TE Vfgh Beschluss 1998/10/7 B1342/98

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Veröffentlicht am 07.10.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §34
VfGG §87 Abs3
ZPO §530 Abs1 Z7

Leitsatz

Zurückweisung eines Wiederaufnahmeantrags nach Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde; Zurückweisung des Abtretungsantrags als verspätet

Spruch

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. September 1997, zugestellt am 28. November 1997, wurde über den Beschwerdeführer gemäß §134 iVm §103 Abs2 KFG 1967 eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 90 Stunden) wegen Nichterteilung einer Lenkerauskunft verhängt. Die Behandlung der Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 9. Juni 1998, B3125/97, abgelehnt.

2. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Einschreiter die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Antragsteller bringt im wesentlichen vor, daß er durch die Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1998, B3125/97, Kenntnis davon erlangt habe, daß mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1997, V17/97 ua., die vom Präsidenten des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien erlassene Geschäftsverteilung für 1997 mit Ablauf des 31. Oktober 1997 als gesetzwidrig aufgehoben wurde. Die Aufhebung sei somit zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der nunmehr bekämpfte Bescheid von der belangten Behörde zwar schon abgefaßt (9.9.1997), jedoch noch nicht erlassen (28.11.1997) war. In dem ebenfalls vom Beschwerdeführer geführten Beschwerdeverfahren zu B1559/97 hätte der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. März 1998 den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf das angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1997 von Amts wegen aufgehoben. Wäre dem Beschwerdeführer bereits vor Zustellung des Beschlusses vom 9. Juni 1998, B3125/97, am 8.7.1998 bekannt gewesen, daß die Anlaßfallwirkung auf den angefochtenen Bescheid nicht erstreckt werde, hätte dieser die Verfassungswidrigkeit des Bescheides wegen des Verstoßes gegen die Art90 Abs2, 83 Abs2, 18 Abs1 und 7 Abs1 B-VG dahin, daß die Geschäftsverteilung der belangten Behörde für das Jahr 1997 verfassungswidrig war, geltend machen und zugleich relevieren können, daß der bekämpfte Bescheid zum Zeitpunkt der Aufhebung der angewendeten Geschäftsverteilung von der belangten Behörde zwar abgefaßt, jedoch noch nicht erlassen war. Das Unterlassen der Geltendmachung dieses Anfechtungsgrundes sei dem Beschwerdeführer jedoch nicht anzulasten, weil er nicht "sämtliche Kanzleiakten nach Bescheidbeschwerden gem Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof" durchforsten könne, "um zu erheben, ob sich darunter Bescheide der belangten Behörde (befänden), die vor dem Termin der Aufhebung der Geschäftsverteilung der belangten Behörde für 1997" durch den Verfassungsgerichtshof abgefaßt, jedoch nach dem Tag des Wirksamwerdens des Aufhebung erlassen worden seien.

3. Der Wiederaufnahmeantrag ist nicht zulässig.

3.1. Gemäß §34 VerfGG kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur in den Fällen der Art137, 143 und 144 B-VG stattfinden. Für die Wiederaufnahme eines Verfahrens in Fällen des Art144 B-VG gelten, da §34 VerfGG eine nähere Regelung nicht enthält, nach §35 VerfGG sinngemäß die Bestimmungen der ZPO (§§530 ff.). Der Verfassungsgerichtshof hat daher bei der Entscheidung über den vorliegenden Antrag die Bestimmung des §538 Abs1 ZPO über das Vorprüfungsverfahren sinngemäß anzuwenden, wonach eine Wiederaufnahmsklage insbesondere dann zurückzuweisen ist, wenn sie nicht auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (§530 Abs1 Z1 bis 7 ZPO) gestützt ist (vgl. VfSlg. 8983/1980, 11313/1987, 11985/1989, 12872/1991, 12993/1992, 13196/1992, 13969/1994, 14015/1995, 14101/1995 und 14128/1995).

Der vorliegende Antrag stützt sich seinem Vorbringen zufolge auf den Wiederaufnahmsgrund der Ziffer 7 des §530 Abs1 ZPO. Danach kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung in früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Gemäß §530 Abs2 ZPO ist eine Wiederaufnahme aus diesem Grund nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die Rechtskraft der Entscheidung oder die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen.

3.2.1. Der Verfassungsgerichtshof begründete in seinem Beschluß vom 9. Juni 1998, B3125/97, die Ablehnung der Behandlung der Beschwerde zum einen damit, daß nach den Beschwerdebehauptungen die geltend gemachten Rechtsverletzungen zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes wären. Zum anderen merkte der Verfassungsgerichtshof an, daß vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtssprechung (vgl. VfSlg. 11829/1988) die behauptete Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Bestimmung des §103 Abs2 KFG 1967 als so wenig wahrscheinlich erkennbar sei, daß die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Im Erkenntnis VfSlg. 11829/1988 hat der Verfassungsgerichtshof §103 Abs2 KFG 1967 als durch die Verfassungsbestimmung des letzten Satzes des §103 Abs2 KFG 1967 gedeckt angesehen und ausgesprochen, daß gegen die Auskunftsverpflichtung keine Bedenken im Hinblick auf Art90 Abs2 B-VG und Art6 EMRK bestehen.

3.2.2. Soweit sich der Antragsteller auf die Ziffer 7 des §530 Abs1 ZPO beruft, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die in dieser Bestimmung angesprochenen Tatsachen oder Beweismittel nur dann einen Wiederaufnahmsgrund darstellen, wenn deren Berücksichtigung im Rahmen der dem Verfassungsgerichtshof zukommenden - beschränkten - Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis (im vorliegenden Fall also unter den Gesichtspunkt der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte) im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung möglich erscheinen läßt (vgl. VfSlg. 9126/1981, 14858/1997). Der Antragsteller erachtet eine Wiederaufnahme des Verfahrens B3125/97 als zulässig, weil er durch die Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1998 in Kenntnis neuer Tatsachen und Beweismittel iSd §530 Abs1 Z7 ZPO gelangt sei. Es ist dem Verfassungsgerichtshof - wenngleich auch für den gegenständlichen Antrag ohne Bedeutung - nicht erkennbar, wie der Antragsteller die genannten neuen Tatsachen oder Beweismittel aus dem Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1998 zu gewinnen vermag.

Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens liegen nicht vor. Der Verfassungsgerichtshof hat in einem Beschwerdeverfahren nach Art144 B-VG als Prüfungsmaßstab die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides heranzuziehen (vgl. zB VfSlg. 8704/1979, 8780/1980, 8926/1980, 9763/1983 und 14089/1995). Die Erlassung schriftlicher Bescheide erfolgt durch Zustellung (§§21f AVG). Der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. September 1997 wurde dem Antragsteller nach seinen eigenen Angaben am 28. November 1997 zugestellt, die für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshof maßgebliche Rechtslage ist daher jene am 28. November 1997. Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1997 die Geschäftsverteilung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien für 1997 mit Ablauf des 31. Oktober 1997 auf. Diese Aufhebung wirkt gemäß Art139 Abs6 B-VG auf den Anlaßfall zurück, anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet wurde. Diesem sind aber auch jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986). Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren begann am 2. Oktober 1997. Die zu B3125/97 protokollierte Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am 24. Dezember 1997 ein, wurde sohin erst nach Beendigung des Verordnungsprüfungsverfahrens anhängig gemacht. Es ist daher im vorliegenden Fall von vornherein ausgeschlossen, daß die nunmehr vom Antragsteller vorgelegten neuen Tatsachen oder Beweismittel, die - nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers - bereits vor dem Zeitpunkt der Erlassung des im wieder aufzunehmenden Verfahren angefochtenen Bescheides vorgelegen sind, eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bewirkt hätten.

3.3. Der Wiederaufnahmeantrag ist somit gemäß §538 Abs1 iVm §530 Abs1 ZPO und §§34f VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

3.4. Der in eventu gestellte Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art144 Abs3 B-VG ist als verspätet zurückzuweisen.

Gemäß §87 Abs3 VerfGG hat, wenn der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde abgelehnt hat oder die Beschwerde abgewiesen hat, der Referent auszusprechen, daß die Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wird, wenn der Antrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gestellt wurde. Ein solcher Ausspruch hat nicht zu erfolgen, wenn es sich um einen Fall handelt, der nach Art133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist.

Der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1998 wurde dem Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben am 8. Juli 1998 zugestellt. Die zweiwöchige Frist zur Einbringung eines Antrages auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof endete daher am 22. Juli 1998. Der an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, in eventu gestellte Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde erst am 23. Juli 1998 - sohin verspätet - zur Post gegeben.

Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiederaufnahme, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1342.1998

Dokumentnummer

JFT_10018993_98B01342_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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