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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil,
1. über den Antrag der Gemeinde Mörbisch am See, vertreten durch Dr. Karl Franz Leutgeb, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weißgerberlände 40, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erfüllung eines Verbesserungsauftrages, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.
und
2. über die Beschwerde der Gemeinde Mörbisch am See, vertreten durch Dr. Karl Franz Leutgeb, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weißgerberlände 40, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 29. Dezember 2000, Zl. 2-JS-A1575/1-2000, betreffend Schulerhaltungsbeiträge, den Beschluss
gefasst:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Mit der zur hg. Zl. 2001/10/0037 protokollierten Beschwerde bekämpfte die Beschwerdeführerin den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 29. Dezember 2000, Zl. 2-JS-A1575/1-2000, mit dem der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Freistadt Rust vom 28. Februar 2000, Zl. 200/2-100/2000, keine Folge gegeben wurde. Mit dem genannten Bescheid hatte der Bürgermeister der Freistadt Rust der Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 5 und 6 sowie § 43 Abs. 1 Bgld. Pflichtschulgesetz für den Besuch von 52 Schülern in der Hauptschule bzw. in der Polytechnischen Schule für das Jahr 1999 einen Schulsachaufwand in der Höhe von S 540.960,22 vorgeschrieben. Der Beschwerde war nur der erstinstanzliche Bescheid angeschlossen.
2. Mit Verfügung vom 21. Februar 2001, Zl. 2001/10/0037-2, wurde die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung des Mangels des Fehlens einer Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides zurückgestellt. Zur Behebung des Mangels wurde eine Frist von einer Woche vom Tage der Zustellung des Auftrages an gerechnet bestimmt. Innerhalb der gesetzten Frist legte die Beschwerdeführerin die Beschwerde neuerlich vor und schloss (neuerlich nur) den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der Freistadt Rust vom 28. Februar 2000 in vierfacher Ausfertigung an.
3. Mit Beschluss vom 25. April 2001 wurde die Beschwerde wegen Nichterfüllung des Verbesserungsauftrages zurückgewiesen.
4. Mit dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der rechtzeitigen Erfüllung des Auftrages vom 21. Februar 2001.
Der Beschwerdevertreter habe über die am 28. Februar 2001 eingelangte Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes rechtzeitig die entsprechenden Maßnahmen und Anweisungen getroffen. Er habe insbesondere das Schreiben vom 5. März 2001 unterfertigt. Mit der Aufgabe der Aus- und Abfertigung sei Frau BG beauftragt worden, eine langjährige und verlässliche Mitarbeiterin schon in der Kanzlei des sachbearbeitenden Rechtsanwaltes und nunmehr in der Dr. Karl Franz Leutgeb, Dr. Rose-Marie Rath Rechtsanwälte OEG.
Das Endprodukt der Ausfertigung sei vom Beschwerdevertreter nicht überprüft worden, da er sich einerseits auf die bisherige Verlässlichkeit der genannten Mitarbeiterin verlassen konnte und andererseits auch unter erhöhtem, mentalem und zeitlichem Druck gestanden sei. Er habe sich mit seinem Schäferhund in eine Tierklinik begeben müssen, wobei an diesem Tage die schmerzliche Entscheidung zu treffen gewesen sei, ob der knapp fünf Jahre alte und auch den drei Kindern ans Herz gewachsene Hund infolge eines schweren Hüftleidens eingeschläfert werden sollte oder allenfalls noch ein medizinisches Wunder zu erwarten gewesen wäre.
Es sei offensichtlich auch aus dem Grund, dass dieses Ereignis die gesamten Mitarbeiter der Kanzlei entsprechend in Anspruch genommen hätte, zu einer nunmehr nicht erklärbaren Verwechslung des erstinstanzlichen Bescheides mit dem zweitinstanzlichen Bescheid gekommen, sodass entgegen der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes der falsche Bescheid vorgelegt worden sei. Auf Grund des sohin vom Beschwerdevertreter zu vertretenden Ereignisses der Fristversäumnis werde der von ihm vertretenen Partei, der Beschwerdeführerin, durch ein unvorhergesehenes und für sie im Hinblick auf das gegebene Vertretungsverhältnis unabwendbare Ereignis die Möglichkeit genommen, im Sinne der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ein ordnungsgemäßes Verbesserungsverfahren durchzuführen. Im Hinblick auf die Gesamtumstände insbesondere der fristgerechten Einbringung der Beschwerde und der Beauftragung einer langjährigen verlässlichen Mitarbeiterin mit der Abfertigung der Verbesserung handle es sich insgesamt jedenfalls, wenn überhaupt, um ein Versehen minderen Grades, welches der Bewilligung auf Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumnis der Frist nicht entgegenstehe.
Gleichzeitig wurde die ursprüngliche Beschwerde und eine Kopie des angefochtenen Bescheides in dreifacher Ausfertigung vorgelegt.
5. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in dem oben wiedergegebenen Vorbringen kein die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG begründendes Vorbringen zu sehen:
Den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag ist insoweit zuzustimmen, als das Verhalten des Vertreters auch dem Vertretenen, der Beschwerdeführerin, zuzurechnen ist. In Fällen wie dem vorliegenden, ist daher jedoch zu beurteilen, ob das Verhalten des Vertreters lediglich einen minderen Grad des Versehens darstellt; der Beschwerdeführerin wurde somit nicht - wie im Antrag formuliert wird - schon deshalb, weil sie selbst kein Verschulden trifft, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis die Möglichkeit der Erfüllung des Verbesserungsauftrages genommen, wie im Antrag formuliert wird.
Im Antrag wird nicht behauptet, dass der Beschwerdevertreter der von ihm genannten verlässlichen Mitarbeiterin BG einen konkreten Auftrag hinsichtlich des Anschlusses des angefochtenen Bescheides erteilt hätte. Das im Antrag genannte Schreiben vom 5. März 2001 ist das Begleitschreiben zur Wiedervorlage der Beschwerde mit dem erstinstanzlichen Bescheid. Dieses Schreiben enthält keinerlei Hinweis auf einen bestimmten Bescheid, sondern lediglich unter der Überschrift "Betrifft" die Ausführungen
"Beschwerdesache Gemeinde Mörbisch am See - Burgenländische Landesregierung
mitbeteiligte Partei: Freistadt Rust
Zl. 2001/10/0037-2"
und danach den einzigen Satz: "Zur Wiedervorlage nach Verbesserung wird der Bescheid in vierfacher Ausfertigung übermittelt."
Wenn ein Rechtsanwalt, nachdem bei der Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bereits einmal ein Versehen passierte (der falsche Bescheid angeschlossen wurde), nach einem Verbesserungsauftrag durch den Verwaltungsgerichtshof die Verbesserung derart vornimmt, dass er das oben wiedergegebene Begleitschreiben verfasst und einer Kanzleiangestellten die Aufgabe überträgt, den richtigen Bescheid anzuschließen, ohne die Durchführung der Ausführung eines derartigen Auftrages zu kontrollieren, überlässt der Parteienvertreter die inhaltliche Entscheidung, wie dem Verbesserungsauftrag zu entsprechen ist, der Kanzleiangestellten. Insofern liegt ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines Parteienvertreters vor, der nicht als bloß minderer Grad des Versehens im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG gewertet werden kann (vgl. für den Fall des Anschlusses einer - nach der früheren Rechtslage erforderlichen - vom Rechtsanwalt unterschriebenen weiteren Ausfertigung der Beschwerde den hg. Beschluss vom 9. Juni 1995, Zl. 94/02/0498, oder den Beschluss vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0149). Ein solcher "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) liegt dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen (siehe Fasching, Zivilprozessrecht2, Rz. 580, sowie das hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, Zl. 93/05/0104, und vom 20. Jänner 2000, Zl. 98/06/0108, sowie für den Fall des Verbesserungsauftrages den bereits erwähnten Beschluss vom 9. Juni 1995, Zl. 94/02/0498). Mit dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag wird kein Sachverhalt behauptet, bei dem eine verlässliche Mitarbeiterin einen konkreten Auftrag, den Bescheid der Landesregierung anzuschließen, irrtümlich nicht korrekt ausgeführt hätte. Zu beurteilen ist vielmehr die Handlungsweise des Beschwerdevertreters. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem oben erwähnten Beschluss vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0149, ausgesprochen hat, erfordert die dem Rechtsanwalt obliegende Sorgfaltspflicht, dass er sich bei der Unterfertigung des Schriftsatzes zur Mängelbehebung von der ordnungsgemäßen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages vergewissert (ähnlich der hg. Beschluss vom 30. Jänner 1997, Zl. 97/18/0003, sowie vom 13. März 1997, Zl. 97/18/0107).
Sofern das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, den Schäferhund in eine Tierklinik zu bringen, als Vorbringen zur Dartuung, weshalb dem Beschwerdevertreter die Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten nicht möglich gewesen wäre, zu verstehen ist, ist dazu Folgendes auszuführen:
Wenn man auch zugestehen muss, dass außerordentliche Ereignisse aus dem Privatbereich gegebenenfalls auch Umstände bilden können, die ein Versehen von Parteienvertretern lediglich als einen minderen Grad des Versehens erscheinen lassen können, liegt im Beschwerdefall kein derartiger Fall vor. Einem Parteienvertreter muss hinsichtlich der Erfüllung von Verbesserungsaufträgen im Hinblick auf die damit verbundene verfahrensrechtliche Bedeutung die Beobachtung einer besonderen Sorgfalt zugemutet werden. Der Umstand, dass bei der Einbringung der Beschwerde bereits ein Versehen hinsichtlich des Anschlusses des angefochtenen Bescheides unterlaufen ist, muss dazu führen, dass bei der Erfüllung des Verbesserungsauftrages besonderes Augenmerk auf jenen Verfahrensschritt gelegt wird, bei dem beim ersten Mal in der Kanzlei des Beschwerdevertreters ein Fehler begangen wurde. Überlässt der Parteienvertreter die Entscheidung, welcher Bescheid angeschlossen wird, einer Mitarbeiterin der Kanzlei, so liegt, wenn beim Anschluss des Bescheides neuerlich ein Fehler unterläuft, kein minderer Grad des Versehens vor. Bei der hier gegebenen Fallkonstellation liegt in den vom Beschwerdevertreter vorgetragenen Umständen (Ablenkung durch Erkrankung eines Haustieres) kein Sachverhalt, der das Verschulden an der Versäumung nur geringfügig erscheinen ließe.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben.
6. Die neuerlich eingebrachte Beschwerde erweist sich daher als verspätet; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 3. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001100111.X00Im RIS seit
22.11.2001