Schon bisher wurde eine starre Beweisregelung in Grenzwertbereichen des Atemluftalkoholgehaltes mit Blick auf Art.6 EMRK als verfassungsrechtlich problematisch erachtet. Es sei mit einem "fair trial" unvereinbar, einen häufig nicht oder nur schwer erbringbaren Gegenbeweis in Form einer als "Freibeweis" beizuschaffenden Blutuntersuchung auf den Beschuldigten überzuwälzen, weil damit im Ergebnis eine Bindung an eine starre Beweisregel einhergehe (vgl. Steindl/Neuninger/Missliwetz/Kreuzer/Ellinger, Der Alkomat aus der Sicht des Gerichtsmediziners ZVR 1991, 289, mit Hinweis auf VfGH v. 1.3.1991, G 274/90 u.a.).
Der gesetzliche Wortlaut (Blutalkoholgehalt 0,8 g/l demgegenüber 0,4 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft) lässt auf die Annahme einer weitgehenden Korrelation der Werte und auch auf eine "Gleichwertigkeit" der Atemalkoholmessung und Blutuntersuchung schließen. In nunmehriger Kenntnis eines möglicherweise weitgehenden Auseinanderklaffens dieser Werte kann die Messfehlergrenze nicht mehr im Rahmen der rechtlichen Beurteilung in Form einer analogen Vergleichbarkeit mit dem Blutalkoholgehalt gesehen werden (so aber VwGH 23.7.1999, 96/02/0016 mit ausführlichem Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zur 19. StVO-Novelle).
Damit würde auf der Rechtsebene und wohl entgegen der Intention des Gesetzes der beizubringende Blutalkoholwert dem Atemluftergebnis als übergeordnet gegenübergestellt. Die Verneinung der Relevanz des Verkehrsfehlers schafft für den Betroffenen eine in der Praxis vielfach unzumutbare Beweislast, zumal eine Krankenanstalt zur Blutabnahme für den Betroffenen vor allem auf dem Land und zur Nachtzeit vielfach nicht erreichbar sein dürfte. Damit würde letztlich auch eine Beweisregel allein für die Atemluftmessung aufgestellt, obwohl diese gesetzlich der Blutalkoholmessung (anders als offenbar in Deutschland) gleichwertig ist.
Die aus der Beweislage folgende Feststellung einer Alkoholbeeinträchtigung iSd § 5 Abs.1 StVO ist schon bei einem Blutalkoholgehalt von unter 0,8 Promille bzw. einem Atemluftalkoholgehalt von unter 0,4 mg/l denkbar, wenn eine die Fahruntauglichkeit bedingende Beeinträchtigung nach den Umständen des Einzelfalls vorliegt (VwGH 28.5.1993, 93/02/0092 mit weiteren Judikaturhinweisen). Da es für diese Annahme auf der Sachebene aber eines weiteren Tatsachenbeweises (etwa in Form einer klinischen Untersuchung) bedarf, wäre es folglich inkonsequent und die im gesetzlich definierten Messwert gründende "unwiderlegbare Rechtsvermutung" unterlaufend, den Verkehrsfehler des Alkomaten zu ignorieren und dem Betroffenen die Beweislast im Grenzwertbereich über den zweiten Wert (Blutalkoholwert) zu übertragen.
Eine solche Rechtsauslegung wäre nicht zuletzt auch mit Blick auf das Selbstbeschuldigungsverbot iSd Art. 90 Abs.2 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich.
Da, wie auch aus der Judikatur des VwGH ersichtlich, der Atemalkoholwert und der Blutalkoholwert als ein vom Gesetz definierter jeweils "selbstständiger" Wert anzusehen ist, haben diese messtechnisch gewonnenen Werte unter Berücksichtigung der Mess- u. Verkehrsfehler zu Gunsten eines Beschuldigten auf der Tatsachenebene als verfahrensrelevant zu gelten.
Die bisherige Judikatur, wonach auch eine grenzwertige Alkomatmessung im Rahmen des "angezeigten Wertes" als Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung gilt - es sei denn, dass eine Bestimmung des Blutalkoholgehaltes etwas anderes ergibt - scheint angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit dieser Werte sachlich nicht mehr vertretbar (vgl. VwSen-107773/Sch/Rd, mit Hinweis auf VwGH 20.5.1993, 93/02/0092).
Die Vornahme eines Abzuges vom festgestellten Atemalkoholgehalt im Ausmaß von Eich- und Verkehrsfehlergrenzen - wie etwa bei Radar- und Lasermessungen und auch bisher schon bei Grenzwerten in Verfahren betreffend Alkohol beim Lenken eines KFZ innerhalb der Grenzen des Führerscheingesetzes (0,25 mg/l) - muss angesichts der nunmehr erwiesenen fehlenden Korrelation dieser Werte auch bei den sich aus § 99 Abs.1 ff StVO ergebenden Grenzbereichen gelten. Dies vor allem auch mit Blick auf die weitreichenden Rechtsfolgewirkungen in den verschiedenen Strafrahmen einerseits und die gravierenden Unterschiede in der Entzugsdauer im Administrativverfahren über die Lenkberechtigung andererseits.
Dabei kommt auch den rechtlichen Argumenten des Berufungswerbers (Hinweis auf Art.6 Abs.3 lit.d EMRK) besondere Bedeutung zu. Mit dem Geist eines fairen Verfahrens scheint es kaum vereinbar, einen Verkehrsfehler zum Nachteil des Beschuldigten unberücksichtigt zu lassen und von ihm einen Entlastungsbeweis zu verlangen, der in vielen Fällen nicht erbringbar ist und mit einem physischen Eingriff in den eigenen Körper und mit hohen Kosten verbunden ist.
Da beim vorliegenden Grenzwert von einem Beweis im Sinne des Tatvorwurfes nicht ausgegangen werden kann und schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, war spruchgemäß zu entscheiden (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).