TE Vfgh Erkenntnis 1998/10/7 B2103/97

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Veröffentlicht am 07.10.1998
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 Abs1 Z6
BundesvergabeG §6
BundesvergabeG §7

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Ausnahme der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände vom Geltungsbereich des BundesvergabeG; Akzeptanz der Annahme einer Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Regelung dieser Teile des Vergabeverfahrens durch den Verfassungsgesetzgeber im Wege der Erlassung der bezughabenden Verfassungsbestimmungen des BundesvergabeG

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der als Gemeindeverband organisierte Abwasserverband Lechtal erteilte am 14. Dezember 1996 einen Auftrag zur Lieferung und Montage der maschinellen Ausrüstung für eine Verbandskläranlage an einen Mitbieter der beschwerdeführenden Gesellschaft. Diese beantragte sodann mit Schriftsatz vom 20. Dezember 1996 die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §91 Abs3 Bundesvergabegesetz (BVergG), BGBl. 462/1993, und beantragte die Feststellung, der Auftraggeber habe durch diese Vergabe durch Nichteinhaltung des Bestbieterprinzips das Bundesvergabegesetz verletzt; eventualiter begehrte die beschwerdeführende Gesellschaft mit Antrag vom 31. Jänner 1997 die Feststellung, daß der Zuschlag infolge Rechtswidrigkeit des Ausscheidens ihres Angebotes nicht dem Bestbieter erteilt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 1997 wies das Bundesvergabeamt (BVA) die Anträge mit der Begründung zurück, daß das BVergG nach seinem §7 Abs1 Z1 für Auftragsvergaben durch die Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände nicht gelte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof; in ihr wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung der für verfassungswidrig erachteten Bestimmung des §7 Abs1 Z1 BVergG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage, das ist jene nach dem BVergG in der Stammfassung, da gemäß §103 Abs3 Z3 des BVergG idF der Novelle BGBl. 776/1996 die am 1. Jänner 1997 vor dem BVA anhängigen Verfahren nach dem BVergG in der Stammfassung fortzuführen sind, stellte sich folgendermaßen dar:

In der Stammfassung galt das BVergG (diese Abkürzung wird im folgenden für das Gesetz in der Stammfassung verwendet) für Lieferaufträge, Bauaufträge und Baukonzessionsaufträge sowie für Liefer- und Bauaufträge im Bereich der sogenannten geschützten Sektoren, soweit die geschätzten Auftragssummen einen bestimmten "Schwellenwert" überstiegen und die Vergabe im persönlichen Geltungsbereich des BVergG lag. Diesen legte §6 BVergG folgendermaßen fest:

"§6. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Vergabe von Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber, das sind

1. der Bund,

2. Stiftungen, Fonds und Anstalten, wenn sie zumindest teilrechtsfähig sind und von Organen des Bundes oder von Personen verwaltet werden, die hiezu von Organen des Bundes bestellt sind,

3. (Verfassungsbestimmung) Unternehmungen gemäß Artikel 126 b Abs2 B-VG, soweit sie zu dem Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben, die nicht gewerblicher Art sind, zu erfüllen, und die finanzielle Beteiligung des Bundes jene der anderen Rechtsträger überwiegt - für sonstige, der Rechnungshofkontrolle unterliegende Unternehmungen, soweit sie zu dem genannten Zweck gegründet wurden, obliegt die Regelung der Auftragsvergabe in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern -,

4. Sozialversicherungsträger und der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und

5. (Verfassungsbestimmung) die Verbundgesellschaft und die Sondergesellschaften gemäß dem Zweiten Verstaatlichungsgesetz, BGBl. Nr. 81/1947, in der jeweils geltenden Fassung - für die Landesgesellschaften und die Städtischen Unternehmungen nach dem Zweiten Verstaatlichungsgesetz sowie für Elektrizitätsversorgungsunternehmen gemäß dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 260/1975, und den Elektrizitätswirtschaftsgesetzen der Länder in der jeweils geltenden Fassung obliegt die Regelung der Auftragsvergabe in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt - unbeschadet des §68 - ferner für die Vergabe von Aufträgen durch private Auftraggeber, das sind von Abs1 Z3 nicht erfaßte Unternehmer, die zumindest eine der in §67 Abs2 genannten Tätigkeiten auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausüben, die ihnen von einer zuständigen Behörde gewährt wurden."

Weiters galt das BVergG entsprechend seinem §1 Abs3 für Bauaufträge, die einen gemeinnützigen Zweck verfolgen und von anderen als öffentlichen Auftraggebern vergeben, von diesen aber zu mehr als 50 vH direkt gefördert werden. Zu den Bauaufträgen für einen gemeinnützigen Zweck gehören nach dem einen Bestandteil des Gesetzes bildenden Anhang II unter anderem Bauten des Wasserbaus und Spezialbauten für die Bewässerung, Entwässerung, Ableitung von Abwässern und Kläranlagen. Der Begriff der Bauarbeiten wird durch Anhang I des BVergG nach der allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige der EG näher bestimmt.

Der das dritte Hauptstück des ersten Teils bildende §7 BVergG handelt von den "Ausnahmen vom Geltungsbereich". Seinem Abs1 Z1 zufolge gilt das BVergG "nicht für Auftragsvergaben durch die Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände".

2. Das BVA begründete den seine Zuständigkeit verneinenden Bescheid zum einen damit, daß der vergebende Gemeindeverband kein Auftraggeber im Sinne des §6 BVergG sei. Sodann erwog das BVA, ob es sich um einen Auftrag im Sinne des §1 Abs3 leg.cit. handeln könnte. Dabei ging es - ohne dies überhaupt zu problematisieren - implizit davon aus, daß die ausgeschriebene "Lieferung und Montage der maschinellen Ausrüstung der Verbandskläranlage Lechtal" eine Bauleistung im Sinn des Anhangs I des BVergG sei, meinte, daß es sich um ein gemeinnütziges Bauvorhaben im Sinne des Anhangs II handle und daß eine Bundesförderung von über 50 % vorliege. Jedoch stehe "(d)er zunächst durchaus denkmöglichen Anwendbarkeit des Bundesvergabegesetzes über die Bestimmung des §1 Abs3 BVergG ... die Bestimmung des §7 Abs1 Z1 BVergG entgegen".

3. a) Der Verfassungsgerichtshof zweifelt nicht daran, daß das Ergebnis, zu dem das BVA auf Grundlage der von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften kam, rechtsrichtig ist. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die ausgeschriebene Leistung eine "Bauleistung" im Sinne des Gesetzes darstellt; denn selbst wenn dies - wie das BVA implizit annahm - der Fall sein sollte und damit an sich die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des §1 Abs3 BVergG gegeben gewesen wären, stünde die zitierte Bestimmung des §7 Abs1 Z1 leg.cit., die ganz allgemein bestimmt, daß das Gesetz für Auftragsvergaben durch die Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände nicht gilt, einer Anwendung entgegen.

Fraglich kann daher nur sein, ob die genannte Bestimmung des §7 Abs1 Z1 verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

b) Solches behauptet die Beschwerde und führt u.a. aus:

"Wie die Materialien zum BVergG (972 BlgNR XVIII. GP, S 47, Pkt. 5 'Zur Kompetenzfrage') darlegen, ist für die gesetzliche Regelung des öffentlichen Vergabewesens bei der geltenden Verfassungsrechtslage keine einheitliche Kompetenzgrundlage gegeben, sodaß die jeweils einschlägigen materienspezifischen Organisations- und Sachkompetenzen des Bundes als kompetenzrechtliche Grundlage für die vergaberechtlichen Regelungen in Ansehung öffentlich-rechtlicher Rechtsträger heranzuziehen sind. Die Materialien nennen in diesem Zusammenhang auch explizit die staatliche Wasserbaukompetenz des Bundes gemäß Art10 Abs1 Z10 B-VG (972 BlgNR XVIII. GP, S 48); die Materie 'Wasserrecht' ist in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache.

Abwasserverbände sind Wasserverbände gemäß §87 WRG, BGBl. Nr. 215/1979 idgF. Wasserverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und Selbstverwaltungsträger; ihnen kommt Behördenqualität zu. Demgemäß fallen Bauaufträge von Wasserverbänden im Sinne des Wasserrechtsgesetzes - auch nach der ständigen Spruchpraxis des Bundesvergabeamtes - in den Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes.

Auftragsvergaben durch die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sind gemäß §7 Abs(1) Z1 BVergG vom persönlichen Geltungsbereich des BVergG ausgenommen, wobei - offenbar ohne jede sachliche Differenzierung - ausschließlich auf die Person des Auftraggebers abgestellt wird.

Ist nun ein Abwasserverband nicht als Wasserverband im Sinne des Wasserrechtsgesetzes, sondern - wie etwa im konkreten Fall die vergebende Stelle - als Gemeindeverband im Sinne der Tiroler Gemeindeordnung bzw. im Sinne des Tiroler Kanalisationsgesetzes - sohin als Gemeindeverband im Sinne des Art116 a B-VG - organisiert, wird ein Bauauftrag, der

-

die Errichtung einer gemeinnützigen Anlage im Sinne des Anhanges II (Kläranlage) zum Gegenstand hat,

-

von einem anderen als öffentlichen Auftraggebern vergeben und

-

vom öffentlichen Auftraggeber Bund zum überwiegenden Teil direkt gefördert wird,

sohin ein Bauauftrag, der gemäß §1 Abs(3) BVergG jedenfalls in den Anwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes fallen müßte, ohne jede sachliche Rechtfertigung - nämlich allein aufgrund der von der ausschreibenden Stelle gewählten Organisationsform - dem Anwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes und damit dessen Rechtsschutzmöglichkeiten entzogen.

In Lehre und Rechtsprechung ist unbestritten, daß der Gleichheitsgrundsatz des Art7 B-VG auch den einfachen Gesetzgeber bindet, sodaß Gesetze, die in grundrechtlich geschützte Positionen eingreifen, verfassungswidrig sind. Nach diesem - die Gesetzgebung und die Vollziehung bindenden - Grundsatz müssen Gesetze 'sachlich gerechtfertigt' sein. Nach der Rechtsprechung des VfGH ist eine Differenzierung dann zulässig, wenn ein Unterschied im Tatsächlichen vorliegt, der vertretbarerweise eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte rechtfertigen kann (Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8 RZ 1352, VfSlg. 12005 u. v.a.). Zusätzlich dürfen aber die daran geknüpften Rechtsfolgen nicht unverhältnismäßig sein (VfSlg. 10597, 11641, 12151).

Wenn aber die bloße Wahl der Organisationsform als Gemeindeverband oder als Wasserverband unterschiedliche vergaberechtliche Regelungen bedingt und der Bieter damit dem Rechtsschutzverfahren des Bundesvergabegesetzes entzogen wird, ist die in Rede stehende Bestimmung des BVergG sachlich jedenfalls nicht gerechtfertigt. Eine derart weitreichende - und ausschließlich an die 'Person' des Auftraggebers geknüpfte - Benachteiligung des Bieters ist im Ergebnis unverhältnismäßig und willkürlich und demnach verfassungswidrig."

c) In der Tat wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, würde der Gesetzgeber bestimmte öffentliche Auftraggeber - wie den Bund und für diesen im Allgemeininteresse liegende Aufgaben besorgende ausgegliederte Rechtsträger - an rechtliche Regelungen betreffend das Vergabeverfahren binden und den Bietern subjektive Rechte im Vergabeverfahren einräumen und ihnen einen spezifisch vergaberechtlichen Rechtsschutz gewähren, bei Vergaben durch andere öffentliche Auftraggeber, wie u.a. die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände und für diese tätige Ausgegliederte aber ohne sachliche Rechtfertigung nicht. Es ist daher zu prüfen, ob sich für die Ausnahme der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände vom Regime des BVergG eine sachliche Rechtfertigung finden läßt.

Eine solche sah der Gesetzgeber offenkundig in der kompetenzrechtlichen Situation. Er nahm - wie sich aus der Entstehungsgeschichte sowohl des BVergG als auch der landesgesetzlichen Regelungen ergibt - an, daß zur Regelung der Auftragsvergaben der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände der jeweilige Landesgesetzgeber berufen ist. Fraglich ist freilich, ob diese subjektive Einschätzung des Gesetzgebers der (objektiven) Kompetenzsituation der Bundesverfassung entspricht.

Das BVergG enthält Vorschriften dreier verschiedener Regelungskreise, solche die das von den vergebenden Stellen einzuhaltende Verfahren betreffen, solche, die den abzuschließenden Leistungsvertrag und den zivilgerichtlichen Bieterschutz betreffen und Regelungen einer vergabespezifischen verwaltungsrechtlichen Rechtskontrolle (vgl. etwa Korinek/Schwarzer, Verfassungsrechtliche Grundlagen der Auftragsvergabe, 1981, 64 ff.; Pernthaler, Die innerstaatliche Umsetzung der Vergaberichtlinie der EG aus der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung in Österreich, in: Funk/Marko/Pernthaler, Die innerstaatliche Umsetzung der Vergaberichtlinien der EG, 1992, 47 ff., insb. 86 f.). Während es im allgemeinen nicht umstritten ist, daß die den Leistungsvertrag und den zivilrechtlichen Bieterschutz betreffenden Vorschriften auf den Kompetenztatbestand "Zivilrechtswesen" (Art10 Abs1 Z6 B-VG) gestützt werden können und Art10 Abs1 Z16 B-VG eine Kompetenzgrundlage für die Einrichtung besonderer Kontrollbehörden bietet, bestand in der Literatur vor Erlassung des BVergG keineswegs Einigkeit über die kompetenzrechtliche Zuordnung der Vorschriften über das Vergabeverfahren selbst, durch die die vergebenden Stellen gebunden und den Bietern subjektive Rechte eingeräumt werden sollen.

Während Korinek/Schwarzer (aaO, 70) die Meinung vertraten, daß eine umfassende Kompetenz zur Regelung des Vergabeverfahrens nicht besteht und solche Regeln bloß vom jeweiligen Materiengesetzgeber aufgrund einer anzunehmenden Adhäsionskompetenz erlassen werden dürfen, und Holzinger (Die Zuständigkeit zur Regelung der öffentlichen Auftragsvergabe, in:

FS Wenger, 1983, 139 ff.) und Thienel (Bundesvergaberecht und Zivilrechtswesen, ÖJZ 1993, 609 ff.) der Auffassung anhingen, daß sich derartige Regelungen auf den Kompetenztatbestand des Art10 Abs1 Z6 B-VG (Zivilrechtswesen) stützen lassen, vertrat Pernthaler (aaO, 109) eine weitere Auffassung: Nach dieser ist die Regelung des Vergabeverfahrens und des damit verbundenen Rechtsschutzes, soweit die öffentliche Hand selbst Aufträge vergibt, Ausfluß der Organisationshoheit, also für Vergaben im Bundesbereich Sache des Bundesgesetzgebers, für Vergaben im Landes- und Gemeindebereich Sache des Landesgesetzgebers. Denn die Organisationskompetenz ermächtige "auch zu 'außenwirksamen' Regelungen des staatsspezifischen Sonderprivatrechts (zB Vertretungsbefugnisse), die als historischer Ansatz für ein Vergaberecht in Betracht kommen (Vertretungsregelungen für die Vergabestellen); nach den Regeln über die 'intrasystematische Fortentwicklung' lassen sich daraus auch Kompetenzen für die Anerkennung subjektiver öffentlicher Rechte und Rechtsschutzeinrichtungen im Vergabeverfahren ableiten" (107).

Gegen die Zuordnung des öffentlichen Vergaberechts zum Zivilrechtswesen wurde insbesondere von Rill (Demokratie, Rechtsstaat und staatliche Privatwirtschaftsverwaltung, in:

FS Wenger, 1983, 57 ff., insb. 86 ff.) eingewendet, daß dieser Kompetenztatbestand keine Grundlage für die Schaffung staatsspezifischen Privatrechts biete und gegen die Position Pernthalers wendete Thienel ein, daß die Begründung subjektiver Rechte für die Bieter und die Schaffung von Rechtsschutzeinrichtungen als außenwirksame Regelungen nicht dem Organisationsrecht zugerechnet werden könne.

Der Bundes(verfassungs)gesetzgeber verzichtete trotz der in der Literatur vorgetragenen Vorschläge auf die Schaffung einer klärenden bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmung und erließ ein Bundesvergabegesetz, wobei er in der schon dargestellten Weise (vgl. oben Pkt. II.1.) die Kompetenz für die Regelung des öffentlichen Vergaberechts, soweit es Vergaben des Bundes, bestimmter Einrichtungen des Bundes und der Sozialversicherungsträger betrifft, in Anspruch nahm, von einer Regelung, soweit sie Vergaben der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände betrifft, aber absah und für Vergaben durch ausgegliederte Rechtsträger mit Gemeinwohlaufgaben und durch Unternehmungen der Elektrizitätswirtschaft eine eigene, die Regelungskompetenz aufteilende Kompetenzbestimmung schuf.

Der Gesetzgeber des BVergG ging dabei offenkundig von der Vorstellung aus, daß ihm nur die Kompetenz zur Regelung der Vergabe öffentlicher Aufträge im Bundesbereich und in der Sozialversicherung zukomme, nicht aber im Bereich der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände. Diese Auffassung liegt ersichtlich nicht nur der Erlassung der (einfachgesetzlichen) Bestimmungen des §6 Abs1 Z1 und des §7 Abs1 Z1 BVergG, sondern auch der Erlassung der - oben wiedergegebenen - Verfassungsbestimmungen in §6 leg.cit. zugrunde:

Diese Verfassungsbestimmungen wären nämlich nicht verständlich, wenn man sich auf den Boden der Auffassung stellte, daß die Regelung des Vergabeverfahrens auf Grundlage der Zivilrechtskompetenz erfolgen könnte. Denn daß der Verfassungsgesetzgeber bei Erlassung der Verfassungsbestimmungen in §6 BVergG aus einer solchen umfassenden Regelungskompetenz des Bundes bloß die Vergaben bestimmter, vom Land beherrschter ausgegliederter Rechtsträger und einzelner Unternehmungen der Elektrizitätswirtschaft ausnehmen wollte, nicht aber die Vergaben der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, ist ihm nicht zusinnbar. Vielmehr wird deutlich, daß die Erlassung der genannten Verfassungsbestimmungen von der Vorstellung getragen war, daß die Regelung des Vergabeverfahrens der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände Sache der Landesgesetzgebung ist, der man darüber hinaus auch die Regelung des durch "ihre" ausgegliederten Rechtsträger einzuhaltenden Vergabeverfahrens zuweisen wollte. Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, daß der Verfassungsgesetzgeber durch die Erlassung der genannten Verfassungsbestimmungen hinsichtlich des von den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden einzuhaltenden Vergabeverfahrens ein Verständnis der Kompetenzsituation akzeptiert hat, demzufolge dessen Regelung Sache der Landesgesetzgebung ist.

Angesichts dessen bestehen keine Bedenken dagegen, daß der Bundesgesetzgeber auf Basis dieser Kompetenzlage die Regelung der Vergabe öffentlicher Aufträge und deren Kontrolle insoweit vom Geltungsbereich des Bundesgesetzes ausgenommen hat, als sie in die Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers fällt.

Gegen die vom BVA angewendete Bestimmung des §7 Abs1 Z1 BVergG, die den angefochtenen Bescheid trägt (vgl. oben Pkt. II.3.a)) bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Vergabewesen, Kompetenz Bund - Länder Vergabewesen, Kompetenz Bund - Länder Zivilrechtswesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2103.1997

Dokumentnummer

JFT_10018993_97B02103_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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