauptungen die Seveso II Richtlinie bis zum 3.2.1999 nicht und ab dem 3.2.1999 nicht unmittelbar anwendbar. Es ist nämlich im Art.26 dieser Richtlinie ausdrücklich geregelt, dass diese Richtlinie an die Mitgliedstaaten gerichtet ist. Darüber hinaus regelt Art.24 Abs.1 über den Beginn der Anwendung, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen. Es ist daher schon aus diesem Grunde klar ersichtlich, dass allein aus der Richtlinie dem Individuum keine Pflichten und keine Rechte erwachsen. Auch die übrigen Bestimmungen dieser Richtlinie drücken unmissverständlich aus, dass sie sich nur an die Mitgliedstaaten richtet, welchen Sorgfaltspflichten auferlegt werden (arg. "Die Mitgliedstaaten sorgen dafür "). Begünstigungen werden dem Einzelnen durch die Richtlinie nicht zugestanden. Darüber hinaus ist auch anzumerken, dass sich der Berufungswerber in Anbetracht des langen Tatzeitraumes nur für die Frist vom 3.2.1999 bis 10.6.1999 (Tatzeitende) auf die Seveso Richtlinie stützen könnte. Aber auch auf die Änderung der Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 88/2000, kann sich der Berufungswerber nicht stützen, zumal die entsprechenden Bestimmungen erst mit 1. September 2000 in Kraft getreten sind. Danach steht zwar einwandfrei fest, dass nach dem Abschnitt 8a betreffend die Beherrschung der Gefahr bei schweren Unfällen bzw. der dazu ergangenen Anlage 5 durch den verfahrensgegenständlichen Betrieb die entsprechenden Mengenschwellen weit unterschritten werden, sodass eine weitere Anwendung der Bestimmungen über gefahrengeneigte Anlagen nicht mehr gegeben ist. Erst mit 1. September 2000 wurde der bis dahin (mit niedrigeren Mengenschwellen) geltenden Störfallverordnung durch Außerkraftsetzung der gesetzlichen Grundlage des § 82a GewO die gesetzliche Grundlage entzogen. Da aber sowohl das im Tatvorwurf festgesetzte Tatzeitende als auch die Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz vor diesem Zeitpunkt (vor 1. September 2000) gelegen sind, war gemäß der Bestimmung des § 1 VStG das zum Tatzeitpunkt geltende Recht, also die Störfallverordnung, anzuwenden.

Schlagworte
Eignung, Gefahrengeneigtheit, keine unmittelbare Anwendung der Seveso II - Richtlinie
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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