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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. W in Innsbruck, gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer (Plenum) vom 26. August 1999, Zl. Vs 363/97, betreffend Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Spruchteiles "Dieser Bescheid ergeht vorbehaltlich der Bestimmung des Vergütungsbetrages von S 411.078,03 durch das Bundesministerium für Justiz." wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Tiroler Rechtsanwaltskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 8. Jänner 1998 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 45 RAO in einem gegen den Beschuldigten H. geführten Strafverfahren des Landesgerichtes Innsbruck zum Verteidiger bestellt. In diesem Verfahren verrichtete er in der Zeit vom 18. September bis 12. Oktober 1998 die Hauptverhandlung an insgesamt 17 Tagen in der Dauer von 86,5 Stunden. Dafür begehrte er von der Tiroler Rechtsanwaltskammer eine Vergütung von S 1,345.235,58 und die Leistung eines angemessenen Vorschusses. Mit Bescheid vom 28. April 1999 setzte die Abteilung 1 des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer die Vergütung des Beschwerdeführers gemäß § 16 Abs. 4 RAO für die in der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis 12. Oktober 1998 erbrachten Leistungen mit S 411.078,03 einschließlich Umsatzsteuer fest. Das darüber hinausgehende Begehren wies sie ab. Es wurde ein Vorschuss von S 205.539,01 festgesetzt. Dem Spruch des Bescheides wurde die Nebenbestimmung angefügt "Dieser Bescheid ergeht vorbehaltlich der Bestimmung des Vergütungsbetrages von S 411.078,03 durch das Bundesministerium für Justiz."
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und dem Hinweis auf § 16 Abs. 4 RAO dargelegt, eine Verhandlungsdauer von 50 Stunden sei für den Antragsteller im gegenständlichen Strafverfahren am 1. Oktober 1998 um 14.00 Uhr erreicht gewesen. Gemäß § 16 Abs. 4 RAO sei ihm für alle darüber hinausgehenden Leistungen eine angemessene Vergütung zuzusprechen. Der Beschwerdeführer habe vom 1. Oktober 1998, 14.00 Uhr, bis 12. Oktober 1998, 16.05 Uhr, 73 halbe Stunden verhandelt; am 12. Oktober 1998 seien 10 halbe Stunden Wartezeit angefallen. Auf Grund des außergewöhnlichen Aktenumfanges und des dadurch notwendigen Aktenstudiums, einer entsprechend intensiven Vorbereitungszeit und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich an Stelle des verstorbenen Verfahrenshelfers in den Akt habe einarbeiten müssen, erscheine ein Zuschlag gemäß § 4 AHR in der Höhe von 30 % angemessen. Auf Grund des im zweiten Rechtsgang erzielten Freispruches gebühre dem Beschwerdeführer gemäß § 12 AHR ein Erfolgszuschlag in der Höhe von 50 % auf das tarifliche Honorar. Daraus ergebe sich ein tarifliches Honorar von S 456.753,37 netto. Die angemessene Vergütung werde mit 75 % des tariflichen Honorars zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, insgesamt sohin mit S 411.078,03 festgesetzt. Als Vorschuss erscheine in Anbetracht des Umfanges der Leistung und der langen Verfahrensdauer 50 % der Gesamtsumme angemessen. Der Vorbehalt hinsichtlich des Bundesministeriums für Justiz habe erfolgen müssen, da diesem die endgültige Festsetzung obliege. Dem Standpunkt des Beschwerdeführers, wonach an die Leistungen des vor ihm tätigen Verfahrenshelfers anzuknüpfen sei und er daher nicht selbst mehr als zehn Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden erbringen müsse, um einen Anspruch gemäß § 16 Abs. 4 RAO zu erlangen, sei entgegenzuhalten, dass aus den Gesetzesmaterialien klar hervorgehe, dass auf den einzelnen bestellten Verfahrenshelfer und dessen Leistung abgestellt werde. Die Einarbeitung in den äußerst umfangreichen Akt als Nachfolger des verstorbenen Verfahrenshelfers werde durch den Zuschlag gemäß § 4 AHR abgegolten.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge. Begründend vertrat sie die Auffassung, § 16 Abs. 4 RAO stelle eindeutig auf die Person des einzelnen Verfahrenshelfers ab, weil es dort heiße: "In Verfahren, in denen der bestellte Rechtsanwalt mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er Anspruch auf eine angemessene Vergütung." Die Erlassung des Bescheides unter dem Vorbehalt der Bestimmung des Vergütungsbetrages durch das Bundesministerium für Justiz sei nach Ansicht der belangten Behörde deshalb erforderlich, weil die tatsächliche Festlegung des zur Auszahlung gelangenden Betrages erst im Nachhinein durch Verordnung des Bundesministeriums für Justiz erfolge, das nicht an die von der belangten Behörde erlassenen Bescheide gebunden sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Bestellung des Beschwerdeführers gemäß § 45 RAO erfolgte vor dem 1. Juni 1999; gemäß Art. V Z. 3 des Rechtsanwalts-Berufsrechts- Änderungsgesetzes 1999, BGBl. I Nr. 71/1999, ist § 16 Abs. 4 RAO in der Fassung BGBl. Nr. 474/1990 (vor der Änderung durch BGBl. I Nr. 71/1999) anzuwenden.
Die Vorschrift lautet:
"(4) In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs. 3 für alle darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtsanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuss."
Mangels einer entsprechenden Übergangsvorschrift war § 47 RAO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/1999 bereits in Ansehung der für das Jahr 1999 festzusetzenden Pauschalvergütung anzuwenden.
Die Vorschrift lautet auszugsweise:
"(1) Der Bund hat dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag für die Leistungen der nach § 45 bestellten Rechtsanwälte, für die diese zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, jährlich spätestens zum 30. September für das laufende Kalenderjahr eine angemessene Pauschalvergütung zu zahlen. Auf die für das laufende Kalenderjahr zu zahlende Pauschalvergütung sind Vorauszahlungen in angemessenen Raten zu leisten.
...
(5) Für nach § 16 Abs. 4 erster Satz erbrachte Leistungen ist eine angemessene Pauschalvergütung gesondert festzusetzen. Diese Leistungen bleiben bei der Neufestsetzung der Pauschalvergütung nach Abs. 3 außer Betracht. Abs. 3 erster Halbsatz ist anzuwenden. Auf die mit Verordnung gesondert festzusetzende Pauschalvergütung kann der Bundesminister für Justiz dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag auf dessen Antrag für bereits erbrachte Verfahrenshilfeleistungen im Rahmen der jeweils im Bundesfinanzgesetz für diese Zwecke verfügbaren Mittel einen angemessenen Vorschuss gewähren; ist die tatsächlich festgesetzte Pauschalvergütung geringer als der gewährte Vorschuss, so hat der Österreichische Rechtsanwaltskammertag dem Bundesminister für Justiz den betreffenden Betrag zurückzuerstatten.
..."
In den Gesetzesmaterialien (Bericht des Justizausschusses, 1380 Blg. NR XVII. GP) wird zur Einführung der §§ 16 Abs. 4, 47 Abs. 5 RAO Folgendes dargelegt:
"Anlässlich des 'Noricum-Prozesses' ist die Forderung laut geworden, neben der herkömmlichen Entlohnung der Verfahrenshilfeleistungen im Rahmen der für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung zu verwendenden Pauschalvergütung eine besondere Entlohnung für diejenigen Verfahrenshilfeanwälte vorzusehen, die in überdurchschnittlich lang dauernden Verfahren herangezogen werden.
Der Justizausschuss hält diese Forderung für gerechtfertigt und schlägt daher vor, dass einem zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt dann eine besondere Vergütung zukommen soll, wenn er innerhalb eines Jahres an mehr als zehn Verhandlungstagen oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig geworden ist und ihm hiefür nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften kein Entlohnungsanspruch zusteht. Diese Vergütung, auf die ihm auf Antrag auch ein angemessener Vorschuss zu gewähren ist, erhält er unmittelbar von der Rechtsanwaltskammer. Ihre Höhe wird sich nach der gemäß § 47 Abs. 5, neue Fassung (siehe die Ausführungen zur Z. 17) gesondert festzusetzenden Pauschalvergütung für solche überlange Verfahren richten. Die Leistung eines Rechtsanwaltes bis zur Dauer von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden durch die (allgemeinen) Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung berücksichtigt."
"Wie bereits zu Z. 5 (§ 16 Abs. 4) ausgeführt, soll für die so genannten "überlangen" Verfahren eine von der allgemeinen Pauschalvergütung gesondert festzusetzende Pauschalvergütung gewährt werden (Z. 17). Ihre Angemessenheit wird nach den für die Festsetzung der Pauschalvergütung im Allgemeinen anzuwendenden Grundsätzen (siehe insbesondere § 47 Abs. 3 Z. 3) zu bestimmen sein. Diese "Sonder"pauschalvergütung hat der Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und dem Hauptausschuss des Nationalrates festzusetzen (§ 47 Abs. 5 letzter Satz).
Diese Sonderpauschalvergütung hat der Österreichische Rechtsanwaltskammertag derjenigen Rechtsanwaltskammer zu überweisen, der gegenüber der zur Verfahrenshilfe bestellte Rechtsanwalt gemäß § 16 Abs. 4 den Anspruch auf angemessene Vergütung hat (§ 48 Abs. 1).
Die Ergänzung des § 48 Abs. 2 stellt klar, dass nur die "allgemeine Pauschalvergütung und nicht auch die Sonderpauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der Rechtsanwälte zu verwenden ist."
Im Zusammenhang mit den Anforderungen, die sich von Verfassungs wegen für Regelungen betreffend die Vergütung der Tätigkeit eines gemäß § 45 RAO bestellten Rechtsanwaltes ergeben, ist insbesondere auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991, Slg. 12.638, hinzuweisen. Der Verfassungsgerichtshof hat darin die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 16 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung vom 16. Juli 1868, RGBl. Nr. 96 idF BGBl. Nr. 570/1973, die dem gemäß § 45 RAO bestellten Rechtsanwalt auch im Falle von "überlangen" Verfahren keinen unmittelbaren Vergütungsanspruch einräumte, unter anderem wie folgt begründet:
"Die den Rechtsanwälten gemäß § 16 Abs. 2 RAO obliegende Verpflichtung, im Falle ihrer Bestellung zum Verfahrenshelfer die Vertretung oder Verteidigung einer mittellosen Partei zu übernehmen, besteht auch dann, wenn zufolge besonderer Umstände (z.B. Komplexität des Verfahrensgegenstandes) Prozesse und Strafverfahren eine weit über dem Durchschnitt liegende Dauer erreichen, und wenn eine sorgfältige Vertretung oder Verteidigung einen ungewöhnlich hohen Arbeitsaufwand erfordert.
Solche Fälle besonders umfangreicher und arbeitsintensiver Vertretungen und Strafverteidigungen, die Verfahrenshelfer wochen- und auch monatelang in Anspruch nehmen, stellten - selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie eher selten vorkommen, keine Härtefälle dar, die aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes vernachlässigbar wären.
Die Beigebung eines Verfahrenshelfers dient Interessen der Rechtspflege; bei komplizierten und langdauernden Verfahren besteht ein besonderes Interesse der Rechtspflege daran, dass auch Parteien, die nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Beistandes oder Verteidigers verfügen, ein solcher beigegeben wird. Es ist dem Verfahrenshilfesystem somit immanent, dass Rechtsanwälte als Verfahrenshelfer insbesondere auch in solchen Fällen mit einer Vertretung oder Verteidigung betraut werden, die einen überdurchschnittlich hohen Arbeitsaufwand für sie nach sich ziehen.
Aus der in Prüfung gezogenen Regelung ergibt sich nun, dass Verfahrenshelfer die Vertretung oder Verteidigung der Partei nach Maßgabe des Bestellungsbescheides zu übernehmen haben, ohne dass ihnen gegenüber dieser Partei ein Entlohnungsanspruch zusteht, und zwar auch für den Fall, dass die Bestellung ein wochen- oder monatelanges Einschreiten erfordert. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass die Verpflichtung zur Übernahme einer Verfahrenshilfe in Prozessen von überdurchschnittlich langer Dauer an sich eine große Belastung für den Anwalt darstellt; dies gilt im Besonderen aber dann, wenn Rechtsanwälte erst relativ kurz in die Liste eingetragen sind und (oder) ihren Beruf nicht in einer Kanzleigemeinschaft ausüben. Die Belastungen durch die Bestellung zum Verfahrenshelfer im Rahmen eines Pauschalvergütungssystems, das zudem auch in solchen Fällen kein Recht auf Ablehnung oder Enthebung vorsieht, können sich in wochen- oder monatelangen Verfahren existenzbedrohend auswirken."
Der angefochtene Bescheid beruht auf der Auffassung, die Vergütung des Beschwerdeführers bemesse sich nach den von diesem selbst im betreffenden Verfahren nach Überschreiten des "Schwellenwertes" von 50 Verhandlungsstunden erbrachten Leistungen; hingegen sei nicht an die Leistungen, die ein anderer, im selben Verfahren zuvor bestellt gewesener anderer Rechtsanwalt erbracht habe, anzuknüpfen.
Dieser Auffassung, die schon angesichts des klaren Gesetzeswortlautes und des (auch aus den Gesetzesmaterialien) leicht erkennbaren Zwecks der Vorschrift durchaus nahe liegt, hält die Beschwerde - unter Hervorhebung des außergewöhnlichen Umfanges des Strafverfahrens, in dem der Beschwerdeführer tätig gewesen sei ("107 Bände Aktenumfang sowie 6 Laufmeter Aktenschränke und 10 Ordner Beilagen") im Ergebnis entgegen, es sei bei jedem in der Folge bestellten Rechtsanwalt an die Leistungen zuvor bestellt gewesener Rechtsanwälte anzuknüpfen, weil bei Beurteilung des Entlohnungsanspruches nach § 16 Abs. 4 RAO nach dem klaren Wortlaut der Regelung nur auf die Verfahrensdauer abzustellen sei und nicht darauf, ob "mehrere Anwälte Teilleistungen erbracht" hätten. Für den später eintretenden Rechtsanwalt sei es erforderlich, den gesamten bisherigen Verfahrensablauf nachzuvollziehen; damit habe der eintretende Rechtsanwalt "eine unverhältnismäßig höhere und zur Schwierigkeit des Aktes an sich zusätzliche Arbeitsbelastung zu bewältigen als jener Kollege, der die Strafsache von der ersten Verhandlungsstunde an betreut". Würde nicht an die insgesamt erbrachten Verhandlungstage bzw. - stunden angeknüpft, sondern die Vergütung für den eintretenden Rechtsanwalt neu berechnet, wäre dies gleichheitswidrig. Auch aus den Materialien ergebe sich, dass nicht auf den Umfang der Leistungen des einzelnen Rechtsanwaltes abzustellen sei, sondern "auf die Tatsache eines überdurchschnittlich lang dauernden Verfahrens und die damit einhergehenden Verfahrenshilfeleistungen". Ebenso folge dies aus der Regelung der Pauschalvergütung nach § 47 RAO, weil ein Verfahren, das 10 Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden überschreite, durch Umbestellung oder ähnliche Vorgänge nicht in mehrere Einzelverfahren zergliedert werden dürfe.
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Die von der Rechtsanwaltschaft im Rahmen der Verfahrenshilfe erbrachten Leistungen werden im Allgemeinen durch die vom Bund dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag gemäß § 47 Abs. 1 RAO zu leistende Vergütung abgegolten. Der einzelne Rechtsanwalt erwirbt im Allgemeinen durch seine Leistungen in einem Verfahren, in dem er gemäß § 45 RAO bestellt wurde, gegenüber der Rechtsanwaltskammer - abgesehen vom Anspruch auf anteilsmäßige Anrechnung auf die Beiträge gemäß § 16 Abs. 3 RAO - keinen individuellen Vergütungsanspruch. Von diesem Grundsatz normiert § 16 Abs. 4 RAO eine Ausnahme: Wird der Rechtsanwalt im besonderen Umfang in Anspruch genommen, gebührt ihm eine individuelle Vergütung. Dabei wird in § 16 Abs. 4 erster Satz RAO in einer Zweifel ausschließenden Weise daran angeknüpft, dass der betreffende Rechtsanwalt, dessen Vergütungsanspruch zu bemessen ist, mehr als zehn Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden in Anspruch genommen wurde, indem gesagt wird, "er" (der
Rechtsanwalt) hat ... Anspruch auf eine Vergütung für "alle
darüber hinausgehenden Leistungen". Die Vorschrift bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei der Überschreitung der Verhandlungsdauer um eine von der Person des Rechtsanwaltes und des Umfanges der von diesem erbrachten Leistungen losgelöste, allein auf das Verfahren bezogene Anspruchsvoraussetzung handle. Der Vergütungsanspruch wird somit vom Erreichen eines - an einer Durchschnittsbetrachtung orientierten - "Schwellenwertes" der Belastung des betreffenden Rechtsanwaltes abhängig gemacht.
Auch die in den Materialien zum Ausdruck kommenden Überlegungen des Gesetzgebers stellen klar, dass der individuelle Vergütungsanspruch an das Überschreiten des Schwellenwertes durch den Umfang der Leistungen des betreffenden Rechtsanwaltes anknüpft (arg. "dass einem zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt dann
eine besondere Vergütung zukommen soll, wenn er ... an mehr als
zehn Verhandlungstagen oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig geworden ist und ihm hiefür nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften kein Entlohnungsanspruch zusteht"). Ebenso wird in den Materialien - in unmittelbarem Zusammenhang mit der soeben erörterten Anspruchsvoraussetzung - darauf hingewiesen, dass "die Leistung eines Rechtsanwaltes bis zur Dauer von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden durch die (allgemeine) Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung berücksichtigt" werde.
Das Überschreiten des Schwellenwertes ist somit eine für jeden gemäß § 45 RAO bestellten Rechtsanwalt gesondert zu prüfende Tatbestandsvoraussetzung einer Vergütung; es trifft die Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu, die darauf hinausliefe, dass zwar dem Rechtsanwalt bzw. den Rechtsanwälten, die innerhalb der "ersten" im betreffenden Verfahren abzuwickelnden zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden einschreiten, die betreffenden Leistungen nicht individuell abgegolten würden, den in der Folge einschreitenden Rechtsanwälten hingegen ab dem ersten Einschreiten schon. Gerade dies stellte die vom Beschwerdeführer für die gegenteilige Auffassung angenommene Ungleichheit her.
Vor dem Hintergrund der im oben erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991 dargelegten Erwägungen (der auf § 16 Abs. 2 RAO aF bezogene Prüfungsbeschluss war im Zuge der parlamentarischen Beratungen der Novelle BGBl. Nr. 477/1990 bereits bekannt) ging der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass die Einführung einer individuellen Vergütung für gemäß § 45 RAO bestellte Rechtsanwälte, deren Inanspruchnahme einen bestimmten Umfang überschreitet, notwendig wäre, um die in den Gründen des Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes dargelegten existenzbedrohenden Situationen für Rechtsanwälte, die durch den Umfang ihrer Tätigkeit in solchen Verfahren am anderweitigen Erwerb gehindert werden, zu vermeiden. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend entspricht eine Regelung dem Gleichheitsgebot, die eine individuelle Vergütung für den Rechtsanwalt erst ab dem Erreichen eines bestimmten Arbeitsumfanges für diesen vorsieht. Eine Auslegung, wonach einem während eines Prozesses bestellten Rechtsanwalt unabhängig davon, ob seine Inanspruchnahme den Schwellenwert überschritten hat, die Vergütung zu gewähren sei, ist auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes keineswegs geboten.
Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit der Bemessung der Vergütung (und des Vorschusses) liegt somit nicht vor. Insoweit war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Hingegen macht die Beschwerde mit Recht geltend, für den der Bemessung der Vergütung und des Vorschusses beigefügten Vorbehalt der Bestimmung des Vergütungsbetrages in derselben Höhe durch den Bundesminister für Justiz bestehe keine Grundlage im Gesetz. Nach § 16 Abs. 4 erster Satz RAO hat der Rechtsanwalt Anspruch auf eine angemessene Vergütung gegenüber der Rechtsanwaltskammer; der dritte Satz der zitierten Vorschrift begründet die Zuständigkeit des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer, die Höhe der Vergütung (mit Bescheid) festzusetzen. § 47 Abs. 5 erster und dritter Satz RAO ermächtigen den Bundesminister für Justiz, eine angemessene Pauschalvergütung "für nach § 16 Abs. 4 erster Satz erbrachte Leistungen" (mit Verordnung) festzusetzen. Auf Grund dieser Vorschrift kommt dem Bundesminister für Justiz keine Zuständigkeit zu, den Betrag der einem einzelnen Rechtsanwalt gemäß § 16 Abs. 4 erster Satz RAO zustehenden Vergütung festzusetzen. Ebenso wenig ist den zitierten Vorschriften eine Ermächtigung zu entnehmen, die Festsetzung der Vergütung durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer einem Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz oder - wie im Beschwerdefall geschehen - unter dem Vorbehalt der gleich lautenden Bestimmung durch diesen vorzunehmen. Die Beifügung des Vorbehaltes erfolgte somit ohne rechtliche Grundlage; insoweit war der Bescheid, dessen weitere Spruchteile von der soeben dargelegten Rechtswidrigkeit nicht berührt sind, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Ersatz des Schriftsatzaufwandes nach § 49 Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht zusteht, wenn ein Rechtsanwalt in eigener Sache einschreitet ( vgl. z. B. die Erkenntnisse vom 18. Mai 2001, Zl. 97/02/0485, vom 16. November 1998, Zl. 94/17/0009, und vom 26. Jänner 1998, Zl. 97/17/0410).
Wien, am 3. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999100206.X00Im RIS seit
21.11.2001Zuletzt aktualisiert am
04.10.2016