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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §2 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des B in M, vertreten durch Prof. Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller und Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. August 1998, Zl. VwSen-221511/2/Kl/Rd, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe - unter näherer Angabe von Tatort und Tatzeit - in einem landwirtschaftlichen Anwesen beim Neubau eines Stallgebäudes eine Holzverschalung angebracht und somit das bewilligungspflichtige gebundene Gewerbe "Zimmermeister" ausgeübt. Er habe dadurch "§ 366 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Z. 2 und § 341 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 i.d.g.F." verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Wesentlichen, der Beschwerdeführer selbst habe außer Streit gestellt, dass er beim Neubau eines Stallgebäudes eine Holzschalung angebracht habe und für diese Tätigkeit S 100,-- pro Stunde Entgelt kassiert habe. Diese Tätigkeit stelle eine Tätigkeit des Gewerbes "Zimmermeister" dar, sei selbstständig vom Beschwerdeführer ausgeübt worden, nehme längere Zeit in Anspruch und es sei auch ein wirtschaftlicher Vorteil erzielt worden, indem der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit ein Entgelt erhalten habe.
In der Folge wird näher dargelegt, dass es sich bei Tätigkeiten des Zimmermeisters, wie sie auch die Anbringung von Holzschalungen darstelle, nicht um eine mit der Land- und Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundene Erscheinungsform handle. Vielmehr handle es sich bei dieser Tätigkeit um eine solche, die losgelöst von der Land- und Forstwirtschaft üblicherweise von Gewerbetreibenden ausgeübt werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
Nach § 205 Abs. 1 GewO 1994 ist der Zimmermeister zur Ausführung von Bauarbeiten, bei denen Holz als Baustoff verwendet wird, wie zur Herstellung von Holzhäusern, Dachstühlen, Holzbrücken, Holzveranden, Holzstiegen, Holzbalkonen und dergleichen berechtigt.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 ist die Gewerbeordnung u.a. nicht auf die Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft (Abs. 4) anzuwenden.
Die Tätigkeiten, welche unter Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 2 Z. 2 GewO 1994 zu verstehen sind, sind im Abs. 4 dieser Gesetzesstelle taxativ aufgezählt. Nach der im gegebenen Zusammenhang allein in Betracht kommenden Bestimmung des ersten Halbsatzes der Z. 4 dieser Gesetzesstelle sind als solches Nebengewerbe Dienstleistungen zu verstehen, ausgenommen Fuhrwerksdienste (Z. 5 und 6), mit land- und forstwirtschaftlichen Betriebsmitteln, die im eigenen Betrieb verwendet werden, für andere land- und forstwirtschaftliche Betriebe in denselben oder einem angrenzenden Verwaltungsbezirk.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 26. Februar 1991, Zl. 90/04/0147 (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/04/0178), ausgeführt hat, enthalten die Tatbestände des § 2 Abs. 4 leg. cit. nicht insgesamt eine Definition des Begriffes "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft", vielmehr sind dort lediglich die Typen jener Tätigkeiten angeführt, die unter diesen Begriff fallen. Dieser Begriff enthält indessen über die Merkmale der ausdrücklich vorgesehenen einzelnen Tätigkeitstypen hinaus noch weitere Begriffsmerkmale, die allerdings nicht in Form einer ausdrücklichen Legaldefinition in die Gewerbeordnung Eingang gefunden haben. Diesem Begriff wohnen, unabhängig von der Typisierung der einzelnen nebengewerblichen Tätigkeiten in § 2 Abs. 4 leg. cit. die Begriffsmerkmale einer mit der Land- und Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundenen Erscheinungsform und der Unterordnung der gewerblichen Tätigkeit gegenüber der Land- und Forstwirtschaft inne. Das Kriterium der mit der Land- und Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundenen Erscheinungsform macht im Einzelfall Feststellungen darüber erforderlich, inwiefern die von einem Land- bzw. Forstwirt ausgeübten Tätigkeiten, die an sich dem Typus eines Nebengewerbes nach den in § 2 Abs. 4 leg. cit. aufgezählten Tatbeständen entsprechen, mit dem land- bzw. forstwirtschaftlichen Betrieb organisatorisch verflochten sind, wobei sich eine absolute Grenze der Unterstellbarkeit solcher Tätigkeiten unter den Begriff des "Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft" dort ergibt, wo die Ausübung der betreffenden Tätigkeiten dem Erscheinungsbild eines Betriebes entspricht, wie er in Ansehung der jeweils in Frage stehenden Tätigkeiten von einem Gewerbetreibenden losgelöst von der Land- und Forstwirtschaft geführt wird.
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die belangte Behörde habe festgestellt, er habe selbst außer Streit gestellt, dass er am 13. Mai 1997 um 14.15 Uhr im Anwesen seines Nachbarn beim Neubau des Stallgebäudes eine Holzschalung angebracht und für diese Tätigkeit S 100,-- pro Stunde Entgelt kassiert habe. Tatsächlich habe er jedoch in seinem Einspruch vom 2. Oktober 1997 gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 30. September 1997 lediglich außer Streit gestellt, dass er damals nach entsprechender Unterweisung durch seinen Nachbarn beim Stallgebäude einzelne Holzbretter montiert habe.
Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.
Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen im Beschwerdefall kein Anlass zu finden ist, hätte es zur Beurteilung, ob die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tätigkeit im Sinne der von der belangten Behörde getroffenen Annahme dem Zimmermannsgewerbe zu unterstellen ist, konkreter Feststellungen über die tatsächlich geleisteten Arbeiten des Beschwerdeführers bedurft (vgl. nochmals das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996). Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer lediglich außer Streit gestellt hat, dass er nach entsprechender Unterweisung durch seinen Nachbarn beim Stallgebäude einzelne Holzbretter montiert habe, insofern also den Standpunkt vertreten hat, nicht spezifische Zimmermannsarbeiten geleistet, sondern lediglich Hilfstätigkeiten besorgt zu haben.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 5. September 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998040182.X00Im RIS seit
29.10.2001