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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des D.I. Michael Steiner in Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz und Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte OEG in Wien I, Stubenring 16, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 25. April 2001, Zl. MD-VfR-B XVI-28/2000, betreffend Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Dr. Christopher Gonano in Wien, vertreten durch Dr. Nikolaus Weselik, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seiner Entscheidung über die Parteistellung des Beschwerdeführers und seines Antrages, ihm den Baubewilligungsbescheid zuzustellen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 22. April 1988 beantragte der Mitbeteiligte die Erteilung einer Baubewilligung für ein Einfamilienhaus auf der Liegenschaft in Wien XVI, Starchantgasse 12/Gerunggasse 3. Auf Grund dieses Ansuchens wurde eine mündliche Verhandlung für den 24. Oktober 1988 anberaumt, zu der neben zahlreichen Anrainern auch L. Sch. als Eigentümer der Liegenschaft EZ 2843 als Nachbar unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. In der mündlichen Verhandlung hat L. Sch. keinen Einwand gegen das Bauvorhaben erhoben.
In weiterer Folge hat die Baubehörde erster Instanz den zur Verhandlung vom 24. Oktober 1988 nicht geladenen Anrainer L. B. für den 29. November 1988 unter gleichzeitiger Verständigung des Bauwerbers und des Bezirksvorstehers für den 16. Bezirk als "übergangene Partei" nachgeladen. In der Verhandlung vom 29. November 1988 hat L. B. Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben, über die mit dem Baubewilligungsbescheid vom 5. Juli 1996 abgesprochen wurde. Zu dieser nachträglichen Bauverhandlung wurden die anderen Parteien, insbesondere L. Sch., nicht mehr geladen.
Der Beschwerdeführer ist nunmehr Miteigentümer der Liegenschaft EZ 2843 und als solcher Rechtsnachfolger des L. Sch., in dessen Alleineigentum sich die gegenständliche Liegenschaft im Jahre 1988 befand.
Mit Eingabe vom 31. März 2000 beantragte der Beschwerdeführer unter 1.) die Zustellung des Baubewilligungsbescheides vom 5. Juli 1996 und die Feststellung der Parteistellung in diesem Baubewilligungsverfahren. Weiters brachte er unter 2.) als Einwendung vor, dass die Genehmigung des Bauvorhabens des Mitbeteiligten nur auf Grund der Bebauungsbestimmungen, wie sie im Jahr 1988 gegolten hätten, erfolgen könne. Im Jahre 1994 seien die Bebauungsbestimmungen geändert worden, nach diesen geänderten Bestimmungen hätte das Bauvorhaben in der vorgesehenen Form nicht bewilligt werden dürfen. Weitere Einwendungen bezogen sich unter anderem darauf, dass die der Baubewilligung vom 5. Juli 1996 zu Grunde liegenden Einreichpläne nicht den natürlichen Geländeverlauf der zu bebauenden Liegenschaft wiedergeben, da im nördlichen Bereich, der unmittelbar an das Grundstück des Beschwerdeführers angrenzt, eine Aufschüttung vorgenommen wurde. Mit der Ausgleichung dieser Anschüttung sei eine Stützmauer errichtet worden, wobei keine Überprüfung vorgenommen worden sei, ob die Stützmauer den Druckkräften des unmittelbar dahinter geplanten Einfamilienhauses standhalten könne. Unter 3.) stellte er die weiteren Anträge, die Baubehörde möge zur Behandlung des Bauvorhabens das ordentliche Bauverfahren einleiten, die nach dem Gesetz vorgesehene Bauverhandlung anberaumen und den ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers zum Verhandlungstermin laden.
Mit Bescheid vom 2. Oktober 2000 hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/16, die Anträge auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides und auf Feststellung der Parteistellung sowie auf Einleitung des Bauverfahrens mit Anberaumung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen, ebenso wurden die unter 2.) erhobenen Einwendungen als unbegründet abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 25. April 2001 als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nur L. B. in der Verhandlung vom 24. Oktober 1988 als Nachbar übergangen wurde, hingegen sei der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers, L. Sch., nachweislich mit Zustellung durch persönliche Übernahme am 11. Oktober 1988 als Anrainer unter Hinweis auf § 42 AVG in der Fassung vor der Verwaltungsverfahrensnovelle BGBl. I Nr. 158/1998 geladen worden. In dieser mündlichen Verhandlung habe L. Sch. keinen Einwand gegen das gegenständliche Bauvorhaben erhoben. Die nachträgliche Ladung für den 29. November 1988 habe den alleinigen Zweck gehabt, L. B. gemäß § 45 Abs. 3 AVG vom gegenständlichen Bauvorhaben Kenntnis bzw. die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen zu geben. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei die Behörde in der Wahl ihrer Möglichkeiten, wie sie einer übergangenen Partei nachträglich die Wahrnehmung ihrer Nachbarrechte ermöglicht, nicht in der Form beschränkt, dass nur eine schriftliche Verständigung der übergangenen Partei unter Bekanntgabe des Beweisergebnisses zulässig wäre. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers räume weder die Bauordnung für Wien noch das AVG den Eigentümern von benachbarten Liegenschaften ein Recht ein, von den Einwendungen anderer Anrainer Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Weder L. Sch. noch seine Rechtsnachfolger im Eigentum an der Liegenschaft EZ 2843 und die übrigen Miteigentümer der benachbarten Liegenschaften seien wegen der nicht erfolgten Verständigung von der Nachtragsladung des L. B. als übergangene Parteien zu werten, da, wie bereits ausgeführt, die Nachtragsladung den alleinigen Zweck gehabt habe, L. B. das Recht auf Parteiengehör einzuräumen. Die mit Schreiben vom 31. März 2000 geltend gemachten Einwendungen des Beschwerdeführers gegen das gegenständliche Bauvorhaben seien daher verspätet vorgebracht worden, da der Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger des L. Sch. als präkludiert anzusehen sei. Diese Rechtsfolgen seien im gegenständlichen Verfahren bereits vor dem Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensnovelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, auf Grund der damals geltenden Rechtslage eingetreten und wirkten sofort.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Nach dem ausgeführten Beschwerdepunkt erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Parteistellung als Nachbar gemäß § 134 Abs. 3 BO verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie der Mitbeteiligte, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf Grund des Artikels IV (Übergangsbestimmung) der Novelle LGBl. Nr. 34/1992 gelten für alle zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen. Hinsichtlich der Frage der Parteistellung ist auf das gegenständliche, im Jahre 1988 eingeleitete Bauverfahren somit § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien in der Fassung vor dieser Novelle anzuwenden. Demnach sind im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Ferner sind die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG).
Die Parteistellung des Beschwerdeführers ist somit ausschließlich davon abhängig, ob er bzw. sein Rechtsvorgänger Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft war. Die Parteistellung war nicht daran geknüpft, dass rechtzeitig Einwendungen erhoben wurden. Die Verfahrensgesetznovelle BGBl. I 158/1998 ist erst am 1. Jänner 1999 in Kraft getreten, sie hat keine Rechtswirkungen auf die Parteistellung von Personen, denen diese Parteistellung auf Grund der im Zeitpunkt der Bauverhandlung in Geltung stehenden Bauordnung bereits zugekommen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. April 2000, Zl. 99/05/0239).
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde, wonach der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers, der nachweislich und unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG in der damaligen Fassung zur Verhandlung vom 24. Oktober 1988 geladen wurde und dort keine Einwendungen erhoben hat, präkludiert ist. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die Baubehörde auch nicht gehalten, zu der mit einem bis dahin übergangenen Nachbarn durchgeführten mündlichen Verhandlung, alle anderen Anrainer zu laden. Das in Bezug auf den Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers durchgeführte Baubewilligungsverfahren war rechtskonform, durch die zur Wahrung des Parteiengehörs mit dem übergangenen Nachbarn durchgeführte Verhandlung ist der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers in seinen Rechten nicht verletzt worden.
Die in der Beschwerde zitierten hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 1956, Zl. 2583/54, und vom 26. Oktober 1961, Slg. Nr. 5652/A, stehen dieser Rechtsansicht nicht entgegen: Das zuletzt genannte Erkenntnis enthält überhaupt keine Ausführungen zur Frage der mündlichen Verhandlung und der Möglichkeit der Erhebung von Einwendungen, das erstgenannte Erkenntnis bezieht sich auf einen Fall, in dem die Anrainer schon in der ersten Verhandlung zulässige Einwendungen erhoben haben, wobei mit diesen Anrainern im Berufungsverfahren eine weitere Verhandlung durchgeführt wurde.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, ausgesprochen hat, ist der Präkludierte weiterhin Partei des Verfahrens, er scheidet aus dem Verfahren nicht aus.
Allerdings ist eine eingetretene Präklusion von allen Behörden und auch von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu berücksichtigen.
Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass die Einwendungen, die der Beschwerdeführer erhoben hat, mit Recht abgewiesen worden sind, die belangte Behörde jedoch zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass dem Beschwerdeführer die Parteistellung im gegenständlichen Bauverfahren nicht zukomme. Als Partei des Verfahrens kam dem Beschwerdeführer auch ein Anspruch darauf zu, dass ihm der Baubewilligungsbescheid vom 5. Juli 1996 zugestellt werde. Insofern mit dem angefochtenen Bescheid diese Anträge abgewiesen bzw. die diesbezügliche Berufung als unbegründet abgewiesen wurden, ist somit der Beschwerdeführer in dem im ausgeführten Beschwerdepunkt angeführten Recht verletzt, weshalb der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Mit der Entscheidung über die Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 4. September 2001
Schlagworte
Baurecht Nachbar Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001050262.X00Im RIS seit
23.10.2001