Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASchG 1994 §118 Abs3;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2001/02/0149Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde der A K in W, vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Müllerstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 24. April 2001, Zlen. uvs- 2000/1/049-3; uvs-2000/1/048-6 und uvs-2000/14/065-6, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 18. Juni 2001, Zlen. uvs- 2000/1/049-5, uvs-2000/1/048-7 und uvs-2000/14/065-7, betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der der Beschwerde beigelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlicher Sachverhalt:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin u.a. zur Last gelegt, sie habe als verantwortliche Vertreterin des Arbeitgebers (handelsrechtliche Geschäftsführerin einer näher bezeichneten Komplementär-GmbH einer gleichfalls näher bezeichneten KG) im Betrieb dieser Gesellschaft nicht ausreichend dafür Sorge getroffen, dass die arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten würden, da bei der am 5. Mai 1999 auf der näher bezeichneten Baustelle dieser Gesellschaft durch einen Vertreter des Arbeitsinspektorates Innsbruck durchgeführten Kontrolle festgestellt worden sei, dass
1. die Arbeitnehmer dieser Gesellschaft P.O. und A.M. auf der Baustelle mit Abflussrohrverlegearbeiten in einem ca. 2,5 m tiefen, ca. 2,2 m breiten Kanalgraben ohne Sicherungsmaßnahmen beschäftigt gewesen seien, wobei die Böschungsneigung ca. 90 Grad betragen habe (zum Teil sei die Böschung sogar überhängend gewesen) und zusätzlich die Baugrubenränder mit ausgehobenem Erdreich belastet gewesen seien. Am 5. Mai 1999 gegen 11.00 Uhr sei es auf einer Länge von ca. 3,5 m zu einem Einbruch gekommen, bei dem der im Graben befindliche Arbeitnehmer P.O. etwa bis zum Hals verschüttet worden sei, A.M. sich durch einen Sprung aus dem Kanalgraben habe retten können, sich dabei aber schwer verletzt habe.
Damit habe die Beschwerdeführerin 1.) § 48 Abs. 7 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl. Nr. 340/1994, in Verbindung mit § 118 Abs. 3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, übertreten, wonach Baugruben, Gräben und Künetten erst betreten werden dürfen, wenn Sicherungsmaßnahmen gemäß § 48 Abs. 2 BauV durchgeführt wurden. Derartige Sicherungsmaßnahmen seien beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe jedenfalls erforderlich, wobei entweder abzuböschen, zu verbauen oder entsprechend geeignete Verfahren zur Bodenverfestigung anzuwenden gewesen wären.
Die Beschwerdeführerin habe außerdem 2.) § 48 Abs. 4 der BauV in Verbindung mit § 118 Abs. 3 ASchG übertreten, da der Rand von Gruben, Gräben oder Künetten innerhalb eines Schutzstreifens von mindestens 50 cm Breite nicht belastet werden dürfe.
Die Beschwerdeführerin habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 130 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit § 118 ASchG und den in den einzelnen Punkten angeführten Bestimmungen der BauV begangen; über sie wurde jeweils nach § 130 Abs. 5 ASchG eine Geldstrafe
1.)
in der Höhe von S 45.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) und
2.)
eine solche in der Höhe von S 27.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Ferner wurde sie zum Kostenersatz des Strafverfahrens verpflichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Nach § 48 Abs. 2 BauV ist beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen eine der folgenden Maßnahmen durchzuführen, sodass Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden können:
1. Die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend § 50 abzuböschen;
2. die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend §§ 51 und 52 zu verbauen, oder
3. es sind geeignete Verfahren zur Bodenverfestigung (§ 53) anzuwenden.
Gemäß § 48 Abs. 4 leg. cit. darf der Rand von Gruben, Gräben oder Künetten innerhalb eines Schutzstreifens von mindestens 50 cm Breite nicht belastet werden, sofern nicht Sicherungsmaßnahmen gegen Einsturz des Randes und Hineinfallen von gelagertem Material getroffen sind.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass am 5. Mai 1999 J.R., A.M. und P.O. mit Rohrverlegungsarbeiten bei einem näher bezeichneten Bauvorhaben beschäftigt waren. Vom Baggerfahrer R.G. wurde ein Graben in einer Tiefe von 2,5 m und einer Breite von 2,1 m ausgehoben. Für die Baustelle war J.R. als Polier zuständig. Es wurde von ihm nicht veranlasst, dass der Graben so ausgeführt wurde, dass er einen Winkel von 45 bis 60 Grad hatte. Es wurde nur der Graben etwas breiter als erforderlich ausgehoben. Am Rand des Grabens wurde das Aushubmaterial deponiert (Hinweis auf die Lichtbildbeilage im Akt 3 U 262/99y des Bezirksgerichtes K). Um 11.00 Uhr stürzte plötzlich die rechte Seite - aus Sicht des Baggerführers - ein und verschüttete dabei P.O. bis zur Schulter und A.M. bis zu den Knien. J.R. konnte sich noch mit einem Sprung nach vorne retten. Durch den Einsturz wurde A.M. verletzt und P.O. getötet. Als Bauleiter für die Baustelle war R.F. zuständig. Mit Urteil des Bezirksgerichtes K vom 27. Juli 2000 wurde R.F. vom Vorwurf des Vergehens nach § 88 und § 80 StGB freigesprochen. Nach dem Unfall wurde die Baustelle vom Arbeitsinspektor K. besichtigt, der auch Fotos von der Situation anfertigte. Zum Zeitpunkt 5. Mai 1999 waren von der Arbeitgeberin keine verantwortlich Beauftragten im Sinne des § 23 Abs. 1 und 2 Arbeitsinspektionsgesetz bestellt worden.
Die Beschwerdeführerin rügt vor dem Verwaltungsgerichtshof zunächst, dass sich die belangte Behörde nicht (ausreichend) mit dem gerichtlichen Strafverfahren und insbesondere mit dem darin erstatteten Sachverständigengutachten auseinander gesetzt habe; dieser habe festgestellt, dass die Vorschriften des § 48 Abs. 2 und 4 BauV eingehalten worden wären.
Abgesehen davon, dass die Verwaltungsstrafbehörden das Vorliegen eines verwaltungsrechtlich strafbaren Tatbestandes selbstständig in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen haben und dabei keine Bindung an die Ergebnisse eines gerichtlichen Strafverfahrens besteht, ist den Beschwerdeausführungen die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin bringt nämlich vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst vor, dass keine ausreichende Abböschung vorgenommen worden sei; zwar habe R.F. diesbezüglich zutreffende Anordnungen an Ort und Stelle erteilt, diese Anordnungen seien jedoch vom Baggerfahrer einer "Drittfirma" nicht eingehalten worden. Damit übersieht die Beschwerdeführerin allerdings, dass die erwähnten Vorschriften die Gefährdung oder Verletzung von Arbeitnehmern durch abrutschendes oder herabfallendes Material hintanhalten wollen; es wäre daher am Arbeitgeber als Normadressaten gelegen gewesen, das Betreten des (noch) nicht ausreichend gesicherten Grabens durch Arbeitnehmer zu verhindern.
Soweit sich die Beschwerdeführerin in der Folge unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhalts des bekämpften Bescheides gegen den Vorwurf eines mangelnden Kontrollsystems wendet, kann dem der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass ihr die Darlegung eines erforderlichen Kontrollsystems gelungen wäre. Hiezu wäre es - wie der Verwaltungsgerichtshof zu ähnlichen Fällen ausgeführt hat - erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet sei, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolge und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen habe, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, d.h. sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangten und dort auch tatsächlich befolgt würden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2001, Zl. 96/02/0011 mwN).
Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die belangte Behörde hinsichtlich der konkreten Baustelle keine individuellen Erhebungen und keine individuelle Beurteilung der Erfüllung der unternehmerischen Pflichten vorgenommen habe; es dürften auch nicht mehrere Baustellen bei einer solchen Beurteilung "zusammengeworfen" werden, zumal für verschiedene Baustellen ganz andere Personen als Verantwortliche fungierten.
Damit verkennt die Beschwerdeführerin, dass es an ihr im Rahmen der sie treffenden Mitwirkungspflicht gelegen gewesen wäre, das Bestehen eines entsprechenden betrieblichen Kontrollsystems - wie oben erwähnt - darzulegen. Da unbestritten auch keine verantwortlich Beauftragten im Sinne des § 23 Abs. 1 und 2 Arbeitsinspektionsgesetz bestellt worden waren, ist jedenfalls von der arbeitnehmerschutzrechtlichen Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin für das Nichtvorliegen eines effektiven Kontrollsystems auszugehen. Eine gesonderte Betrachtung einzelner Baustellen kommt daher - schon mangels anderer arbeitnehmerschutzrechtlich Verantwortlicher außer der Beschwerdeführerin - nicht in Betracht.
Der Beschwerdeführerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass sie aus dem in der österreichischen Gewerbeordnung eingerichteten Institut des Witwenfortbetriebes zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gelangen will. Abgesehen davon, dass, worauf schon die belangte Behörde verweist, zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalles mehr als dreieinhalb Jahre seit dem Tod ihres Ehegatten verstrichen waren, wurde die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als nach außen zur Vertretung Berufene der KG im Sinne des § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich für Verstöße gegen arbeitnehmerschutzrechtliche Vorschriften zur Verantwortung gezogen; ein Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften, bei denen das Institut des Witwenfortbetriebes allenfalls eine Rolle spielen könnte, wurde der Beschwerdeführerin nicht zur Last gelegt.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 24. August 2001
Schlagworte
Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001020148.X00Im RIS seit
15.11.2001Zuletzt aktualisiert am
16.06.2017