TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/3 2001/10/0059

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Veröffentlicht am 03.09.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §29 Abs5;
ApG 1907 §44;
ApG 1907 §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der Mag. pharm. Maria D in Graz, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nußdorferstraße 10-12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 16. Februar 2001, 12-98 Scho 1/24-2001, betreffend Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000, - binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Juli 1998 wurde der Beschwerdeführerin die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in R. erteilt. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Juli 1999 wurde die Verlegung der Betriebsstätte innerhalb des festgesetzten Standortes genehmigt. Am 9. Dezember 1999 wurde die Apotheke in Betrieb genommen.

Mit am 22. Februar 2000 bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung eingelangter Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin, die Bewilligung des praktischen Arztes DDr. S. zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke gemäß § 29 Abs. 4 und 5 Apothekengesetz (in weiterer Folge: ApG) zurückzunehmen, da der Ordinationssitz des genannten Arztes weniger als vier Straßenkilometer von der Betriebsstätte der oben genannten Apotheke entfernt sei. Dieser Antrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft mit Bescheid vom 9. März 2000 unter Hinweis auf § 62 Abs. 1 ApG idF BGBl. I Nr. 120/1998 abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. April 2000 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, bei dem zu diesem Zeitpunkt bereits ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich § 62 Abs. 1 ApG idF BGBl. I Nr. 120/1998 anhängig war. Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2000, G 18/00, § 62 Abs. 1 ApG idF BGBl. I Nr. 120/1998 als verfassungswidrig aufgehoben hatte, hob er mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2000, B 844/00, den Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes auf. Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus, dass die Bescheidbeschwerde zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren bereits anhängig und die Sache daher dem Anlassfall gleichzuhalten gewesen sei.

Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 16. Februar 2001 die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück. In der Begründung führte sie aus, dass sie auf Grund des Ausspruchs des Verfassungsgerichtshofes so vorzugehen hätte, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Sie habe daher die Berufung auf der Grundlage des § 29 Abs. 5 ApG iVm § 44 ApG zu beurteilen. Daraus ergebe sich, dass für die Erlassung des Bescheides über die Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung die Bezirkshauptmannschaft zuständig sei. Ein ordentliches Rechtsmittel gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft sei nicht zulässig. Die Berufung sei daher zurückzuweisen.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 16. Februar 2001 richtet sich die vorliegende Beschwerde; darin wird Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und dem gemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Zurückzuweisen ist eine Berufung nur dann, wenn eine Prozessvoraussetzung für das Berufungsverfahren fehlt, wenn also der Entscheidung in der Sache selbst ein formalrechtliches Hindernis entgegensteht (vgl. hiezu die Zusammenfassung der hg. Rechtsprechung in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 66 AVG, E 62).

Nach der Bescheidbegründung ging die belangte Behörde von der Unzulässigkeit der Berufung infolge der Abschneidung des in der mittelbaren Bundesverwaltung im allgemeinen zum Landeshauptmann reichenden Instanzenzuges (vgl. Art. 103 Abs. 4 B-VG) durch das Apothekengesetz, insbesondere dessen § 29 Abs. 5, aus.

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen.

§ 44 ApG lautet:

"Die Handhabung der Vorschriften dieses Gesetzes obliegt, insoweit das Gesetz nicht andere Anordnungen enthält oder die Kompetenz der Gerichte eintritt, in erster Instanz den politischen Bezirksbehörden (Bezirkshauptmannschaften, Kommunalämter der mit eigenen Statuten versehenen Gemeinden), in deren Bezirke die Apotheke, die Filiale oder der Notapparat sich befindet oder in Aussicht genommen ist.

Wo daher im Texte dieses Gesetzes eine Verwaltungsbehörde oder Behörde ohne nähere Bezeichnung erwähnt wird, ist darunter die zuständige politische Behörde erster Instanz zu verstehen."

Soweit nach dem ApG die politischen Bezirksbehörden in erster Instanz zu entscheiden oder zu verfügen haben, endet gemäß § 45 Abs. 2 ApG der Rechtszug beim Landeshauptmann.

Gemäß § 29 Abs. 5 letzter Satz ApG ist gegen einen Bescheid, mit dem die Hausapothekenbewilligung zurückgenommen wird, ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Mangels einer anderweitigen Anordnung für das Verfahren über die Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung ergibt sich aus § 44 ApG, dass die politischen Bezirksbehörden zur Entscheidung über die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke zuständig sind. Gemäß § 45 Abs. 2 ApG endet daher der Rechtszug beim Landeshauptmann. Von dieser grundsätzlichen Anordnung hinsichtlich des Instanzenzuges trifft § 29 Abs. 5 letzter Satz ApG eine abweichende Regelung; danach ist gegen einen Bescheid, mit dem die Hausapothekenbewilligung zurückgenommen wird, ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Für den Fall, dass ein Antrag auf Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung abgewiesen wird, besteht hingegen keine derartige Regelung. Auch aus der Systematik des Gesetzes und den Gesetzesmaterialien (Blg NR XVI. GP, 395 und 434) ergibt sich kein Hinweis darauf, dass hier - abweichend von der Anordnung des § 45 Abs. 2 ApG - der Instanzenzug zum Landeshauptmann ausgeschlossen werden sollte. Auf § 29 Abs. 5 letzter Satz ApG kann die Zurückweisung der Berufung daher nicht gestützt werden.

Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift unter anderem aus, inzwischen sei in § 62 ApG eine neue Übergangsvorschrift (BGBl. I Nr. 16/2001) erlassen worden; mit Ablauf der dort normierten Frist werde die Bezirksverwaltungsbehörde ex offo die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung anzuordnen haben. Da der von der Beschwerdeführerin angestrebte Zustand auf Grund eines Zurücknahmebescheides eintreten werde, sei die Beschwerdeführerin durch die Erlassung des bekämpften Bescheides in keinem subjektiven öffentlichen Recht verletzt worden.

Diesen Darlegungen ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde ihrem Bescheid - mangels anderweitiger Regelungen in einer Übergangsbestimmung oder einer Stichtags - bzw. Zeitraumbezogenheit des Verfahrensgegenstandes (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel aaO, E 303, 304 referierte hg. Rechtsprechung) - das im Zeitpunkt seiner Erlassung geltende Recht (insbesondere § 29 Abs. 4 und 5 ApG sowie §§ 44, 45 ApG) zu Grunde zu legen hatte. Diesem war kein Grund für die Zurückweisung der Berufung zu entnehmen.

Die neuerliche Gesetzesänderung durch BGBl. I Nr. 16/2001erfolgte nach Erlassung des angefochtenen Bescheides; sie kam daher bei dessen Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zum Tragen. Im Hinblick auf das Vorbringen der Gegenschrift ist aber für das fortgesetzte Verfahren zu bemerken, dass auch § 62 Abs. 1 ApG idF BGBl. I Nr. 16/2001 keine Grundlage für die Zurückweisung der vorliegenden Berufung enthält. In der Zurückweisung einer Berufung wegen der Annahme ihrer Unzulässigkeit an Stelle der gesetzlich gebotenen Sachentscheidung läge eine Verletzung des Berufungswerbers im Recht auf Sachentscheidung selbst dann, wenn sein Sachantrag abzuweisen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. September 2001

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz) Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001100059.X00

Im RIS seit

22.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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