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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des BM in W, geboren am 17. Februar 1982, vertreten durch Dr. Peter Stoff, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Juni 2000, Zl. 214.954/0-V/13/00, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger des Sudan und am 30. November 1999 nach Österreich eingereist, beantragte die Gewährung von Asyl. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) vom 14. Juni 2000 wurde dieser Antrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG stellte die belangte Behörde überdies fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Sudan zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die vom Beschwerdeführer im Rahmen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse - er hatte vor dem Bundesasylamt primär vorgebracht, bei einem Rekrutierungsversuch seitens der Milizen des John Garang geschlagen und verletzt worden zu sein, auf der Farm seines Arbeitgebers, eines namentlich genannten Weißen, Sicherheit gefunden zu haben und sich für den Fall seiner Rückkehr in den Sudan in Lebensgefahr zu befinden, weil er der Aufforderung, die Miliz des John Garang zu unterstützen, nicht gefolgt sei; in der mündlichen Berufungsverhandlung waren die Fluchtgründe nicht weiter erörtert worden - sowie insbesondere seine Staatsangehörigkeit nicht als Sachverhalt festgestellt werden könnten. Er habe den dringenden Eindruck erweckt, bloß vorzugeben, aus dem Sudan zu stammen und seine wahre Herkunft bzw. Identität verschleiern zu wollen. So sei es ihm insbesondere im Rahmen der Berufungsverhandlung nicht möglich gewesen, auch nur ansatzweise glaubhaft darzulegen, dass er tatsächlich aus der Gegend um die Stadt Juba stamme; während er vor dem Bundesasylamt Juba als Geburtsort, Heimatort und Ort seines Schulbesuches angegeben habe, habe er in der Berufungsverhandlung zu Protokoll gegeben, in "Laanya" in die Schule gegangen zu sein bzw. dass es sich dabei um sein Heimatdorf handle. Diesen Widerspruch habe der Beschwerdeführer ebenso wenig aufzuklären vermocht wie jenen, dass er den vor dem Bundesasylamt angesprochenen Aufenthalt auf der Farm eines Weißen vor der belangten Behörde in Abrede gestellt habe. Bezüglich mehrerer seine engere Heimat betreffender "Eckdaten" habe sich der Beschwerdeführer überdies in grober Unkenntnis befunden. Er habe etwa einige der großen ethnischen Gruppen des Südsudan, insbesondere die weit verbreitete Gruppe der Dinka, nicht nennen können; sein (behauptetermaßen) eigenes Volk der Azande habe er als eine "große Gruppe" bezeichnet, obwohl es sich hiebei eindeutig um einen kleineren Stamm des Südsudan handle; überdies liege das Hauptsiedlungsgebiet des Volkstammes der Azande weit westlich von Juba und jedenfalls nicht in jener Region, die der Beschwerdeführer für sich und diesen Stamm in Anspruch genommen habe. Seinen Angaben zufolge sei der Beschwerdeführer ausschließlich der Sprache "Azande" mächtig, in einem durchgeführten "Übersetzungstest" habe er jedoch - aus näher dargelegten Gründen - nicht von der Richtigkeit seiner diesbezüglichen Angabe zu überzeugen vermocht. Auch eine Überprüfung der "Azande" - Kenntnisse des Beschwerdeführers unter Beiziehung eines Sachverständigen sei negativ verlaufen. Es sei notorische Tatsache, dass Schwarzafrikaner aus dem Südsudan auf Grund der starken Durchmischung der einzelnen Volksstämme regelmäßig mehrere südsudanesische Sprachen oder Dialekte beherrschten; dies hätten auch die beiden beigezogenen Sachverständigen aus dem Sudan bestätigt. Dennoch habe der Beschwerdeführer angegeben, bloß einer afrikanischen Sprache mächtig zu sein. Außerdem spreche er laut eigenen Angaben nicht Arabisch, obwohl sich aus "einschlägigen Länderdokumentationsunterlagen" ergebe, dass etwa 95 % der Einwohner des gesamten Sudan des Arabischen mächtig seien. Schließlich habe sich der Beschwerdeführer in grober Unkenntnis der örtlichen bzw. topographischen Gegebenheiten seines in der Berufungsverhandlung bezeichneten Heimatortes befunden, er habe auch nicht gewusst, von welchem Stamm dieser Ort mehrheitlich bewohnt werde.
Da im Asylverfahren die Glaubhaftmachung tauglicher Asylgründe ein Essentiale darstelle, sei - so die belangte Behörde in rechtlicher Schlussfolgerung - die Gewährung von Asyl nicht statthaft gewesen.
Zu Spruchpunkt II. führte die belangte Behörde aus, dass "das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 FrG ... bereits unter Spruchpunkt I. geprüft und verneint" worden sei. Mangels persönlicher Glaubwürdigkeit sei es dem Beschwerdeführer zudem nicht möglich gewesen, konkrete Indizien nachvollziehbar aufzuzeigen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass er Gefahr liefe, in seinem angeblichen Herkunftsstaat für den Fall der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Die belangte Behörde ist nicht näher auf die vom Beschwerdeführer in erster Instanz behaupteten Fluchtgründe, die er in der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes kursorisch wiederholt hat, eingegangen. Sie gelangte vielmehr zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer gar nicht aus dem Sudan stamme, und leitete schon daraus ab, dass die von ihm "ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse" nicht festgestellt werden könnten. Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/00053), begegnet diese Beweiswürdigung - auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens - keinen Bedenken. Zwar ist es zutreffend, dass keine Begründung dafür abgegeben wurde, warum die beiden von der belangten Behörde beigezogenen "Sachverständigen für den Sudan" über spezifische Kenntnisse der Sprache "Azande" verfügten; auch ist es richtig, dass sie kein nachvollziehbares Gutachten darüber abgegeben haben, dass der Beschwerdeführer nicht "Azande" spreche. Auch unter Ausklammerung dieser Aspekte sind die beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde jedoch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Einerseits vermochte der Beschwerdeführer nämlich die von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüche bezüglich seines Heimatortes und bezüglich des Farmbesitzers, bei dem er Schutz gefunden haben bzw. aufgewachsen sein soll, nicht aufzuklären, andererseits bleibt unbestritten, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Sprachkenntnissen nicht mit den Verhältnissen im Südsudan übereinstimmen. Hiezu kommt, dass er - gleichfalls unbestritten - große ethnische Gruppen des Südsudan (z.B. die Volksgruppe der Dinka) nicht nennen konnte, sodass letztlich die Schlussfolgerung, seine Staatsangehörigkeit (seine Herkunft aus dem Südsudan) könne nicht festgestellt werden, überzeugende Argumente für sich hat. Kann aber nicht zugrunde gelegt werden, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Sudan sei, so kann dem allein auf eine behauptete Verfolgungsgefahr in diesem Staat gestützten Asylantrag kein Erfolg beschieden sein. Die Beschwerde war daher, soweit sie die Abweisung des Asylantrages bekämpft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Hinsichtlich der Feststellung nach § 8 AsylG (Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides) liegt dagegen aus den im hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 2001/01/0106, angeführten Gründen eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor. Diese wird überdies von der Beschwerde aufgegriffen, wenn sie darauf hinweist, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Sudan unabhängig von seiner tatsächlichen Staatsangehörigkeit im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur schwarzafrikanischen Bevölkerungsgruppe und seinen von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen anglikanischen Glauben "menschenrechtswidrig und unzulässig" sei. Auf die Begründung des genannten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Aus den dort näher ausgeführten Gründen war auch hier der Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, dass der gemäß § 48 Abs. 1 Z 2 VwGG zu ersetzende Schriftsatzaufwand zufolge Art. I Abschnitt A Z 1 der erwähnten Verordnung nur S 12.500,-- umfasst. Ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer kommt neben diesem Pauschalbetrag nicht in Betracht.
Wien, am 21. August 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000010380.X00Im RIS seit
12.10.2001