TE Vfgh Beschluss 1998/10/7 G405/97

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Veröffentlicht am 07.10.1998
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EMRK Art8
DSt 1990 §28 Abs3
DSt 1990 §40

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags eines Rechtsanwaltes auf Aufhebung von Bestimmungen des DSt 1990 betreffend die Verständigung des Anzeigers vom Einstellungsbeschluß bzw vom Inhalt des das Disziplinarverfahren erledigenden Erkenntnisses mangels Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt in Oberösterreich. Er begehrt mit dem vorliegenden, auf Art140 B-VG gestützten Antrag, §28 Abs3 letzter Satz und §40 letzter Satz des Disziplinarstatuts 1990 (DSt 1990) wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Achtung des Privat- und Familienlebens als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. Zur Zulässigkeit des Antrages bringt der Antragsteller im wesentlichen vor, daß beim Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich zwei von einem Rechtsanwalt und eine vom Gerichtsvorsteher des Bezirksgerichtes Wels gegen ihn erstattete Disziplinaranzeigen anhängig seien. Die Wirkung der in den bekämpften Bestimmungen angeordneten Zustellung der Mitteilung über einen Einstellungsbeschluß bzw. den Inhalt des das Disziplinarverfahren erledigenden Erkenntnisses an den Anzeiger trete ohne das Ergehen einer weiteren Verordnung oder eines Bescheides ein. Der rechtskonkretisierende Akt der zukünftigen Zustellung gemäß §28 Abs3 letzter Satz oder §40 letzter Satz DSt 1990 sei als solcher nicht anfechtbar und auch kein Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt.

2. §28 Abs3 und §40 DSt 1990, BGBl. Nr. 474/1990, - die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben - lauten:

"§28.

...

(3) Der Beschluß, daß kein Grund zur Disziplinarbehandlung vorliegt (Einstellungsbeschluß), ist dem Beschuldigten, dem Kammeranwalt und der Oberstaatsanwaltschaft zuzustellen. Eine Abschrift dieses Beschlusses ist dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer zu übermitteln. Der Anzeiger ist nach Rechtskraft von dem Ergebnis zu verständigen."

"§40. Das Erkenntnis ist samt dessen wesentlichen Gründen sogleich zu verkünden; je eine Ausfertigung samt Entscheidungsgründen sowie je eine Abschrift des Verhandlungsprotokolls sind ehestens dem Beschuldigten, dem Kammeranwalt und der Oberstaatsanwaltschaft zuzustellen. Eine Ausfertigung des Erkenntnisses ist dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer zu übermitteln. Der Anzeiger ist nach Rechtskraft des Erkenntnisses zu verständigen, hinsichtlich welcher der von ihm angezeigten Tathandlungen und aus welchen, in gedrängter Form darzulegenden Gründen der Rechtsanwalt freigesprochen oder schuldig erkannt wurde."

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in welcher sie einerseits die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und anderseits den Antrag stellt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß §28 Abs3 letzter Satz und §40 letzter Satz DSt 1990 nicht verfassungswidrig sind.

4. Der Antrag ist unzulässig.

Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).

Mit seinem Vorbringen vermag der Antragsteller, der die Verletzung des Art8 EMRK durch die §§28 Abs3 letzter Satz und 40 letzter Satz DSt 1990 behauptet, nicht darzutun, daß in seine Rechtsposition durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen unmittelbar eingegriffen wird. Gerade in das ihm durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens wird nämlich ein Eingriff durch die bekämpften Vorschriften nicht bewirkt. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 5129/1965 festgestellt hat, wird durch ein Disziplinarverfahren nicht in das Privat- und Familienleben eines Rechtsanwaltes eingegriffen, da das "Benehmen eines Rechtsanwaltes inner- oder außerhalb seines Berufes, welches Ehre oder Ansehen des Standes der Rechtsanwälte beeinträchtigt, ... keine Angelegenheit des Privat- und Familienlebens des betreffenden Rechtsanwaltes" ist (vgl. auch die Entscheidung der EKMR vom 17.12.1976 im Fall Agee geg. das Vereinigte Königreich, DR 1977, 164 ff. (172), in welchem sie ausgesprochen hat, daß die in einer objektiven und neutralen Weise öffentlich, nämlich im Parlament erfolgte Bekanntgabe knapper Details der Erwägungen, die zur Entscheidung geführt haben, einen Fremden abzuschieben, diesen nicht in seinem ihm durch Art8 EMRK gewährleisteten Recht verletzt habe).

Auch aus dem Vorbringen zum Gleichheitssatz ist für die Zulässigkeit des Antrages nichts zu gewinnen. Es wird nämlich nicht das Vorliegen eines Eingriffs der angefochtenen Vorschriften in eine dem Antragsteller durch das Gleichheitsrecht gewährleistete Rechtsposition dargetan, sondern nur die Unsachlichkeit der bekämpften Bestimmungen behauptet.

Die bekämpften Vorschriften greifen somit nicht in die Rechtssphäre des Antragstellers ein.

Der Antrag war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

5. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Rechtsanwälte, Disziplinarrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G405.1997

Dokumentnummer

JFT_10018993_97G00405_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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